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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.

Der Bluthänfling bewohnt ganz Europa und den größten Theil Nordasiens, auch Kleinasien
und Syrien. Auf dem Zuge erscheint er regelmäßig in Nordwestafrika, sehr selten aber in den nord-
östlichen Ländern dieses Erdtheils, z. B. in Egypten. Jn Deutschland ist er überall häufig, am
gemeinsten vielleicht in hügeligen Gegenden. Hohe Gebirge meidet er, ausgedehnte Waldungen nicht
minder.

Unter unsern Finken gehört der Hänfling zu den liebenswürdigsten und anmuthigsten, abgesehen
von seiner Gesangskunst, welche ihn zu einem der beliebtesten Stubenvögel stempelt. "Der Blut-
häufling", sagt mein Vater, welcher ihn sehr genau beschrieben hat, "ist ein gesellschaftlicher, munterer,
flüchtiger und ziemlich scheuer Vogel. Er ist außer der Brutzeit immer in kleinen und großen Flügen
bei einander; selbst während der Brutzeit habe ich mehrere zusammengesehen. Jm Herbste, gewöhn-
lich schon im August, schlagen sich die Bluthänflinge in große Herden zusammen, so daß ich auf hun-
dert und mehrere in einem Zuge gesehen habe. Jm Winter mischen sie sich unter die Grünlinge,
auch unter die Edel- und Bergfinken, Feldsperlinge und Goldammern. Jm Frühjahre
sondern sie sich nach der Paarung von einander ab, brüten aber oft in friedlicher Nähe neben einander."

"Merkwürdig ist es, wie sehr dieser Vogel selbst während der Brutzeit hin und her streicht. Jn
meinem Garten singt im Frühjahre und Vorsommer fast alle Morgen ein Bluthänfling, der eine
Viertelstunde weit davon sein Nest hat. Solange das Weibchen nicht über den Eiern oder Jungen
sitzt, fliegt es mit dem Männchen umher. Deswegen sieht man sie dann immer beisammen."

"Wie treu sich beide Gatten lieben, habe ich oft mit Bedauern bemerkt; wenn ich ein Männchen
oder Weibchen von einem Paare geschossen hatte, flog das übrig gebliebene ängstlich lockend lange in
der Nähe herum und wollte sich nicht von dem Orte trennen, ohne den treuen Gatten mitzunehmen.
Ebenso zärtlich lieben sie ihre Eier und Jungen; sie lassen sich bei den letztern sehr leicht fangen."

"Der Flug ist leicht, ziemlich schnell, in Absätzen und schwebend, besonders wenn der Vogel sich
setzen will, oft im Kreise sich herumdrehend; oft nähert sich der Hänfling im Fluge dem Boden, so daß
man glaubt, er wolle sich niederlassen; er erhebt sich aber nicht selten wieder und fliegt eine große
Strecke weiter."

"Auf der Erde hüpft er ziemlich geschickt herum. Wenn er auf Bäumen singt, sitzt er gewöhnlich
auf der höchsten Spitze oder auf einem einzeln stehenden Aste; dies thut er auch auf Büschen, beson-
ders auf Fichten- und Tannenbüschen; überhaupt sitzt er gern auf dem Wipfel, auch wenn er nicht
singt."

Lockstimme und Gesang werden von meinem Vater als ganz bekannt vorausgesetzt, und er sagt
deshalb ferner nur, daß der Häufling den Gesang sitzend und fliegend hören lasse, vom März an bis
in den August hinein, und daß die Jungen gleich nach ihrer Herbstmauserung und an schönen Winter-
tagen im November und Dezember eifrig singen. Jch habe deshalb hier Einiges hinzuzufügen. Die
Lockstimme des Hänflings ist ein kurzes, hartes "Gäck" oder "Gäcker", welches häufig mehrmals
schnell hinter einander ausgestoßen wird. Jhm wird oft ein wohlklingendes "Lü" zugefügt, zumal
wenn die Vögel etwas Verdächtiges bemerken. Der Gesang, einer der besten, welchen ein Fink über-
haupt vorträgt, fängt gewöhnlich mit dem erwähnten "Gäckgäck" an. Diesen Lauten werden aber
flötende, klangvolle Töne beigemischt und sie wie jene mit viel Abwechslung und Feuer vorgetragen.
Jung eingefangene Männchen lernen leicht Gesänge anderer Vögel nachahmen oder Liedchen nach-
pfeifen, fassen aber leider auch unangenehme Töne auf und werden dann zu unleidlichen Stümpern.
Mein Vater erwähnt eines Bluthänflingsmännchens, welches den Schlag des Edelfinken täuschend
nachahmte und eines andern, welches den Zeisiggesang vollständig erlernt hatte; Naumann berich-
tet von solchen, welche die Lieder der Stieglitze, Lerchen und selbst der Nachtigallen vortrugen.

Bereits im April schreitet der Hänfling zum Nestbau, und während des Sommers nistet er min-
destens zwei, gewöhnlich aber drei Mal. Das Nest wird am liebsten in Vor- oder Feldhölzern, aber
auch in einzelnen Büschen angelegt, meist niedrig über dem Boden. Es besteht äußerlich aus Reiser-
chen, Würzelchen und Grasstengeln, Haidekraut und dergl., welche Stoffe nach innen zu immer feiner

Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.

Der Bluthänfling bewohnt ganz Europa und den größten Theil Nordaſiens, auch Kleinaſien
und Syrien. Auf dem Zuge erſcheint er regelmäßig in Nordweſtafrika, ſehr ſelten aber in den nord-
öſtlichen Ländern dieſes Erdtheils, z. B. in Egypten. Jn Deutſchland iſt er überall häufig, am
gemeinſten vielleicht in hügeligen Gegenden. Hohe Gebirge meidet er, ausgedehnte Waldungen nicht
minder.

Unter unſern Finken gehört der Hänfling zu den liebenswürdigſten und anmuthigſten, abgeſehen
von ſeiner Geſangskunſt, welche ihn zu einem der beliebteſten Stubenvögel ſtempelt. „Der Blut-
häufling‟, ſagt mein Vater, welcher ihn ſehr genau beſchrieben hat, „iſt ein geſellſchaftlicher, munterer,
flüchtiger und ziemlich ſcheuer Vogel. Er iſt außer der Brutzeit immer in kleinen und großen Flügen
bei einander; ſelbſt während der Brutzeit habe ich mehrere zuſammengeſehen. Jm Herbſte, gewöhn-
lich ſchon im Auguſt, ſchlagen ſich die Bluthänflinge in große Herden zuſammen, ſo daß ich auf hun-
dert und mehrere in einem Zuge geſehen habe. Jm Winter miſchen ſie ſich unter die Grünlinge,
auch unter die Edel- und Bergfinken, Feldſperlinge und Goldammern. Jm Frühjahre
ſondern ſie ſich nach der Paarung von einander ab, brüten aber oft in friedlicher Nähe neben einander.‟

„Merkwürdig iſt es, wie ſehr dieſer Vogel ſelbſt während der Brutzeit hin und her ſtreicht. Jn
meinem Garten ſingt im Frühjahre und Vorſommer faſt alle Morgen ein Bluthänfling, der eine
Viertelſtunde weit davon ſein Neſt hat. Solange das Weibchen nicht über den Eiern oder Jungen
ſitzt, fliegt es mit dem Männchen umher. Deswegen ſieht man ſie dann immer beiſammen.‟

„Wie treu ſich beide Gatten lieben, habe ich oft mit Bedauern bemerkt; wenn ich ein Männchen
oder Weibchen von einem Paare geſchoſſen hatte, flog das übrig gebliebene ängſtlich lockend lange in
der Nähe herum und wollte ſich nicht von dem Orte trennen, ohne den treuen Gatten mitzunehmen.
Ebenſo zärtlich lieben ſie ihre Eier und Jungen; ſie laſſen ſich bei den letztern ſehr leicht fangen.‟

„Der Flug iſt leicht, ziemlich ſchnell, in Abſätzen und ſchwebend, beſonders wenn der Vogel ſich
ſetzen will, oft im Kreiſe ſich herumdrehend; oft nähert ſich der Hänfling im Fluge dem Boden, ſo daß
man glaubt, er wolle ſich niederlaſſen; er erhebt ſich aber nicht ſelten wieder und fliegt eine große
Strecke weiter.‟

„Auf der Erde hüpft er ziemlich geſchickt herum. Wenn er auf Bäumen ſingt, ſitzt er gewöhnlich
auf der höchſten Spitze oder auf einem einzeln ſtehenden Aſte; dies thut er auch auf Büſchen, beſon-
ders auf Fichten- und Tannenbüſchen; überhaupt ſitzt er gern auf dem Wipfel, auch wenn er nicht
ſingt.‟

Lockſtimme und Geſang werden von meinem Vater als ganz bekannt vorausgeſetzt, und er ſagt
deshalb ferner nur, daß der Häufling den Geſang ſitzend und fliegend hören laſſe, vom März an bis
in den Auguſt hinein, und daß die Jungen gleich nach ihrer Herbſtmauſerung und an ſchönen Winter-
tagen im November und Dezember eifrig ſingen. Jch habe deshalb hier Einiges hinzuzufügen. Die
Lockſtimme des Hänflings iſt ein kurzes, hartes „Gäck‟ oder „Gäcker‟, welches häufig mehrmals
ſchnell hinter einander ausgeſtoßen wird. Jhm wird oft ein wohlklingendes „Lü‟ zugefügt, zumal
wenn die Vögel etwas Verdächtiges bemerken. Der Geſang, einer der beſten, welchen ein Fink über-
haupt vorträgt, fängt gewöhnlich mit dem erwähnten „Gäckgäck‟ an. Dieſen Lauten werden aber
flötende, klangvolle Töne beigemiſcht und ſie wie jene mit viel Abwechslung und Feuer vorgetragen.
Jung eingefangene Männchen lernen leicht Geſänge anderer Vögel nachahmen oder Liedchen nach-
pfeifen, faſſen aber leider auch unangenehme Töne auf und werden dann zu unleidlichen Stümpern.
Mein Vater erwähnt eines Bluthänflingsmännchens, welches den Schlag des Edelfinken täuſchend
nachahmte und eines andern, welches den Zeiſiggeſang vollſtändig erlernt hatte; Naumann berich-
tet von ſolchen, welche die Lieder der Stieglitze, Lerchen und ſelbſt der Nachtigallen vortrugen.

Bereits im April ſchreitet der Hänfling zum Neſtbau, und während des Sommers niſtet er min-
deſtens zwei, gewöhnlich aber drei Mal. Das Neſt wird am liebſten in Vor- oder Feldhölzern, aber
auch in einzelnen Büſchen angelegt, meiſt niedrig über dem Boden. Es beſteht äußerlich aus Reiſer-
chen, Würzelchen und Grasſtengeln, Haidekraut und dergl., welche Stoffe nach innen zu immer feiner

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[142/0160] Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken. Der Bluthänfling bewohnt ganz Europa und den größten Theil Nordaſiens, auch Kleinaſien und Syrien. Auf dem Zuge erſcheint er regelmäßig in Nordweſtafrika, ſehr ſelten aber in den nord- öſtlichen Ländern dieſes Erdtheils, z. B. in Egypten. Jn Deutſchland iſt er überall häufig, am gemeinſten vielleicht in hügeligen Gegenden. Hohe Gebirge meidet er, ausgedehnte Waldungen nicht minder. Unter unſern Finken gehört der Hänfling zu den liebenswürdigſten und anmuthigſten, abgeſehen von ſeiner Geſangskunſt, welche ihn zu einem der beliebteſten Stubenvögel ſtempelt. „Der Blut- häufling‟, ſagt mein Vater, welcher ihn ſehr genau beſchrieben hat, „iſt ein geſellſchaftlicher, munterer, flüchtiger und ziemlich ſcheuer Vogel. Er iſt außer der Brutzeit immer in kleinen und großen Flügen bei einander; ſelbſt während der Brutzeit habe ich mehrere zuſammengeſehen. Jm Herbſte, gewöhn- lich ſchon im Auguſt, ſchlagen ſich die Bluthänflinge in große Herden zuſammen, ſo daß ich auf hun- dert und mehrere in einem Zuge geſehen habe. Jm Winter miſchen ſie ſich unter die Grünlinge, auch unter die Edel- und Bergfinken, Feldſperlinge und Goldammern. Jm Frühjahre ſondern ſie ſich nach der Paarung von einander ab, brüten aber oft in friedlicher Nähe neben einander.‟ „Merkwürdig iſt es, wie ſehr dieſer Vogel ſelbſt während der Brutzeit hin und her ſtreicht. Jn meinem Garten ſingt im Frühjahre und Vorſommer faſt alle Morgen ein Bluthänfling, der eine Viertelſtunde weit davon ſein Neſt hat. Solange das Weibchen nicht über den Eiern oder Jungen ſitzt, fliegt es mit dem Männchen umher. Deswegen ſieht man ſie dann immer beiſammen.‟ „Wie treu ſich beide Gatten lieben, habe ich oft mit Bedauern bemerkt; wenn ich ein Männchen oder Weibchen von einem Paare geſchoſſen hatte, flog das übrig gebliebene ängſtlich lockend lange in der Nähe herum und wollte ſich nicht von dem Orte trennen, ohne den treuen Gatten mitzunehmen. Ebenſo zärtlich lieben ſie ihre Eier und Jungen; ſie laſſen ſich bei den letztern ſehr leicht fangen.‟ „Der Flug iſt leicht, ziemlich ſchnell, in Abſätzen und ſchwebend, beſonders wenn der Vogel ſich ſetzen will, oft im Kreiſe ſich herumdrehend; oft nähert ſich der Hänfling im Fluge dem Boden, ſo daß man glaubt, er wolle ſich niederlaſſen; er erhebt ſich aber nicht ſelten wieder und fliegt eine große Strecke weiter.‟ „Auf der Erde hüpft er ziemlich geſchickt herum. Wenn er auf Bäumen ſingt, ſitzt er gewöhnlich auf der höchſten Spitze oder auf einem einzeln ſtehenden Aſte; dies thut er auch auf Büſchen, beſon- ders auf Fichten- und Tannenbüſchen; überhaupt ſitzt er gern auf dem Wipfel, auch wenn er nicht ſingt.‟ Lockſtimme und Geſang werden von meinem Vater als ganz bekannt vorausgeſetzt, und er ſagt deshalb ferner nur, daß der Häufling den Geſang ſitzend und fliegend hören laſſe, vom März an bis in den Auguſt hinein, und daß die Jungen gleich nach ihrer Herbſtmauſerung und an ſchönen Winter- tagen im November und Dezember eifrig ſingen. Jch habe deshalb hier Einiges hinzuzufügen. Die Lockſtimme des Hänflings iſt ein kurzes, hartes „Gäck‟ oder „Gäcker‟, welches häufig mehrmals ſchnell hinter einander ausgeſtoßen wird. Jhm wird oft ein wohlklingendes „Lü‟ zugefügt, zumal wenn die Vögel etwas Verdächtiges bemerken. Der Geſang, einer der beſten, welchen ein Fink über- haupt vorträgt, fängt gewöhnlich mit dem erwähnten „Gäckgäck‟ an. Dieſen Lauten werden aber flötende, klangvolle Töne beigemiſcht und ſie wie jene mit viel Abwechslung und Feuer vorgetragen. Jung eingefangene Männchen lernen leicht Geſänge anderer Vögel nachahmen oder Liedchen nach- pfeifen, faſſen aber leider auch unangenehme Töne auf und werden dann zu unleidlichen Stümpern. Mein Vater erwähnt eines Bluthänflingsmännchens, welches den Schlag des Edelfinken täuſchend nachahmte und eines andern, welches den Zeiſiggeſang vollſtändig erlernt hatte; Naumann berich- tet von ſolchen, welche die Lieder der Stieglitze, Lerchen und ſelbſt der Nachtigallen vortrugen. Bereits im April ſchreitet der Hänfling zum Neſtbau, und während des Sommers niſtet er min- deſtens zwei, gewöhnlich aber drei Mal. Das Neſt wird am liebſten in Vor- oder Feldhölzern, aber auch in einzelnen Büſchen angelegt, meiſt niedrig über dem Boden. Es beſteht äußerlich aus Reiſer- chen, Würzelchen und Grasſtengeln, Haidekraut und dergl., welche Stoffe nach innen zu immer feiner

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/160>, abgerufen am 27.04.2024.