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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Meinate.
gefärbten Hautwülste beginnen hinter jedem Auge, ziehen sich über die Ohren dahin, verdicken sich hier
und heften sich mit einem schmalen Streifen an den Scheitel an. Ein anderer Flecken unter dem
Auge ist ebenfalls nackt und gelb gefärbt. Der Schnabel ist orangefarbig, der Fuß gelb, der Augen-
ring dunkelbraun.

Die Meinate bewohnt nach Jerdon hauptsächlich die Wälder Jndiens. Sie ist sehr häufig in
dem Rhatgebirge und auf andern Höhen bis zu 3000 Fuß über dem Meere, aber nicht gleichmäßig
über das Land vertheilt; denn sie tritt blos an gewissen Orten massenhaft auf. Man begegnet ihr
gewöhnlich in kleinen Flügen von fünf oder sechs Stück, während der kalten Jahreszeit jedoch auch
in großen Schwärmen, welche dann unter allen Umständen gemeinschaftlich übernachten, am liebsten
in Bambusdickichten an den Ufern von Gebirgsströmen.

[Abbildung] Die Meinate (Gracula musica).

Während ihres Freilebens frißt sie ausschließlich Früchte und Beeren der verschiedensten Art
und besucht deshalb alle nahrungsversprechenden Orte, oft nicht gerade zur Zufriedenheit des Besitzers.
Sie ist ein lebendiger, kluger und beweglicher Vogel, welcher in seinem Wesen und Betragen unserm
Staar am nächsten kommt. Jhr Gesang ist sehr reichhaltig, wechselvoll und anmuthend, obgleich auch
er einige unangenehme Laute hat. Die Kunst, andere Töne nachzuahmen, besitzt die Atzel in hohem
Grade, und deshalb wird sie oft gezähmt. Sie gewöhnt sich rasch an ihren Gebieter, fliegt frei im
ganzen Haus umher oder aus und ein, sucht sich den größten Theil ihres Futters selbst, befreundet
sich mit den Hausthieren und ergötzt Jedermann durch ihr heiteres Wesen, ihre Gelehrigkeit und ihre
Nachahmungsgabe. Liebhaber versichern, daß sie hinsichtlich der letzteren alle Papageien bei weitem
übertreffe. Sie lernt nicht nur den Ton der menschlichen Stimme genau nachahmen, sondern merkt
sich, wie der bestsprechende Papagei, ganze Zeilen, lernt Lieder pfeifen, ja selbst fingen und hat dabei

Meinate.
gefärbten Hautwülſte beginnen hinter jedem Auge, ziehen ſich über die Ohren dahin, verdicken ſich hier
und heften ſich mit einem ſchmalen Streifen an den Scheitel an. Ein anderer Flecken unter dem
Auge iſt ebenfalls nackt und gelb gefärbt. Der Schnabel iſt orangefarbig, der Fuß gelb, der Augen-
ring dunkelbraun.

Die Meinate bewohnt nach Jerdon hauptſächlich die Wälder Jndiens. Sie iſt ſehr häufig in
dem Rhatgebirge und auf andern Höhen bis zu 3000 Fuß über dem Meere, aber nicht gleichmäßig
über das Land vertheilt; denn ſie tritt blos an gewiſſen Orten maſſenhaft auf. Man begegnet ihr
gewöhnlich in kleinen Flügen von fünf oder ſechs Stück, während der kalten Jahreszeit jedoch auch
in großen Schwärmen, welche dann unter allen Umſtänden gemeinſchaftlich übernachten, am liebſten
in Bambusdickichten an den Ufern von Gebirgsſtrömen.

[Abbildung] Die Meinate (Gracula musica).

Während ihres Freilebens frißt ſie ausſchließlich Früchte und Beeren der verſchiedenſten Art
und beſucht deshalb alle nahrungsverſprechenden Orte, oft nicht gerade zur Zufriedenheit des Beſitzers.
Sie iſt ein lebendiger, kluger und beweglicher Vogel, welcher in ſeinem Weſen und Betragen unſerm
Staar am nächſten kommt. Jhr Geſang iſt ſehr reichhaltig, wechſelvoll und anmuthend, obgleich auch
er einige unangenehme Laute hat. Die Kunſt, andere Töne nachzuahmen, beſitzt die Atzel in hohem
Grade, und deshalb wird ſie oft gezähmt. Sie gewöhnt ſich raſch an ihren Gebieter, fliegt frei im
ganzen Haus umher oder aus und ein, ſucht ſich den größten Theil ihres Futters ſelbſt, befreundet
ſich mit den Hausthieren und ergötzt Jedermann durch ihr heiteres Weſen, ihre Gelehrigkeit und ihre
Nachahmungsgabe. Liebhaber verſichern, daß ſie hinſichtlich der letzteren alle Papageien bei weitem
übertreffe. Sie lernt nicht nur den Ton der menſchlichen Stimme genau nachahmen, ſondern merkt
ſich, wie der beſtſprechende Papagei, ganze Zeilen, lernt Lieder pfeifen, ja ſelbſt fingen und hat dabei

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[303/0327] Meinate. gefärbten Hautwülſte beginnen hinter jedem Auge, ziehen ſich über die Ohren dahin, verdicken ſich hier und heften ſich mit einem ſchmalen Streifen an den Scheitel an. Ein anderer Flecken unter dem Auge iſt ebenfalls nackt und gelb gefärbt. Der Schnabel iſt orangefarbig, der Fuß gelb, der Augen- ring dunkelbraun. Die Meinate bewohnt nach Jerdon hauptſächlich die Wälder Jndiens. Sie iſt ſehr häufig in dem Rhatgebirge und auf andern Höhen bis zu 3000 Fuß über dem Meere, aber nicht gleichmäßig über das Land vertheilt; denn ſie tritt blos an gewiſſen Orten maſſenhaft auf. Man begegnet ihr gewöhnlich in kleinen Flügen von fünf oder ſechs Stück, während der kalten Jahreszeit jedoch auch in großen Schwärmen, welche dann unter allen Umſtänden gemeinſchaftlich übernachten, am liebſten in Bambusdickichten an den Ufern von Gebirgsſtrömen. [Abbildung Die Meinate (Gracula musica).] Während ihres Freilebens frißt ſie ausſchließlich Früchte und Beeren der verſchiedenſten Art und beſucht deshalb alle nahrungsverſprechenden Orte, oft nicht gerade zur Zufriedenheit des Beſitzers. Sie iſt ein lebendiger, kluger und beweglicher Vogel, welcher in ſeinem Weſen und Betragen unſerm Staar am nächſten kommt. Jhr Geſang iſt ſehr reichhaltig, wechſelvoll und anmuthend, obgleich auch er einige unangenehme Laute hat. Die Kunſt, andere Töne nachzuahmen, beſitzt die Atzel in hohem Grade, und deshalb wird ſie oft gezähmt. Sie gewöhnt ſich raſch an ihren Gebieter, fliegt frei im ganzen Haus umher oder aus und ein, ſucht ſich den größten Theil ihres Futters ſelbſt, befreundet ſich mit den Hausthieren und ergötzt Jedermann durch ihr heiteres Weſen, ihre Gelehrigkeit und ihre Nachahmungsgabe. Liebhaber verſichern, daß ſie hinſichtlich der letzteren alle Papageien bei weitem übertreffe. Sie lernt nicht nur den Ton der menſchlichen Stimme genau nachahmen, ſondern merkt ſich, wie der beſtſprechende Papagei, ganze Zeilen, lernt Lieder pfeifen, ja ſelbſt fingen und hat dabei

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/327>, abgerufen am 22.11.2024.