Theil des Leibes selbst genießen. Alle nordischen Völkerschaften stimmen überein, daß das Fleisch und der Speck der Beluga ein angenehmes Nahrungsmittel ist, und auch der alte Steller gibt ihnen hierin Recht. Brust- und Schwanzfinne gelten, wenn sie gut zubereitet wurden, als ganz besonderer Leckerbissen. Die Haut wird getrocknet und gegerbt und findet dann vielfach Verwendung. So fertigt man auf Kamtschatka Riemen an, welche ihrer Weichheit und Festigkeit wegen sehr ge- schätzt sind. Speck und Oel sind vorzüglich; leider aber ist das Thier an beiden so arm, daß sich nicht einmal die Kleinfischerei bezahlt macht.
Die hochnordischen Lande sind ebenso unwirthliche, als arme Landstriche. Sie sind nicht fähig, den Menschen allein zu ernähren und zu erhalten. Der Getreidebau ist kaum der Rede werth; das tägliche Brod muß vom fernen, reicheren Süden eingeführt werden. Aber die Natur behandelt die Nordländer doch nicht so stiefmütterlich, als wir leicht glauben möchten: was das Land ihnen ver- wehrt, ersetzt ihnen das Meer. Dieses ist der Acker, welchen der Bewohner jener Eilande bebaut; dieses ist seine Schatzkammer, sein Vorrathshaus, sein Ein und Alles. Jn keinem Theile der Erde weiter ist der Mensch so ausschließlich an das Meer gebunden, als im hohen Norden; in keinem an- deren Lande der Erde ist die Noth größer als hier, wenn das Meer einmal seine reichen Schätze nicht in gewohnter Weise erschließt. Vogelfang und Fischerei: diese beiden Gewerbe sind es, welche die Nordländer ernähren. Jedermann betreibt sie und Jedermann theilt deswegen auch die Mühen und die Sorgen, die Freuden und den Lohn, welchen sie mit sich bringen.
Unter allen Gaben nun, welche das Meer darbietet, ist für die Nordländer und zumal für die Färinger, Jsländer und die Bewohner der Orkneyinsel keine wichtiger, als die, welche es in Ge- stalt eines unserer Familie angehörigen Thiere darbietet. Der Wal, welchen ich meine, ist der Grind der Färinger, der Kaiug der Schotten und Putzkopper der Grönländer, ein Delfin, welcher mit noch einem anderen die Sippe der Kugelköpfe (Globicephalus) bildet. Eine stark gewölbte Stirn, welche bis zur Schnauzenspitze geradlinig abfällt, die verhältnißmäßig große Zahn- armuth und die langen, schmalen Brustflossen unterscheiden die Grindwale von anderen Delfinen. Der wichtigste von allen ist der im Norden außerordentlich häufige, eigentliche Grind- oder schwarze Delfin (Globicephalus globiceps), ein Thier von 16 bis 20 Fuß Länge, 10 Fuß Leibesumfang hin- ter den Finnen und bis 50 Centner Gewicht mit über 5 Fuß langen und 11/2 Fuß breiten Brustfin- nen und einer sehr niederen Fettflosse auf dem Rücken. Der Leib ist glänzendschwarz bis auf einen weißen, herzförmigen Flecken auf den Brustflossen, welcher streifenartig bis gegen den After hin ver- längert ist. Jn beiden Kiefern stehen jederseits 9 bis 13 Zähne in weiten Zwischenräumen von ein- ander und so, daß die oberen immer zwischen die unteren eingreifen und umgekehrt. Die Zähne sind kugelförmig, stark, ziemlich lang und enden in eine scharfe, etwas nach rück- und einwärts gekrümmte Spitze. Von vorn nach hinten nehmen sie allmählich an Länge zu; doch ragen sie kaum einen halben Zoll über das Zahnfleisch hervor. Sie fehlen den jungen Thieren wie denen, welche in das Greisen- alter treten; denn sie erscheinen erst ziemlich spät und fallen nach und nach gänzlich wieder aus.
Nach Scoresby's Untersuchung ist der Grind der häufigste und verbreitetste Delfin. Er findet sich im ganzen Eismeer und besucht vonhieraus theils das nördliche, theils das große Weltmeer, theils auch das atlantische und selbst das Mittelmeer, ohne jedoch regelmäßige Wanderungen zu un- ternehmen. Noch geselliger als seine Gattungsverwandten, schlägt er sich in Scharen von einigen hundert Stück zusammen, welche von einigen erfahrenen, alten Männchen geleitet werden. Diesen folgt die gesammte Masse mit derselben Gleichgiltigkeit, oder, wenn man will, Kopflosigkeit nach, wie die dummen Schafe ihrem Leithammel: sie folgt ihm selbst, wenn das Verderben sämmtlicher augen- scheinlich ist. Kein einziges Walthier strandet in solchen Massen wie der Grind: man kann sagen, daß er seinen Tod nicht im Meere, sondern auf dem Lande findet. Jm Jahre 1799 strandete eine
Die Delfine. — Der Grind oder ſchwarze Delfin.
Theil des Leibes ſelbſt genießen. Alle nordiſchen Völkerſchaften ſtimmen überein, daß das Fleiſch und der Speck der Beluga ein angenehmes Nahrungsmittel iſt, und auch der alte Steller gibt ihnen hierin Recht. Bruſt- und Schwanzfinne gelten, wenn ſie gut zubereitet wurden, als ganz beſonderer Leckerbiſſen. Die Haut wird getrocknet und gegerbt und findet dann vielfach Verwendung. So fertigt man auf Kamtſchatka Riemen an, welche ihrer Weichheit und Feſtigkeit wegen ſehr ge- ſchätzt ſind. Speck und Oel ſind vorzüglich; leider aber iſt das Thier an beiden ſo arm, daß ſich nicht einmal die Kleinfiſcherei bezahlt macht.
Die hochnordiſchen Lande ſind ebenſo unwirthliche, als arme Landſtriche. Sie ſind nicht fähig, den Menſchen allein zu ernähren und zu erhalten. Der Getreidebau iſt kaum der Rede werth; das tägliche Brod muß vom fernen, reicheren Süden eingeführt werden. Aber die Natur behandelt die Nordländer doch nicht ſo ſtiefmütterlich, als wir leicht glauben möchten: was das Land ihnen ver- wehrt, erſetzt ihnen das Meer. Dieſes iſt der Acker, welchen der Bewohner jener Eilande bebaut; dieſes iſt ſeine Schatzkammer, ſein Vorrathshaus, ſein Ein und Alles. Jn keinem Theile der Erde weiter iſt der Menſch ſo ausſchließlich an das Meer gebunden, als im hohen Norden; in keinem an- deren Lande der Erde iſt die Noth größer als hier, wenn das Meer einmal ſeine reichen Schätze nicht in gewohnter Weiſe erſchließt. Vogelfang und Fiſcherei: dieſe beiden Gewerbe ſind es, welche die Nordländer ernähren. Jedermann betreibt ſie und Jedermann theilt deswegen auch die Mühen und die Sorgen, die Freuden und den Lohn, welchen ſie mit ſich bringen.
Unter allen Gaben nun, welche das Meer darbietet, iſt für die Nordländer und zumal für die Färinger, Jsländer und die Bewohner der Orkneyinſel keine wichtiger, als die, welche es in Ge- ſtalt eines unſerer Familie angehörigen Thiere darbietet. Der Wal, welchen ich meine, iſt der Grind der Färinger, der Kaiug der Schotten und Putzkopper der Grönländer, ein Delfin, welcher mit noch einem anderen die Sippe der Kugelköpfe (Globicephalus) bildet. Eine ſtark gewölbte Stirn, welche bis zur Schnauzenſpitze geradlinig abfällt, die verhältnißmäßig große Zahn- armuth und die langen, ſchmalen Bruſtfloſſen unterſcheiden die Grindwale von anderen Delfinen. Der wichtigſte von allen iſt der im Norden außerordentlich häufige, eigentliche Grind- oder ſchwarze Delfin (Globicephalus globiceps), ein Thier von 16 bis 20 Fuß Länge, 10 Fuß Leibesumfang hin- ter den Finnen und bis 50 Centner Gewicht mit über 5 Fuß langen und 1½ Fuß breiten Bruſtfin- nen und einer ſehr niederen Fettfloſſe auf dem Rücken. Der Leib iſt glänzendſchwarz bis auf einen weißen, herzförmigen Flecken auf den Bruſtfloſſen, welcher ſtreifenartig bis gegen den After hin ver- längert iſt. Jn beiden Kiefern ſtehen jederſeits 9 bis 13 Zähne in weiten Zwiſchenräumen von ein- ander und ſo, daß die oberen immer zwiſchen die unteren eingreifen und umgekehrt. Die Zähne ſind kugelförmig, ſtark, ziemlich lang und enden in eine ſcharfe, etwas nach rück- und einwärts gekrümmte Spitze. Von vorn nach hinten nehmen ſie allmählich an Länge zu; doch ragen ſie kaum einen halben Zoll über das Zahnfleiſch hervor. Sie fehlen den jungen Thieren wie denen, welche in das Greiſen- alter treten; denn ſie erſcheinen erſt ziemlich ſpät und fallen nach und nach gänzlich wieder aus.
Nach Scoresby’s Unterſuchung iſt der Grind der häufigſte und verbreitetſte Delfin. Er findet ſich im ganzen Eismeer und beſucht vonhieraus theils das nördliche, theils das große Weltmeer, theils auch das atlantiſche und ſelbſt das Mittelmeer, ohne jedoch regelmäßige Wanderungen zu un- ternehmen. Noch geſelliger als ſeine Gattungsverwandten, ſchlägt er ſich in Scharen von einigen hundert Stück zuſammen, welche von einigen erfahrenen, alten Männchen geleitet werden. Dieſen folgt die geſammte Maſſe mit derſelben Gleichgiltigkeit, oder, wenn man will, Kopfloſigkeit nach, wie die dummen Schafe ihrem Leithammel: ſie folgt ihm ſelbſt, wenn das Verderben ſämmtlicher augen- ſcheinlich iſt. Kein einziges Walthier ſtrandet in ſolchen Maſſen wie der Grind: man kann ſagen, daß er ſeinen Tod nicht im Meere, ſondern auf dem Lande findet. Jm Jahre 1799 ſtrandete eine
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Die Delfine. — Der Grind oder ſchwarze Delfin.
Theil des Leibes ſelbſt genießen. Alle nordiſchen Völkerſchaften ſtimmen überein, daß das Fleiſch
und der Speck der Beluga ein angenehmes Nahrungsmittel iſt, und auch der alte Steller gibt
ihnen hierin Recht. Bruſt- und Schwanzfinne gelten, wenn ſie gut zubereitet wurden, als ganz
beſonderer Leckerbiſſen. Die Haut wird getrocknet und gegerbt und findet dann vielfach Verwendung.
So fertigt man auf Kamtſchatka Riemen an, welche ihrer Weichheit und Feſtigkeit wegen ſehr ge-
ſchätzt ſind. Speck und Oel ſind vorzüglich; leider aber iſt das Thier an beiden ſo arm, daß
ſich nicht einmal die Kleinfiſcherei bezahlt macht.
Die hochnordiſchen Lande ſind ebenſo unwirthliche, als arme Landſtriche. Sie ſind nicht fähig,
den Menſchen allein zu ernähren und zu erhalten. Der Getreidebau iſt kaum der Rede werth; das
tägliche Brod muß vom fernen, reicheren Süden eingeführt werden. Aber die Natur behandelt die
Nordländer doch nicht ſo ſtiefmütterlich, als wir leicht glauben möchten: was das Land ihnen ver-
wehrt, erſetzt ihnen das Meer. Dieſes iſt der Acker, welchen der Bewohner jener Eilande bebaut;
dieſes iſt ſeine Schatzkammer, ſein Vorrathshaus, ſein Ein und Alles. Jn keinem Theile der Erde
weiter iſt der Menſch ſo ausſchließlich an das Meer gebunden, als im hohen Norden; in keinem an-
deren Lande der Erde iſt die Noth größer als hier, wenn das Meer einmal ſeine reichen Schätze nicht
in gewohnter Weiſe erſchließt. Vogelfang und Fiſcherei: dieſe beiden Gewerbe ſind es, welche die
Nordländer ernähren. Jedermann betreibt ſie und Jedermann theilt deswegen auch die Mühen und
die Sorgen, die Freuden und den Lohn, welchen ſie mit ſich bringen.
Unter allen Gaben nun, welche das Meer darbietet, iſt für die Nordländer und zumal für die
Färinger, Jsländer und die Bewohner der Orkneyinſel keine wichtiger, als die, welche es in Ge-
ſtalt eines unſerer Familie angehörigen Thiere darbietet. Der Wal, welchen ich meine, iſt der
Grind der Färinger, der Kaiug der Schotten und Putzkopper der Grönländer, ein Delfin,
welcher mit noch einem anderen die Sippe der Kugelköpfe (Globicephalus) bildet. Eine ſtark
gewölbte Stirn, welche bis zur Schnauzenſpitze geradlinig abfällt, die verhältnißmäßig große Zahn-
armuth und die langen, ſchmalen Bruſtfloſſen unterſcheiden die Grindwale von anderen Delfinen.
Der wichtigſte von allen iſt der im Norden außerordentlich häufige, eigentliche Grind- oder ſchwarze
Delfin (Globicephalus globiceps), ein Thier von 16 bis 20 Fuß Länge, 10 Fuß Leibesumfang hin-
ter den Finnen und bis 50 Centner Gewicht mit über 5 Fuß langen und 1½ Fuß breiten Bruſtfin-
nen und einer ſehr niederen Fettfloſſe auf dem Rücken. Der Leib iſt glänzendſchwarz bis auf einen
weißen, herzförmigen Flecken auf den Bruſtfloſſen, welcher ſtreifenartig bis gegen den After hin ver-
längert iſt. Jn beiden Kiefern ſtehen jederſeits 9 bis 13 Zähne in weiten Zwiſchenräumen von ein-
ander und ſo, daß die oberen immer zwiſchen die unteren eingreifen und umgekehrt. Die Zähne ſind
kugelförmig, ſtark, ziemlich lang und enden in eine ſcharfe, etwas nach rück- und einwärts gekrümmte
Spitze. Von vorn nach hinten nehmen ſie allmählich an Länge zu; doch ragen ſie kaum einen halben
Zoll über das Zahnfleiſch hervor. Sie fehlen den jungen Thieren wie denen, welche in das Greiſen-
alter treten; denn ſie erſcheinen erſt ziemlich ſpät und fallen nach und nach gänzlich wieder aus.
Nach Scoresby’s Unterſuchung iſt der Grind der häufigſte und verbreitetſte Delfin. Er findet
ſich im ganzen Eismeer und beſucht vonhieraus theils das nördliche, theils das große Weltmeer,
theils auch das atlantiſche und ſelbſt das Mittelmeer, ohne jedoch regelmäßige Wanderungen zu un-
ternehmen. Noch geſelliger als ſeine Gattungsverwandten, ſchlägt er ſich in Scharen von einigen
hundert Stück zuſammen, welche von einigen erfahrenen, alten Männchen geleitet werden. Dieſen
folgt die geſammte Maſſe mit derſelben Gleichgiltigkeit, oder, wenn man will, Kopfloſigkeit nach, wie
die dummen Schafe ihrem Leithammel: ſie folgt ihm ſelbſt, wenn das Verderben ſämmtlicher augen-
ſcheinlich iſt. Kein einziges Walthier ſtrandet in ſolchen Maſſen wie der Grind: man kann ſagen,
daß er ſeinen Tod nicht im Meere, ſondern auf dem Lande findet. Jm Jahre 1799 ſtrandete eine
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 838. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/886>, abgerufen am 23.11.2024.
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