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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Das Nil- oder Flußpferd.
unter dem Winde. Kommt das Nilpferd erst nach seiner Ankunft aus dem Wasser, so läßt er es ruhig
an sich vorüber gehen und harrt bis zur Rückkehr. Niemals greift man ein zu Lande gehendes Nil-
pferd an, sondern wartet stets, bis es, so zu sagen, wieder halb im Flusse ist. Dann schleudert der
Jäger ihm die Harpune mit aller Kraft in den Leib und flieht in der Hoffnung, daß das über den
Wurf erschreckte Thier sich in den Fluß stürzen werde. So geschieht es auch gewöhnlich, während das
Ungethüm beim Heraussteigen ans Land immer seinen Gegner anzunehmen pflegt. Nach dem Wurfe
besteigt der Jäger mit seinen Gehilfen entweder sogleich oder am folgenden Morgen eines der bereit
gehaltenen Bote und sucht das verwundete Thier, bezüglich das schwimmende Sperstangenende oder
den Holzklotz auf. Sobald man diese Merkzeichen gefunden hat, rudert man höchst vorsichtig, mit be-
reitgehaltenen Wurfsperen und Lanzen herbei und nimmt nun die Leine auf. Beim geringsten An-
ziehen erscheint das Nilpferd in rasender Wuth an der Oberfläche des Wassers und stürmt auf das
Schiff los, wird aber mit einem Hagel von Lanzen und Speren empfangen, welcher es häufig zur
Umkehr zwingt. Gleichwohl kommt es nicht selten vor, daß es die Barke erreicht und mit den Hau-
zähnen zerreißt. Dann haben die Jäger einen sehr schweren Stand und müssen sich eiligst durch
Schwimmen und Tauchen zu retten suchen. Livingstone erfuhr, daß es, um dem Nilpferde unter
solchen Umständen zu entgehen, das Beste sei, in die Tiefe des Stromes zu tauchen und hier einige
Sekunden zu verweilen, "weil das Flußpferd, wenn es einen Kahn zertrümmert hat, sich allemal nach
dem Menschen umschaut und, wenn es keinen bemerkt, davon geht"; mir hat man Aehnliches erzählt.
Jm günstigeren Falle besteigt ein Theil der Jäger nach dem zweiten Angriffe auf den Flußriesen ein
zweites Bot und fischt sich mit ihm das Ende einer zweiten Harpune auf. Nun wird das Ungethüm
durch das schmerzerregende Anziehen der Harpunenleinen beliebig oft zur Oberfläche des Wassers
heraufgezaubert und ihm im Verlaufe der Jagd der breite Rücken derartig mit Lanzen bespickt, daß er
wie der Pelz eines Stachelschweines aussieht. Uebrigens führt man die Jagd nur dann mit einem
Male zu Ende, wenn man Feuergewehre zur Verfügung hat; im entgegengesetzten Falle läßt man den
im Wasser natürlich viel stärkeren Blutverlust das Seinige zur Abmattung des Thieres thun und
nimmt erst am folgenden Tage die Verfolgung desselben wieder auf, da ja die schwimmenden Merk-
zeichen seinen Aufenthalt immer wieder verrathen. Ein glücklicher Lanzenwurf oder Stoß in das
Rückenmark oder zwischen den Rippen hindurch in die Brusthöhle bläst schließlich das Lebenslicht des
sattsam gemarterten Höllensohnes aus. Dann schleift man den Leichnam stromabwärts bis zur
nächsten Sandbank, auf welcher er, nachdem er mit Tauen aus Land gezogen worden ist, zer-
legt wird.

Der Gewinn der Jagd ist nicht unbedeutend. Das Fleisch des Ungeheuers ist geschätzt. Fleisch
und Schmer werden überall gegessen, und in den alten guten Zeiten konnten sich die Ansiedler des
Kaplandes kaum ein größeres Fest denken als eine Nilpferdjagd. Man schnitt Fleisch und Speck an
Ort und Stelle von dem erlegten Riesen ab und schaffte es wagenweise nach Hause. Die Bauern
verkauften nur aus Gefälligkeit die beliebte Speise an Freunde und ließen sich das Pfund Nilpferd-
fleisch theuer genug bezahlen. Junge Nilpferde sollen ein so wohlschmeckendes Fleisch haben, an
welches sich selbst Europäer bald gewöhnen. Die geräucherte Zunge gilt als Leckerbissen. Der Speck
wird dem des Schweins überall vorgezogen, das aus ihm geschmolzene Fett benutzt man zur Be-
reitung von Speisen aller Art oder ißt es auch mit dem Brode. Die Hottentotten trinken es ebenso
gern wie die Europäer Fleischbrühe. Jn Ostafrika gilt es als die allervorzüglichste Grundlage zur
Haar- und Körpersalbe, Delka genannt, welche alle dunkelfarbigen Afrikaner zu gebrauchen scheinen.
Kurz, wenn der Jäger seine Beute zu gebrauchen weiß, kann sie ihm einen recht netten Ertrag
abwerfen.

Der Fang des Nilpferdes ist mit der Jagd ein und dasselbe. Alle, welche wir jetzt in Europa
sehen können, sind jung harpunirt worden. Es versteht sich von selbst, daß erst die Mutter des
jungen Thieres erlegt werden muß, bevor man daran denken kann, auf das junge Jagd zu machen.
Es würde sonst unmöglich sein, das angeworfene Thier lebendig in seine Gewalt zu bekommen. Die

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Nil- oder Flußpferd.
unter dem Winde. Kommt das Nilpferd erſt nach ſeiner Ankunft aus dem Waſſer, ſo läßt er es ruhig
an ſich vorüber gehen und harrt bis zur Rückkehr. Niemals greift man ein zu Lande gehendes Nil-
pferd an, ſondern wartet ſtets, bis es, ſo zu ſagen, wieder halb im Fluſſe iſt. Dann ſchleudert der
Jäger ihm die Harpune mit aller Kraft in den Leib und flieht in der Hoffnung, daß das über den
Wurf erſchreckte Thier ſich in den Fluß ſtürzen werde. So geſchieht es auch gewöhnlich, während das
Ungethüm beim Herausſteigen ans Land immer ſeinen Gegner anzunehmen pflegt. Nach dem Wurfe
beſteigt der Jäger mit ſeinen Gehilfen entweder ſogleich oder am folgenden Morgen eines der bereit
gehaltenen Bote und ſucht das verwundete Thier, bezüglich das ſchwimmende Sperſtangenende oder
den Holzklotz auf. Sobald man dieſe Merkzeichen gefunden hat, rudert man höchſt vorſichtig, mit be-
reitgehaltenen Wurfſperen und Lanzen herbei und nimmt nun die Leine auf. Beim geringſten An-
ziehen erſcheint das Nilpferd in raſender Wuth an der Oberfläche des Waſſers und ſtürmt auf das
Schiff los, wird aber mit einem Hagel von Lanzen und Speren empfangen, welcher es häufig zur
Umkehr zwingt. Gleichwohl kommt es nicht ſelten vor, daß es die Barke erreicht und mit den Hau-
zähnen zerreißt. Dann haben die Jäger einen ſehr ſchweren Stand und müſſen ſich eiligſt durch
Schwimmen und Tauchen zu retten ſuchen. Livingſtone erfuhr, daß es, um dem Nilpferde unter
ſolchen Umſtänden zu entgehen, das Beſte ſei, in die Tiefe des Stromes zu tauchen und hier einige
Sekunden zu verweilen, „weil das Flußpferd, wenn es einen Kahn zertrümmert hat, ſich allemal nach
dem Menſchen umſchaut und, wenn es keinen bemerkt, davon geht‟; mir hat man Aehnliches erzählt.
Jm günſtigeren Falle beſteigt ein Theil der Jäger nach dem zweiten Angriffe auf den Flußrieſen ein
zweites Bot und fiſcht ſich mit ihm das Ende einer zweiten Harpune auf. Nun wird das Ungethüm
durch das ſchmerzerregende Anziehen der Harpunenleinen beliebig oft zur Oberfläche des Waſſers
heraufgezaubert und ihm im Verlaufe der Jagd der breite Rücken derartig mit Lanzen beſpickt, daß er
wie der Pelz eines Stachelſchweines ausſieht. Uebrigens führt man die Jagd nur dann mit einem
Male zu Ende, wenn man Feuergewehre zur Verfügung hat; im entgegengeſetzten Falle läßt man den
im Waſſer natürlich viel ſtärkeren Blutverluſt das Seinige zur Abmattung des Thieres thun und
nimmt erſt am folgenden Tage die Verfolgung deſſelben wieder auf, da ja die ſchwimmenden Merk-
zeichen ſeinen Aufenthalt immer wieder verrathen. Ein glücklicher Lanzenwurf oder Stoß in das
Rückenmark oder zwiſchen den Rippen hindurch in die Bruſthöhle bläſt ſchließlich das Lebenslicht des
ſattſam gemarterten Höllenſohnes aus. Dann ſchleift man den Leichnam ſtromabwärts bis zur
nächſten Sandbank, auf welcher er, nachdem er mit Tauen aus Land gezogen worden iſt, zer-
legt wird.

Der Gewinn der Jagd iſt nicht unbedeutend. Das Fleiſch des Ungeheuers iſt geſchätzt. Fleiſch
und Schmer werden überall gegeſſen, und in den alten guten Zeiten konnten ſich die Anſiedler des
Kaplandes kaum ein größeres Feſt denken als eine Nilpferdjagd. Man ſchnitt Fleiſch und Speck an
Ort und Stelle von dem erlegten Rieſen ab und ſchaffte es wagenweiſe nach Hauſe. Die Bauern
verkauften nur aus Gefälligkeit die beliebte Speiſe an Freunde und ließen ſich das Pfund Nilpferd-
fleiſch theuer genug bezahlen. Junge Nilpferde ſollen ein ſo wohlſchmeckendes Fleiſch haben, an
welches ſich ſelbſt Europäer bald gewöhnen. Die geräucherte Zunge gilt als Leckerbiſſen. Der Speck
wird dem des Schweins überall vorgezogen, das aus ihm geſchmolzene Fett benutzt man zur Be-
reitung von Speiſen aller Art oder ißt es auch mit dem Brode. Die Hottentotten trinken es ebenſo
gern wie die Europäer Fleiſchbrühe. Jn Oſtafrika gilt es als die allervorzüglichſte Grundlage zur
Haar- und Körperſalbe, Delka genannt, welche alle dunkelfarbigen Afrikaner zu gebrauchen ſcheinen.
Kurz, wenn der Jäger ſeine Beute zu gebrauchen weiß, kann ſie ihm einen recht netten Ertrag
abwerfen.

Der Fang des Nilpferdes iſt mit der Jagd ein und daſſelbe. Alle, welche wir jetzt in Europa
ſehen können, ſind jung harpunirt worden. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß erſt die Mutter des
jungen Thieres erlegt werden muß, bevor man daran denken kann, auf das junge Jagd zu machen.
Es würde ſonſt unmöglich ſein, das angeworfene Thier lebendig in ſeine Gewalt zu bekommen. Die

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[776/0822] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Nil- oder Flußpferd. unter dem Winde. Kommt das Nilpferd erſt nach ſeiner Ankunft aus dem Waſſer, ſo läßt er es ruhig an ſich vorüber gehen und harrt bis zur Rückkehr. Niemals greift man ein zu Lande gehendes Nil- pferd an, ſondern wartet ſtets, bis es, ſo zu ſagen, wieder halb im Fluſſe iſt. Dann ſchleudert der Jäger ihm die Harpune mit aller Kraft in den Leib und flieht in der Hoffnung, daß das über den Wurf erſchreckte Thier ſich in den Fluß ſtürzen werde. So geſchieht es auch gewöhnlich, während das Ungethüm beim Herausſteigen ans Land immer ſeinen Gegner anzunehmen pflegt. Nach dem Wurfe beſteigt der Jäger mit ſeinen Gehilfen entweder ſogleich oder am folgenden Morgen eines der bereit gehaltenen Bote und ſucht das verwundete Thier, bezüglich das ſchwimmende Sperſtangenende oder den Holzklotz auf. Sobald man dieſe Merkzeichen gefunden hat, rudert man höchſt vorſichtig, mit be- reitgehaltenen Wurfſperen und Lanzen herbei und nimmt nun die Leine auf. Beim geringſten An- ziehen erſcheint das Nilpferd in raſender Wuth an der Oberfläche des Waſſers und ſtürmt auf das Schiff los, wird aber mit einem Hagel von Lanzen und Speren empfangen, welcher es häufig zur Umkehr zwingt. Gleichwohl kommt es nicht ſelten vor, daß es die Barke erreicht und mit den Hau- zähnen zerreißt. Dann haben die Jäger einen ſehr ſchweren Stand und müſſen ſich eiligſt durch Schwimmen und Tauchen zu retten ſuchen. Livingſtone erfuhr, daß es, um dem Nilpferde unter ſolchen Umſtänden zu entgehen, das Beſte ſei, in die Tiefe des Stromes zu tauchen und hier einige Sekunden zu verweilen, „weil das Flußpferd, wenn es einen Kahn zertrümmert hat, ſich allemal nach dem Menſchen umſchaut und, wenn es keinen bemerkt, davon geht‟; mir hat man Aehnliches erzählt. Jm günſtigeren Falle beſteigt ein Theil der Jäger nach dem zweiten Angriffe auf den Flußrieſen ein zweites Bot und fiſcht ſich mit ihm das Ende einer zweiten Harpune auf. Nun wird das Ungethüm durch das ſchmerzerregende Anziehen der Harpunenleinen beliebig oft zur Oberfläche des Waſſers heraufgezaubert und ihm im Verlaufe der Jagd der breite Rücken derartig mit Lanzen beſpickt, daß er wie der Pelz eines Stachelſchweines ausſieht. Uebrigens führt man die Jagd nur dann mit einem Male zu Ende, wenn man Feuergewehre zur Verfügung hat; im entgegengeſetzten Falle läßt man den im Waſſer natürlich viel ſtärkeren Blutverluſt das Seinige zur Abmattung des Thieres thun und nimmt erſt am folgenden Tage die Verfolgung deſſelben wieder auf, da ja die ſchwimmenden Merk- zeichen ſeinen Aufenthalt immer wieder verrathen. Ein glücklicher Lanzenwurf oder Stoß in das Rückenmark oder zwiſchen den Rippen hindurch in die Bruſthöhle bläſt ſchließlich das Lebenslicht des ſattſam gemarterten Höllenſohnes aus. Dann ſchleift man den Leichnam ſtromabwärts bis zur nächſten Sandbank, auf welcher er, nachdem er mit Tauen aus Land gezogen worden iſt, zer- legt wird. Der Gewinn der Jagd iſt nicht unbedeutend. Das Fleiſch des Ungeheuers iſt geſchätzt. Fleiſch und Schmer werden überall gegeſſen, und in den alten guten Zeiten konnten ſich die Anſiedler des Kaplandes kaum ein größeres Feſt denken als eine Nilpferdjagd. Man ſchnitt Fleiſch und Speck an Ort und Stelle von dem erlegten Rieſen ab und ſchaffte es wagenweiſe nach Hauſe. Die Bauern verkauften nur aus Gefälligkeit die beliebte Speiſe an Freunde und ließen ſich das Pfund Nilpferd- fleiſch theuer genug bezahlen. Junge Nilpferde ſollen ein ſo wohlſchmeckendes Fleiſch haben, an welches ſich ſelbſt Europäer bald gewöhnen. Die geräucherte Zunge gilt als Leckerbiſſen. Der Speck wird dem des Schweins überall vorgezogen, das aus ihm geſchmolzene Fett benutzt man zur Be- reitung von Speiſen aller Art oder ißt es auch mit dem Brode. Die Hottentotten trinken es ebenſo gern wie die Europäer Fleiſchbrühe. Jn Oſtafrika gilt es als die allervorzüglichſte Grundlage zur Haar- und Körperſalbe, Delka genannt, welche alle dunkelfarbigen Afrikaner zu gebrauchen ſcheinen. Kurz, wenn der Jäger ſeine Beute zu gebrauchen weiß, kann ſie ihm einen recht netten Ertrag abwerfen. Der Fang des Nilpferdes iſt mit der Jagd ein und daſſelbe. Alle, welche wir jetzt in Europa ſehen können, ſind jung harpunirt worden. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß erſt die Mutter des jungen Thieres erlegt werden muß, bevor man daran denken kann, auf das junge Jagd zu machen. Es würde ſonſt unmöglich ſein, das angeworfene Thier lebendig in ſeine Gewalt zu bekommen. Die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 776. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/822>, abgerufen am 23.11.2024.