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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Rinder. -- Der gemeine Büffel.

Wenn man den zahmen Büffeln zum ersten Male begegnet, erschrickt man förmlich vor ihnen.
Der Ausdruck ihres Gesichts deutet auf einen unbändigen Trotz und auf eine bösartige versteckte
Wildheit. Aus den Augen scheint die größte Tücke und Niederträchtigkeit herauszublitzen. Bald
aber überzeugt man sich, daß man sich täuschen würde, wenn man den Büffel nach dem Aussehen
beurtheilen wollte. Jn Egypten wenigstens ist er ein überaus gutmüthiges Thier, welches jeder
Bauer, ohne etwas zu besorgen, der Leitung des kleinsten Kindes anvertraut. Mehr als zwanzig
Male habe ich gesehen, daß kleine Mädchen, welche auf den mit Klee gefüllten, dem Thiere auf den
Rücken gebundenen Netzballen saßen, die Büffel vermittelst eines Stockes nach Hause treiben, unter
Umständen über Gräben und Nilarme weg; aber niemals habe ich gehört, daß ein Büffel ein Unglück
angerichtet hat. Ungeheure Gleichgiltigkeit gegen Alles, was nicht Wasser oder Fressen anlangt,
vielleicht mit noch alleiniger Ausnahme des Kalbes, welches eine Büffelkuh vor Kurzem geboren hat,
kennzeichnen das geistige Wesen des Thieres. Es ergibt sich mit einem geradezu stumpfen Gleich-
muthe in das Unvermeidliche, zieht den Pflug oder den Wagen gleichgiltig fort, läßt sich nach Hause
treiben und wieder auf das Feld geleiten und verlangt nichts Anderes, als nur sein gehöriges Wasser-
bad mehrere Stunden nach einander. Man verwendet übrigens den Büffel außer zum Lasttragen
und zum Reiten beim Uebersetzen des Nils nur sehr wenig zum Feldbau, namentlich blos dann, wenn
es einem Fellah einfällt, mit dem Kamel pflügen zu wollen. Dieses edle Thier, dessen liebenswürdi-
ges Betragen ich oben zu schildern versucht habe, findet selbstverständlich in einer so gemeinen Arbeit
eine grenzenlose Mißachtung seiner Erhabenheit und geht mit allen Zeichen des höchsten Mißmuthes
an das ihm unendlich verdrießliche Werk. Da ist nun der Büffel der beste Kamerad. Er geht mit
denselben ruhigen Schritten seinen Weg fort, wie sonst, und ihm ist es vollkommen gleichgiltig, ob
das Kamel zu seiner Seite rast, ob es davoneilen will oder nicht: er stemmt sich dem ärgerlichen Zug-
kumpan so bedeutsam entgegen, daß dieser wohl oder übel mit ihm die Tagesarbeit verrichten muß.

Eine außerordentliche Tugend des Büffels ist auch seine wirklich beispiellose Genügsamkeit. Das
Kamel, welches als ein Muster aller wenig beanspruchenden Geschöpfe gepriesen wird, und der Esel,
der in der Distel ein gutes Gericht erblickt, übertreffen den Büffel sicherlich nicht. Er verschmäht
geradezu saftige, anderen Rindern wohlschmeckende Kräuter und sucht sich dafür die dürrsten, härte-
sten und geschmacklosesten Pflanzenstoffe aus. Ein Büffel, welcher sich im Sommer draußen nach
eigener Auswahl beköstigte, läßt, wenn ihm im Stall saftiges Gras, Klee und Kraut vorgewor-
fen wird, Alles liegen und sehnt sich nach einfacherer Kost. Sumpfgräser und Sumpfpflanzen aller
Art, junges Röhricht, Schilf und dergleichen, kurz Stoffe, welche jedes andere Geschöpf verschmäht,
frißt er so ruhig herunter, als ob das lauter Marzipan wäre. Und er weiß diese Nahrung zu ver-
werthen; denn er liefert dafür eine im hohen Grade wohlschmeckende, sehr fette Milch, aus welcher
man vortreffliche Butter in reichlicher Menge bereitet. Der Egypter erklärt seinen "Djamuhs"
geradezu für sein nützlichstes Hausthier, und hat wirklich nicht Unrecht.

Unangenehm wird der Büffel durch seine große Unreinlichkeit. Manchmal sieht er aus wie ein
Schwein, welches sich eben in einer Kothlache gesuhlt hat; denn genau so, wie dieser bekannte Dick-
häuter sich zu erlustigen pflegt, hat er seines Herzens Gelüsten Genüge geleistet. Ob ihm dann der
Koth liniendick auf den Haaren hängt oder ob diese durch ein stundenlanges Bad im frischen Nil
gereinigt, gehörig durchwaschen und gesäubert sind, ist ihm ebenfalls vollkommen gleichgiltig: er
weiß auch diese Verschiedenheiten seines Zustandes mit Ruhe und mit Würde zu ertragen. Auch sagt
man ihm nach, daß er zu gewissen Zeiten in der beliebten rethen Fahne des Propheten einen Gegen-
stand erblicke, welcher seinen Zorn errege, und zuweilen blindwüthend auf den geheiligten Lappen
losstürze. Die strenggläubigen Türken betrachten ihn deshalb als ein verworfenes Thier, welches
die Gesetze des Höchsten in greulicher Weise mißachtet, die Egypter dagegen verzeihen ihm eingedenk
des Nutzens, den er bringt, solche Uebertretungen einer guten Sitte ohne weiter nachzugrübeln, oder
glauben vielleicht, daß die Gnade des Allbarmherzigen auch über solchen freidenkenden Höllenbrand
groß sein müsse.

Die Rinder. — Der gemeine Büffel.

Wenn man den zahmen Büffeln zum erſten Male begegnet, erſchrickt man förmlich vor ihnen.
Der Ausdruck ihres Geſichts deutet auf einen unbändigen Trotz und auf eine bösartige verſteckte
Wildheit. Aus den Augen ſcheint die größte Tücke und Niederträchtigkeit herauszublitzen. Bald
aber überzeugt man ſich, daß man ſich täuſchen würde, wenn man den Büffel nach dem Ausſehen
beurtheilen wollte. Jn Egypten wenigſtens iſt er ein überaus gutmüthiges Thier, welches jeder
Bauer, ohne etwas zu beſorgen, der Leitung des kleinſten Kindes anvertraut. Mehr als zwanzig
Male habe ich geſehen, daß kleine Mädchen, welche auf den mit Klee gefüllten, dem Thiere auf den
Rücken gebundenen Netzballen ſaßen, die Büffel vermittelſt eines Stockes nach Hauſe treiben, unter
Umſtänden über Gräben und Nilarme weg; aber niemals habe ich gehört, daß ein Büffel ein Unglück
angerichtet hat. Ungeheure Gleichgiltigkeit gegen Alles, was nicht Waſſer oder Freſſen anlangt,
vielleicht mit noch alleiniger Ausnahme des Kalbes, welches eine Büffelkuh vor Kurzem geboren hat,
kennzeichnen das geiſtige Weſen des Thieres. Es ergibt ſich mit einem geradezu ſtumpfen Gleich-
muthe in das Unvermeidliche, zieht den Pflug oder den Wagen gleichgiltig fort, läßt ſich nach Hauſe
treiben und wieder auf das Feld geleiten und verlangt nichts Anderes, als nur ſein gehöriges Waſſer-
bad mehrere Stunden nach einander. Man verwendet übrigens den Büffel außer zum Laſttragen
und zum Reiten beim Ueberſetzen des Nils nur ſehr wenig zum Feldbau, namentlich blos dann, wenn
es einem Fellah einfällt, mit dem Kamel pflügen zu wollen. Dieſes edle Thier, deſſen liebenswürdi-
ges Betragen ich oben zu ſchildern verſucht habe, findet ſelbſtverſtändlich in einer ſo gemeinen Arbeit
eine grenzenloſe Mißachtung ſeiner Erhabenheit und geht mit allen Zeichen des höchſten Mißmuthes
an das ihm unendlich verdrießliche Werk. Da iſt nun der Büffel der beſte Kamerad. Er geht mit
denſelben ruhigen Schritten ſeinen Weg fort, wie ſonſt, und ihm iſt es vollkommen gleichgiltig, ob
das Kamel zu ſeiner Seite raſt, ob es davoneilen will oder nicht: er ſtemmt ſich dem ärgerlichen Zug-
kumpan ſo bedeutſam entgegen, daß dieſer wohl oder übel mit ihm die Tagesarbeit verrichten muß.

Eine außerordentliche Tugend des Büffels iſt auch ſeine wirklich beiſpielloſe Genügſamkeit. Das
Kamel, welches als ein Muſter aller wenig beanſpruchenden Geſchöpfe geprieſen wird, und der Eſel,
der in der Diſtel ein gutes Gericht erblickt, übertreffen den Büffel ſicherlich nicht. Er verſchmäht
geradezu ſaftige, anderen Rindern wohlſchmeckende Kräuter und ſucht ſich dafür die dürrſten, härte-
ſten und geſchmackloſeſten Pflanzenſtoffe aus. Ein Büffel, welcher ſich im Sommer draußen nach
eigener Auswahl beköſtigte, läßt, wenn ihm im Stall ſaftiges Gras, Klee und Kraut vorgewor-
fen wird, Alles liegen und ſehnt ſich nach einfacherer Koſt. Sumpfgräſer und Sumpfpflanzen aller
Art, junges Röhricht, Schilf und dergleichen, kurz Stoffe, welche jedes andere Geſchöpf verſchmäht,
frißt er ſo ruhig herunter, als ob das lauter Marzipan wäre. Und er weiß dieſe Nahrung zu ver-
werthen; denn er liefert dafür eine im hohen Grade wohlſchmeckende, ſehr fette Milch, aus welcher
man vortreffliche Butter in reichlicher Menge bereitet. Der Egypter erklärt ſeinen „Djamuhs‟
geradezu für ſein nützlichſtes Hausthier, und hat wirklich nicht Unrecht.

Unangenehm wird der Büffel durch ſeine große Unreinlichkeit. Manchmal ſieht er aus wie ein
Schwein, welches ſich eben in einer Kothlache geſuhlt hat; denn genau ſo, wie dieſer bekannte Dick-
häuter ſich zu erluſtigen pflegt, hat er ſeines Herzens Gelüſten Genüge geleiſtet. Ob ihm dann der
Koth liniendick auf den Haaren hängt oder ob dieſe durch ein ſtundenlanges Bad im friſchen Nil
gereinigt, gehörig durchwaſchen und geſäubert ſind, iſt ihm ebenfalls vollkommen gleichgiltig: er
weiß auch dieſe Verſchiedenheiten ſeines Zuſtandes mit Ruhe und mit Würde zu ertragen. Auch ſagt
man ihm nach, daß er zu gewiſſen Zeiten in der beliebten rethen Fahne des Propheten einen Gegen-
ſtand erblicke, welcher ſeinen Zorn errege, und zuweilen blindwüthend auf den geheiligten Lappen
losſtürze. Die ſtrenggläubigen Türken betrachten ihn deshalb als ein verworfenes Thier, welches
die Geſetze des Höchſten in greulicher Weiſe mißachtet, die Egypter dagegen verzeihen ihm eingedenk
des Nutzens, den er bringt, ſolche Uebertretungen einer guten Sitte ohne weiter nachzugrübeln, oder
glauben vielleicht, daß die Gnade des Allbarmherzigen auch über ſolchen freidenkenden Höllenbrand
groß ſein müſſe.

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[632/0664] Die Rinder. — Der gemeine Büffel. Wenn man den zahmen Büffeln zum erſten Male begegnet, erſchrickt man förmlich vor ihnen. Der Ausdruck ihres Geſichts deutet auf einen unbändigen Trotz und auf eine bösartige verſteckte Wildheit. Aus den Augen ſcheint die größte Tücke und Niederträchtigkeit herauszublitzen. Bald aber überzeugt man ſich, daß man ſich täuſchen würde, wenn man den Büffel nach dem Ausſehen beurtheilen wollte. Jn Egypten wenigſtens iſt er ein überaus gutmüthiges Thier, welches jeder Bauer, ohne etwas zu beſorgen, der Leitung des kleinſten Kindes anvertraut. Mehr als zwanzig Male habe ich geſehen, daß kleine Mädchen, welche auf den mit Klee gefüllten, dem Thiere auf den Rücken gebundenen Netzballen ſaßen, die Büffel vermittelſt eines Stockes nach Hauſe treiben, unter Umſtänden über Gräben und Nilarme weg; aber niemals habe ich gehört, daß ein Büffel ein Unglück angerichtet hat. Ungeheure Gleichgiltigkeit gegen Alles, was nicht Waſſer oder Freſſen anlangt, vielleicht mit noch alleiniger Ausnahme des Kalbes, welches eine Büffelkuh vor Kurzem geboren hat, kennzeichnen das geiſtige Weſen des Thieres. Es ergibt ſich mit einem geradezu ſtumpfen Gleich- muthe in das Unvermeidliche, zieht den Pflug oder den Wagen gleichgiltig fort, läßt ſich nach Hauſe treiben und wieder auf das Feld geleiten und verlangt nichts Anderes, als nur ſein gehöriges Waſſer- bad mehrere Stunden nach einander. Man verwendet übrigens den Büffel außer zum Laſttragen und zum Reiten beim Ueberſetzen des Nils nur ſehr wenig zum Feldbau, namentlich blos dann, wenn es einem Fellah einfällt, mit dem Kamel pflügen zu wollen. Dieſes edle Thier, deſſen liebenswürdi- ges Betragen ich oben zu ſchildern verſucht habe, findet ſelbſtverſtändlich in einer ſo gemeinen Arbeit eine grenzenloſe Mißachtung ſeiner Erhabenheit und geht mit allen Zeichen des höchſten Mißmuthes an das ihm unendlich verdrießliche Werk. Da iſt nun der Büffel der beſte Kamerad. Er geht mit denſelben ruhigen Schritten ſeinen Weg fort, wie ſonſt, und ihm iſt es vollkommen gleichgiltig, ob das Kamel zu ſeiner Seite raſt, ob es davoneilen will oder nicht: er ſtemmt ſich dem ärgerlichen Zug- kumpan ſo bedeutſam entgegen, daß dieſer wohl oder übel mit ihm die Tagesarbeit verrichten muß. Eine außerordentliche Tugend des Büffels iſt auch ſeine wirklich beiſpielloſe Genügſamkeit. Das Kamel, welches als ein Muſter aller wenig beanſpruchenden Geſchöpfe geprieſen wird, und der Eſel, der in der Diſtel ein gutes Gericht erblickt, übertreffen den Büffel ſicherlich nicht. Er verſchmäht geradezu ſaftige, anderen Rindern wohlſchmeckende Kräuter und ſucht ſich dafür die dürrſten, härte- ſten und geſchmackloſeſten Pflanzenſtoffe aus. Ein Büffel, welcher ſich im Sommer draußen nach eigener Auswahl beköſtigte, läßt, wenn ihm im Stall ſaftiges Gras, Klee und Kraut vorgewor- fen wird, Alles liegen und ſehnt ſich nach einfacherer Koſt. Sumpfgräſer und Sumpfpflanzen aller Art, junges Röhricht, Schilf und dergleichen, kurz Stoffe, welche jedes andere Geſchöpf verſchmäht, frißt er ſo ruhig herunter, als ob das lauter Marzipan wäre. Und er weiß dieſe Nahrung zu ver- werthen; denn er liefert dafür eine im hohen Grade wohlſchmeckende, ſehr fette Milch, aus welcher man vortreffliche Butter in reichlicher Menge bereitet. Der Egypter erklärt ſeinen „Djamuhs‟ geradezu für ſein nützlichſtes Hausthier, und hat wirklich nicht Unrecht. Unangenehm wird der Büffel durch ſeine große Unreinlichkeit. Manchmal ſieht er aus wie ein Schwein, welches ſich eben in einer Kothlache geſuhlt hat; denn genau ſo, wie dieſer bekannte Dick- häuter ſich zu erluſtigen pflegt, hat er ſeines Herzens Gelüſten Genüge geleiſtet. Ob ihm dann der Koth liniendick auf den Haaren hängt oder ob dieſe durch ein ſtundenlanges Bad im friſchen Nil gereinigt, gehörig durchwaſchen und geſäubert ſind, iſt ihm ebenfalls vollkommen gleichgiltig: er weiß auch dieſe Verſchiedenheiten ſeines Zuſtandes mit Ruhe und mit Würde zu ertragen. Auch ſagt man ihm nach, daß er zu gewiſſen Zeiten in der beliebten rethen Fahne des Propheten einen Gegen- ſtand erblicke, welcher ſeinen Zorn errege, und zuweilen blindwüthend auf den geheiligten Lappen losſtürze. Die ſtrenggläubigen Türken betrachten ihn deshalb als ein verworfenes Thier, welches die Geſetze des Höchſten in greulicher Weiſe mißachtet, die Egypter dagegen verzeihen ihm eingedenk des Nutzens, den er bringt, ſolche Uebertretungen einer guten Sitte ohne weiter nachzugrübeln, oder glauben vielleicht, daß die Gnade des Allbarmherzigen auch über ſolchen freidenkenden Höllenbrand groß ſein müſſe.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/664>, abgerufen am 23.11.2024.