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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Nabelschweine oder Pekaris.
Felde, so durchschneiden sie dasselbe im vollen Lauf, stoßen sie auf einen Fluß oder Strom, so stehen
sie keinen Augenblick an, ihn zu überschwimmen. Jch sah sie über den Paraguayfluß setzen an
einer Stelle, wo er mehr als eine halbe Stunde breit war. Der Rudel selbst zieht in dichtem Gedränge,
die männlichen Thiere voran, jedes Mutterschwein mit seinen Jungen hinter sich. Man erkennt ihn
schon von weitem durch das Gehör, und zwar nicht blos wegen der dumpfen, rauhen Laute, welche
die Thiere von sich geben, sondern noch mehr, weil sie ungestüm das Gebüsch auf ihrem Wege zer-
knicken." Bonpland wurde einmal von seinem indianischen Führer beim Botanisiren gebeten,
sich hinter einen Baum zu stecken, weil der Begleiter befürchtete, daß unser Forscher vom Rudel zu
Boden geworfen werden möchte. Die Eingeborenen versicherten Humboldt, daß sich selbst der
Tiger im Walde scheue, unter ein Rudel dieser Wildschweine zu gerathen und sich, um nicht erdrückt
zu werden, vor ihnen regelmäßig hinter einen Baum flüchtet.

Die Pekaris gehen bei Tage und bei Nacht ihrem Fraße nach, und der Mangel an geeigneter
Nahrung ist es wohl auch, welcher sie zu größeren Wanderungen zwingt. Baumfrüchte aller Art
und Wurzeln bilden ihren Fraß. Die Wurzeln wühlen sie mit dem Rüssel aus der Erde hervor.
Jn bewohnten Gegenden brechen sie häufig in die Pflanzungen ein und zerstören die Felder. Neben
pflanzlicher Nahrung sollen sie auch Schlangen, Eidechsen, Würmer und Larven fressen.

Jn ihren Bewegungen und ihrem Wesen ähneln sie unseren Wildschweinen; sie zeigen aber
weder die Gefräßigkeit, noch die Unreinlichkeit derselben, fressen nie mehr, als sie bedürfen, um
ihren Hunger zu stillen, und suchen blos in der größten Hitze, und dann auch nur Pfützen auf, um
sich in ihnen zu suhlen. Bei Tage verbergen sie sich gern in hohlen Stämmen oder losen Wurzeln
großer Bäume; wenn sie gejagt werden, flüchten sie sich stets nach solchen Schlupfwinkeln. Jhre
Sinne sind schwach, ihre geistigen Fähigkeiten gering. Gehör und Geruch scheinen am besten ausge-
bildet zu sein. Das Gesicht ist schlecht. Von eigentlichem Verstand hat man bei ihnen Nichts
bemerkt.

Mehrere Reisende haben Wunderdinge von der Kühnheit der Pekaris erzählt; und die Natur-
beschreiber ihnen ohne weiteres geglaubt. "Beständig wüthend, höchst jähzornig," sagt Wood, "ist
der Pekari einer der beachtenswerthesten Gegner, welchen es für den Menschen oder für ein Raub-
thier gibt; denn Furcht ist ein Gefühl, welches jenes Geschöpf nicht kennt, vielleicht, weil sein Ver-
stand auf einer zu niederen Stufe steht und es unfähig ist, eine Gefahr zu begreifen. So harmlos
das Bisamschwein auch ist, so unbedeutend seine Bewaffnung erscheint, mit anderen Mitgliedern seiner
Familie verglichen, sogut weiß es die äußerst scharfen Zähne zu benutzen. Es scheint, daß kein ein-
ziges Thier im Stande ist, dem vereinigten Angriff der Pekaris zu widerstehen. Selbst der Jaguar
wird gezwungen, den Kampf aufzugeben, und muß flüchten, sobald ihn eine Herde Pekaris um-
ringt und angreift." Von allen diesen Geschichten wissen Humboldt und Rengger Nichts. "Die
Bisamschweine," sagt Letzterer, "werden theils ihres Fleisches wegen, theils auch des Schadens
halber, den sie in den Pflanzungen anrichten, häufig gejagt. Man sucht sie gewöhnlich mit Hunden
in den Wäldern auf und tödtet sie mit Schüssen oder Lanzenstichen. Es ist lange nicht so gefährlich,
wie man gesagt hat, Trupps dieser Thiere anzugreifen. Wohl mag hier und da ein unbesonnener
Jäger einige Wunden davongetragen haben, wenn er sich allein und zu Fuße einem großen Rudel
entgegenstellte: jagt man sie aber mit Hunden und greift man sie nur von der Seite oder von hinten
an, so ist für den Jäger keine Gefahr vorhanden, da sie so schnell als möglich davoneilen und sich
höchstens gegen schwache Hunde vertheidigen. Fallen sie oft in eine Pflanzung ein, so gräbt man
auf der Seite, wo sie dieselbe zu verlassen pflegen, eine breite, 8 bis 9 Fuß tiefe Grube, wartet,
bis sie erscheinen, und jagt sie dann mit Hunden und unter Geschrei auf die Grube zu, die, wenn
das Rudel stark, zuweilen bis zur Hälfte mit ihnen angefüllt wird. Jch sah auf einem Landgute
neunundzwanzig Stück in ein Loch herabstürzen und darin durch die Lanzen der Jäger ihren Tod
finden. Diejenigen, welche sich in den Urwäldern unter Baumwurzeln verborgen haben, treibt man
mit Rauch heraus. Wir tödteten einmal funfzehn Stück auf diese Weise. Die Jndianer fangen die

Die Nabelſchweine oder Pekaris.
Felde, ſo durchſchneiden ſie daſſelbe im vollen Lauf, ſtoßen ſie auf einen Fluß oder Strom, ſo ſtehen
ſie keinen Augenblick an, ihn zu überſchwimmen. Jch ſah ſie über den Paraguayfluß ſetzen an
einer Stelle, wo er mehr als eine halbe Stunde breit war. Der Rudel ſelbſt zieht in dichtem Gedränge,
die männlichen Thiere voran, jedes Mutterſchwein mit ſeinen Jungen hinter ſich. Man erkennt ihn
ſchon von weitem durch das Gehör, und zwar nicht blos wegen der dumpfen, rauhen Laute, welche
die Thiere von ſich geben, ſondern noch mehr, weil ſie ungeſtüm das Gebüſch auf ihrem Wege zer-
knicken.‟ Bonpland wurde einmal von ſeinem indianiſchen Führer beim Botaniſiren gebeten,
ſich hinter einen Baum zu ſtecken, weil der Begleiter befürchtete, daß unſer Forſcher vom Rudel zu
Boden geworfen werden möchte. Die Eingeborenen verſicherten Humboldt, daß ſich ſelbſt der
Tiger im Walde ſcheue, unter ein Rudel dieſer Wildſchweine zu gerathen und ſich, um nicht erdrückt
zu werden, vor ihnen regelmäßig hinter einen Baum flüchtet.

Die Pekaris gehen bei Tage und bei Nacht ihrem Fraße nach, und der Mangel an geeigneter
Nahrung iſt es wohl auch, welcher ſie zu größeren Wanderungen zwingt. Baumfrüchte aller Art
und Wurzeln bilden ihren Fraß. Die Wurzeln wühlen ſie mit dem Rüſſel aus der Erde hervor.
Jn bewohnten Gegenden brechen ſie häufig in die Pflanzungen ein und zerſtören die Felder. Neben
pflanzlicher Nahrung ſollen ſie auch Schlangen, Eidechſen, Würmer und Larven freſſen.

Jn ihren Bewegungen und ihrem Weſen ähneln ſie unſeren Wildſchweinen; ſie zeigen aber
weder die Gefräßigkeit, noch die Unreinlichkeit derſelben, freſſen nie mehr, als ſie bedürfen, um
ihren Hunger zu ſtillen, und ſuchen blos in der größten Hitze, und dann auch nur Pfützen auf, um
ſich in ihnen zu ſuhlen. Bei Tage verbergen ſie ſich gern in hohlen Stämmen oder loſen Wurzeln
großer Bäume; wenn ſie gejagt werden, flüchten ſie ſich ſtets nach ſolchen Schlupfwinkeln. Jhre
Sinne ſind ſchwach, ihre geiſtigen Fähigkeiten gering. Gehör und Geruch ſcheinen am beſten ausge-
bildet zu ſein. Das Geſicht iſt ſchlecht. Von eigentlichem Verſtand hat man bei ihnen Nichts
bemerkt.

Mehrere Reiſende haben Wunderdinge von der Kühnheit der Pekaris erzählt; und die Natur-
beſchreiber ihnen ohne weiteres geglaubt. „Beſtändig wüthend, höchſt jähzornig,‟ ſagt Wood, „iſt
der Pekari einer der beachtenswertheſten Gegner, welchen es für den Menſchen oder für ein Raub-
thier gibt; denn Furcht iſt ein Gefühl, welches jenes Geſchöpf nicht kennt, vielleicht, weil ſein Ver-
ſtand auf einer zu niederen Stufe ſteht und es unfähig iſt, eine Gefahr zu begreifen. So harmlos
das Biſamſchwein auch iſt, ſo unbedeutend ſeine Bewaffnung erſcheint, mit anderen Mitgliedern ſeiner
Familie verglichen, ſogut weiß es die äußerſt ſcharfen Zähne zu benutzen. Es ſcheint, daß kein ein-
ziges Thier im Stande iſt, dem vereinigten Angriff der Pekaris zu widerſtehen. Selbſt der Jaguar
wird gezwungen, den Kampf aufzugeben, und muß flüchten, ſobald ihn eine Herde Pekaris um-
ringt und angreift.‟ Von allen dieſen Geſchichten wiſſen Humboldt und Rengger Nichts. „Die
Biſamſchweine,‟ ſagt Letzterer, „werden theils ihres Fleiſches wegen, theils auch des Schadens
halber, den ſie in den Pflanzungen anrichten, häufig gejagt. Man ſucht ſie gewöhnlich mit Hunden
in den Wäldern auf und tödtet ſie mit Schüſſen oder Lanzenſtichen. Es iſt lange nicht ſo gefährlich,
wie man geſagt hat, Trupps dieſer Thiere anzugreifen. Wohl mag hier und da ein unbeſonnener
Jäger einige Wunden davongetragen haben, wenn er ſich allein und zu Fuße einem großen Rudel
entgegenſtellte: jagt man ſie aber mit Hunden und greift man ſie nur von der Seite oder von hinten
an, ſo iſt für den Jäger keine Gefahr vorhanden, da ſie ſo ſchnell als möglich davoneilen und ſich
höchſtens gegen ſchwache Hunde vertheidigen. Fallen ſie oft in eine Pflanzung ein, ſo gräbt man
auf der Seite, wo ſie dieſelbe zu verlaſſen pflegen, eine breite, 8 bis 9 Fuß tiefe Grube, wartet,
bis ſie erſcheinen, und jagt ſie dann mit Hunden und unter Geſchrei auf die Grube zu, die, wenn
das Rudel ſtark, zuweilen bis zur Hälfte mit ihnen angefüllt wird. Jch ſah auf einem Landgute
neunundzwanzig Stück in ein Loch herabſtürzen und darin durch die Lanzen der Jäger ihren Tod
finden. Diejenigen, welche ſich in den Urwäldern unter Baumwurzeln verborgen haben, treibt man
mit Rauch heraus. Wir tödteten einmal funfzehn Stück auf dieſe Weiſe. Die Jndianer fangen die

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[741/0785] Die Nabelſchweine oder Pekaris. Felde, ſo durchſchneiden ſie daſſelbe im vollen Lauf, ſtoßen ſie auf einen Fluß oder Strom, ſo ſtehen ſie keinen Augenblick an, ihn zu überſchwimmen. Jch ſah ſie über den Paraguayfluß ſetzen an einer Stelle, wo er mehr als eine halbe Stunde breit war. Der Rudel ſelbſt zieht in dichtem Gedränge, die männlichen Thiere voran, jedes Mutterſchwein mit ſeinen Jungen hinter ſich. Man erkennt ihn ſchon von weitem durch das Gehör, und zwar nicht blos wegen der dumpfen, rauhen Laute, welche die Thiere von ſich geben, ſondern noch mehr, weil ſie ungeſtüm das Gebüſch auf ihrem Wege zer- knicken.‟ Bonpland wurde einmal von ſeinem indianiſchen Führer beim Botaniſiren gebeten, ſich hinter einen Baum zu ſtecken, weil der Begleiter befürchtete, daß unſer Forſcher vom Rudel zu Boden geworfen werden möchte. Die Eingeborenen verſicherten Humboldt, daß ſich ſelbſt der Tiger im Walde ſcheue, unter ein Rudel dieſer Wildſchweine zu gerathen und ſich, um nicht erdrückt zu werden, vor ihnen regelmäßig hinter einen Baum flüchtet. Die Pekaris gehen bei Tage und bei Nacht ihrem Fraße nach, und der Mangel an geeigneter Nahrung iſt es wohl auch, welcher ſie zu größeren Wanderungen zwingt. Baumfrüchte aller Art und Wurzeln bilden ihren Fraß. Die Wurzeln wühlen ſie mit dem Rüſſel aus der Erde hervor. Jn bewohnten Gegenden brechen ſie häufig in die Pflanzungen ein und zerſtören die Felder. Neben pflanzlicher Nahrung ſollen ſie auch Schlangen, Eidechſen, Würmer und Larven freſſen. Jn ihren Bewegungen und ihrem Weſen ähneln ſie unſeren Wildſchweinen; ſie zeigen aber weder die Gefräßigkeit, noch die Unreinlichkeit derſelben, freſſen nie mehr, als ſie bedürfen, um ihren Hunger zu ſtillen, und ſuchen blos in der größten Hitze, und dann auch nur Pfützen auf, um ſich in ihnen zu ſuhlen. Bei Tage verbergen ſie ſich gern in hohlen Stämmen oder loſen Wurzeln großer Bäume; wenn ſie gejagt werden, flüchten ſie ſich ſtets nach ſolchen Schlupfwinkeln. Jhre Sinne ſind ſchwach, ihre geiſtigen Fähigkeiten gering. Gehör und Geruch ſcheinen am beſten ausge- bildet zu ſein. Das Geſicht iſt ſchlecht. Von eigentlichem Verſtand hat man bei ihnen Nichts bemerkt. Mehrere Reiſende haben Wunderdinge von der Kühnheit der Pekaris erzählt; und die Natur- beſchreiber ihnen ohne weiteres geglaubt. „Beſtändig wüthend, höchſt jähzornig,‟ ſagt Wood, „iſt der Pekari einer der beachtenswertheſten Gegner, welchen es für den Menſchen oder für ein Raub- thier gibt; denn Furcht iſt ein Gefühl, welches jenes Geſchöpf nicht kennt, vielleicht, weil ſein Ver- ſtand auf einer zu niederen Stufe ſteht und es unfähig iſt, eine Gefahr zu begreifen. So harmlos das Biſamſchwein auch iſt, ſo unbedeutend ſeine Bewaffnung erſcheint, mit anderen Mitgliedern ſeiner Familie verglichen, ſogut weiß es die äußerſt ſcharfen Zähne zu benutzen. Es ſcheint, daß kein ein- ziges Thier im Stande iſt, dem vereinigten Angriff der Pekaris zu widerſtehen. Selbſt der Jaguar wird gezwungen, den Kampf aufzugeben, und muß flüchten, ſobald ihn eine Herde Pekaris um- ringt und angreift.‟ Von allen dieſen Geſchichten wiſſen Humboldt und Rengger Nichts. „Die Biſamſchweine,‟ ſagt Letzterer, „werden theils ihres Fleiſches wegen, theils auch des Schadens halber, den ſie in den Pflanzungen anrichten, häufig gejagt. Man ſucht ſie gewöhnlich mit Hunden in den Wäldern auf und tödtet ſie mit Schüſſen oder Lanzenſtichen. Es iſt lange nicht ſo gefährlich, wie man geſagt hat, Trupps dieſer Thiere anzugreifen. Wohl mag hier und da ein unbeſonnener Jäger einige Wunden davongetragen haben, wenn er ſich allein und zu Fuße einem großen Rudel entgegenſtellte: jagt man ſie aber mit Hunden und greift man ſie nur von der Seite oder von hinten an, ſo iſt für den Jäger keine Gefahr vorhanden, da ſie ſo ſchnell als möglich davoneilen und ſich höchſtens gegen ſchwache Hunde vertheidigen. Fallen ſie oft in eine Pflanzung ein, ſo gräbt man auf der Seite, wo ſie dieſelbe zu verlaſſen pflegen, eine breite, 8 bis 9 Fuß tiefe Grube, wartet, bis ſie erſcheinen, und jagt ſie dann mit Hunden und unter Geſchrei auf die Grube zu, die, wenn das Rudel ſtark, zuweilen bis zur Hälfte mit ihnen angefüllt wird. Jch ſah auf einem Landgute neunundzwanzig Stück in ein Loch herabſtürzen und darin durch die Lanzen der Jäger ihren Tod finden. Diejenigen, welche ſich in den Urwäldern unter Baumwurzeln verborgen haben, treibt man mit Rauch heraus. Wir tödteten einmal funfzehn Stück auf dieſe Weiſe. Die Jndianer fangen die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/785>, abgerufen am 23.11.2024.