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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Schilu.
einem ihrer Baue flüchten. Wo die Gegend nicht felsig ist, graben sie sich unter starken Bäumen
Röhren von großer Ausdehnung, wenigstens muß man Dies aus den hohen Haufen schließen, welche
vor ihren Fluchtröhren aufgeworfen werden. Die Baue näher zu untersuchen, hat seine große
Schwierigkeit, weil sie regelmäßig zwischen dem Wurzelwerk der Bäume verlaufen. Jst die Woh-
nung unter Felsblöcken angelegt, so ist es nicht besser; denn das Zieselhörnchen hat sich sicher den
unzugänglichsten Platz ausgesucht.

Jm Dorfe Mensa hatte sich ein Pärchen des Schilu die Kirche und den Friedhof zu seinen
Wohnsitzen erkoren, und trieb sich lustig und furchtlos vor Aller Augen umher. Die hohen Kegel,
welche man über den Gräbern aufthürmt und mit blendendweißen Quarzstücken belegt, mochten ihm
passende Zufluchtsorte bieten; denn das eine oder das andere Mitglied des Pärchens verschwand
hier oft vor unseren Augen. Allerliebst sah es aus, wenn eins der Thiere sich auf die Spitze eines
jener Grabhügel setzte: es nahm dann ganz die bezeichnende Stellung unseres Eichhörnchens an. Jch
habe den Schilu wie die Sabera nur auf dem Boden bemerkt, niemals auf Bäumen oder Sträuchern.
Hier sind sie ebenso gewandt, als unser Eichhörnchen in seinem Wohngebiet. Der Gang ist leicht

[Abbildung] Der Schilu (Xerus rutilus).
und wegen der hohen Läuse ziemlich schnell, doch gehen beide mehr schrittweise, als die wahren Eich-
hörnchen. Jn ihrem Wesen zeigen sie viel Leben und Rastlosigkeit. Jede Ritze, jedes Loch wird
geprüft, untersucht und womöglich durchkrochen. Die hellen Augen sind ohne Unterlaß in Be-
wegung, um irgend etwas Genießbares auszuspähen. Knospen und Blätter scheinen die Haupt-
nahrung zu bilden; aber auch kleine Vögel, Eier und Kerbthiere werden nicht verschmäht. Selbst
unter den Nagern dürfte es wenig bissigere Thiere geben, als die Zieselhörnchen es sind. Streitlustig
sieht man sie umherschauen, angegriffen, muthvoll sich vertheidigen. Abgeschlossene oder gefangene
beißen fürchterlich. Sie werden auch niemals zahm, sondern bezeigen beständig eine namenlose Wuth
und beißen grimmig nach Jedem, der sich ihnen nähert. Guter Behandlung scheinen sie vollkommen
unzugänglich zu sein: kurz, ihr geistiges Wesen steht entschieden auf niederer Stufe.

Ueber die Fortpflanzung habe ich nichts Genaueres erfahren können. Jch sah nur ein Mal eine
Familie von vier Stück und vermuthe deshalb, daß die Zieselhörnchen blos zwei Junge werfen.
Hiermit steht auch die gleiche Zitzenzahl des Weibchens vollständig im Einklang.

Brehm, Thierleben. II. 6

Der Schilu.
einem ihrer Baue flüchten. Wo die Gegend nicht felſig iſt, graben ſie ſich unter ſtarken Bäumen
Röhren von großer Ausdehnung, wenigſtens muß man Dies aus den hohen Haufen ſchließen, welche
vor ihren Fluchtröhren aufgeworfen werden. Die Baue näher zu unterſuchen, hat ſeine große
Schwierigkeit, weil ſie regelmäßig zwiſchen dem Wurzelwerk der Bäume verlaufen. Jſt die Woh-
nung unter Felsblöcken angelegt, ſo iſt es nicht beſſer; denn das Zieſelhörnchen hat ſich ſicher den
unzugänglichſten Platz ausgeſucht.

Jm Dorfe Menſa hatte ſich ein Pärchen des Schilu die Kirche und den Friedhof zu ſeinen
Wohnſitzen erkoren, und trieb ſich luſtig und furchtlos vor Aller Augen umher. Die hohen Kegel,
welche man über den Gräbern aufthürmt und mit blendendweißen Quarzſtücken belegt, mochten ihm
paſſende Zufluchtsorte bieten; denn das eine oder das andere Mitglied des Pärchens verſchwand
hier oft vor unſeren Augen. Allerliebſt ſah es aus, wenn eins der Thiere ſich auf die Spitze eines
jener Grabhügel ſetzte: es nahm dann ganz die bezeichnende Stellung unſeres Eichhörnchens an. Jch
habe den Schilu wie die Sabera nur auf dem Boden bemerkt, niemals auf Bäumen oder Sträuchern.
Hier ſind ſie ebenſo gewandt, als unſer Eichhörnchen in ſeinem Wohngebiet. Der Gang iſt leicht

[Abbildung] Der Schilu (Xerus rutilus).
und wegen der hohen Läuſe ziemlich ſchnell, doch gehen beide mehr ſchrittweiſe, als die wahren Eich-
hörnchen. Jn ihrem Weſen zeigen ſie viel Leben und Raſtloſigkeit. Jede Ritze, jedes Loch wird
geprüft, unterſucht und womöglich durchkrochen. Die hellen Augen ſind ohne Unterlaß in Be-
wegung, um irgend etwas Genießbares auszuſpähen. Knospen und Blätter ſcheinen die Haupt-
nahrung zu bilden; aber auch kleine Vögel, Eier und Kerbthiere werden nicht verſchmäht. Selbſt
unter den Nagern dürfte es wenig biſſigere Thiere geben, als die Zieſelhörnchen es ſind. Streitluſtig
ſieht man ſie umherſchauen, angegriffen, muthvoll ſich vertheidigen. Abgeſchloſſene oder gefangene
beißen fürchterlich. Sie werden auch niemals zahm, ſondern bezeigen beſtändig eine namenloſe Wuth
und beißen grimmig nach Jedem, der ſich ihnen nähert. Guter Behandlung ſcheinen ſie vollkommen
unzugänglich zu ſein: kurz, ihr geiſtiges Weſen ſteht entſchieden auf niederer Stufe.

Ueber die Fortpflanzung habe ich nichts Genaueres erfahren können. Jch ſah nur ein Mal eine
Familie von vier Stück und vermuthe deshalb, daß die Zieſelhörnchen blos zwei Junge werfen.
Hiermit ſteht auch die gleiche Zitzenzahl des Weibchens vollſtändig im Einklang.

Brehm, Thierleben. II. 6
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[81/0095] Der Schilu. einem ihrer Baue flüchten. Wo die Gegend nicht felſig iſt, graben ſie ſich unter ſtarken Bäumen Röhren von großer Ausdehnung, wenigſtens muß man Dies aus den hohen Haufen ſchließen, welche vor ihren Fluchtröhren aufgeworfen werden. Die Baue näher zu unterſuchen, hat ſeine große Schwierigkeit, weil ſie regelmäßig zwiſchen dem Wurzelwerk der Bäume verlaufen. Jſt die Woh- nung unter Felsblöcken angelegt, ſo iſt es nicht beſſer; denn das Zieſelhörnchen hat ſich ſicher den unzugänglichſten Platz ausgeſucht. Jm Dorfe Menſa hatte ſich ein Pärchen des Schilu die Kirche und den Friedhof zu ſeinen Wohnſitzen erkoren, und trieb ſich luſtig und furchtlos vor Aller Augen umher. Die hohen Kegel, welche man über den Gräbern aufthürmt und mit blendendweißen Quarzſtücken belegt, mochten ihm paſſende Zufluchtsorte bieten; denn das eine oder das andere Mitglied des Pärchens verſchwand hier oft vor unſeren Augen. Allerliebſt ſah es aus, wenn eins der Thiere ſich auf die Spitze eines jener Grabhügel ſetzte: es nahm dann ganz die bezeichnende Stellung unſeres Eichhörnchens an. Jch habe den Schilu wie die Sabera nur auf dem Boden bemerkt, niemals auf Bäumen oder Sträuchern. Hier ſind ſie ebenſo gewandt, als unſer Eichhörnchen in ſeinem Wohngebiet. Der Gang iſt leicht [Abbildung Der Schilu (Xerus rutilus).] und wegen der hohen Läuſe ziemlich ſchnell, doch gehen beide mehr ſchrittweiſe, als die wahren Eich- hörnchen. Jn ihrem Weſen zeigen ſie viel Leben und Raſtloſigkeit. Jede Ritze, jedes Loch wird geprüft, unterſucht und womöglich durchkrochen. Die hellen Augen ſind ohne Unterlaß in Be- wegung, um irgend etwas Genießbares auszuſpähen. Knospen und Blätter ſcheinen die Haupt- nahrung zu bilden; aber auch kleine Vögel, Eier und Kerbthiere werden nicht verſchmäht. Selbſt unter den Nagern dürfte es wenig biſſigere Thiere geben, als die Zieſelhörnchen es ſind. Streitluſtig ſieht man ſie umherſchauen, angegriffen, muthvoll ſich vertheidigen. Abgeſchloſſene oder gefangene beißen fürchterlich. Sie werden auch niemals zahm, ſondern bezeigen beſtändig eine namenloſe Wuth und beißen grimmig nach Jedem, der ſich ihnen nähert. Guter Behandlung ſcheinen ſie vollkommen unzugänglich zu ſein: kurz, ihr geiſtiges Weſen ſteht entſchieden auf niederer Stufe. Ueber die Fortpflanzung habe ich nichts Genaueres erfahren können. Jch ſah nur ein Mal eine Familie von vier Stück und vermuthe deshalb, daß die Zieſelhörnchen blos zwei Junge werfen. Hiermit ſteht auch die gleiche Zitzenzahl des Weibchens vollſtändig im Einklang. Brehm, Thierleben. II. 6

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/95>, abgerufen am 04.05.2024.