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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Bison.
in kleinere Trupps oder Herden aufgelöst. Diese Wanderungen dehnen sie von Kanada bis hinter zu
den Küstenländern des mejikanischen Golfs und von Missouri bis zu den Felsengebirgen aus. Dem-
ungeachtet findet man allerorten, wo sie hausen, einzelne Zurückgebliebene, welche sich dem großen
Strome nicht angeschlossen haben. Dies sind gewöhnlich alte Stiere, schon zu steif und zu träge, um
den Heersäulen zu folgen, vielleicht auch zu bösartig, als daß sie von der jüngeren Gesellschaft
geduldet würden, und deshalb zum Einsiedlerleben gezwungen. Die wandernden Herden sind auch
dann noch kenntlich, wenn man die Büffel selbst nicht wahrnimmt; denn ebenso wie eine Menge von
magern Wölfen hinter ihnen daherzieht, folgen ihnen Geier und Adler und Raben in den Lüf-
ten, und die einen, wie die anderen sind sicherer Beute gewiß. Es scheint, als ob die Büffel gewisse
Straßen auch auf ihrer Wanderung einhielten. Da, wo sie sich fest angesiedelt haben, wechseln sie
mit großer Regelmäßigkeit hin und her, namentlich von den saftigen Weideplätzen zu den Flüssen,
welche sie besuchen, um sich zu tränken oder badend zu kühlen, und auf ihren Wanderungen treten sie
sich jene Wege aus, die unter dem Namen "Büffelpfade" Allen bekannt geworden sind, welche die
Prairien durchreisten. Die Büffelpfade führen meist in gerader Richtung fort, hunderte neben ein-
ander, überschreiten Gebirgsbäche und Flüsse, da, wo die Ufer zum Ein- und Aussteigen bequem sind
und ziehen sich viele, viele Meilen weit durch die Steppen dahin.

Das Gesellschaftsleben der Bisonten wird hauptsächlich durch zwei Ursachen bedingt, durch den
Wechsel des Jahres und durch die Fortpflanzung. Der Frühling zerstreut, der Herbst vereinigt. Jn
den Monaten Juli und August stellen sich die wohlgenährten Stiere bei den Kühen ein, und jeder
Einzelne von ihnen erwählt sich eine Lebensgefährtin. Ungeachtet solcher Genügsamkeit aber geht es
nicht ohne Kampf und Streit ab; denn auch unter den "Büffeln" befinden sich häufig genug mehrere
Bewerber um ein und dieselbe Kuh. Dann entbrennen furchtbare Kämpfe, bis ein Stier als unan-
fechtbarer Sieger aus dem Kampfe hervorgeht. Hierauf sondert sich das Paar von der Herde und
hält sich nur bis zu dem Monate zusammen, in welchem der aus solcher Vereinigung hervorgehende
Sprößling geboren wird. Sobald ein Paar sich wirklich vereinigt hat, tritt der Frieden unter der
Gesammtheit wieder ein.

Alle Beobachter versichern, daß man sich kaum ein prachtvolleres Schauspiel denken könne, als
solchen Kampf zwischen zwei krästigen Stieren es gewährt. Der zum Gefecht sich anschickende Vison
stampft wüthend den Grund, brüllt laut, schüttelt mit dem tief zu Boden gesenkten Kopf, erhebt
den Schwanz, peitscht mit ihm durch die Luft und stürzt sodann plötzlich mit überraschender Eile auf
seinen Gegner zu. Die Gehörne, die Stirnen prallen laut schallend an einander. Dem ungeachtet
hat man, wie Audubon versichert, niemals beobachtet, daß ein Stier von dem anderen in solchem
Kampf getödtet worden wäre. Der dicke Schädel, welcher außerdem durch den Wollfilz auf ihm
wohlgeschützt ist, hält einen gewaltigen Stoß ohne Schaden aus, und die kurzen Hörner sind auch
keine geeigneten Waffen, einen gleich starken Gegner tödtlich zu verletzen. Jn Ermangelung eines
Nebenbuhlers versucht der brünstige Stier seinen Gefühlen in anderer Weise Luft zu machen: er
kämpft dann sinnlos mit dem Grund und Boden selber. An einer geeigneten Stelle beginnt er mit
den Füßen zu scharren und sodann mit den Hörnern in die Erde zu bohren, schleudert Rasenstücke
und die lose Erde nach allen Seiten weg und bildet so eine trichterförmige Mulde von größerer oder
geringerer Tiefe. Andere Bullen, welche zu solchen Plätzen kommen, pflegen das Werk des Ersten
fortzusetzen und vergrößern dadurch die Vertiefung mehr und mehr. Doch scheint es, als ob mit
dieser Arbeit auch noch ein anderer Zweck verbunden werde. Jn den trichterförmigen Bertiefungen
nämlich sammelt sich schnell Wasser, und es entsteht sodann eine Badewanne, welche der von der
Hitze und den Mücken geplagte Stier mit ersichtlicher Freude benutzt, um sich zu kühlen und vor den
Mücken zu schützen. "Allmählich," sagt Möllhausen, "senkt sich der Bison tiefer und tiefer in
den Morast, indem er mit den Füßen stampft und sich im Kreise herumschiebt, und erst, wenn er sich
zur Genüge dem Genusse hingegeben, entsteigt er dem Morbade. Er sieht dann keinem lebenden
Wesen mehr ähnlich. Der lange Bart und die dicke, zottige Mähne sind in eine triefende, klebrige

Der Biſon.
in kleinere Trupps oder Herden aufgelöſt. Dieſe Wanderungen dehnen ſie von Kanada bis hinter zu
den Küſtenländern des mejikaniſchen Golfs und von Miſſouri bis zu den Felſengebirgen aus. Dem-
ungeachtet findet man allerorten, wo ſie hauſen, einzelne Zurückgebliebene, welche ſich dem großen
Strome nicht angeſchloſſen haben. Dies ſind gewöhnlich alte Stiere, ſchon zu ſteif und zu träge, um
den Heerſäulen zu folgen, vielleicht auch zu bösartig, als daß ſie von der jüngeren Geſellſchaft
geduldet würden, und deshalb zum Einſiedlerleben gezwungen. Die wandernden Herden ſind auch
dann noch kenntlich, wenn man die Büffel ſelbſt nicht wahrnimmt; denn ebenſo wie eine Menge von
magern Wölfen hinter ihnen daherzieht, folgen ihnen Geier und Adler und Raben in den Lüf-
ten, und die einen, wie die anderen ſind ſicherer Beute gewiß. Es ſcheint, als ob die Büffel gewiſſe
Straßen auch auf ihrer Wanderung einhielten. Da, wo ſie ſich feſt angeſiedelt haben, wechſeln ſie
mit großer Regelmäßigkeit hin und her, namentlich von den ſaftigen Weideplätzen zu den Flüſſen,
welche ſie beſuchen, um ſich zu tränken oder badend zu kühlen, und auf ihren Wanderungen treten ſie
ſich jene Wege aus, die unter dem Namen „Büffelpfade‟ Allen bekannt geworden ſind, welche die
Prairien durchreiſten. Die Büffelpfade führen meiſt in gerader Richtung fort, hunderte neben ein-
ander, überſchreiten Gebirgsbäche und Flüſſe, da, wo die Ufer zum Ein- und Ausſteigen bequem ſind
und ziehen ſich viele, viele Meilen weit durch die Steppen dahin.

Das Geſellſchaftsleben der Biſonten wird hauptſächlich durch zwei Urſachen bedingt, durch den
Wechſel des Jahres und durch die Fortpflanzung. Der Frühling zerſtreut, der Herbſt vereinigt. Jn
den Monaten Juli und Auguſt ſtellen ſich die wohlgenährten Stiere bei den Kühen ein, und jeder
Einzelne von ihnen erwählt ſich eine Lebensgefährtin. Ungeachtet ſolcher Genügſamkeit aber geht es
nicht ohne Kampf und Streit ab; denn auch unter den „Büffeln‟ befinden ſich häufig genug mehrere
Bewerber um ein und dieſelbe Kuh. Dann entbrennen furchtbare Kämpfe, bis ein Stier als unan-
fechtbarer Sieger aus dem Kampfe hervorgeht. Hierauf ſondert ſich das Paar von der Herde und
hält ſich nur bis zu dem Monate zuſammen, in welchem der aus ſolcher Vereinigung hervorgehende
Sprößling geboren wird. Sobald ein Paar ſich wirklich vereinigt hat, tritt der Frieden unter der
Geſammtheit wieder ein.

Alle Beobachter verſichern, daß man ſich kaum ein prachtvolleres Schauſpiel denken könne, als
ſolchen Kampf zwiſchen zwei kräſtigen Stieren es gewährt. Der zum Gefecht ſich anſchickende Viſon
ſtampft wüthend den Grund, brüllt laut, ſchüttelt mit dem tief zu Boden geſenkten Kopf, erhebt
den Schwanz, peitſcht mit ihm durch die Luft und ſtürzt ſodann plötzlich mit überraſchender Eile auf
ſeinen Gegner zu. Die Gehörne, die Stirnen prallen laut ſchallend an einander. Dem ungeachtet
hat man, wie Audubon verſichert, niemals beobachtet, daß ein Stier von dem anderen in ſolchem
Kampf getödtet worden wäre. Der dicke Schädel, welcher außerdem durch den Wollfilz auf ihm
wohlgeſchützt iſt, hält einen gewaltigen Stoß ohne Schaden aus, und die kurzen Hörner ſind auch
keine geeigneten Waffen, einen gleich ſtarken Gegner tödtlich zu verletzen. Jn Ermangelung eines
Nebenbuhlers verſucht der brünſtige Stier ſeinen Gefühlen in anderer Weiſe Luft zu machen: er
kämpft dann ſinnlos mit dem Grund und Boden ſelber. An einer geeigneten Stelle beginnt er mit
den Füßen zu ſcharren und ſodann mit den Hörnern in die Erde zu bohren, ſchleudert Raſenſtücke
und die loſe Erde nach allen Seiten weg und bildet ſo eine trichterförmige Mulde von größerer oder
geringerer Tiefe. Andere Bullen, welche zu ſolchen Plätzen kommen, pflegen das Werk des Erſten
fortzuſetzen und vergrößern dadurch die Vertiefung mehr und mehr. Doch ſcheint es, als ob mit
dieſer Arbeit auch noch ein anderer Zweck verbunden werde. Jn den trichterförmigen Bertiefungen
nämlich ſammelt ſich ſchnell Waſſer, und es entſteht ſodann eine Badewanne, welche der von der
Hitze und den Mücken geplagte Stier mit erſichtlicher Freude benutzt, um ſich zu kühlen und vor den
Mücken zu ſchützen. „Allmählich,‟ ſagt Möllhauſen, „ſenkt ſich der Biſon tiefer und tiefer in
den Moraſt, indem er mit den Füßen ſtampft und ſich im Kreiſe herumſchiebt, und erſt, wenn er ſich
zur Genüge dem Genuſſe hingegeben, entſteigt er dem Morbade. Er ſieht dann keinem lebenden
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[649/0683] Der Biſon. in kleinere Trupps oder Herden aufgelöſt. Dieſe Wanderungen dehnen ſie von Kanada bis hinter zu den Küſtenländern des mejikaniſchen Golfs und von Miſſouri bis zu den Felſengebirgen aus. Dem- ungeachtet findet man allerorten, wo ſie hauſen, einzelne Zurückgebliebene, welche ſich dem großen Strome nicht angeſchloſſen haben. Dies ſind gewöhnlich alte Stiere, ſchon zu ſteif und zu träge, um den Heerſäulen zu folgen, vielleicht auch zu bösartig, als daß ſie von der jüngeren Geſellſchaft geduldet würden, und deshalb zum Einſiedlerleben gezwungen. Die wandernden Herden ſind auch dann noch kenntlich, wenn man die Büffel ſelbſt nicht wahrnimmt; denn ebenſo wie eine Menge von magern Wölfen hinter ihnen daherzieht, folgen ihnen Geier und Adler und Raben in den Lüf- ten, und die einen, wie die anderen ſind ſicherer Beute gewiß. Es ſcheint, als ob die Büffel gewiſſe Straßen auch auf ihrer Wanderung einhielten. Da, wo ſie ſich feſt angeſiedelt haben, wechſeln ſie mit großer Regelmäßigkeit hin und her, namentlich von den ſaftigen Weideplätzen zu den Flüſſen, welche ſie beſuchen, um ſich zu tränken oder badend zu kühlen, und auf ihren Wanderungen treten ſie ſich jene Wege aus, die unter dem Namen „Büffelpfade‟ Allen bekannt geworden ſind, welche die Prairien durchreiſten. Die Büffelpfade führen meiſt in gerader Richtung fort, hunderte neben ein- ander, überſchreiten Gebirgsbäche und Flüſſe, da, wo die Ufer zum Ein- und Ausſteigen bequem ſind und ziehen ſich viele, viele Meilen weit durch die Steppen dahin. Das Geſellſchaftsleben der Biſonten wird hauptſächlich durch zwei Urſachen bedingt, durch den Wechſel des Jahres und durch die Fortpflanzung. Der Frühling zerſtreut, der Herbſt vereinigt. Jn den Monaten Juli und Auguſt ſtellen ſich die wohlgenährten Stiere bei den Kühen ein, und jeder Einzelne von ihnen erwählt ſich eine Lebensgefährtin. Ungeachtet ſolcher Genügſamkeit aber geht es nicht ohne Kampf und Streit ab; denn auch unter den „Büffeln‟ befinden ſich häufig genug mehrere Bewerber um ein und dieſelbe Kuh. Dann entbrennen furchtbare Kämpfe, bis ein Stier als unan- fechtbarer Sieger aus dem Kampfe hervorgeht. Hierauf ſondert ſich das Paar von der Herde und hält ſich nur bis zu dem Monate zuſammen, in welchem der aus ſolcher Vereinigung hervorgehende Sprößling geboren wird. Sobald ein Paar ſich wirklich vereinigt hat, tritt der Frieden unter der Geſammtheit wieder ein. Alle Beobachter verſichern, daß man ſich kaum ein prachtvolleres Schauſpiel denken könne, als ſolchen Kampf zwiſchen zwei kräſtigen Stieren es gewährt. Der zum Gefecht ſich anſchickende Viſon ſtampft wüthend den Grund, brüllt laut, ſchüttelt mit dem tief zu Boden geſenkten Kopf, erhebt den Schwanz, peitſcht mit ihm durch die Luft und ſtürzt ſodann plötzlich mit überraſchender Eile auf ſeinen Gegner zu. Die Gehörne, die Stirnen prallen laut ſchallend an einander. Dem ungeachtet hat man, wie Audubon verſichert, niemals beobachtet, daß ein Stier von dem anderen in ſolchem Kampf getödtet worden wäre. Der dicke Schädel, welcher außerdem durch den Wollfilz auf ihm wohlgeſchützt iſt, hält einen gewaltigen Stoß ohne Schaden aus, und die kurzen Hörner ſind auch keine geeigneten Waffen, einen gleich ſtarken Gegner tödtlich zu verletzen. Jn Ermangelung eines Nebenbuhlers verſucht der brünſtige Stier ſeinen Gefühlen in anderer Weiſe Luft zu machen: er kämpft dann ſinnlos mit dem Grund und Boden ſelber. An einer geeigneten Stelle beginnt er mit den Füßen zu ſcharren und ſodann mit den Hörnern in die Erde zu bohren, ſchleudert Raſenſtücke und die loſe Erde nach allen Seiten weg und bildet ſo eine trichterförmige Mulde von größerer oder geringerer Tiefe. Andere Bullen, welche zu ſolchen Plätzen kommen, pflegen das Werk des Erſten fortzuſetzen und vergrößern dadurch die Vertiefung mehr und mehr. Doch ſcheint es, als ob mit dieſer Arbeit auch noch ein anderer Zweck verbunden werde. Jn den trichterförmigen Bertiefungen nämlich ſammelt ſich ſchnell Waſſer, und es entſteht ſodann eine Badewanne, welche der von der Hitze und den Mücken geplagte Stier mit erſichtlicher Freude benutzt, um ſich zu kühlen und vor den Mücken zu ſchützen. „Allmählich,‟ ſagt Möllhauſen, „ſenkt ſich der Biſon tiefer und tiefer in den Moraſt, indem er mit den Füßen ſtampft und ſich im Kreiſe herumſchiebt, und erſt, wenn er ſich zur Genüge dem Genuſſe hingegeben, entſteigt er dem Morbade. Er ſieht dann keinem lebenden Weſen mehr ähnlich. Der lange Bart und die dicke, zottige Mähne ſind in eine triefende, klebrige

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/683>, abgerufen am 26.05.2024.