verschlingen. Der Magen gestrandeter Grinde ist übrigens gewöhnlich leer, vielleicht, weil sie sich angesichts der Gefahr aus Angst erbrechen.
Man findet zu allen Zeiten des Jahres trächtige Weibchen und säugende Junge und glaubt des- halb, daß die Paarung an keine bestimmte Zeit gebunden ist. Der neugeborene Grind ist schon ein gegen sieben Fuß langes und so schweres Geschöpf, daß es kaum von einem Manne getragen werden kann. Die Mutter zeigt große Liebe für ihr Kind; sie säugt es auch dann noch, wenn sie schon auf dem Strande liegt und ihrem Tode entgegen sieht.
Den Nordländern ist der Grind eine so gewöhnliche Erscheinung, daß sie, wie es scheint, kaum der Mühe werth halten, eine ausführliche Beschreibung zu geben. Bereits seit den ältesten Zeiten bildet dieses Thier den Gegenstand der eifrigsten Verfolgung, einen Gegenstand, von welchem das Wohl oder das Wehe der armen Bewohner abhängt. Schon im alten Königsspiegel ist eine freilich etwas dunkle Beschreibung des Fanges enthalten. "Der Sild Reiki oder Fisk Reiki treibt," so heißt es dort, "die Häringe und alle Arten von Fischen in Menge aus dem hohen Meere nach dem Lande und leistet dem Menschen, anstatt ihm zu schaden, immerfort großen Nutzen, als wäre er dazu von Gott eigens bestimmt. Er bringt sie mit, so lange die Fischer das himmlische Geschenk (die Fische nämlich), welches das Meer ihnen bietet, in erlaubter Weise und dankbar annehmen; wenn aber Zank oder gar Schlägerei vorkommt und Blut ins Meer vergossen wird, treibt er, gleichsam als ob er es vorherwisse, die ganze Schar der Fische, welche er eben erst herbeigetrieben, ins hohe Meer zurück und beraubt auf diese Weise die Jnselbewohner des ihnen so nothwendigen Gewinnes." Erst durch viel spätere Beschreibungen ist klar geworden, was das alte Buch mit dem Blutvergießen im Meere meint. Graba, ein sehr sorgfältiger Naturforscher, beschreibt uns den Fang des Grind- wales auf den Farören in ebenso anziehender, als verständlicher Weise.
"Am 2. Juli," so erzählt er, "erscholl mit einem Male von allen Seiten her der laute Ruf "Grindabud". Dieser Ruf zeigt an, daß ein Haufen Grindwale durch ein Bot entdeckt worden sei. Jn einem Augenblick war ganz Thorshaven in Bewegung; aus allen Kehlen erscholl es Grindabud, und allgemeiner Jubel verkündete die Hoffnung, sich bald an einem Stück Walfleisch zu erlaben. Die Leute rannten durch die Gassen, als ob die Türken landen wollten. Hier liefen welche zu den Boten, dort andere mit Walfischmessern; dort wieder trabte eine Frau ihrem Manne nach mit einem Stück trockenen Fleisch, damit er nicht verhungere, Kinder wurden über den Haufen gerannt, und vor lau- ter Eifer fiel Einer aus dem Bote in die See. Jn Zeit von zehn Minuten stießen elf Achtmanns- fahrer vom Lande; die Jacken wurden ausgezogen, und die Ruder mit einem Eifer gebraucht, daß die Fahrzeuge wie ein Pfeil dahinschossen. Wir verfügten uns zum Amtmann, dessen Bote und Leute in Bereitschaft waren, und gingen mit ihm erst auf die Schanze, um von hier zu sehen, wo die Wale seien. Durch unser Fernrohr entdeckten wir zwei Bote, welche Grindabud anzeigten. Jetzt stieg eine hohe Rauchsäule beim nächsten Dorfe auf, gleich darauf eine auf einem benachbarten Berge; überall flammten Zeichen; Boten wurden zu allen benachbarten Ortschaften gesandt; der Fjord wimmelte von Fahrzeugen. Wir bestiegen die Jacht des Amtmanns und hatten bald alle übrigen eingeholt. Jetzt erblickten wir die Wale, um welche von allen Boten ein weiter Halbkreis geschlossen wurde. Zwi- schen zwanzig bis dreißig Bote, denen wir uns angeschlossen hatten, umringten, jedes etwa hun- dert Schritte von einander entfernt, den Haufen und trieben ihn langsam vor sich her, der Bucht von Thorshaven zu. Der vierte Theil aller Wale war ungefähr sichtbar; bald tauchte ein Kopf hervor und spie seinen Wasserstrahl aus, bald zeigte sich die hohe Rückenfinne, bald der ganze Oberkörper. Wollten sie den Versuch machen, unter die Fahrzeuge durchzuschwimmen, so wurden Steine und Stücken Blei an Schnüre befestigt, in das Wasser geworfen; schossen sie rasch vorwärts, so wurde gerudert, daß die Ruder abbrachen. Wo Unordnung vorfiel, wo einige Bote sich zu weit vordräng- ten oder Fehler begingen, dahin ließ der Amtmann sich rudern, was so schnell geschah, daß schwerlich ein Pferd im gestreckten Galoppe es mit der Jacht aufgenommen hätte."
Die Delfine. — Der Grind oder ſchwarze Delfin.
verſchlingen. Der Magen geſtrandeter Grinde iſt übrigens gewöhnlich leer, vielleicht, weil ſie ſich angeſichts der Gefahr aus Angſt erbrechen.
Man findet zu allen Zeiten des Jahres trächtige Weibchen und ſäugende Junge und glaubt des- halb, daß die Paarung an keine beſtimmte Zeit gebunden iſt. Der neugeborene Grind iſt ſchon ein gegen ſieben Fuß langes und ſo ſchweres Geſchöpf, daß es kaum von einem Manne getragen werden kann. Die Mutter zeigt große Liebe für ihr Kind; ſie ſäugt es auch dann noch, wenn ſie ſchon auf dem Strande liegt und ihrem Tode entgegen ſieht.
Den Nordländern iſt der Grind eine ſo gewöhnliche Erſcheinung, daß ſie, wie es ſcheint, kaum der Mühe werth halten, eine ausführliche Beſchreibung zu geben. Bereits ſeit den älteſten Zeiten bildet dieſes Thier den Gegenſtand der eifrigſten Verfolgung, einen Gegenſtand, von welchem das Wohl oder das Wehe der armen Bewohner abhängt. Schon im alten Königsſpiegel iſt eine freilich etwas dunkle Beſchreibung des Fanges enthalten. „Der Sild Reiki oder Fisk Reiki treibt,‟ ſo heißt es dort, „die Häringe und alle Arten von Fiſchen in Menge aus dem hohen Meere nach dem Lande und leiſtet dem Menſchen, anſtatt ihm zu ſchaden, immerfort großen Nutzen, als wäre er dazu von Gott eigens beſtimmt. Er bringt ſie mit, ſo lange die Fiſcher das himmliſche Geſchenk (die Fiſche nämlich), welches das Meer ihnen bietet, in erlaubter Weiſe und dankbar annehmen; wenn aber Zank oder gar Schlägerei vorkommt und Blut ins Meer vergoſſen wird, treibt er, gleichſam als ob er es vorherwiſſe, die ganze Schar der Fiſche, welche er eben erſt herbeigetrieben, ins hohe Meer zurück und beraubt auf dieſe Weiſe die Jnſelbewohner des ihnen ſo nothwendigen Gewinnes.‟ Erſt durch viel ſpätere Beſchreibungen iſt klar geworden, was das alte Buch mit dem Blutvergießen im Meere meint. Graba, ein ſehr ſorgfältiger Naturforſcher, beſchreibt uns den Fang des Grind- wales auf den Farören in ebenſo anziehender, als verſtändlicher Weiſe.
„Am 2. Juli,‟ ſo erzählt er, „erſcholl mit einem Male von allen Seiten her der laute Ruf „Grindabud‟. Dieſer Ruf zeigt an, daß ein Haufen Grindwale durch ein Bot entdeckt worden ſei. Jn einem Augenblick war ganz Thorshaven in Bewegung; aus allen Kehlen erſcholl es Grindabud, und allgemeiner Jubel verkündete die Hoffnung, ſich bald an einem Stück Walfleiſch zu erlaben. Die Leute rannten durch die Gaſſen, als ob die Türken landen wollten. Hier liefen welche zu den Boten, dort andere mit Walfiſchmeſſern; dort wieder trabte eine Frau ihrem Manne nach mit einem Stück trockenen Fleiſch, damit er nicht verhungere, Kinder wurden über den Haufen gerannt, und vor lau- ter Eifer fiel Einer aus dem Bote in die See. Jn Zeit von zehn Minuten ſtießen elf Achtmanns- fahrer vom Lande; die Jacken wurden ausgezogen, und die Ruder mit einem Eifer gebraucht, daß die Fahrzeuge wie ein Pfeil dahinſchoſſen. Wir verfügten uns zum Amtmann, deſſen Bote und Leute in Bereitſchaft waren, und gingen mit ihm erſt auf die Schanze, um von hier zu ſehen, wo die Wale ſeien. Durch unſer Fernrohr entdeckten wir zwei Bote, welche Grindabud anzeigten. Jetzt ſtieg eine hohe Rauchſäule beim nächſten Dorfe auf, gleich darauf eine auf einem benachbarten Berge; überall flammten Zeichen; Boten wurden zu allen benachbarten Ortſchaften geſandt; der Fjord wimmelte von Fahrzeugen. Wir beſtiegen die Jacht des Amtmanns und hatten bald alle übrigen eingeholt. Jetzt erblickten wir die Wale, um welche von allen Boten ein weiter Halbkreis geſchloſſen wurde. Zwi- ſchen zwanzig bis dreißig Bote, denen wir uns angeſchloſſen hatten, umringten, jedes etwa hun- dert Schritte von einander entfernt, den Haufen und trieben ihn langſam vor ſich her, der Bucht von Thorshaven zu. Der vierte Theil aller Wale war ungefähr ſichtbar; bald tauchte ein Kopf hervor und ſpie ſeinen Waſſerſtrahl aus, bald zeigte ſich die hohe Rückenfinne, bald der ganze Oberkörper. Wollten ſie den Verſuch machen, unter die Fahrzeuge durchzuſchwimmen, ſo wurden Steine und Stücken Blei an Schnüre befeſtigt, in das Waſſer geworfen; ſchoſſen ſie raſch vorwärts, ſo wurde gerudert, daß die Ruder abbrachen. Wo Unordnung vorfiel, wo einige Bote ſich zu weit vordräng- ten oder Fehler begingen, dahin ließ der Amtmann ſich rudern, was ſo ſchnell geſchah, daß ſchwerlich ein Pferd im geſtreckten Galoppe es mit der Jacht aufgenommen hätte.‟
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0888"n="840"/><fwplace="top"type="header">Die Delfine. — Der Grind oder ſchwarze Delfin.</fw><lb/>
verſchlingen. Der Magen geſtrandeter Grinde iſt übrigens gewöhnlich leer, vielleicht, weil ſie ſich<lb/>
angeſichts der Gefahr aus Angſt erbrechen.</p><lb/><p>Man findet zu allen Zeiten des Jahres trächtige Weibchen und ſäugende Junge und glaubt des-<lb/>
halb, daß die Paarung an keine beſtimmte Zeit gebunden iſt. Der neugeborene Grind iſt ſchon ein<lb/>
gegen ſieben Fuß langes und ſo ſchweres Geſchöpf, daß es kaum von einem Manne getragen werden<lb/>
kann. Die Mutter zeigt große Liebe für ihr Kind; ſie ſäugt es auch dann noch, wenn ſie ſchon auf<lb/>
dem Strande liegt und ihrem Tode entgegen ſieht.</p><lb/><p>Den Nordländern iſt der Grind eine ſo gewöhnliche Erſcheinung, daß ſie, wie es ſcheint, kaum<lb/>
der Mühe werth halten, eine ausführliche Beſchreibung zu geben. Bereits ſeit den älteſten Zeiten<lb/>
bildet dieſes Thier den Gegenſtand der eifrigſten Verfolgung, einen Gegenſtand, von welchem das<lb/>
Wohl oder das Wehe der armen Bewohner abhängt. Schon im alten Königsſpiegel iſt eine freilich<lb/>
etwas dunkle Beſchreibung des Fanges enthalten. „Der Sild Reiki oder Fisk Reiki treibt,‟ſo heißt<lb/>
es dort, „die Häringe und alle Arten von Fiſchen in Menge aus dem hohen Meere nach dem Lande<lb/>
und leiſtet dem Menſchen, anſtatt ihm zu ſchaden, immerfort großen Nutzen, als wäre er dazu von<lb/>
Gott eigens beſtimmt. Er bringt ſie mit, ſo lange die Fiſcher das himmliſche Geſchenk (die Fiſche<lb/>
nämlich), welches das Meer ihnen bietet, in erlaubter Weiſe und dankbar annehmen; wenn aber<lb/>
Zank oder gar Schlägerei vorkommt und Blut ins Meer vergoſſen wird, treibt er, gleichſam als ob<lb/>
er es vorherwiſſe, die ganze Schar der Fiſche, welche er eben erſt herbeigetrieben, ins hohe Meer<lb/>
zurück und beraubt auf dieſe Weiſe die Jnſelbewohner des ihnen ſo nothwendigen Gewinnes.‟ Erſt<lb/>
durch viel ſpätere Beſchreibungen iſt klar geworden, was das alte Buch mit dem Blutvergießen im<lb/>
Meere meint. <hirendition="#g">Graba,</hi> ein ſehr ſorgfältiger Naturforſcher, beſchreibt uns den Fang des Grind-<lb/>
wales auf den Farören in ebenſo anziehender, als verſtändlicher Weiſe.</p><lb/><p>„Am 2. Juli,‟ſo erzählt er, „erſcholl mit einem Male von allen Seiten her der laute Ruf<lb/>„Grindabud‟. Dieſer Ruf zeigt an, daß ein Haufen Grindwale durch ein Bot entdeckt worden ſei.<lb/>
Jn einem Augenblick war ganz Thorshaven in Bewegung; aus allen Kehlen erſcholl es Grindabud,<lb/>
und allgemeiner Jubel verkündete die Hoffnung, ſich bald an einem Stück Walfleiſch zu erlaben. Die<lb/>
Leute rannten durch die Gaſſen, als ob die Türken landen wollten. Hier liefen welche zu den Boten,<lb/>
dort andere mit Walfiſchmeſſern; dort wieder trabte eine Frau ihrem Manne nach mit einem Stück<lb/>
trockenen Fleiſch, damit er nicht verhungere, Kinder wurden über den Haufen gerannt, und vor lau-<lb/>
ter Eifer fiel Einer aus dem Bote in die See. Jn Zeit von zehn Minuten ſtießen elf Achtmanns-<lb/>
fahrer vom Lande; die Jacken wurden ausgezogen, und die Ruder mit einem Eifer gebraucht, daß die<lb/>
Fahrzeuge wie ein Pfeil dahinſchoſſen. Wir verfügten uns zum Amtmann, deſſen Bote und Leute in<lb/>
Bereitſchaft waren, und gingen mit ihm erſt auf die Schanze, um von hier zu ſehen, wo die Wale<lb/>ſeien. Durch unſer Fernrohr entdeckten wir zwei Bote, welche Grindabud anzeigten. Jetzt ſtieg eine<lb/>
hohe Rauchſäule beim nächſten Dorfe auf, gleich darauf eine auf einem benachbarten Berge; überall<lb/>
flammten Zeichen; Boten wurden zu allen benachbarten Ortſchaften geſandt; der Fjord wimmelte von<lb/>
Fahrzeugen. Wir beſtiegen die Jacht des Amtmanns und hatten bald alle übrigen eingeholt. Jetzt<lb/>
erblickten wir die Wale, um welche von allen Boten ein weiter Halbkreis geſchloſſen wurde. Zwi-<lb/>ſchen zwanzig bis dreißig Bote, denen wir uns angeſchloſſen hatten, umringten, jedes etwa hun-<lb/>
dert Schritte von einander entfernt, den Haufen und trieben ihn langſam vor ſich her, der Bucht von<lb/>
Thorshaven zu. Der vierte Theil aller Wale war ungefähr ſichtbar; bald tauchte ein Kopf hervor<lb/>
und ſpie ſeinen Waſſerſtrahl aus, bald zeigte ſich die hohe Rückenfinne, bald der ganze Oberkörper.<lb/>
Wollten ſie den Verſuch machen, unter die Fahrzeuge durchzuſchwimmen, ſo wurden Steine und<lb/>
Stücken Blei an Schnüre befeſtigt, in das Waſſer geworfen; ſchoſſen ſie raſch vorwärts, ſo wurde<lb/>
gerudert, daß die Ruder abbrachen. Wo Unordnung vorfiel, wo einige Bote ſich zu weit vordräng-<lb/>
ten oder Fehler begingen, dahin ließ der Amtmann ſich rudern, was ſo ſchnell geſchah, daß ſchwerlich<lb/>
ein Pferd im geſtreckten Galoppe es mit der Jacht aufgenommen hätte.‟</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[840/0888]
Die Delfine. — Der Grind oder ſchwarze Delfin.
verſchlingen. Der Magen geſtrandeter Grinde iſt übrigens gewöhnlich leer, vielleicht, weil ſie ſich
angeſichts der Gefahr aus Angſt erbrechen.
Man findet zu allen Zeiten des Jahres trächtige Weibchen und ſäugende Junge und glaubt des-
halb, daß die Paarung an keine beſtimmte Zeit gebunden iſt. Der neugeborene Grind iſt ſchon ein
gegen ſieben Fuß langes und ſo ſchweres Geſchöpf, daß es kaum von einem Manne getragen werden
kann. Die Mutter zeigt große Liebe für ihr Kind; ſie ſäugt es auch dann noch, wenn ſie ſchon auf
dem Strande liegt und ihrem Tode entgegen ſieht.
Den Nordländern iſt der Grind eine ſo gewöhnliche Erſcheinung, daß ſie, wie es ſcheint, kaum
der Mühe werth halten, eine ausführliche Beſchreibung zu geben. Bereits ſeit den älteſten Zeiten
bildet dieſes Thier den Gegenſtand der eifrigſten Verfolgung, einen Gegenſtand, von welchem das
Wohl oder das Wehe der armen Bewohner abhängt. Schon im alten Königsſpiegel iſt eine freilich
etwas dunkle Beſchreibung des Fanges enthalten. „Der Sild Reiki oder Fisk Reiki treibt,‟ ſo heißt
es dort, „die Häringe und alle Arten von Fiſchen in Menge aus dem hohen Meere nach dem Lande
und leiſtet dem Menſchen, anſtatt ihm zu ſchaden, immerfort großen Nutzen, als wäre er dazu von
Gott eigens beſtimmt. Er bringt ſie mit, ſo lange die Fiſcher das himmliſche Geſchenk (die Fiſche
nämlich), welches das Meer ihnen bietet, in erlaubter Weiſe und dankbar annehmen; wenn aber
Zank oder gar Schlägerei vorkommt und Blut ins Meer vergoſſen wird, treibt er, gleichſam als ob
er es vorherwiſſe, die ganze Schar der Fiſche, welche er eben erſt herbeigetrieben, ins hohe Meer
zurück und beraubt auf dieſe Weiſe die Jnſelbewohner des ihnen ſo nothwendigen Gewinnes.‟ Erſt
durch viel ſpätere Beſchreibungen iſt klar geworden, was das alte Buch mit dem Blutvergießen im
Meere meint. Graba, ein ſehr ſorgfältiger Naturforſcher, beſchreibt uns den Fang des Grind-
wales auf den Farören in ebenſo anziehender, als verſtändlicher Weiſe.
„Am 2. Juli,‟ ſo erzählt er, „erſcholl mit einem Male von allen Seiten her der laute Ruf
„Grindabud‟. Dieſer Ruf zeigt an, daß ein Haufen Grindwale durch ein Bot entdeckt worden ſei.
Jn einem Augenblick war ganz Thorshaven in Bewegung; aus allen Kehlen erſcholl es Grindabud,
und allgemeiner Jubel verkündete die Hoffnung, ſich bald an einem Stück Walfleiſch zu erlaben. Die
Leute rannten durch die Gaſſen, als ob die Türken landen wollten. Hier liefen welche zu den Boten,
dort andere mit Walfiſchmeſſern; dort wieder trabte eine Frau ihrem Manne nach mit einem Stück
trockenen Fleiſch, damit er nicht verhungere, Kinder wurden über den Haufen gerannt, und vor lau-
ter Eifer fiel Einer aus dem Bote in die See. Jn Zeit von zehn Minuten ſtießen elf Achtmanns-
fahrer vom Lande; die Jacken wurden ausgezogen, und die Ruder mit einem Eifer gebraucht, daß die
Fahrzeuge wie ein Pfeil dahinſchoſſen. Wir verfügten uns zum Amtmann, deſſen Bote und Leute in
Bereitſchaft waren, und gingen mit ihm erſt auf die Schanze, um von hier zu ſehen, wo die Wale
ſeien. Durch unſer Fernrohr entdeckten wir zwei Bote, welche Grindabud anzeigten. Jetzt ſtieg eine
hohe Rauchſäule beim nächſten Dorfe auf, gleich darauf eine auf einem benachbarten Berge; überall
flammten Zeichen; Boten wurden zu allen benachbarten Ortſchaften geſandt; der Fjord wimmelte von
Fahrzeugen. Wir beſtiegen die Jacht des Amtmanns und hatten bald alle übrigen eingeholt. Jetzt
erblickten wir die Wale, um welche von allen Boten ein weiter Halbkreis geſchloſſen wurde. Zwi-
ſchen zwanzig bis dreißig Bote, denen wir uns angeſchloſſen hatten, umringten, jedes etwa hun-
dert Schritte von einander entfernt, den Haufen und trieben ihn langſam vor ſich her, der Bucht von
Thorshaven zu. Der vierte Theil aller Wale war ungefähr ſichtbar; bald tauchte ein Kopf hervor
und ſpie ſeinen Waſſerſtrahl aus, bald zeigte ſich die hohe Rückenfinne, bald der ganze Oberkörper.
Wollten ſie den Verſuch machen, unter die Fahrzeuge durchzuſchwimmen, ſo wurden Steine und
Stücken Blei an Schnüre befeſtigt, in das Waſſer geworfen; ſchoſſen ſie raſch vorwärts, ſo wurde
gerudert, daß die Ruder abbrachen. Wo Unordnung vorfiel, wo einige Bote ſich zu weit vordräng-
ten oder Fehler begingen, dahin ließ der Amtmann ſich rudern, was ſo ſchnell geſchah, daß ſchwerlich
ein Pferd im geſtreckten Galoppe es mit der Jacht aufgenommen hätte.‟
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 840. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/888>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.