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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.
Buchstaben zusammensetzen, so hüpft er an den in einer Reihe liegenden Buchstaben hin und nimmt
jedes Mal denjenigen, bei welchem ihm sein Herr winkt, u. s. w."



Bei der großen Aehnlichkeit aller finkenartigen Vögel hält es schwer, für die einzelnen Familien
Merkmale anzugeben, welche wirklich unterscheidende sind. Nach der blosen Beschreibung dürfte es
dem Unkundigen sehr schwer werden, die verschiedenen Finken den betreffenden Familien einzureihen.
Ein solches Unternehmen verlangt erst eine genaue Kenntniß der Gesammtheit; dann stellen sich Merk-
male heraus, welche allerdings leichter ersehen, als durch Worte beschrieben werden, aber doch genü-
gen, falls man es nicht gerade mit einzelnen Arten zu thun hat, welche den Uebergang von einer
Gruppe zur andern vermitteln.

Als die Urbilder der Finken überhaupt werden von den Naturforschern europäische und bezüglich
deutsche Arten betrachtet. Es geschieht Dies nicht blos aus dem Grunde, weil sie den ersten Natur-
beschreibern zunächst zur Beobachtung vorgelegen haben, sondern auch deshalb, weil sie wirklich fast
alle Eigenschaften der Finkenvögel in sich vereinigen. Diesen Thieren hat man den Namen Edelfinken
gegeben und den altwissenschaftlichen Namen Fringillae belassen. Sie haben in Asien und in Nord-
amerika Verwandte, gehören aber doch im wesentlichen unserm Europa an. Jm allgemeinen kenn-
zeichnet sie ein gestreckter, länglicher, kreiselförmiger, ziemlich stumpfspitziger Schnabel, ein mittelhoher
Fuß, ein schmaler, ziemlich spitzer Flügel und ein ziemlich langer am Ende meistens ausgeschnit-
tener Schwanz. Der Leibesbau pflegt lang und gestreckt zu sein; das Gefieder ist ziemlich knapp, bei
dem Männchen gewöhnlich lebhaft und nach den Jahreszeiten verschieden gezeichnet. Die Weibchen
sind kleiner und minder schön als die Männchen, und die Jungen ähneln, wenigstens nach Vermau-
serung des Nestkleides, ihren Müttern. Mehr läßt sich im allgemeinen kaum über sie sagen.

Wälder und Baumpflanzungen ganz Europas, auch wohl felsige, nur mit niederm Baum-
wuchs bestandene Gegenden bilden die Aufenthaltsorte dieser Vögel. Sie leben gesellig unter sich und
mit andern Arten, keineswegs aber immer friedlich zusammen; einige sind vielmehr herrschsüchtige und
zänkische Gesellen, welche selbst dann, wenn die Noth sie vereinigt, mit ihren Genossen Kampf und
Streit beginnen. Sämereien der verschiedensten Pflanzen und im Hochsommer Kerbthiere bilden ihre
Nahrung. Die Jungen werden vorzugsweise mit Kerbthieren groß gefüttert. Die Männchen von
allen Arten sind fleißige, und die einiger Arten sehr geschätzte Sänger. Beliebt und wohlgelitten sind
sie eigentlich alle. Sie schaden wenig, bringen im Gegentheil nicht unbeträchtlichen Nutzen und
erfreuen außerdem durch ihre Lebhaftigkeit im Betragen und die angenehmen Lieder, welche sie hören
lassen. Jn Deutschland gehören sie zu den Zug- oder wenigstens Strichvögeln; wanderlustig sind sie
ohne Ausnahme, obgleich nicht alle größere Reisen antreten. Einige verweilen auch in strengen Win-
tern in unserm Vaterlande. Sie erscheinen frühzeitig im Jahre und beginnen sehr bald den Bau
ihrer künstlichen und schönen Nester, brüten ein bis drei Mal während des Sommers, scharen sich
dann in großen Flügen zusammen, schweifen noch von Gau zu Gau und wandern dann allmählich
nach südlicher gelegenen Gegenden.

Die vortrefflichen Eigenschaften der Edelfinken, ihre hohen, geistigen Begabungen, ihr reichhal-
tiger Gesang, ihre leichte Zähmbarkeit und ihre Genügsamkeit endlich, so weit es sich um Nahrung
handelt, lassen die Finkenliebhaberei, welche namentlich in einigen Gegenden unseres Vaterlandes all-
gemein ist, als sehr erklärlich erscheinen. Sie sind Haus- und Stubengenossen des Menschen von
Alters her und werden an einzelnen Orten mehr noch als die Nachtigall geschätzt, verehrt, ja förmlich
vergöttert. Nicht wenigen Menschen sind sie ein Gegenstand der lebhaftesten Theilnahme, fortwäh-
render Unterhaltung, ja nothwendige Bedingung zum Glücklichsein. Diese Worte sind buchstäblich zu
nehmen; aber nur Derjenige, welcher selbst unter Finkenliebhabern gelebt hat, kann verstehen, wie
und warum Dem so ist. Der Fink und namentlich der Edelfink gehört in gewissen Gegenden Deutsch-

Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.
Buchſtaben zuſammenſetzen, ſo hüpft er an den in einer Reihe liegenden Buchſtaben hin und nimmt
jedes Mal denjenigen, bei welchem ihm ſein Herr winkt, u. ſ. w.‟



Bei der großen Aehnlichkeit aller finkenartigen Vögel hält es ſchwer, für die einzelnen Familien
Merkmale anzugeben, welche wirklich unterſcheidende ſind. Nach der bloſen Beſchreibung dürfte es
dem Unkundigen ſehr ſchwer werden, die verſchiedenen Finken den betreffenden Familien einzureihen.
Ein ſolches Unternehmen verlangt erſt eine genaue Kenntniß der Geſammtheit; dann ſtellen ſich Merk-
male heraus, welche allerdings leichter erſehen, als durch Worte beſchrieben werden, aber doch genü-
gen, falls man es nicht gerade mit einzelnen Arten zu thun hat, welche den Uebergang von einer
Gruppe zur andern vermitteln.

Als die Urbilder der Finken überhaupt werden von den Naturforſchern europäiſche und bezüglich
deutſche Arten betrachtet. Es geſchieht Dies nicht blos aus dem Grunde, weil ſie den erſten Natur-
beſchreibern zunächſt zur Beobachtung vorgelegen haben, ſondern auch deshalb, weil ſie wirklich faſt
alle Eigenſchaften der Finkenvögel in ſich vereinigen. Dieſen Thieren hat man den Namen Edelfinken
gegeben und den altwiſſenſchaftlichen Namen Fringillae belaſſen. Sie haben in Aſien und in Nord-
amerika Verwandte, gehören aber doch im weſentlichen unſerm Europa an. Jm allgemeinen kenn-
zeichnet ſie ein geſtreckter, länglicher, kreiſelförmiger, ziemlich ſtumpfſpitziger Schnabel, ein mittelhoher
Fuß, ein ſchmaler, ziemlich ſpitzer Flügel und ein ziemlich langer am Ende meiſtens ausgeſchnit-
tener Schwanz. Der Leibesbau pflegt lang und geſtreckt zu ſein; das Gefieder iſt ziemlich knapp, bei
dem Männchen gewöhnlich lebhaft und nach den Jahreszeiten verſchieden gezeichnet. Die Weibchen
ſind kleiner und minder ſchön als die Männchen, und die Jungen ähneln, wenigſtens nach Vermau-
ſerung des Neſtkleides, ihren Müttern. Mehr läßt ſich im allgemeinen kaum über ſie ſagen.

Wälder und Baumpflanzungen ganz Europas, auch wohl felſige, nur mit niederm Baum-
wuchs beſtandene Gegenden bilden die Aufenthaltsorte dieſer Vögel. Sie leben geſellig unter ſich und
mit andern Arten, keineswegs aber immer friedlich zuſammen; einige ſind vielmehr herrſchſüchtige und
zänkiſche Geſellen, welche ſelbſt dann, wenn die Noth ſie vereinigt, mit ihren Genoſſen Kampf und
Streit beginnen. Sämereien der verſchiedenſten Pflanzen und im Hochſommer Kerbthiere bilden ihre
Nahrung. Die Jungen werden vorzugsweiſe mit Kerbthieren groß gefüttert. Die Männchen von
allen Arten ſind fleißige, und die einiger Arten ſehr geſchätzte Sänger. Beliebt und wohlgelitten ſind
ſie eigentlich alle. Sie ſchaden wenig, bringen im Gegentheil nicht unbeträchtlichen Nutzen und
erfreuen außerdem durch ihre Lebhaftigkeit im Betragen und die angenehmen Lieder, welche ſie hören
laſſen. Jn Deutſchland gehören ſie zu den Zug- oder wenigſtens Strichvögeln; wanderluſtig ſind ſie
ohne Ausnahme, obgleich nicht alle größere Reiſen antreten. Einige verweilen auch in ſtrengen Win-
tern in unſerm Vaterlande. Sie erſcheinen frühzeitig im Jahre und beginnen ſehr bald den Bau
ihrer künſtlichen und ſchönen Neſter, brüten ein bis drei Mal während des Sommers, ſcharen ſich
dann in großen Flügen zuſammen, ſchweifen noch von Gau zu Gau und wandern dann allmählich
nach ſüdlicher gelegenen Gegenden.

Die vortrefflichen Eigenſchaften der Edelfinken, ihre hohen, geiſtigen Begabungen, ihr reichhal-
tiger Geſang, ihre leichte Zähmbarkeit und ihre Genügſamkeit endlich, ſo weit es ſich um Nahrung
handelt, laſſen die Finkenliebhaberei, welche namentlich in einigen Gegenden unſeres Vaterlandes all-
gemein iſt, als ſehr erklärlich erſcheinen. Sie ſind Haus- und Stubengenoſſen des Menſchen von
Alters her und werden an einzelnen Orten mehr noch als die Nachtigall geſchätzt, verehrt, ja förmlich
vergöttert. Nicht wenigen Menſchen ſind ſie ein Gegenſtand der lebhafteſten Theilnahme, fortwäh-
render Unterhaltung, ja nothwendige Bedingung zum Glücklichſein. Dieſe Worte ſind buchſtäblich zu
nehmen; aber nur Derjenige, welcher ſelbſt unter Finkenliebhabern gelebt hat, kann verſtehen, wie
und warum Dem ſo iſt. Der Fink und namentlich der Edelfink gehört in gewiſſen Gegenden Deutſch-

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[130/0148] Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken. Buchſtaben zuſammenſetzen, ſo hüpft er an den in einer Reihe liegenden Buchſtaben hin und nimmt jedes Mal denjenigen, bei welchem ihm ſein Herr winkt, u. ſ. w.‟ Bei der großen Aehnlichkeit aller finkenartigen Vögel hält es ſchwer, für die einzelnen Familien Merkmale anzugeben, welche wirklich unterſcheidende ſind. Nach der bloſen Beſchreibung dürfte es dem Unkundigen ſehr ſchwer werden, die verſchiedenen Finken den betreffenden Familien einzureihen. Ein ſolches Unternehmen verlangt erſt eine genaue Kenntniß der Geſammtheit; dann ſtellen ſich Merk- male heraus, welche allerdings leichter erſehen, als durch Worte beſchrieben werden, aber doch genü- gen, falls man es nicht gerade mit einzelnen Arten zu thun hat, welche den Uebergang von einer Gruppe zur andern vermitteln. Als die Urbilder der Finken überhaupt werden von den Naturforſchern europäiſche und bezüglich deutſche Arten betrachtet. Es geſchieht Dies nicht blos aus dem Grunde, weil ſie den erſten Natur- beſchreibern zunächſt zur Beobachtung vorgelegen haben, ſondern auch deshalb, weil ſie wirklich faſt alle Eigenſchaften der Finkenvögel in ſich vereinigen. Dieſen Thieren hat man den Namen Edelfinken gegeben und den altwiſſenſchaftlichen Namen Fringillae belaſſen. Sie haben in Aſien und in Nord- amerika Verwandte, gehören aber doch im weſentlichen unſerm Europa an. Jm allgemeinen kenn- zeichnet ſie ein geſtreckter, länglicher, kreiſelförmiger, ziemlich ſtumpfſpitziger Schnabel, ein mittelhoher Fuß, ein ſchmaler, ziemlich ſpitzer Flügel und ein ziemlich langer am Ende meiſtens ausgeſchnit- tener Schwanz. Der Leibesbau pflegt lang und geſtreckt zu ſein; das Gefieder iſt ziemlich knapp, bei dem Männchen gewöhnlich lebhaft und nach den Jahreszeiten verſchieden gezeichnet. Die Weibchen ſind kleiner und minder ſchön als die Männchen, und die Jungen ähneln, wenigſtens nach Vermau- ſerung des Neſtkleides, ihren Müttern. Mehr läßt ſich im allgemeinen kaum über ſie ſagen. Wälder und Baumpflanzungen ganz Europas, auch wohl felſige, nur mit niederm Baum- wuchs beſtandene Gegenden bilden die Aufenthaltsorte dieſer Vögel. Sie leben geſellig unter ſich und mit andern Arten, keineswegs aber immer friedlich zuſammen; einige ſind vielmehr herrſchſüchtige und zänkiſche Geſellen, welche ſelbſt dann, wenn die Noth ſie vereinigt, mit ihren Genoſſen Kampf und Streit beginnen. Sämereien der verſchiedenſten Pflanzen und im Hochſommer Kerbthiere bilden ihre Nahrung. Die Jungen werden vorzugsweiſe mit Kerbthieren groß gefüttert. Die Männchen von allen Arten ſind fleißige, und die einiger Arten ſehr geſchätzte Sänger. Beliebt und wohlgelitten ſind ſie eigentlich alle. Sie ſchaden wenig, bringen im Gegentheil nicht unbeträchtlichen Nutzen und erfreuen außerdem durch ihre Lebhaftigkeit im Betragen und die angenehmen Lieder, welche ſie hören laſſen. Jn Deutſchland gehören ſie zu den Zug- oder wenigſtens Strichvögeln; wanderluſtig ſind ſie ohne Ausnahme, obgleich nicht alle größere Reiſen antreten. Einige verweilen auch in ſtrengen Win- tern in unſerm Vaterlande. Sie erſcheinen frühzeitig im Jahre und beginnen ſehr bald den Bau ihrer künſtlichen und ſchönen Neſter, brüten ein bis drei Mal während des Sommers, ſcharen ſich dann in großen Flügen zuſammen, ſchweifen noch von Gau zu Gau und wandern dann allmählich nach ſüdlicher gelegenen Gegenden. Die vortrefflichen Eigenſchaften der Edelfinken, ihre hohen, geiſtigen Begabungen, ihr reichhal- tiger Geſang, ihre leichte Zähmbarkeit und ihre Genügſamkeit endlich, ſo weit es ſich um Nahrung handelt, laſſen die Finkenliebhaberei, welche namentlich in einigen Gegenden unſeres Vaterlandes all- gemein iſt, als ſehr erklärlich erſcheinen. Sie ſind Haus- und Stubengenoſſen des Menſchen von Alters her und werden an einzelnen Orten mehr noch als die Nachtigall geſchätzt, verehrt, ja förmlich vergöttert. Nicht wenigen Menſchen ſind ſie ein Gegenſtand der lebhafteſten Theilnahme, fortwäh- render Unterhaltung, ja nothwendige Bedingung zum Glücklichſein. Dieſe Worte ſind buchſtäblich zu nehmen; aber nur Derjenige, welcher ſelbſt unter Finkenliebhabern gelebt hat, kann verſtehen, wie und warum Dem ſo iſt. Der Fink und namentlich der Edelfink gehört in gewiſſen Gegenden Deutſch-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/148>, abgerufen am 22.11.2024.