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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Wisent.
laßt er das haar, wird jm kürtzer vnnd dünner: Winters zeyt aber vil lenger vnnd dicker, frisset
höuw, als andere heimsche Rinder."

"Wo dise thier zu finden."

"Jn Sclanonia, Vngeren vnnd Preüssen auch allen anderen landen, weyt gägen Mitnacht ge-
lägen, grossen mercklichen wälden werded dise wilde Ochsen gefunden vnnd gejagt. Vor zeyten
söllend sölche auch in dem Schwartzwald gesähen seyn."

"Von dem Anwerochß oder Bristier."

"Von seiner gestalt."

"Aus den figuren vnd gestalten der Anwerochßen ist die erste die rechte ware bildtnuß, dann
die ander gstalt so hie zugegen in form deß geiegts, wil sich nit beduncken gantz eigentlich con-
trafetet seyn. Söllend gantz änlich seyn den gmeinen schwartzen heimschen Stieren, doch grösser
mit sonderer gestalt der hornen, als dann hie wol zu sehen ist. Sölche sind vor zeyten in dem
Schwartzwald gejagt worden, jetzsonder wirt er in der Lithauw in dem ort Mazonia genannt,
allein gefangen, welche je nur der Teütschen Wisent vngebürlich nennend: dann der recht ware
Wisent der alten ist hievor beschriben vnd mit gestalt für augen gestelt worden."

"Es werdend zu Worms und Mentz, so namhasst stett am Rheynstromen gelägen, grosse
wilde Stierköpff, zwey mal grösser dann der heimschen, mit etwas geblibnen stumpen der hornen,
an gmeinen Radtsheüsern der statt angehefft gesehen vnd gezeiget, welche one zweyfel von etlichen
wilden Ochsen kommen sind."

"Von ardt vnd natur der thieren."

"Dise thier söllend seer starck, schnäll, rouw vnnd grausam seyn, niemants schonen, wäder
leüt noch vech, mögen zu keinen zeyten milt gemachet werden. Jr ardt zu fahen ist, das man
sölche in tieffe gruben stürtzt, in welchem gejegt sich die junge mannschafft mächtig pflägt zu üben.
Dann welcher die mererzal der thieren vmbracht vnd geschediget hatt, des selbigen ware vrkund
den herren bringt vnd der oberkeit zeigt, der empfacht grosses lob vnd reyche schenke davon. Es
schreybend etlich daß dise Stier auch auff dem grausamen gebirg, so das Spangerland vnd Franck-
reych von einander scheidet gefunden vnd gesähen werdend."

"Nutzbarkeit von den thieren."

"Aussert der nutzbarkeit, so man von der haut vnnd fleisch der thieren hat, werdend auch
seine horn als fürstliche zierd vnd kleinot behalten, in sylber eyngefasset, gebraucht zu trinck ge-
schiren, Fürsten vnd Herren dargebotten: welchen brauch auff den hüttigen tag die Lithuaner be-
halten habend." --

Andere Schriftsteller aus dem sechzehnten Jahrhundert halten den gegebenen Unterschied eben-
falls fest. Mucaute, welcher am polnischen Hofe oft Gelegenheit hatte, beide Arten lebend zu
sehen, sagt ausdrücklich, daß es in einem königlichen Parke Bisons und Turen gegeben habe. Der
Wojwode Ostrorog ertheilt Denen, welche Wildparks anlegen wollen, den Rath, Bisons und Ore
nicht an denselben Orten zu halten, weil sie mit einander große Kämpfe aufführen. Endlich wurde
Anfang dieses Jahrhunderts ein altes Oelgemälde entdeckt, welches, nach Stil und Pinsel zu urthei-
len, etwa aus dem ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts herrühren mag. Es stellt ein ziemlich
rauhhaariges, mähnenloses Thier mit großem Kopf, dickem Hals und schwacher Wamme dar. Seine
mächtigen Hörner sind gleich denen eines ungarischen oder römischen Ochsen vorwärts und dann auf-
wärts gekehrt. Jhre Färbung ist an der Wurzel ein lichtes Horngrau, an der Spitze ein dunkles
Schwarz. Die Färbung des Felles ist ein gleichmäßiges Schwarz, nur das Kinn ist lichter. Jn
einer Ecke des Bildes steht das Wort Tur. Wir haben also in dem abgemalten Thiere den Auer
vor uns.

Erst im siebzehnten Jahrhundert werden di[e] Schriftsteller zweifelhaft, und später sprechen sie nur
von einem Wildochsen, welchen sie bald Wise[n]t, bald Urochs nennen. Der letztere d. h. der wahre

Der Wiſent.
laßt er das haar, wird jm kürtzer vnnd dünner: Winters zeyt aber vil lenger vnnd dicker, friſſet
höuw, als andere heimſche Rinder.‟

„Wo diſe thier zu finden.‟

„Jn Sclanonia, Vngeren vnnd Preüſſen auch allen anderen landen, weyt gägen Mitnacht ge-
lägen, groſſen mercklichen wälden werded diſe wilde Ochſen gefunden vnnd gejagt. Vor zeyten
ſöllend ſölche auch in dem Schwartzwald geſähen ſeyn.‟

„Von dem Anwerochß oder Briſtier.‟

„Von ſeiner geſtalt.‟

„Aus den figuren vnd geſtalten der Anwerochßen iſt die erſte die rechte ware bildtnuß, dann
die ander gſtalt ſo hie zugegen in form deß geiegts, wil ſich nit beduncken gantz eigentlich con-
trafetet ſeyn. Söllend gantz änlich ſeyn den gmeinen ſchwartzen heimſchen Stieren, doch gröſſer
mit ſonderer geſtalt der hornen, als dann hie wol zu ſehen iſt. Sölche ſind vor zeyten in dem
Schwartzwald gejagt worden, jetzſonder wirt er in der Lithauw in dem ort Mazonia genannt,
allein gefangen, welche je nur der Teütſchen Wiſent vngebürlich nennend: dann der recht ware
Wiſent der alten iſt hievor beſchriben vnd mit geſtalt für augen geſtelt worden.‟

„Es werdend zu Worms und Mentz, ſo namhaſſt ſtett am Rheynſtromen gelägen, groſſe
wilde Stierköpff, zwey mal gröſſer dann der heimſchen, mit etwas geblibnen ſtumpen der hornen,
an gmeinen Radtsheüſern der ſtatt angehefft geſehen vnd gezeiget, welche one zweyfel von etlichen
wilden Ochſen kommen ſind.‟

„Von ardt vnd natur der thieren.‟

„Diſe thier ſöllend ſeer ſtarck, ſchnäll, rouw vnnd grauſam ſeyn, niemants ſchonen, wäder
leüt noch vech, mögen zu keinen zeyten milt gemachet werden. Jr ardt zu fahen iſt, das man
ſölche in tieffe gruben ſtürtzt, in welchem gejegt ſich die junge mannſchafft mächtig pflägt zu üben.
Dann welcher die mererzal der thieren vmbracht vnd geſchediget hatt, des ſelbigen ware vrkund
den herren bringt vnd der oberkeit zeigt, der empfacht groſſes lob vnd reyche ſchenke davon. Es
ſchreybend etlich daß diſe Stier auch auff dem grauſamen gebirg, ſo das Spangerland vnd Franck-
reych von einander ſcheidet gefunden vnd geſähen werdend.‟

„Nutzbarkeit von den thieren.‟

„Auſſert der nutzbarkeit, ſo man von der haut vnnd fleiſch der thieren hat, werdend auch
ſeine horn als fürſtliche zierd vnd kleinot behalten, in ſylber eyngefaſſet, gebraucht zu trinck ge-
ſchiren, Fürſten vnd Herren dargebotten: welchen brauch auff den hüttigen tag die Lithuaner be-
halten habend.‟ —

Andere Schriftſteller aus dem ſechzehnten Jahrhundert halten den gegebenen Unterſchied eben-
falls feſt. Mucaute, welcher am polniſchen Hofe oft Gelegenheit hatte, beide Arten lebend zu
ſehen, ſagt ausdrücklich, daß es in einem königlichen Parke Biſons und Turen gegeben habe. Der
Wojwode Oſtrorog ertheilt Denen, welche Wildparks anlegen wollen, den Rath, Biſons und Ore
nicht an denſelben Orten zu halten, weil ſie mit einander große Kämpfe aufführen. Endlich wurde
Anfang dieſes Jahrhunderts ein altes Oelgemälde entdeckt, welches, nach Stil und Pinſel zu urthei-
len, etwa aus dem erſten Viertel des ſechzehnten Jahrhunderts herrühren mag. Es ſtellt ein ziemlich
rauhhaariges, mähnenloſes Thier mit großem Kopf, dickem Hals und ſchwacher Wamme dar. Seine
mächtigen Hörner ſind gleich denen eines ungariſchen oder römiſchen Ochſen vorwärts und dann auf-
wärts gekehrt. Jhre Färbung iſt an der Wurzel ein lichtes Horngrau, an der Spitze ein dunkles
Schwarz. Die Färbung des Felles iſt ein gleichmäßiges Schwarz, nur das Kinn iſt lichter. Jn
einer Ecke des Bildes ſteht das Wort Tur. Wir haben alſo in dem abgemalten Thiere den Auer
vor uns.

Erſt im ſiebzehnten Jahrhundert werden di[e] Schriftſteller zweifelhaft, und ſpäter ſprechen ſie nur
von einem Wildochſen, welchen ſie bald Wiſe[n]t, bald Urochs nennen. Der letztere d. h. der wahre

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[639/0673] Der Wiſent. laßt er das haar, wird jm kürtzer vnnd dünner: Winters zeyt aber vil lenger vnnd dicker, friſſet höuw, als andere heimſche Rinder.‟ „Wo diſe thier zu finden.‟ „Jn Sclanonia, Vngeren vnnd Preüſſen auch allen anderen landen, weyt gägen Mitnacht ge- lägen, groſſen mercklichen wälden werded diſe wilde Ochſen gefunden vnnd gejagt. Vor zeyten ſöllend ſölche auch in dem Schwartzwald geſähen ſeyn.‟ „Von dem Anwerochß oder Briſtier.‟ „Von ſeiner geſtalt.‟ „Aus den figuren vnd geſtalten der Anwerochßen iſt die erſte die rechte ware bildtnuß, dann die ander gſtalt ſo hie zugegen in form deß geiegts, wil ſich nit beduncken gantz eigentlich con- trafetet ſeyn. Söllend gantz änlich ſeyn den gmeinen ſchwartzen heimſchen Stieren, doch gröſſer mit ſonderer geſtalt der hornen, als dann hie wol zu ſehen iſt. Sölche ſind vor zeyten in dem Schwartzwald gejagt worden, jetzſonder wirt er in der Lithauw in dem ort Mazonia genannt, allein gefangen, welche je nur der Teütſchen Wiſent vngebürlich nennend: dann der recht ware Wiſent der alten iſt hievor beſchriben vnd mit geſtalt für augen geſtelt worden.‟ „Es werdend zu Worms und Mentz, ſo namhaſſt ſtett am Rheynſtromen gelägen, groſſe wilde Stierköpff, zwey mal gröſſer dann der heimſchen, mit etwas geblibnen ſtumpen der hornen, an gmeinen Radtsheüſern der ſtatt angehefft geſehen vnd gezeiget, welche one zweyfel von etlichen wilden Ochſen kommen ſind.‟ „Von ardt vnd natur der thieren.‟ „Diſe thier ſöllend ſeer ſtarck, ſchnäll, rouw vnnd grauſam ſeyn, niemants ſchonen, wäder leüt noch vech, mögen zu keinen zeyten milt gemachet werden. Jr ardt zu fahen iſt, das man ſölche in tieffe gruben ſtürtzt, in welchem gejegt ſich die junge mannſchafft mächtig pflägt zu üben. Dann welcher die mererzal der thieren vmbracht vnd geſchediget hatt, des ſelbigen ware vrkund den herren bringt vnd der oberkeit zeigt, der empfacht groſſes lob vnd reyche ſchenke davon. Es ſchreybend etlich daß diſe Stier auch auff dem grauſamen gebirg, ſo das Spangerland vnd Franck- reych von einander ſcheidet gefunden vnd geſähen werdend.‟ „Nutzbarkeit von den thieren.‟ „Auſſert der nutzbarkeit, ſo man von der haut vnnd fleiſch der thieren hat, werdend auch ſeine horn als fürſtliche zierd vnd kleinot behalten, in ſylber eyngefaſſet, gebraucht zu trinck ge- ſchiren, Fürſten vnd Herren dargebotten: welchen brauch auff den hüttigen tag die Lithuaner be- halten habend.‟ — Andere Schriftſteller aus dem ſechzehnten Jahrhundert halten den gegebenen Unterſchied eben- falls feſt. Mucaute, welcher am polniſchen Hofe oft Gelegenheit hatte, beide Arten lebend zu ſehen, ſagt ausdrücklich, daß es in einem königlichen Parke Biſons und Turen gegeben habe. Der Wojwode Oſtrorog ertheilt Denen, welche Wildparks anlegen wollen, den Rath, Biſons und Ore nicht an denſelben Orten zu halten, weil ſie mit einander große Kämpfe aufführen. Endlich wurde Anfang dieſes Jahrhunderts ein altes Oelgemälde entdeckt, welches, nach Stil und Pinſel zu urthei- len, etwa aus dem erſten Viertel des ſechzehnten Jahrhunderts herrühren mag. Es ſtellt ein ziemlich rauhhaariges, mähnenloſes Thier mit großem Kopf, dickem Hals und ſchwacher Wamme dar. Seine mächtigen Hörner ſind gleich denen eines ungariſchen oder römiſchen Ochſen vorwärts und dann auf- wärts gekehrt. Jhre Färbung iſt an der Wurzel ein lichtes Horngrau, an der Spitze ein dunkles Schwarz. Die Färbung des Felles iſt ein gleichmäßiges Schwarz, nur das Kinn iſt lichter. Jn einer Ecke des Bildes ſteht das Wort Tur. Wir haben alſo in dem abgemalten Thiere den Auer vor uns. Erſt im ſiebzehnten Jahrhundert werden die Schriftſteller zweifelhaft, und ſpäter ſprechen ſie nur von einem Wildochſen, welchen ſie bald Wiſent, bald Urochs nennen. Der letztere d. h. der wahre

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/673>, abgerufen am 23.11.2024.