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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Schnabeldelfin. -- Der Pottfisch.
ges von kaum mehr als einem Fuß Länge. Außerdem erfuhr man noch, daß die Mutter ihr Kind mit
derselben Zärtlichkeit behandelt, wie andere Delfine.

Nur die Noth treibt den Menschen an, die ganz unschuldige Jnia zu verfolgen. Das Fleisch ist
hart, der Speck gering und die Haut wenig zur Verarbeitung geeignet; hier und da soll man Schilde
aus ihr fertigen. Einen anderen Nutzen gewährt das Thier nicht.



Unter dem Namen Platanista erwähnt Plinius eines Delfins, welcher im Ganges lebt
und nach seiner Beschreibung 23 Fuß lang werden soll. Das Thier ist wirklich vorhanden, aber
freilich viel kleiner, als der alte berühmte Forscher angibt, nämlich nur 7 Fuß lang. Der sehr
schlanke Leibesbau und die halbmondförmige und getheilte Schwanzflosse, die aufwärts gebogene
und verdickte Schnauze und das Sförmig gebogene Spritzloch unterscheiden diesen Wal, den Su-
suk
der Jndier oder den Schnabeldelfin des Ganges (Platanista gangetica) hinlänglich von
seinen Verwandten. Jn den Kiefern stehen 30 bis 32 starke, kegelförmig gestaltete, etwas nach
rückwärts gekrümmte, spitze Zähne, unter denen die vordersten die längsten und schlanksten sind.
Die Fettflosse auf dem Rücken ist nur durch eine erhabene Fetthaut angedeutet. Oben ist sie grau-
lichschwarz, unten graulichweiß gefärbt.

Soviel bisjetzt bekannt, lebt dieses merkwürdige Thier nur im Ganges und seinen verschiedenen
Armen. Jn diesem Strome kommt es oft bis tief in das Land, doch hält es sich gewöhnlich mehr nahe
der Mündung auf. Es ist gesellig wie die übrigen, nährt sich von Fischen, Schal- und Wasser-
thieren und, wie man sagt, auch von Früchten und Reisähren, welche es da wegnimmt, wo die
Felder bis hart an den Strom stoßen. Sein langer Schnabel macht es ihm möglich, auch den
Schlamm und das Röhricht nach Schalthieren zu durchsuchen. Gewöhnlich schwimmt es nur lang-
sam und schwerfällig dahin, bei Verfolgung der Fische aber zeigt er sich als echter Delfin und jagt
pfeilschnell durch die Fluthen. Die Jndier stellen ihm seines Speckes wegen nach, weil sie diesen
als ein wirksames Mittel gegen Lähmung, Gliederschmerzen und andere Uebel betrachten. Das
Fleisch wird von den Fischern nur als Köder zum Fang anderer wohlschmeckender Gangesbewohner
benutzt. Hierauf beschränkt sich bisjetzt unsere Kenntniß.



Noch sind die Naturforscher nicht einig darüber, ob sie in einem der riefigsten Meeresbewohner,
dem Pottfisch (Physeter macrocephalus), den Vertreter einer eigenen Familie oder blos einer
Sippe anzusehen haben, welche letztere man dann der Familie der Delfine zuzählen müßte. Durch
die ungeheure Größe des Leibes und den gewaltigen, dicken Kopf, welcher mindestens ein Dritt-
theil der Leibeslänge einnimmt, unterscheidet sich der Pottfisch allerdings mehr noch von den Del-
finen, als von den Walen, der Bau des Schädels aber und die Zähne, welche seine Kiefern be-
waffnen, erinnern wiederum an jenen raschen und raubgierigen Meersäuger, und weil gerade
Gebiß und Zahnbau gewöhnlich als maßgebend betrachtet werden, ist es erklärlich, daß Viele in
dem sonst so eigenthümlich gestalteten Geschöpfe nur einen Delfin erblicken wollen. Wir unsererseits
wollen den Pottfisch als ein Thier ansehen, welches sich von dem ihm zunächst stehenden Delfine
ungleich mehr unterscheidet, als Säugethiere, welche zu verschiedenen Familien gezählt werden
müssen, und erkennen ihn deshalb für würdig, eine besondere Familie zu bilden. Wenn es auch
begründet ist, daß man hinsichtlich der Säugethiere sagen kann: "Oeffne dein Maul, damit ich dich
kenne!", darf doch das Gebiß allein den Ausschlag nicht geben, wenn es sich darum handelt, einem

Der Schnabeldelfin. — Der Pottfiſch.
ges von kaum mehr als einem Fuß Länge. Außerdem erfuhr man noch, daß die Mutter ihr Kind mit
derſelben Zärtlichkeit behandelt, wie andere Delfine.

Nur die Noth treibt den Menſchen an, die ganz unſchuldige Jnia zu verfolgen. Das Fleiſch iſt
hart, der Speck gering und die Haut wenig zur Verarbeitung geeignet; hier und da ſoll man Schilde
aus ihr fertigen. Einen anderen Nutzen gewährt das Thier nicht.



Unter dem Namen Plataniſta erwähnt Plinius eines Delfins, welcher im Ganges lebt
und nach ſeiner Beſchreibung 23 Fuß lang werden ſoll. Das Thier iſt wirklich vorhanden, aber
freilich viel kleiner, als der alte berühmte Forſcher angibt, nämlich nur 7 Fuß lang. Der ſehr
ſchlanke Leibesbau und die halbmondförmige und getheilte Schwanzfloſſe, die aufwärts gebogene
und verdickte Schnauze und das Sförmig gebogene Spritzloch unterſcheiden dieſen Wal, den Su-
ſuk
der Jndier oder den Schnabeldelfin des Ganges (Platanista gangetica) hinlänglich von
ſeinen Verwandten. Jn den Kiefern ſtehen 30 bis 32 ſtarke, kegelförmig geſtaltete, etwas nach
rückwärts gekrümmte, ſpitze Zähne, unter denen die vorderſten die längſten und ſchlankſten ſind.
Die Fettfloſſe auf dem Rücken iſt nur durch eine erhabene Fetthaut angedeutet. Oben iſt ſie grau-
lichſchwarz, unten graulichweiß gefärbt.

Soviel bisjetzt bekannt, lebt dieſes merkwürdige Thier nur im Ganges und ſeinen verſchiedenen
Armen. Jn dieſem Strome kommt es oft bis tief in das Land, doch hält es ſich gewöhnlich mehr nahe
der Mündung auf. Es iſt geſellig wie die übrigen, nährt ſich von Fiſchen, Schal- und Waſſer-
thieren und, wie man ſagt, auch von Früchten und Reisähren, welche es da wegnimmt, wo die
Felder bis hart an den Strom ſtoßen. Sein langer Schnabel macht es ihm möglich, auch den
Schlamm und das Röhricht nach Schalthieren zu durchſuchen. Gewöhnlich ſchwimmt es nur lang-
ſam und ſchwerfällig dahin, bei Verfolgung der Fiſche aber zeigt er ſich als echter Delfin und jagt
pfeilſchnell durch die Fluthen. Die Jndier ſtellen ihm ſeines Speckes wegen nach, weil ſie dieſen
als ein wirkſames Mittel gegen Lähmung, Gliederſchmerzen und andere Uebel betrachten. Das
Fleiſch wird von den Fiſchern nur als Köder zum Fang anderer wohlſchmeckender Gangesbewohner
benutzt. Hierauf beſchränkt ſich bisjetzt unſere Kenntniß.



Noch ſind die Naturforſcher nicht einig darüber, ob ſie in einem der riefigſten Meeresbewohner,
dem Pottfiſch (Physeter macrocephalus), den Vertreter einer eigenen Familie oder blos einer
Sippe anzuſehen haben, welche letztere man dann der Familie der Delfine zuzählen müßte. Durch
die ungeheure Größe des Leibes und den gewaltigen, dicken Kopf, welcher mindeſtens ein Dritt-
theil der Leibeslänge einnimmt, unterſcheidet ſich der Pottfiſch allerdings mehr noch von den Del-
finen, als von den Walen, der Bau des Schädels aber und die Zähne, welche ſeine Kiefern be-
waffnen, erinnern wiederum an jenen raſchen und raubgierigen Meerſäuger, und weil gerade
Gebiß und Zahnbau gewöhnlich als maßgebend betrachtet werden, iſt es erklärlich, daß Viele in
dem ſonſt ſo eigenthümlich geſtalteten Geſchöpfe nur einen Delfin erblicken wollen. Wir unſererſeits
wollen den Pottfiſch als ein Thier anſehen, welches ſich von dem ihm zunächſt ſtehenden Delfine
ungleich mehr unterſcheidet, als Säugethiere, welche zu verſchiedenen Familien gezählt werden
müſſen, und erkennen ihn deshalb für würdig, eine beſondere Familie zu bilden. Wenn es auch
begründet iſt, daß man hinſichtlich der Säugethiere ſagen kann: „Oeffne dein Maul, damit ich dich
kenne!‟, darf doch das Gebiß allein den Ausſchlag nicht geben, wenn es ſich darum handelt, einem

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[855/0903] Der Schnabeldelfin. — Der Pottfiſch. ges von kaum mehr als einem Fuß Länge. Außerdem erfuhr man noch, daß die Mutter ihr Kind mit derſelben Zärtlichkeit behandelt, wie andere Delfine. Nur die Noth treibt den Menſchen an, die ganz unſchuldige Jnia zu verfolgen. Das Fleiſch iſt hart, der Speck gering und die Haut wenig zur Verarbeitung geeignet; hier und da ſoll man Schilde aus ihr fertigen. Einen anderen Nutzen gewährt das Thier nicht. Unter dem Namen Plataniſta erwähnt Plinius eines Delfins, welcher im Ganges lebt und nach ſeiner Beſchreibung 23 Fuß lang werden ſoll. Das Thier iſt wirklich vorhanden, aber freilich viel kleiner, als der alte berühmte Forſcher angibt, nämlich nur 7 Fuß lang. Der ſehr ſchlanke Leibesbau und die halbmondförmige und getheilte Schwanzfloſſe, die aufwärts gebogene und verdickte Schnauze und das Sförmig gebogene Spritzloch unterſcheiden dieſen Wal, den Su- ſuk der Jndier oder den Schnabeldelfin des Ganges (Platanista gangetica) hinlänglich von ſeinen Verwandten. Jn den Kiefern ſtehen 30 bis 32 ſtarke, kegelförmig geſtaltete, etwas nach rückwärts gekrümmte, ſpitze Zähne, unter denen die vorderſten die längſten und ſchlankſten ſind. Die Fettfloſſe auf dem Rücken iſt nur durch eine erhabene Fetthaut angedeutet. Oben iſt ſie grau- lichſchwarz, unten graulichweiß gefärbt. Soviel bisjetzt bekannt, lebt dieſes merkwürdige Thier nur im Ganges und ſeinen verſchiedenen Armen. Jn dieſem Strome kommt es oft bis tief in das Land, doch hält es ſich gewöhnlich mehr nahe der Mündung auf. Es iſt geſellig wie die übrigen, nährt ſich von Fiſchen, Schal- und Waſſer- thieren und, wie man ſagt, auch von Früchten und Reisähren, welche es da wegnimmt, wo die Felder bis hart an den Strom ſtoßen. Sein langer Schnabel macht es ihm möglich, auch den Schlamm und das Röhricht nach Schalthieren zu durchſuchen. Gewöhnlich ſchwimmt es nur lang- ſam und ſchwerfällig dahin, bei Verfolgung der Fiſche aber zeigt er ſich als echter Delfin und jagt pfeilſchnell durch die Fluthen. Die Jndier ſtellen ihm ſeines Speckes wegen nach, weil ſie dieſen als ein wirkſames Mittel gegen Lähmung, Gliederſchmerzen und andere Uebel betrachten. Das Fleiſch wird von den Fiſchern nur als Köder zum Fang anderer wohlſchmeckender Gangesbewohner benutzt. Hierauf beſchränkt ſich bisjetzt unſere Kenntniß. Noch ſind die Naturforſcher nicht einig darüber, ob ſie in einem der riefigſten Meeresbewohner, dem Pottfiſch (Physeter macrocephalus), den Vertreter einer eigenen Familie oder blos einer Sippe anzuſehen haben, welche letztere man dann der Familie der Delfine zuzählen müßte. Durch die ungeheure Größe des Leibes und den gewaltigen, dicken Kopf, welcher mindeſtens ein Dritt- theil der Leibeslänge einnimmt, unterſcheidet ſich der Pottfiſch allerdings mehr noch von den Del- finen, als von den Walen, der Bau des Schädels aber und die Zähne, welche ſeine Kiefern be- waffnen, erinnern wiederum an jenen raſchen und raubgierigen Meerſäuger, und weil gerade Gebiß und Zahnbau gewöhnlich als maßgebend betrachtet werden, iſt es erklärlich, daß Viele in dem ſonſt ſo eigenthümlich geſtalteten Geſchöpfe nur einen Delfin erblicken wollen. Wir unſererſeits wollen den Pottfiſch als ein Thier anſehen, welches ſich von dem ihm zunächſt ſtehenden Delfine ungleich mehr unterſcheidet, als Säugethiere, welche zu verſchiedenen Familien gezählt werden müſſen, und erkennen ihn deshalb für würdig, eine beſondere Familie zu bilden. Wenn es auch begründet iſt, daß man hinſichtlich der Säugethiere ſagen kann: „Oeffne dein Maul, damit ich dich kenne!‟, darf doch das Gebiß allein den Ausſchlag nicht geben, wenn es ſich darum handelt, einem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 855. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/903>, abgerufen am 23.11.2024.