Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schafe. -- Das Big-Horn oder Dickhorn.

Das Wildpret dieses Schafs gilt als höchst schmackhaft. Aus dem Felle werden warme
Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver-
fertigt. Zur Zeit Marco Polo's sollen die Kirghisen manchmal so viele Argalis erbeutet haben,
daß sie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen aufschichten, sondern mit ihnen sogar
ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Weise, wie die innerafrikanischen Fürsten ihre Paläste mit
Elefantenzähnen zu umgeben pflegen.

Jung eingefangene Argalis sollen sich zähmen lassen; es muß aber sehr schwer sein, sie zu er-
halten und fortzuschaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins dieser gewaltigen Thiere lebend in Eu-
ropa zu sehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten stoßen, und seine
Einbürgerung auf geschützten Alpen thierfreundlicher Besitzer würde zweifellos zu bewerkstelligen sein.

Das Wildschaf Amerikas, Big-Horn (Dickhorn) genannt (Caprovis montana), ist ein dem
Argali sehr nahe stehendes Thier von ungefähr derselben Größe; es ist auch mit dem letztgenannten
sehr oft verwechselt worden. Erst in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be-
schränkt ist, sondern außerdem in Kamtschatka vorkommt. Das Wildschaf dieses Landes hielt man
früher für den Argali, und daher rühren die Verwechselungen der beiden, wohl unterschiedenen Ar-
ten. Richardson und nach ihm Audubon geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher
Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und östlich von ihm nicht gefunden
wird. Dagegen lebt es westlich dieses Gebirges in allen Landstrecken, welche man kennen lernte, na-
mentlich auch in Kalifornien, und es ist durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt-
schatka bevölkerte, wie schon Cuvier annahm. Zur Zeit belebt es die wildesten und unzugänglichsten
Gebirgsstrecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den
französischen Jägern und Canadiern mauvaises terres genannt worden ist. Audubon gibt eine sehr
ausführliche Beschreibung dieses öden Landstriches, dessen Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht,
welche theilweise stehen, theilweise aber umgefallen oder in Brocken zerschlagen sind und eine Wildniß
bilden, wie sie ein Gebirge nur aufweisen kann. Die kegelförmigen Berge steigen schroff mehrere
hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher sie fußen und sind dem Meuschen nur hier und
da zugänglich. Das Wasser hat in ihnen entsetzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be-
steigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet sich ein dürftiger Baumschlag, unter dessen Schutz
dann sastiges Gras emporwächst, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in
denen vom Regen ausgelaugtes Salz massenhaft abgelagert wird. Die Wildschafe finden gerade in
einem so beschaffenen Gebirge Alles, was sie für ihr Leben beanspruchen. Sie bilden sich Wege auf
den schmalen Gesimsen, welche sich an den Kegelbergen dahinziehen und sind so im Stande, auch die
steilsten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwünschte Lagerplätze, das
saftige Gras eine ihnen zusagende Weide und die salzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be-
dürfnisses, welches, wie wir sahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemeinsam ist. Daß sie, seitdem
sie den Menschen kennen gelernt, die wildesten Theile dieser Wildniß bevorzugen, ist selbstverständ-
lich; demungeachtet kann man sie noch häufig genug wenigstens sehen, wenn man mit dem Dampf-
bot die Zuflüsse des "Vaters der Ströme" befährt. So sah Prinz Max von Wied die ersten
dieser Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfelsens stehen, von welchem herab sie ruhig das im
Strome dahinbrausende Dampfschiff betrachteten, auf welchem dieser ausgezeichnete Naturforscher
sich befand.

Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, sind dürftig genug, zumal was
die Lebensweise desselben anlangt. Der erste Bericht Richardson's ist in letzter Hinsicht immer noch
maßgebend; weder der Prinz noch Audubon wissen ihm Wesentliches hinzuzufügen. Die Leibes-
beschreibung dagegen läßt Nichts zu wünschen übrig, namentlich seitdem Radde das Dickhorn mit
dem Argali verglichen und die Unterschiede zwischen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwachsene
Böcke des nordamerikanischen Bergschafes erreichen nach Richardson und Audubon eine Länge von

Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn.

Das Wildpret dieſes Schafs gilt als höchſt ſchmackhaft. Aus dem Felle werden warme
Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver-
fertigt. Zur Zeit Marco Polo’s ſollen die Kirghiſen manchmal ſo viele Argalis erbeutet haben,
daß ſie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen aufſchichten, ſondern mit ihnen ſogar
ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Weiſe, wie die innerafrikaniſchen Fürſten ihre Paläſte mit
Elefantenzähnen zu umgeben pflegen.

Jung eingefangene Argalis ſollen ſich zähmen laſſen; es muß aber ſehr ſchwer ſein, ſie zu er-
halten und fortzuſchaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins dieſer gewaltigen Thiere lebend in Eu-
ropa zu ſehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten ſtoßen, und ſeine
Einbürgerung auf geſchützten Alpen thierfreundlicher Beſitzer würde zweifellos zu bewerkſtelligen ſein.

Das Wildſchaf Amerikas, Big-Horn (Dickhorn) genannt (Caprovis montana), iſt ein dem
Argali ſehr nahe ſtehendes Thier von ungefähr derſelben Größe; es iſt auch mit dem letztgenannten
ſehr oft verwechſelt worden. Erſt in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be-
ſchränkt iſt, ſondern außerdem in Kamtſchatka vorkommt. Das Wildſchaf dieſes Landes hielt man
früher für den Argali, und daher rühren die Verwechſelungen der beiden, wohl unterſchiedenen Ar-
ten. Richardſon und nach ihm Audubon geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher
Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und öſtlich von ihm nicht gefunden
wird. Dagegen lebt es weſtlich dieſes Gebirges in allen Landſtrecken, welche man kennen lernte, na-
mentlich auch in Kalifornien, und es iſt durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt-
ſchatka bevölkerte, wie ſchon Cuvier annahm. Zur Zeit belebt es die wildeſten und unzugänglichſten
Gebirgsſtrecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den
franzöſiſchen Jägern und Canadiern mauvaises terres genannt worden iſt. Audubon gibt eine ſehr
ausführliche Beſchreibung dieſes öden Landſtriches, deſſen Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht,
welche theilweiſe ſtehen, theilweiſe aber umgefallen oder in Brocken zerſchlagen ſind und eine Wildniß
bilden, wie ſie ein Gebirge nur aufweiſen kann. Die kegelförmigen Berge ſteigen ſchroff mehrere
hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher ſie fußen und ſind dem Meuſchen nur hier und
da zugänglich. Das Waſſer hat in ihnen entſetzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be-
ſteigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet ſich ein dürftiger Baumſchlag, unter deſſen Schutz
dann ſaſtiges Gras emporwächſt, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in
denen vom Regen ausgelaugtes Salz maſſenhaft abgelagert wird. Die Wildſchafe finden gerade in
einem ſo beſchaffenen Gebirge Alles, was ſie für ihr Leben beanſpruchen. Sie bilden ſich Wege auf
den ſchmalen Geſimſen, welche ſich an den Kegelbergen dahinziehen und ſind ſo im Stande, auch die
ſteilſten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwünſchte Lagerplätze, das
ſaftige Gras eine ihnen zuſagende Weide und die ſalzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be-
dürfniſſes, welches, wie wir ſahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemeinſam iſt. Daß ſie, ſeitdem
ſie den Menſchen kennen gelernt, die wildeſten Theile dieſer Wildniß bevorzugen, iſt ſelbſtverſtänd-
lich; demungeachtet kann man ſie noch häufig genug wenigſtens ſehen, wenn man mit dem Dampf-
bot die Zuflüſſe des „Vaters der Ströme‟ befährt. So ſah Prinz Max von Wied die erſten
dieſer Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfelſens ſtehen, von welchem herab ſie ruhig das im
Strome dahinbrauſende Dampfſchiff betrachteten, auf welchem dieſer ausgezeichnete Naturforſcher
ſich befand.

Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, ſind dürftig genug, zumal was
die Lebensweiſe deſſelben anlangt. Der erſte Bericht Richardſon’s iſt in letzter Hinſicht immer noch
maßgebend; weder der Prinz noch Audubon wiſſen ihm Weſentliches hinzuzufügen. Die Leibes-
beſchreibung dagegen läßt Nichts zu wünſchen übrig, namentlich ſeitdem Radde das Dickhorn mit
dem Argali verglichen und die Unterſchiede zwiſchen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwachſene
Böcke des nordamerikaniſchen Bergſchafes erreichen nach Richardſon und Audubon eine Länge von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0636" n="606"/>
              <fw place="top" type="header">Die Schafe. &#x2014; Das Big-Horn oder Dickhorn.</fw><lb/>
              <p>Das Wildpret die&#x017F;es Schafs gilt als höch&#x017F;t &#x017F;chmackhaft. Aus dem Felle werden warme<lb/>
Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver-<lb/>
fertigt. Zur Zeit <hi rendition="#g">Marco Polo&#x2019;s</hi> &#x017F;ollen die Kirghi&#x017F;en manchmal &#x017F;o viele Argalis erbeutet haben,<lb/>
daß &#x017F;ie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen auf&#x017F;chichten, &#x017F;ondern mit ihnen &#x017F;ogar<lb/>
ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Wei&#x017F;e, wie die innerafrikani&#x017F;chen Für&#x017F;ten ihre Palä&#x017F;te mit<lb/>
Elefantenzähnen zu umgeben pflegen.</p><lb/>
              <p>Jung eingefangene Argalis &#x017F;ollen &#x017F;ich zähmen la&#x017F;&#x017F;en; es muß aber &#x017F;ehr &#x017F;chwer &#x017F;ein, &#x017F;ie zu er-<lb/>
halten und fortzu&#x017F;chaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins die&#x017F;er gewaltigen Thiere lebend in Eu-<lb/>
ropa zu &#x017F;ehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten &#x017F;toßen, und &#x017F;eine<lb/>
Einbürgerung auf ge&#x017F;chützten Alpen thierfreundlicher Be&#x017F;itzer würde zweifellos zu bewerk&#x017F;telligen &#x017F;ein.</p><lb/>
              <p>Das Wild&#x017F;chaf Amerikas, <hi rendition="#g">Big-Horn</hi> (Dickhorn) genannt (<hi rendition="#aq">Caprovis montana</hi>), i&#x017F;t ein dem<lb/>
Argali &#x017F;ehr nahe &#x017F;tehendes Thier von ungefähr der&#x017F;elben Größe; es i&#x017F;t auch mit dem letztgenannten<lb/>
&#x017F;ehr oft verwech&#x017F;elt worden. Er&#x017F;t in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be-<lb/>
&#x017F;chränkt i&#x017F;t, &#x017F;ondern außerdem in Kamt&#x017F;chatka vorkommt. Das Wild&#x017F;chaf die&#x017F;es Landes hielt man<lb/>
früher für den Argali, und daher rühren die Verwech&#x017F;elungen der beiden, wohl unter&#x017F;chiedenen Ar-<lb/>
ten. <hi rendition="#g">Richard&#x017F;on</hi> und nach ihm <hi rendition="#g">Audubon</hi> geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher<lb/>
Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und ö&#x017F;tlich von ihm nicht gefunden<lb/>
wird. Dagegen lebt es we&#x017F;tlich die&#x017F;es Gebirges in allen Land&#x017F;trecken, welche man kennen lernte, na-<lb/>
mentlich auch in Kalifornien, und es i&#x017F;t durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt-<lb/>
&#x017F;chatka bevölkerte, wie &#x017F;chon <hi rendition="#g">Cuvier</hi> annahm. Zur Zeit belebt es die wilde&#x017F;ten und unzugänglich&#x017F;ten<lb/>
Gebirgs&#x017F;trecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Jägern und Canadiern <hi rendition="#aq">mauvaises terres</hi> genannt worden i&#x017F;t. <hi rendition="#g">Audubon</hi> gibt eine &#x017F;ehr<lb/>
ausführliche Be&#x017F;chreibung die&#x017F;es öden Land&#x017F;triches, de&#x017F;&#x017F;en Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht,<lb/>
welche theilwei&#x017F;e &#x017F;tehen, theilwei&#x017F;e aber umgefallen oder in Brocken zer&#x017F;chlagen &#x017F;ind und eine Wildniß<lb/>
bilden, wie &#x017F;ie ein Gebirge nur aufwei&#x017F;en kann. Die kegelförmigen Berge &#x017F;teigen &#x017F;chroff mehrere<lb/>
hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher &#x017F;ie fußen und &#x017F;ind dem Meu&#x017F;chen nur hier und<lb/>
da zugänglich. Das Wa&#x017F;&#x017F;er hat in ihnen ent&#x017F;etzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be-<lb/>
&#x017F;teigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet &#x017F;ich ein dürftiger Baum&#x017F;chlag, unter de&#x017F;&#x017F;en Schutz<lb/>
dann &#x017F;a&#x017F;tiges Gras emporwäch&#x017F;t, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in<lb/>
denen vom Regen ausgelaugtes Salz ma&#x017F;&#x017F;enhaft abgelagert wird. Die Wild&#x017F;chafe finden gerade in<lb/>
einem &#x017F;o be&#x017F;chaffenen Gebirge Alles, was &#x017F;ie für ihr Leben bean&#x017F;pruchen. Sie bilden &#x017F;ich Wege auf<lb/>
den &#x017F;chmalen Ge&#x017F;im&#x017F;en, welche &#x017F;ich an den Kegelbergen dahinziehen und &#x017F;ind &#x017F;o im Stande, auch die<lb/>
&#x017F;teil&#x017F;ten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwün&#x017F;chte Lagerplätze, das<lb/>
&#x017F;aftige Gras eine ihnen zu&#x017F;agende Weide und die &#x017F;alzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be-<lb/>
dürfni&#x017F;&#x017F;es, welches, wie wir &#x017F;ahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemein&#x017F;am i&#x017F;t. Daß &#x017F;ie, &#x017F;eitdem<lb/>
&#x017F;ie den Men&#x017F;chen kennen gelernt, die wilde&#x017F;ten Theile die&#x017F;er Wildniß bevorzugen, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tänd-<lb/>
lich; demungeachtet kann man &#x017F;ie noch häufig genug wenig&#x017F;tens &#x017F;ehen, wenn man mit dem Dampf-<lb/>
bot die Zuflü&#x017F;&#x017F;e des &#x201E;Vaters der Ströme&#x201F; befährt. So &#x017F;ah <hi rendition="#g">Prinz Max von Wied</hi> die er&#x017F;ten<lb/>
die&#x017F;er Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfel&#x017F;ens &#x017F;tehen, von welchem herab &#x017F;ie ruhig das im<lb/>
Strome dahinbrau&#x017F;ende Dampf&#x017F;chiff betrachteten, auf welchem die&#x017F;er ausgezeichnete Naturfor&#x017F;cher<lb/>
&#x017F;ich befand.</p><lb/>
              <p>Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, &#x017F;ind dürftig genug, zumal was<lb/>
die Lebenswei&#x017F;e de&#x017F;&#x017F;elben anlangt. Der er&#x017F;te Bericht <hi rendition="#g">Richard&#x017F;on&#x2019;s</hi> i&#x017F;t in letzter Hin&#x017F;icht immer noch<lb/>
maßgebend; weder der <hi rendition="#g">Prinz</hi> noch <hi rendition="#g">Audubon</hi> wi&#x017F;&#x017F;en ihm We&#x017F;entliches hinzuzufügen. Die Leibes-<lb/>
be&#x017F;chreibung dagegen läßt Nichts zu wün&#x017F;chen übrig, namentlich &#x017F;eitdem <hi rendition="#g">Radde</hi> das Dickhorn mit<lb/>
dem Argali verglichen und die Unter&#x017F;chiede zwi&#x017F;chen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwach&#x017F;ene<lb/>
Böcke des nordamerikani&#x017F;chen Berg&#x017F;chafes erreichen nach <hi rendition="#g">Richard&#x017F;on</hi> und <hi rendition="#g">Audubon</hi> eine Länge von<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[606/0636] Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn. Das Wildpret dieſes Schafs gilt als höchſt ſchmackhaft. Aus dem Felle werden warme Winterkleider und Decken bereitet, aus den Hörnern Becher, Löffel und dergleichen Hausgeräthe ver- fertigt. Zur Zeit Marco Polo’s ſollen die Kirghiſen manchmal ſo viele Argalis erbeutet haben, daß ſie nicht blos große Haufen der Hörner als Siegeszeichen aufſchichten, ſondern mit ihnen ſogar ein Lager umzäunen konnten, ganz in der Weiſe, wie die innerafrikaniſchen Fürſten ihre Paläſte mit Elefantenzähnen zu umgeben pflegen. Jung eingefangene Argalis ſollen ſich zähmen laſſen; es muß aber ſehr ſchwer ſein, ſie zu er- halten und fortzuſchaffen; denn bisjetzt haben wir noch keins dieſer gewaltigen Thiere lebend in Eu- ropa zu ſehen bekommen. Seine Haltung dürfte hier nicht auf Schwierigkeiten ſtoßen, und ſeine Einbürgerung auf geſchützten Alpen thierfreundlicher Beſitzer würde zweifellos zu bewerkſtelligen ſein. Das Wildſchaf Amerikas, Big-Horn (Dickhorn) genannt (Caprovis montana), iſt ein dem Argali ſehr nahe ſtehendes Thier von ungefähr derſelben Größe; es iſt auch mit dem letztgenannten ſehr oft verwechſelt worden. Erſt in der Reuzeit hat man erfahren, daß es nicht auf Amerika be- ſchränkt iſt, ſondern außerdem in Kamtſchatka vorkommt. Das Wildſchaf dieſes Landes hielt man früher für den Argali, und daher rühren die Verwechſelungen der beiden, wohl unterſchiedenen Ar- ten. Richardſon und nach ihm Audubon geben an, daß das Dickhorn vom 68. Grad nördlicher Breite an bis ungefähr zum 40. hinab das Felsgebirge bewohnt und öſtlich von ihm nicht gefunden wird. Dagegen lebt es weſtlich dieſes Gebirges in allen Landſtrecken, welche man kennen lernte, na- mentlich auch in Kalifornien, und es iſt durchaus nicht unmöglich, daß es von Amerika aus Kamt- ſchatka bevölkerte, wie ſchon Cuvier annahm. Zur Zeit belebt es die wildeſten und unzugänglichſten Gebirgsſtrecken gedachter Gegenden, namentlich aber einen Theil des Felsgebirges, welcher von den franzöſiſchen Jägern und Canadiern mauvaises terres genannt worden iſt. Audubon gibt eine ſehr ausführliche Beſchreibung dieſes öden Landſtriches, deſſen Bergzacken er mit Zuckerhüten vergleicht, welche theilweiſe ſtehen, theilweiſe aber umgefallen oder in Brocken zerſchlagen ſind und eine Wildniß bilden, wie ſie ein Gebirge nur aufweiſen kann. Die kegelförmigen Berge ſteigen ſchroff mehrere hundert Fuß hoch über die Ebene empor, auf welcher ſie fußen und ſind dem Meuſchen nur hier und da zugänglich. Das Waſſer hat in ihnen entſetzlich gewüthet, und jeder Regenguß macht eine Be- ſteigung unmöglich. An einzelnen Stellen findet ſich ein dürftiger Baumſchlag, unter deſſen Schutz dann ſaſtiges Gras emporwächſt, an anderen gewahrt man tiefe Höhlen und hier und da Sulzen, in denen vom Regen ausgelaugtes Salz maſſenhaft abgelagert wird. Die Wildſchafe finden gerade in einem ſo beſchaffenen Gebirge Alles, was ſie für ihr Leben beanſpruchen. Sie bilden ſich Wege auf den ſchmalen Geſimſen, welche ſich an den Kegelbergen dahinziehen und ſind ſo im Stande, auch die ſteilſten Wände auszunutzen; die Höhlen und Grotten gewähren ihnen erwünſchte Lagerplätze, das ſaftige Gras eine ihnen zuſagende Weide und die ſalzhaltigen Stellen endlich Befriedigung eines Be- dürfniſſes, welches, wie wir ſahen, allen Wiederkäuern überhaupt gemeinſam iſt. Daß ſie, ſeitdem ſie den Menſchen kennen gelernt, die wildeſten Theile dieſer Wildniß bevorzugen, iſt ſelbſtverſtänd- lich; demungeachtet kann man ſie noch häufig genug wenigſtens ſehen, wenn man mit dem Dampf- bot die Zuflüſſe des „Vaters der Ströme‟ befährt. So ſah Prinz Max von Wied die erſten dieſer Thiere auf der Spitze eines hohen Uferfelſens ſtehen, von welchem herab ſie ruhig das im Strome dahinbrauſende Dampfſchiff betrachteten, auf welchem dieſer ausgezeichnete Naturforſcher ſich befand. Die Nachrichten, welche wir über das Dickhorn erhalten haben, ſind dürftig genug, zumal was die Lebensweiſe deſſelben anlangt. Der erſte Bericht Richardſon’s iſt in letzter Hinſicht immer noch maßgebend; weder der Prinz noch Audubon wiſſen ihm Weſentliches hinzuzufügen. Die Leibes- beſchreibung dagegen läßt Nichts zu wünſchen übrig, namentlich ſeitdem Radde das Dickhorn mit dem Argali verglichen und die Unterſchiede zwiſchen beiden Thieren hervorgehoben hat. Erwachſene Böcke des nordamerikaniſchen Bergſchafes erreichen nach Richardſon und Audubon eine Länge von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/636
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/636>, abgerufen am 24.05.2024.