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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Flossenfüßer. -- Das Walroß.

Das Walroß ähnelt in seinem Leibesbau noch vielfach den Robben. Wie dieses ist es gesellig
und vereinigt sich oft zu ausehnlichen Scharen. Es lebt während seines Wachseins ausschließlich
im Wasser, steigt aber zum Schlafen und Ruhen auf flache Küsten und Eisschollen, und bewohnt
solche während der Paarung und zur Zeit des Wurfes mehrere Tage lang hinter einander. Auf
dem Treibeis sieht man Herden bis zu zweihundert Stück lagern, d. h. entweder auf der Seite liegen
oder sitzen, indem sie sich auf die Vorderbeine stützen. Jm Meere schwimmt das Thier mit
großer Schnelligkeit und Leichtigkeit; auf dem Lande sind seine Bewegungen schwerfällig und unbe-
holfen. Es geht, indem es den schweren Leib abwechselnd zusammenzieht und ausstreckt oder nach
dieser und jener Seite wendet. Bei dieser Bewegung leisten ihm seine Hauzähne die besten Dienste;
höhere Berge oder Eisberge erklettert es nur mit ihrer Hilfe. Es hakt sich mit ihnen in
Klüfte und Spalten ein, haut mit ihnen Löcher in das Eis, hakt sich fest und zieht nun den
schweren Leib soweit als möglich zusammen, greift wieder mit den Zähnen ein, zieht sich weiter
vorwärts und gelangt so endlich zur auserlesenen Stelle, wo es ruhen oder schlafen will. Zu-
weilen will es sich mit Hilfe der Hauzähne einen Weg mitten durch das Treibeis bahnen; bei
dieser Arbeit beschädigt es sich aber die Zähne oft derartig, daß sie, wenn sie nicht ganz verloren
gehen, wenigstens den größten Theil ihrer Schönheit verlieren. Von abschüssigen Stellen soll
es sich, wenn der Hunger es anstrengt, in das Meer hinabrollen; von sanften Küsten gleitet es
langsam dem Wasser zu. Es wird behauptet, daß Walrosse zuweilen vierzehn Tage lang in trä-
ger Ruhe auf dem Lande verweilen, ohne einen Bissen Nahrung zu sich zu nehmen. Diese Angabe
bedarf wohl der Bestätigung; soviel aber ist sicher, daß der Schlaf des Thieres ein sehr gesunder und
tiefer ist. Häufig genug hat man im Wasser schlafende Walrosse für todte gehalten, so regungslos
waren sie. Das laute Schnarchen einer Herde vernimmt man oft aus ziemlich weiter Entfernung.

Allerlei kleinere Seethiere, namentlich Krabben, Krebse und Weichthiere, dienen dem Walroß
zur Nahrung. Mit Hilfe seiner Hauzähne reißt es die an den Felsen hängenden Muscheln und be-
züglich Tange ab und verschlingt viele von diesen mit der thierischen Nahrung, auf welche es
eigentlich ausgeht. Scoresby sand in seinem Magen außer Krabben und Krebsen auch die Ueber-
reste von jungen Seehunden; andere Berichterstatter bemerkten hier Steine und Rollstückchen. Der
Mist gleicht dem der Pferde und wird von der Bürgermeistermöve gern gefressen.

Solange das Walroß nicht gereizt wird, ist es überaus träge und gleichgiltig. Jn Gegenden,
wo es den Menschen noch nicht kennen gelernt hat, läßt es ein Bot nahe an sich herankommen, ohne
sich zu rühren. Einige Glieder der Herde sind aber immer wach, und machen dann durch ein
furchtbares Gebrüll die übrigen auf eine sich nahende Gefahr aufmerksam. Die Stimme ähnelt
bald dem Blöcken einer Kuh, bald dem Bellen des Hundes, bald ist sie ein weit hörbares, fürchter-
liches Gebrüll, welches einige Aehnlichkeit mit dem Wiehern der Pferde hat. Man hört sie soweit,
daß Kapitän Cook und seine Leute bei Nacht und Nebel durch sie schon von weitem auf die Nähe
des Eises aufmerksam gemacht werden konnten. Schießt man auf Walrosse, welche noch nie verfolgt
wurden, so sehen sie sich blos überrascht um, legen sich aber bald wieder zur Nuhe nieder. Nicht
einmal ein Kanonenschuß stört sie; denn das Knallen sind sie gewöhnt in den nördlichen Meeren, wo
das Eis unter donnerähnlichem Getöse oft auf große Strecken hin berstet. Ferne Schiffe erregen,
solange nicht einige der wachenden Thiere verwundet, kaum die Aufmerksamkeit der Herde. Anders
betragen sie sich da, wo sie ihren Hauptfeind, den Menschen, schon kennen gelernt haben.

"Das Walroß," sagt Scoresby, "ist ein unerschrockenes Thier. Ein Bot, welches sich ihm
nähert, betrachtet es neugierig, aber nicht furchtsam. Nicht immer kann der Fang im Wasser ohne
Gefahr ausgeführt werden. Der Angriff auf ein einziges zieht gewöhnlich alle übrigen zur Ver-
theidigung herbei. Jn solchen Fällen versammeln sie sich rund um das Bot, von welchem der An-
griff geschah, durchbohren seine Planken mit ihren Hauzähnen, heben sich bisweilen, wenn man
ihnen auch noch so nachdrücklich widersteht, bis auf den Rand des Botes empor, und drohen, es um-

Floſſenfüßer. — Das Walroß.

Das Walroß ähnelt in ſeinem Leibesbau noch vielfach den Robben. Wie dieſes iſt es geſellig
und vereinigt ſich oft zu auſehnlichen Scharen. Es lebt während ſeines Wachſeins ausſchließlich
im Waſſer, ſteigt aber zum Schlafen und Ruhen auf flache Küſten und Eisſchollen, und bewohnt
ſolche während der Paarung und zur Zeit des Wurfes mehrere Tage lang hinter einander. Auf
dem Treibeis ſieht man Herden bis zu zweihundert Stück lagern, d. h. entweder auf der Seite liegen
oder ſitzen, indem ſie ſich auf die Vorderbeine ſtützen. Jm Meere ſchwimmt das Thier mit
großer Schnelligkeit und Leichtigkeit; auf dem Lande ſind ſeine Bewegungen ſchwerfällig und unbe-
holfen. Es geht, indem es den ſchweren Leib abwechſelnd zuſammenzieht und ausſtreckt oder nach
dieſer und jener Seite wendet. Bei dieſer Bewegung leiſten ihm ſeine Hauzähne die beſten Dienſte;
höhere Berge oder Eisberge erklettert es nur mit ihrer Hilfe. Es hakt ſich mit ihnen in
Klüfte und Spalten ein, haut mit ihnen Löcher in das Eis, hakt ſich feſt und zieht nun den
ſchweren Leib ſoweit als möglich zuſammen, greift wieder mit den Zähnen ein, zieht ſich weiter
vorwärts und gelangt ſo endlich zur auserleſenen Stelle, wo es ruhen oder ſchlafen will. Zu-
weilen will es ſich mit Hilfe der Hauzähne einen Weg mitten durch das Treibeis bahnen; bei
dieſer Arbeit beſchädigt es ſich aber die Zähne oft derartig, daß ſie, wenn ſie nicht ganz verloren
gehen, wenigſtens den größten Theil ihrer Schönheit verlieren. Von abſchüſſigen Stellen ſoll
es ſich, wenn der Hunger es anſtrengt, in das Meer hinabrollen; von ſanften Küſten gleitet es
langſam dem Waſſer zu. Es wird behauptet, daß Walroſſe zuweilen vierzehn Tage lang in trä-
ger Ruhe auf dem Lande verweilen, ohne einen Biſſen Nahrung zu ſich zu nehmen. Dieſe Angabe
bedarf wohl der Beſtätigung; ſoviel aber iſt ſicher, daß der Schlaf des Thieres ein ſehr geſunder und
tiefer iſt. Häufig genug hat man im Waſſer ſchlafende Walroſſe für todte gehalten, ſo regungslos
waren ſie. Das laute Schnarchen einer Herde vernimmt man oft aus ziemlich weiter Entfernung.

Allerlei kleinere Seethiere, namentlich Krabben, Krebſe und Weichthiere, dienen dem Walroß
zur Nahrung. Mit Hilfe ſeiner Hauzähne reißt es die an den Felſen hängenden Muſcheln und be-
züglich Tange ab und verſchlingt viele von dieſen mit der thieriſchen Nahrung, auf welche es
eigentlich ausgeht. Scoresby ſand in ſeinem Magen außer Krabben und Krebſen auch die Ueber-
reſte von jungen Seehunden; andere Berichterſtatter bemerkten hier Steine und Rollſtückchen. Der
Miſt gleicht dem der Pferde und wird von der Bürgermeiſtermöve gern gefreſſen.

Solange das Walroß nicht gereizt wird, iſt es überaus träge und gleichgiltig. Jn Gegenden,
wo es den Menſchen noch nicht kennen gelernt hat, läßt es ein Bot nahe an ſich herankommen, ohne
ſich zu rühren. Einige Glieder der Herde ſind aber immer wach, und machen dann durch ein
furchtbares Gebrüll die übrigen auf eine ſich nahende Gefahr aufmerkſam. Die Stimme ähnelt
bald dem Blöcken einer Kuh, bald dem Bellen des Hundes, bald iſt ſie ein weit hörbares, fürchter-
liches Gebrüll, welches einige Aehnlichkeit mit dem Wiehern der Pferde hat. Man hört ſie ſoweit,
daß Kapitän Cook und ſeine Leute bei Nacht und Nebel durch ſie ſchon von weitem auf die Nähe
des Eiſes aufmerkſam gemacht werden konnten. Schießt man auf Walroſſe, welche noch nie verfolgt
wurden, ſo ſehen ſie ſich blos überraſcht um, legen ſich aber bald wieder zur Nuhe nieder. Nicht
einmal ein Kanonenſchuß ſtört ſie; denn das Knallen ſind ſie gewöhnt in den nördlichen Meeren, wo
das Eis unter donnerähnlichem Getöſe oft auf große Strecken hin berſtet. Ferne Schiffe erregen,
ſolange nicht einige der wachenden Thiere verwundet, kaum die Aufmerkſamkeit der Herde. Anders
betragen ſie ſich da, wo ſie ihren Hauptfeind, den Menſchen, ſchon kennen gelernt haben.

„Das Walroß,‟ ſagt Scoresby, „iſt ein unerſchrockenes Thier. Ein Bot, welches ſich ihm
nähert, betrachtet es neugierig, aber nicht furchtſam. Nicht immer kann der Fang im Waſſer ohne
Gefahr ausgeführt werden. Der Angriff auf ein einziges zieht gewöhnlich alle übrigen zur Ver-
theidigung herbei. Jn ſolchen Fällen verſammeln ſie ſich rund um das Bot, von welchem der An-
griff geſchah, durchbohren ſeine Planken mit ihren Hauzähnen, heben ſich bisweilen, wenn man
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[810/0858] Floſſenfüßer. — Das Walroß. Das Walroß ähnelt in ſeinem Leibesbau noch vielfach den Robben. Wie dieſes iſt es geſellig und vereinigt ſich oft zu auſehnlichen Scharen. Es lebt während ſeines Wachſeins ausſchließlich im Waſſer, ſteigt aber zum Schlafen und Ruhen auf flache Küſten und Eisſchollen, und bewohnt ſolche während der Paarung und zur Zeit des Wurfes mehrere Tage lang hinter einander. Auf dem Treibeis ſieht man Herden bis zu zweihundert Stück lagern, d. h. entweder auf der Seite liegen oder ſitzen, indem ſie ſich auf die Vorderbeine ſtützen. Jm Meere ſchwimmt das Thier mit großer Schnelligkeit und Leichtigkeit; auf dem Lande ſind ſeine Bewegungen ſchwerfällig und unbe- holfen. Es geht, indem es den ſchweren Leib abwechſelnd zuſammenzieht und ausſtreckt oder nach dieſer und jener Seite wendet. Bei dieſer Bewegung leiſten ihm ſeine Hauzähne die beſten Dienſte; höhere Berge oder Eisberge erklettert es nur mit ihrer Hilfe. Es hakt ſich mit ihnen in Klüfte und Spalten ein, haut mit ihnen Löcher in das Eis, hakt ſich feſt und zieht nun den ſchweren Leib ſoweit als möglich zuſammen, greift wieder mit den Zähnen ein, zieht ſich weiter vorwärts und gelangt ſo endlich zur auserleſenen Stelle, wo es ruhen oder ſchlafen will. Zu- weilen will es ſich mit Hilfe der Hauzähne einen Weg mitten durch das Treibeis bahnen; bei dieſer Arbeit beſchädigt es ſich aber die Zähne oft derartig, daß ſie, wenn ſie nicht ganz verloren gehen, wenigſtens den größten Theil ihrer Schönheit verlieren. Von abſchüſſigen Stellen ſoll es ſich, wenn der Hunger es anſtrengt, in das Meer hinabrollen; von ſanften Küſten gleitet es langſam dem Waſſer zu. Es wird behauptet, daß Walroſſe zuweilen vierzehn Tage lang in trä- ger Ruhe auf dem Lande verweilen, ohne einen Biſſen Nahrung zu ſich zu nehmen. Dieſe Angabe bedarf wohl der Beſtätigung; ſoviel aber iſt ſicher, daß der Schlaf des Thieres ein ſehr geſunder und tiefer iſt. Häufig genug hat man im Waſſer ſchlafende Walroſſe für todte gehalten, ſo regungslos waren ſie. Das laute Schnarchen einer Herde vernimmt man oft aus ziemlich weiter Entfernung. Allerlei kleinere Seethiere, namentlich Krabben, Krebſe und Weichthiere, dienen dem Walroß zur Nahrung. Mit Hilfe ſeiner Hauzähne reißt es die an den Felſen hängenden Muſcheln und be- züglich Tange ab und verſchlingt viele von dieſen mit der thieriſchen Nahrung, auf welche es eigentlich ausgeht. Scoresby ſand in ſeinem Magen außer Krabben und Krebſen auch die Ueber- reſte von jungen Seehunden; andere Berichterſtatter bemerkten hier Steine und Rollſtückchen. Der Miſt gleicht dem der Pferde und wird von der Bürgermeiſtermöve gern gefreſſen. Solange das Walroß nicht gereizt wird, iſt es überaus träge und gleichgiltig. Jn Gegenden, wo es den Menſchen noch nicht kennen gelernt hat, läßt es ein Bot nahe an ſich herankommen, ohne ſich zu rühren. Einige Glieder der Herde ſind aber immer wach, und machen dann durch ein furchtbares Gebrüll die übrigen auf eine ſich nahende Gefahr aufmerkſam. Die Stimme ähnelt bald dem Blöcken einer Kuh, bald dem Bellen des Hundes, bald iſt ſie ein weit hörbares, fürchter- liches Gebrüll, welches einige Aehnlichkeit mit dem Wiehern der Pferde hat. Man hört ſie ſoweit, daß Kapitän Cook und ſeine Leute bei Nacht und Nebel durch ſie ſchon von weitem auf die Nähe des Eiſes aufmerkſam gemacht werden konnten. Schießt man auf Walroſſe, welche noch nie verfolgt wurden, ſo ſehen ſie ſich blos überraſcht um, legen ſich aber bald wieder zur Nuhe nieder. Nicht einmal ein Kanonenſchuß ſtört ſie; denn das Knallen ſind ſie gewöhnt in den nördlichen Meeren, wo das Eis unter donnerähnlichem Getöſe oft auf große Strecken hin berſtet. Ferne Schiffe erregen, ſolange nicht einige der wachenden Thiere verwundet, kaum die Aufmerkſamkeit der Herde. Anders betragen ſie ſich da, wo ſie ihren Hauptfeind, den Menſchen, ſchon kennen gelernt haben. „Das Walroß,‟ ſagt Scoresby, „iſt ein unerſchrockenes Thier. Ein Bot, welches ſich ihm nähert, betrachtet es neugierig, aber nicht furchtſam. Nicht immer kann der Fang im Waſſer ohne Gefahr ausgeführt werden. Der Angriff auf ein einziges zieht gewöhnlich alle übrigen zur Ver- theidigung herbei. Jn ſolchen Fällen verſammeln ſie ſich rund um das Bot, von welchem der An- griff geſchah, durchbohren ſeine Planken mit ihren Hauzähnen, heben ſich bisweilen, wenn man ihnen auch noch ſo nachdrücklich widerſteht, bis auf den Rand des Botes empor, und drohen, es um-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 810. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/858>, abgerufen am 13.05.2024.