Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die eigentlichen Hörnchen.
fesseln, unser Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), der wichtigste, und man kann auch wirklich
sagen, daß er das Gepräge seiner ganzen Genossenschaft vollständig bekundet.

Das Eichhörnchen ist einer von den wenigen Nagern, mit denen sich der Mensch so recht innig
befreundet hat. Es ist des Kindes und des Mannes Freude im frischen, grünen Walde, und trotz
mancher unangenehmen Eigenschaften ein gern gesehener Genosse im Zimmer; es ist sogar dem
Dichter eine befreundete Gestalt. Dies fühlten schon die Griechen heraus, denen wir den schönen
Namen zu danken haben, welcher jetzt in der Wissenschaft die Gruppe der wahren Eichhörnchen im
engeren, und die ganze Familie im weiteren Sinne bezeichnet. "Der mit dem Schwanze sich
Schattende
" bedeutet jener griechische Name, und unwillkürlich muß Jeder, welcher die Bedeutung
des Wortes Sciurus kennt, an das muntere, bewegliche Thierchen denken, wie es da oben sitzt, hoch
auf den obersten Kronen und sich seine Nüsse aufknackt. Aber nicht blos die Griechen haben in dem
Eichhörnchen eine dichterische Gestalt erblickt: wir Deutschen haben noch weit mehr gethan; denn
unser Rückert hat das freundliche Thier in einer Weise besungen, daß sich der Forscher fast scheuen
muß, nach solchen köstlichen Worten seine eigenen zur Beschreibung hinzuzufügen:

[Spaltenumbruch]
"Jch bin in einem früheren Sein
Einmal ein Eichhorn gewesen;
Und bin ich's erst wieder in Edens Hain,
So bin ich vom Kummer genesen.
Falb-feurig-gemantelter Königssohn
Jm blühenden, grünenden Reiche!
Du sitzest auf ewig wankendem Thron
Der niemals wankenden Eiche
Und krönest dich selber -- wie machst du es doch?
Anstatt mit goldenem Reife,
Mit majestätisch geringeltem, hoch
Emporgetragenem Schweife.
Die Sprossen des Frühlings benagt dein Zahn,
Die noch in der Knospe sich ducken;
Dann klimmest du laubige Kronen hinan,
Dem Vogel ins Nest zu gucken.
Du lässest hören nicht einen Ton,
Und doch, es regt sich die ganze
Kapelle gefiederter Musiker schon,
Dir aufzuspielen zum Tanze.
[Spaltenumbruch]
Dann spielest du froh zum herbstlichen Fest
Mit Nüssen, Bücheln und Eicheln,
Und lässest den letzten schmeichelnden West
Den weichen Rücken dir streicheln.
Die Blätter haften am Baum nicht fest,
Den fallenden folgst du hernieder
Und trägst sie, sie staunen, zu beinem Nest,
Jn ihre Höhen sie wieder.
Du hast den schwebenden Winterpalast
Dir künstlich zusammengestoppelt,
Dein wärmstoffhaltendes Pelzwerk hast
Du um dich genommen gedoppelt.
Dir sagt's der Geist, wie der Wind sich dreht,
Du stopfest zuvor ihm die Klinzen,
Und lauschest behaglich, wie's draußen weht,
Du frohster verzauberter Prinzen!
Mich faßt im Herbste, wie dich, ein Trieb,
Zu sammeln und einzutragen,
Doch hab ich, wie warm es im Nest mir blieb,
Nicht dort dein freies Behagen." --

Jch habe schwerlich zu viel gesagt, wenn ich behaupte, daß die nun folgende Beschreibung nach solchem
Vorgänger schwer ist.

Unser Eichhörnchen ist selbst für Den, welcher es wirklich noch nicht gesehen oder nur in der
Ferne gesehen hat, bald beschrieben. Seine Leibeslänge beträgt gegen neun Zoll und die Schwanzes-
länge etwa einen Zoll weniger, die Höhe am Widerrist gegen vier Zoll und das Gewicht des erwach-
senen Thieres etwas über ein halbes Pfund. Der Pelz ändert vielfach ab, im Sommer und im
Winter, im Norden und im Süden, und außerdem gibt es noch zufällige Ausartungen. Jm Som-
mer ist der Pelz oben bräunlichroth, an den Kopfseiten grau gemischt, auf der Unterseite vom Kinn
an weiß; im Winter ist bei unserem die Oberseite braunroth mit grauweißem Haar untermischt, die
Unterseite weiß, in Sibirien und Nordeuropa aber häufig weißgrau, ohne jede Spur von rothem
Anfluge, während der Sommerpelz dem unseres Hörnchens ähnelt. Häufig sieht man auch in den
deutschen Wäldern eine schwarze Abart, welche manche Naturforscher schon für eine besondere Art
erklären wollten, während wir mit aller Bestimmtheit sagen können, daß oft unter den Jungen eines

Die eigentlichen Hörnchen.
feſſeln, unſer Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), der wichtigſte, und man kann auch wirklich
ſagen, daß er das Gepräge ſeiner ganzen Genoſſenſchaft vollſtändig bekundet.

Das Eichhörnchen iſt einer von den wenigen Nagern, mit denen ſich der Menſch ſo recht innig
befreundet hat. Es iſt des Kindes und des Mannes Freude im friſchen, grünen Walde, und trotz
mancher unangenehmen Eigenſchaften ein gern geſehener Genoſſe im Zimmer; es iſt ſogar dem
Dichter eine befreundete Geſtalt. Dies fühlten ſchon die Griechen heraus, denen wir den ſchönen
Namen zu danken haben, welcher jetzt in der Wiſſenſchaft die Gruppe der wahren Eichhörnchen im
engeren, und die ganze Familie im weiteren Sinne bezeichnet. „Der mit dem Schwanze ſich
Schattende
‟ bedeutet jener griechiſche Name, und unwillkürlich muß Jeder, welcher die Bedeutung
des Wortes Sciurus kennt, an das muntere, bewegliche Thierchen denken, wie es da oben ſitzt, hoch
auf den oberſten Kronen und ſich ſeine Nüſſe aufknackt. Aber nicht blos die Griechen haben in dem
Eichhörnchen eine dichteriſche Geſtalt erblickt: wir Deutſchen haben noch weit mehr gethan; denn
unſer Rückert hat das freundliche Thier in einer Weiſe beſungen, daß ſich der Forſcher faſt ſcheuen
muß, nach ſolchen köſtlichen Worten ſeine eigenen zur Beſchreibung hinzuzufügen:

[Spaltenumbruch]
„Jch bin in einem früheren Sein
Einmal ein Eichhorn geweſen;
Und bin ich’s erſt wieder in Edens Hain,
So bin ich vom Kummer geneſen.
Falb-feurig-gemantelter Königsſohn
Jm blühenden, grünenden Reiche!
Du ſitzeſt auf ewig wankendem Thron
Der niemals wankenden Eiche
Und kröneſt dich ſelber — wie machſt du es doch?
Anſtatt mit goldenem Reife,
Mit majeſtätiſch geringeltem, hoch
Emporgetragenem Schweife.
Die Sproſſen des Frühlings benagt dein Zahn,
Die noch in der Knospe ſich ducken;
Dann klimmeſt du laubige Kronen hinan,
Dem Vogel ins Neſt zu gucken.
Du läſſeſt hören nicht einen Ton,
Und doch, es regt ſich die ganze
Kapelle gefiederter Muſiker ſchon,
Dir aufzuſpielen zum Tanze.
[Spaltenumbruch]
Dann ſpieleſt du froh zum herbſtlichen Feſt
Mit Nüſſen, Bücheln und Eicheln,
Und läſſeſt den letzten ſchmeichelnden Weſt
Den weichen Rücken dir ſtreicheln.
Die Blätter haften am Baum nicht feſt,
Den fallenden folgſt du hernieder
Und trägſt ſie, ſie ſtaunen, zu beinem Neſt,
Jn ihre Höhen ſie wieder.
Du haſt den ſchwebenden Winterpalaſt
Dir künſtlich zuſammengeſtoppelt,
Dein wärmſtoffhaltendes Pelzwerk haſt
Du um dich genommen gedoppelt.
Dir ſagt’s der Geiſt, wie der Wind ſich dreht,
Du ſtopfeſt zuvor ihm die Klinzen,
Und lauſcheſt behaglich, wie’s draußen weht,
Du frohſter verzauberter Prinzen!
Mich faßt im Herbſte, wie dich, ein Trieb,
Zu ſammeln und einzutragen,
Doch hab ich, wie warm es im Neſt mir blieb,
Nicht dort dein freies Behagen.‟ —

Jch habe ſchwerlich zu viel geſagt, wenn ich behaupte, daß die nun folgende Beſchreibung nach ſolchem
Vorgänger ſchwer iſt.

Unſer Eichhörnchen iſt ſelbſt für Den, welcher es wirklich noch nicht geſehen oder nur in der
Ferne geſehen hat, bald beſchrieben. Seine Leibeslänge beträgt gegen neun Zoll und die Schwanzes-
länge etwa einen Zoll weniger, die Höhe am Widerriſt gegen vier Zoll und das Gewicht des erwach-
ſenen Thieres etwas über ein halbes Pfund. Der Pelz ändert vielfach ab, im Sommer und im
Winter, im Norden und im Süden, und außerdem gibt es noch zufällige Ausartungen. Jm Som-
mer iſt der Pelz oben bräunlichroth, an den Kopfſeiten grau gemiſcht, auf der Unterſeite vom Kinn
an weiß; im Winter iſt bei unſerem die Oberſeite braunroth mit grauweißem Haar untermiſcht, die
Unterſeite weiß, in Sibirien und Nordeuropa aber häufig weißgrau, ohne jede Spur von rothem
Anfluge, während der Sommerpelz dem unſeres Hörnchens ähnelt. Häufig ſieht man auch in den
deutſchen Wäldern eine ſchwarze Abart, welche manche Naturforſcher ſchon für eine beſondere Art
erklären wollten, während wir mit aller Beſtimmtheit ſagen können, daß oft unter den Jungen eines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0082" n="68"/><fw place="top" type="header">Die eigentlichen Hörnchen.</fw><lb/>
fe&#x017F;&#x017F;eln, <hi rendition="#g">un&#x017F;er Eichhörnchen</hi> (<hi rendition="#aq">Sciurus vulgaris</hi>), der wichtig&#x017F;te, und man kann auch wirklich<lb/>
&#x017F;agen, daß er das Gepräge &#x017F;einer ganzen Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft voll&#x017F;tändig bekundet.</p><lb/>
              <p>Das Eichhörnchen i&#x017F;t einer von den wenigen Nagern, mit denen &#x017F;ich der Men&#x017F;ch &#x017F;o recht innig<lb/>
befreundet hat. Es i&#x017F;t des Kindes und des Mannes Freude im fri&#x017F;chen, grünen Walde, und trotz<lb/>
mancher unangenehmen Eigen&#x017F;chaften ein gern ge&#x017F;ehener Geno&#x017F;&#x017F;e im Zimmer; es i&#x017F;t &#x017F;ogar dem<lb/>
Dichter eine befreundete Ge&#x017F;talt. Dies fühlten &#x017F;chon die Griechen heraus, denen wir den &#x017F;chönen<lb/>
Namen zu danken haben, welcher jetzt in der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft die Gruppe der wahren Eichhörnchen im<lb/>
engeren, und die ganze Familie im weiteren Sinne bezeichnet. &#x201E;<hi rendition="#g">Der mit dem Schwanze &#x017F;ich<lb/>
Schattende</hi>&#x201F; bedeutet jener griechi&#x017F;che Name, und unwillkürlich muß Jeder, welcher die Bedeutung<lb/>
des Wortes <hi rendition="#aq">Sciurus</hi> kennt, an das muntere, bewegliche Thierchen denken, wie es da oben &#x017F;itzt, hoch<lb/>
auf den ober&#x017F;ten Kronen und &#x017F;ich &#x017F;eine Nü&#x017F;&#x017F;e aufknackt. Aber nicht blos die Griechen haben in dem<lb/>
Eichhörnchen eine dichteri&#x017F;che Ge&#x017F;talt erblickt: wir Deut&#x017F;chen haben noch weit mehr gethan; denn<lb/>
un&#x017F;er <hi rendition="#g">Rückert</hi> hat das freundliche Thier in einer Wei&#x017F;e be&#x017F;ungen, daß &#x017F;ich der For&#x017F;cher fa&#x017F;t &#x017F;cheuen<lb/>
muß, nach &#x017F;olchen kö&#x017F;tlichen Worten &#x017F;eine eigenen zur Be&#x017F;chreibung hinzuzufügen:</p><lb/>
              <cit>
                <quote>
                  <lg type="poem">
                    <cb/>
                    <lg n="1">
                      <l>&#x201E;Jch bin in einem früheren Sein</l><lb/>
                      <l>Einmal ein Eichhorn gewe&#x017F;en;</l><lb/>
                      <l>Und bin ich&#x2019;s er&#x017F;t wieder in Edens Hain,</l><lb/>
                      <l>So bin ich vom Kummer gene&#x017F;en.</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="2">
                      <l>Falb-feurig-gemantelter Königs&#x017F;ohn</l><lb/>
                      <l>Jm blühenden, grünenden Reiche!</l><lb/>
                      <l>Du &#x017F;itze&#x017F;t auf ewig wankendem Thron</l><lb/>
                      <l>Der niemals wankenden Eiche</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="3">
                      <l>Und kröne&#x017F;t dich &#x017F;elber &#x2014; wie mach&#x017F;t du es doch?</l><lb/>
                      <l>An&#x017F;tatt mit goldenem Reife,</l><lb/>
                      <l>Mit maje&#x017F;täti&#x017F;ch geringeltem, hoch</l><lb/>
                      <l>Emporgetragenem Schweife.</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="4">
                      <l>Die Spro&#x017F;&#x017F;en des Frühlings benagt dein Zahn,</l><lb/>
                      <l>Die noch in der Knospe &#x017F;ich ducken;</l><lb/>
                      <l>Dann klimme&#x017F;t du laubige Kronen hinan,</l><lb/>
                      <l>Dem Vogel ins Ne&#x017F;t zu gucken.</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="5">
                      <l>Du lä&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t hören nicht einen Ton,</l><lb/>
                      <l>Und doch, es regt &#x017F;ich die ganze</l><lb/>
                      <l>Kapelle gefiederter Mu&#x017F;iker &#x017F;chon,</l><lb/>
                      <l>Dir aufzu&#x017F;pielen zum Tanze.</l>
                    </lg><lb/>
                    <cb/>
                    <lg n="6">
                      <l>Dann &#x017F;piele&#x017F;t du froh zum herb&#x017F;tlichen Fe&#x017F;t</l><lb/>
                      <l>Mit Nü&#x017F;&#x017F;en, Bücheln und Eicheln,</l><lb/>
                      <l>Und lä&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t den letzten &#x017F;chmeichelnden We&#x017F;t</l><lb/>
                      <l>Den weichen Rücken dir &#x017F;treicheln.</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="7">
                      <l>Die Blätter haften am Baum nicht fe&#x017F;t,</l><lb/>
                      <l>Den fallenden folg&#x017F;t du hernieder</l><lb/>
                      <l>Und träg&#x017F;t &#x017F;ie, &#x017F;ie &#x017F;taunen, zu beinem Ne&#x017F;t,</l><lb/>
                      <l>Jn ihre Höhen &#x017F;ie wieder.</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="8">
                      <l>Du ha&#x017F;t den &#x017F;chwebenden Winterpala&#x017F;t</l><lb/>
                      <l>Dir kün&#x017F;tlich zu&#x017F;ammenge&#x017F;toppelt,</l><lb/>
                      <l>Dein wärm&#x017F;toffhaltendes Pelzwerk ha&#x017F;t</l><lb/>
                      <l>Du um dich genommen gedoppelt.</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="9">
                      <l>Dir &#x017F;agt&#x2019;s der Gei&#x017F;t, wie der Wind &#x017F;ich dreht,</l><lb/>
                      <l>Du &#x017F;topfe&#x017F;t zuvor ihm die Klinzen,</l><lb/>
                      <l>Und lau&#x017F;che&#x017F;t behaglich, wie&#x2019;s draußen weht,</l><lb/>
                      <l>Du froh&#x017F;ter verzauberter Prinzen!</l>
                    </lg><lb/>
                    <lg n="10">
                      <l>Mich faßt im Herb&#x017F;te, wie dich, ein Trieb,</l><lb/>
                      <l>Zu &#x017F;ammeln und einzutragen,</l><lb/>
                      <l>Doch hab ich, wie warm es im Ne&#x017F;t mir blieb,</l><lb/>
                      <l>Nicht dort dein freies Behagen.&#x201F; &#x2014;</l>
                    </lg>
                  </lg>
                </quote>
              </cit><lb/>
              <p>Jch habe &#x017F;chwerlich zu viel ge&#x017F;agt, wenn ich behaupte, daß die nun folgende Be&#x017F;chreibung nach &#x017F;olchem<lb/>
Vorgänger &#x017F;chwer i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Un&#x017F;er Eichhörnchen i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t für Den, welcher es wirklich noch nicht ge&#x017F;ehen oder nur in der<lb/>
Ferne ge&#x017F;ehen hat, bald be&#x017F;chrieben. Seine Leibeslänge beträgt gegen neun Zoll und die Schwanzes-<lb/>
länge etwa einen Zoll weniger, die Höhe am Widerri&#x017F;t gegen vier Zoll und das Gewicht des erwach-<lb/>
&#x017F;enen Thieres etwas über ein halbes Pfund. Der Pelz ändert vielfach ab, im Sommer und im<lb/>
Winter, im Norden und im Süden, und außerdem gibt es noch zufällige Ausartungen. Jm Som-<lb/>
mer i&#x017F;t der Pelz oben bräunlichroth, an den Kopf&#x017F;eiten grau gemi&#x017F;cht, auf der Unter&#x017F;eite vom Kinn<lb/>
an weiß; im Winter i&#x017F;t bei un&#x017F;erem die Ober&#x017F;eite braunroth mit grauweißem Haar untermi&#x017F;cht, die<lb/>
Unter&#x017F;eite weiß, in Sibirien und Nordeuropa aber häufig weißgrau, ohne jede Spur von rothem<lb/>
Anfluge, während der Sommerpelz dem un&#x017F;eres Hörnchens ähnelt. Häufig &#x017F;ieht man auch in den<lb/>
deut&#x017F;chen Wäldern eine &#x017F;chwarze Abart, welche manche Naturfor&#x017F;cher &#x017F;chon für eine be&#x017F;ondere Art<lb/>
erklären wollten, während wir mit aller Be&#x017F;timmtheit &#x017F;agen können, daß oft unter den Jungen eines<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0082] Die eigentlichen Hörnchen. feſſeln, unſer Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), der wichtigſte, und man kann auch wirklich ſagen, daß er das Gepräge ſeiner ganzen Genoſſenſchaft vollſtändig bekundet. Das Eichhörnchen iſt einer von den wenigen Nagern, mit denen ſich der Menſch ſo recht innig befreundet hat. Es iſt des Kindes und des Mannes Freude im friſchen, grünen Walde, und trotz mancher unangenehmen Eigenſchaften ein gern geſehener Genoſſe im Zimmer; es iſt ſogar dem Dichter eine befreundete Geſtalt. Dies fühlten ſchon die Griechen heraus, denen wir den ſchönen Namen zu danken haben, welcher jetzt in der Wiſſenſchaft die Gruppe der wahren Eichhörnchen im engeren, und die ganze Familie im weiteren Sinne bezeichnet. „Der mit dem Schwanze ſich Schattende‟ bedeutet jener griechiſche Name, und unwillkürlich muß Jeder, welcher die Bedeutung des Wortes Sciurus kennt, an das muntere, bewegliche Thierchen denken, wie es da oben ſitzt, hoch auf den oberſten Kronen und ſich ſeine Nüſſe aufknackt. Aber nicht blos die Griechen haben in dem Eichhörnchen eine dichteriſche Geſtalt erblickt: wir Deutſchen haben noch weit mehr gethan; denn unſer Rückert hat das freundliche Thier in einer Weiſe beſungen, daß ſich der Forſcher faſt ſcheuen muß, nach ſolchen köſtlichen Worten ſeine eigenen zur Beſchreibung hinzuzufügen: „Jch bin in einem früheren Sein Einmal ein Eichhorn geweſen; Und bin ich’s erſt wieder in Edens Hain, So bin ich vom Kummer geneſen. Falb-feurig-gemantelter Königsſohn Jm blühenden, grünenden Reiche! Du ſitzeſt auf ewig wankendem Thron Der niemals wankenden Eiche Und kröneſt dich ſelber — wie machſt du es doch? Anſtatt mit goldenem Reife, Mit majeſtätiſch geringeltem, hoch Emporgetragenem Schweife. Die Sproſſen des Frühlings benagt dein Zahn, Die noch in der Knospe ſich ducken; Dann klimmeſt du laubige Kronen hinan, Dem Vogel ins Neſt zu gucken. Du läſſeſt hören nicht einen Ton, Und doch, es regt ſich die ganze Kapelle gefiederter Muſiker ſchon, Dir aufzuſpielen zum Tanze. Dann ſpieleſt du froh zum herbſtlichen Feſt Mit Nüſſen, Bücheln und Eicheln, Und läſſeſt den letzten ſchmeichelnden Weſt Den weichen Rücken dir ſtreicheln. Die Blätter haften am Baum nicht feſt, Den fallenden folgſt du hernieder Und trägſt ſie, ſie ſtaunen, zu beinem Neſt, Jn ihre Höhen ſie wieder. Du haſt den ſchwebenden Winterpalaſt Dir künſtlich zuſammengeſtoppelt, Dein wärmſtoffhaltendes Pelzwerk haſt Du um dich genommen gedoppelt. Dir ſagt’s der Geiſt, wie der Wind ſich dreht, Du ſtopfeſt zuvor ihm die Klinzen, Und lauſcheſt behaglich, wie’s draußen weht, Du frohſter verzauberter Prinzen! Mich faßt im Herbſte, wie dich, ein Trieb, Zu ſammeln und einzutragen, Doch hab ich, wie warm es im Neſt mir blieb, Nicht dort dein freies Behagen.‟ — Jch habe ſchwerlich zu viel geſagt, wenn ich behaupte, daß die nun folgende Beſchreibung nach ſolchem Vorgänger ſchwer iſt. Unſer Eichhörnchen iſt ſelbſt für Den, welcher es wirklich noch nicht geſehen oder nur in der Ferne geſehen hat, bald beſchrieben. Seine Leibeslänge beträgt gegen neun Zoll und die Schwanzes- länge etwa einen Zoll weniger, die Höhe am Widerriſt gegen vier Zoll und das Gewicht des erwach- ſenen Thieres etwas über ein halbes Pfund. Der Pelz ändert vielfach ab, im Sommer und im Winter, im Norden und im Süden, und außerdem gibt es noch zufällige Ausartungen. Jm Som- mer iſt der Pelz oben bräunlichroth, an den Kopfſeiten grau gemiſcht, auf der Unterſeite vom Kinn an weiß; im Winter iſt bei unſerem die Oberſeite braunroth mit grauweißem Haar untermiſcht, die Unterſeite weiß, in Sibirien und Nordeuropa aber häufig weißgrau, ohne jede Spur von rothem Anfluge, während der Sommerpelz dem unſeres Hörnchens ähnelt. Häufig ſieht man auch in den deutſchen Wäldern eine ſchwarze Abart, welche manche Naturforſcher ſchon für eine beſondere Art erklären wollten, während wir mit aller Beſtimmtheit ſagen können, daß oft unter den Jungen eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/82
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/82>, abgerufen am 24.11.2024.