Die Plumpheit unserer Thiere ist überhaupt nur eine scheinbare. Der Elefant ist in Allem sehr geschickt. Für gewöhnlich geht er einen ruhigen, gleichmäßigen Paß, wie das Kamel und die Girafe; dieser ruhige Gang aber kann so beschleunigt werden, daß ein Reiter Mühe hat, dem trabenden Elefanten nachzukommen. Andererseits versteht dieser es, so leise durch den Wald zu schleichen, daß man ihn kaum noch gehen hört. "Anfangs," sagt Tennent, "stürzt eine wilde Herde mit lautem Geräusch durch das Unterholz; bald aber sinkt der Lärm zur vollständigsten Geräuschlosigkeit herab, so daß ein Neuling glauben muß, die flüchtenden Elefanten hätten nur einige Schritte gethan und sich dann ruhig wieder aufgestellt." -- Beim Ueberschreiten sehr bedeutender Steilungen wird der Elefant geradezu zum kletternden Thier. An dem Gefangenen unseres Thiergartens habe ich mit wahrem Vergnügen gesehen, wie geschickt er es anfängt, schroffe Gehänge zu überwinden. Er biegt beim Ersteigen steiler Berglehnen sehr klug seine Vorderläufe in den Handgelenken ein, ernie- drigt also den Vorderleib und bringt den Schwerpunkt nach vorn: dann rutscht er auf den einge- knickten Beinen vorwärts, während er hinten mit gerade ausgestreckten Beinen geht. Bergauf also geht die Wanderung noch ganz leidlich; bergab dagegen hat das schwere Thier selbstverständlich wegen seines ungeheuern Gewichtes noch größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wollte der Elefant in seiner gewöhnlichen Weise fortgehen, so würde er unbedingt das Gleichgewicht verlieren, sich nach vorn überschlagen und solchen Sturz vielleicht mit seinem Leben bezahlen. Das kluge Geschöpf thut Dies jedoch nicht. Es kniet am Rande des Abhangs nieder, so daß seine Brust auf den Boden zu liegen kommt und schiebt nun seine Vorderbeine höchst bedächtig vor sich her, bis sie irgendwo wieder Halt gewonnen haben. Hierauf zieht es die Hinterbeine nach und so gelangt es gleitend und rutschend nach und nach in die Tiefe herab.
Zuweilen kommt es übrigens doch vor, daß der Elefant auf seinen nächtlichen Wanderungen einen schweren Fall thut. Jm oberen Mensathale sah ich hiervon unverkennbare Spuren. Eine starke Herde war beim Uebergang des Hauptthales längs einer Bergwand hingegangen und dabei auf einen schmalen Weg gerathen, welchen das Regenwasser hier und da unterwaschen hatte. Ein theilweise überragender Stein war von einem Elefanten betreten und dadurch zur Tiefe herabgestürzt worden, hatte aber auch zugleich den Elefanten aus dem Gleichgewicht gebracht und nach sich gezogen. Der Dickhäuter mußte einen gewaltigen Purzelbaum geschossen haben; denn Gras und Büsche waren auf mindestens funfzig Fuß nach unten niedergebrochen und theilweise ausgerissen, in einer Breite, welche der Länge eines Elefanten etwa entsprach. Ein stärkeres und dichteres Gebüsch hatte den Rollenden endlich aufgehalten; von dort aus führte die Fährte wieder zum Hauptwege empor. Einige Kreuz- schmerzen mochte das gute Thier wohl davon getragen haben; zu ernstlichem Schaden aber war es doch nicht gekommen.
Der alte Glaube, daß der Elefant sich nicht niederlegen könne, wird von jedem, den wir in Thierschaubuden sehen, aufs gründlichste widerlegt. Allerdings schläft der Elefant nicht immer im Liegen, sondern oft auch im Stehen: wenn er es sich aber bequem machen will, läßt er sich mit der- selben Leichtigkeit, mit welcher er sich anderweitig bewegt, nieder oder erhebt sich vom Lager. Nicht minder vortrefflich versteht der ungeschlachte Gesell das Schwimmen. Er wirft sich mit wahrer Wol- lust in das Wasser und versenkt sich nach Belieben in die Tiefe desselben. Falls es ihm gefällt, schwimmt er in gerader Richtung über die breitesten Ströme hinweg, und manchmal lagert er sich förmlich unter Wasser, wobei er dann einzig und allein die Spitze seines Rüssels über die Ober- fläche emporstreckt.
Die wunderbarsten Bewegungen, deren der Elefant überhaupt fähig ist, führt er mit seinem Rüssel aus. Dieses herrliche Werkzeug ist ebenso ausgezeichnet wegen seiner gewaltigen Kraft, als wegen der Manchfaltigkeit der Biegungen und Drehungen, deren es fähig ist, oder der Geschicklichkeit, mit welcher es Etwas ergreifen kann. Mit dem fingerartigen Fortsatz am Ende erfaßt der Elefant die kleinsten Dinge, leichte Silbermünzen oder Papierschnitzel zum Beispiel, und mit demselben Rüssel bricht er ziemlich starke Bäume um. Man kann eben nur sagen, daß der Rüssel zu jeder Arbeit und
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Die Elefanten
Die Plumpheit unſerer Thiere iſt überhaupt nur eine ſcheinbare. Der Elefant iſt in Allem ſehr geſchickt. Für gewöhnlich geht er einen ruhigen, gleichmäßigen Paß, wie das Kamel und die Girafe; dieſer ruhige Gang aber kann ſo beſchleunigt werden, daß ein Reiter Mühe hat, dem trabenden Elefanten nachzukommen. Andererſeits verſteht dieſer es, ſo leiſe durch den Wald zu ſchleichen, daß man ihn kaum noch gehen hört. „Anfangs,‟ ſagt Tennent, „ſtürzt eine wilde Herde mit lautem Geräuſch durch das Unterholz; bald aber ſinkt der Lärm zur vollſtändigſten Geräuſchloſigkeit herab, ſo daß ein Neuling glauben muß, die flüchtenden Elefanten hätten nur einige Schritte gethan und ſich dann ruhig wieder aufgeſtellt.‟ — Beim Ueberſchreiten ſehr bedeutender Steilungen wird der Elefant geradezu zum kletternden Thier. An dem Gefangenen unſeres Thiergartens habe ich mit wahrem Vergnügen geſehen, wie geſchickt er es anfängt, ſchroffe Gehänge zu überwinden. Er biegt beim Erſteigen ſteiler Berglehnen ſehr klug ſeine Vorderläufe in den Handgelenken ein, ernie- drigt alſo den Vorderleib und bringt den Schwerpunkt nach vorn: dann rutſcht er auf den einge- knickten Beinen vorwärts, während er hinten mit gerade ausgeſtreckten Beinen geht. Bergauf alſo geht die Wanderung noch ganz leidlich; bergab dagegen hat das ſchwere Thier ſelbſtverſtändlich wegen ſeines ungeheuern Gewichtes noch größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wollte der Elefant in ſeiner gewöhnlichen Weiſe fortgehen, ſo würde er unbedingt das Gleichgewicht verlieren, ſich nach vorn überſchlagen und ſolchen Sturz vielleicht mit ſeinem Leben bezahlen. Das kluge Geſchöpf thut Dies jedoch nicht. Es kniet am Rande des Abhangs nieder, ſo daß ſeine Bruſt auf den Boden zu liegen kommt und ſchiebt nun ſeine Vorderbeine höchſt bedächtig vor ſich her, bis ſie irgendwo wieder Halt gewonnen haben. Hierauf zieht es die Hinterbeine nach und ſo gelangt es gleitend und rutſchend nach und nach in die Tiefe herab.
Zuweilen kommt es übrigens doch vor, daß der Elefant auf ſeinen nächtlichen Wanderungen einen ſchweren Fall thut. Jm oberen Menſathale ſah ich hiervon unverkennbare Spuren. Eine ſtarke Herde war beim Uebergang des Hauptthales längs einer Bergwand hingegangen und dabei auf einen ſchmalen Weg gerathen, welchen das Regenwaſſer hier und da unterwaſchen hatte. Ein theilweiſe überragender Stein war von einem Elefanten betreten und dadurch zur Tiefe herabgeſtürzt worden, hatte aber auch zugleich den Elefanten aus dem Gleichgewicht gebracht und nach ſich gezogen. Der Dickhäuter mußte einen gewaltigen Purzelbaum geſchoſſen haben; denn Gras und Büſche waren auf mindeſtens funfzig Fuß nach unten niedergebrochen und theilweiſe ausgeriſſen, in einer Breite, welche der Länge eines Elefanten etwa entſprach. Ein ſtärkeres und dichteres Gebüſch hatte den Rollenden endlich aufgehalten; von dort aus führte die Fährte wieder zum Hauptwege empor. Einige Kreuz- ſchmerzen mochte das gute Thier wohl davon getragen haben; zu ernſtlichem Schaden aber war es doch nicht gekommen.
Der alte Glaube, daß der Elefant ſich nicht niederlegen könne, wird von jedem, den wir in Thierſchaubuden ſehen, aufs gründlichſte widerlegt. Allerdings ſchläft der Elefant nicht immer im Liegen, ſondern oft auch im Stehen: wenn er es ſich aber bequem machen will, läßt er ſich mit der- ſelben Leichtigkeit, mit welcher er ſich anderweitig bewegt, nieder oder erhebt ſich vom Lager. Nicht minder vortrefflich verſteht der ungeſchlachte Geſell das Schwimmen. Er wirft ſich mit wahrer Wol- luſt in das Waſſer und verſenkt ſich nach Belieben in die Tiefe deſſelben. Falls es ihm gefällt, ſchwimmt er in gerader Richtung über die breiteſten Ströme hinweg, und manchmal lagert er ſich förmlich unter Waſſer, wobei er dann einzig und allein die Spitze ſeines Rüſſels über die Ober- fläche emporſtreckt.
Die wunderbarſten Bewegungen, deren der Elefant überhaupt fähig iſt, führt er mit ſeinem Rüſſel aus. Dieſes herrliche Werkzeug iſt ebenſo ausgezeichnet wegen ſeiner gewaltigen Kraft, als wegen der Manchfaltigkeit der Biegungen und Drehungen, deren es fähig iſt, oder der Geſchicklichkeit, mit welcher es Etwas ergreifen kann. Mit dem fingerartigen Fortſatz am Ende erfaßt der Elefant die kleinſten Dinge, leichte Silbermünzen oder Papierſchnitzel zum Beiſpiel, und mit demſelben Rüſſel bricht er ziemlich ſtarke Bäume um. Man kann eben nur ſagen, daß der Rüſſel zu jeder Arbeit und
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Die Elefanten
Die Plumpheit unſerer Thiere iſt überhaupt nur eine ſcheinbare. Der Elefant iſt in Allem ſehr
geſchickt. Für gewöhnlich geht er einen ruhigen, gleichmäßigen Paß, wie das Kamel und die Girafe;
dieſer ruhige Gang aber kann ſo beſchleunigt werden, daß ein Reiter Mühe hat, dem trabenden
Elefanten nachzukommen. Andererſeits verſteht dieſer es, ſo leiſe durch den Wald zu ſchleichen, daß
man ihn kaum noch gehen hört. „Anfangs,‟ ſagt Tennent, „ſtürzt eine wilde Herde mit lautem
Geräuſch durch das Unterholz; bald aber ſinkt der Lärm zur vollſtändigſten Geräuſchloſigkeit herab,
ſo daß ein Neuling glauben muß, die flüchtenden Elefanten hätten nur einige Schritte gethan und
ſich dann ruhig wieder aufgeſtellt.‟ — Beim Ueberſchreiten ſehr bedeutender Steilungen wird der
Elefant geradezu zum kletternden Thier. An dem Gefangenen unſeres Thiergartens habe ich mit
wahrem Vergnügen geſehen, wie geſchickt er es anfängt, ſchroffe Gehänge zu überwinden. Er
biegt beim Erſteigen ſteiler Berglehnen ſehr klug ſeine Vorderläufe in den Handgelenken ein, ernie-
drigt alſo den Vorderleib und bringt den Schwerpunkt nach vorn: dann rutſcht er auf den einge-
knickten Beinen vorwärts, während er hinten mit gerade ausgeſtreckten Beinen geht. Bergauf alſo
geht die Wanderung noch ganz leidlich; bergab dagegen hat das ſchwere Thier ſelbſtverſtändlich wegen
ſeines ungeheuern Gewichtes noch größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wollte der Elefant in
ſeiner gewöhnlichen Weiſe fortgehen, ſo würde er unbedingt das Gleichgewicht verlieren, ſich nach
vorn überſchlagen und ſolchen Sturz vielleicht mit ſeinem Leben bezahlen. Das kluge Geſchöpf thut
Dies jedoch nicht. Es kniet am Rande des Abhangs nieder, ſo daß ſeine Bruſt auf den Boden zu
liegen kommt und ſchiebt nun ſeine Vorderbeine höchſt bedächtig vor ſich her, bis ſie irgendwo wieder
Halt gewonnen haben. Hierauf zieht es die Hinterbeine nach und ſo gelangt es gleitend und rutſchend
nach und nach in die Tiefe herab.
Zuweilen kommt es übrigens doch vor, daß der Elefant auf ſeinen nächtlichen Wanderungen
einen ſchweren Fall thut. Jm oberen Menſathale ſah ich hiervon unverkennbare Spuren. Eine ſtarke
Herde war beim Uebergang des Hauptthales längs einer Bergwand hingegangen und dabei auf einen
ſchmalen Weg gerathen, welchen das Regenwaſſer hier und da unterwaſchen hatte. Ein theilweiſe
überragender Stein war von einem Elefanten betreten und dadurch zur Tiefe herabgeſtürzt worden,
hatte aber auch zugleich den Elefanten aus dem Gleichgewicht gebracht und nach ſich gezogen. Der
Dickhäuter mußte einen gewaltigen Purzelbaum geſchoſſen haben; denn Gras und Büſche waren auf
mindeſtens funfzig Fuß nach unten niedergebrochen und theilweiſe ausgeriſſen, in einer Breite, welche
der Länge eines Elefanten etwa entſprach. Ein ſtärkeres und dichteres Gebüſch hatte den Rollenden
endlich aufgehalten; von dort aus führte die Fährte wieder zum Hauptwege empor. Einige Kreuz-
ſchmerzen mochte das gute Thier wohl davon getragen haben; zu ernſtlichem Schaden aber war es
doch nicht gekommen.
Der alte Glaube, daß der Elefant ſich nicht niederlegen könne, wird von jedem, den wir in
Thierſchaubuden ſehen, aufs gründlichſte widerlegt. Allerdings ſchläft der Elefant nicht immer im
Liegen, ſondern oft auch im Stehen: wenn er es ſich aber bequem machen will, läßt er ſich mit der-
ſelben Leichtigkeit, mit welcher er ſich anderweitig bewegt, nieder oder erhebt ſich vom Lager. Nicht
minder vortrefflich verſteht der ungeſchlachte Geſell das Schwimmen. Er wirft ſich mit wahrer Wol-
luſt in das Waſſer und verſenkt ſich nach Belieben in die Tiefe deſſelben. Falls es ihm gefällt,
ſchwimmt er in gerader Richtung über die breiteſten Ströme hinweg, und manchmal lagert er ſich
förmlich unter Waſſer, wobei er dann einzig und allein die Spitze ſeines Rüſſels über die Ober-
fläche emporſtreckt.
Die wunderbarſten Bewegungen, deren der Elefant überhaupt fähig iſt, führt er mit ſeinem
Rüſſel aus. Dieſes herrliche Werkzeug iſt ebenſo ausgezeichnet wegen ſeiner gewaltigen Kraft, als
wegen der Manchfaltigkeit der Biegungen und Drehungen, deren es fähig iſt, oder der Geſchicklichkeit,
mit welcher es Etwas ergreifen kann. Mit dem fingerartigen Fortſatz am Ende erfaßt der Elefant
die kleinſten Dinge, leichte Silbermünzen oder Papierſchnitzel zum Beiſpiel, und mit demſelben Rüſſel
bricht er ziemlich ſtarke Bäume um. Man kann eben nur ſagen, daß der Rüſſel zu jeder Arbeit und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/727>, abgerufen am 23.11.2024.
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