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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Pademelon.
seltener zu werden. Es lebt in Trupps, ist jedoch nicht so gesellig, als man anfangs glaubte,
getäuscht durch die Vereinigung verschiedener Familien. Gewöhnlich sieht man nur ihrer drei oder
vier zusammen, und diese in so losem Verbande, daß sich eigentlich Keines um das Andere kümmert,
sondern Jedes unabhängig seinen eigenen Weg geht. Besonders gute Weide vereinigt eine größere
Anzahl, welche sich wieder trennt, wenn eine Oertlichkeit ausgenutzt ist. Früher glaubte man, in
den Männchen die Leitthiere eines Trupps annehmen zu dürfen, wahrscheinlich, weil sie ihrer bedeu-
tenden Größe wegen zu solchem Amte geeignet erscheinen mochten; aber auch diese Annahme hat sich
als unrichtig herausgestellt. Alle Beobachter stimmen darin überein, daß das Känguru im hohen
Grade scheu und furchtsam ist und dem Menschen nur selten erlaubt, sich ihm in erwünschter Weise
zu nähern. Gould, welcher ein vortreffliches Werk über diese Familie geschrieben hat, sagt über
die flüchtigen Kängurus Folgendes: "Jch erinnere mich mit besonderer Vorliebe eines schönen Boo-
mers, welcher sich in der offenen Ebene zwischen den Hunden plötzlich aufrichtete und dann dahin
jagte. Zuerst warf er seinen Kopf empor, um nach seinen Verfolgern zu schielen, und zugleich um
zu sehen, welche Seite des Wegs ihm offen war; dann aber jagte er, ohne einen Augenblick zu zö-
gern, vorwärts und gab uns Gelegenheit, das tollste Rennen zu beobachten, welches ein Thier
jemals vor unseren Augen ausgeführt hat. Vierzehn (englische) Meilen in einem Zuge rannte der
vogelschnelle Läufer, und da er vollen Spielraum hatte, zweifelte ich nicht im geringsten, daß er
uns entkommen würde. Zu seinem Unglück aber hatte er seinen Weg nach einer Landzunge gerichtet,
welche ungefähr zwei Meilen weit in die See hinauslief. Dort wurde ihm der Weg abgeschnitten
und er gezwungen, schwimmend seine Rettung zu suchen. Der Meeresarm, welcher ihn vom festen
Lande trennte, mochte ungefähr zwei Meilen breit sein, und eine frische Brise trieb die Wellen hart
gegen ihn. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als entweder den Kampf mit den Hunden aufzu-
nehmen oder seine Rettung in der See zu suchen. Ohne Besinnen stürzte er sich in die Wogen und
durchschwamm sie muthig, obgleich die Wellen halb über ihn hinweggingen. Schließlich jedoch
wurde er genöthigt, umzukehren, und abgemattet und entkräftet, wie er war, erlag er seinen
Verfolgern bald nach seiner Rückkehr. Die Entfernung, welche er auf seiner Flucht durchjagt hatte,
konnte, wenn man die verschiedenen Krümmungen hinzurechnen wollte, nicht unter 18 Meilen be-
tragen haben; sicherlich durchschwamm er deren zwei. Jch bin nicht im Stande, die Zeit zu bestim-
men, in welcher er diese Strecke durchrannte, ich glaube blos, daß es ungefähr zwei Stunden waren,
als er am Ende der betreffenden Landzunge ankam. Dort aber rannte er noch ebenso schnell, wie
im Anfang."

Jm übrigen habe ich über das Leben des Thieres nach dem bereits Mitgetheilten Nichts weiter
zu bemerken; denn gerade an dieser Art der Familie hat man die meisten Beobachtungen gemacht.
Gegenwärtig sieht man das Känguru seltener bei uns in der Gefangenschaft, als früher, wo es in
seiner Heimat weit häufiger war. Bei guter Pflege dauert es bei uns lange aus; Einzelne lebten
10 bis 15 Jahre in Europa. Auch diese Art wird eigentlich nicht zahm. Sie legt ihre angeborene
Scheu niemals gänzlich ab und befreundet sich mit ihren Wärtern nicht mehr, als mit anderen Leuten.
Selbst Vögel können das Känguru in Todesangst versetzen.



Eine der kleineren und hübschesten Arten der Familie ist das Pademelon (Halmaturus Theti-
dis
). Es erreicht noch nicht den dritten Theil der Größe des Känguru. Seine Länge beträgt nur
31/2 Fuß, wovon 11/2 Fuß auf den Schwanz zu rechnen sind. Das Fell ist ziemlich lang und weich,
die Färbung der oberen Theile ein angenehmes Braungrau, welches im Nacken in Rostroth übergeht.
Die Unterseite ist weiß oder gelblichweiß, die Seiten sind röthlich, die Füße gleichmäßig braun, die
Vorderfüße grau, der mit kurzen, barschen Haaren bedeckte Schwanz ist oben grau, unten bräun-
lichweiß.

Brehm, Thierleben. II. 4

Das Pademelon.
ſeltener zu werden. Es lebt in Trupps, iſt jedoch nicht ſo geſellig, als man anfangs glaubte,
getäuſcht durch die Vereinigung verſchiedener Familien. Gewöhnlich ſieht man nur ihrer drei oder
vier zuſammen, und dieſe in ſo loſem Verbande, daß ſich eigentlich Keines um das Andere kümmert,
ſondern Jedes unabhängig ſeinen eigenen Weg geht. Beſonders gute Weide vereinigt eine größere
Anzahl, welche ſich wieder trennt, wenn eine Oertlichkeit ausgenutzt iſt. Früher glaubte man, in
den Männchen die Leitthiere eines Trupps annehmen zu dürfen, wahrſcheinlich, weil ſie ihrer bedeu-
tenden Größe wegen zu ſolchem Amte geeignet erſcheinen mochten; aber auch dieſe Annahme hat ſich
als unrichtig herausgeſtellt. Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß das Känguru im hohen
Grade ſcheu und furchtſam iſt und dem Menſchen nur ſelten erlaubt, ſich ihm in erwünſchter Weiſe
zu nähern. Gould, welcher ein vortreffliches Werk über dieſe Familie geſchrieben hat, ſagt über
die flüchtigen Kängurus Folgendes: „Jch erinnere mich mit beſonderer Vorliebe eines ſchönen Boo-
mers, welcher ſich in der offenen Ebene zwiſchen den Hunden plötzlich aufrichtete und dann dahin
jagte. Zuerſt warf er ſeinen Kopf empor, um nach ſeinen Verfolgern zu ſchielen, und zugleich um
zu ſehen, welche Seite des Wegs ihm offen war; dann aber jagte er, ohne einen Augenblick zu zö-
gern, vorwärts und gab uns Gelegenheit, das tollſte Rennen zu beobachten, welches ein Thier
jemals vor unſeren Augen ausgeführt hat. Vierzehn (engliſche) Meilen in einem Zuge rannte der
vogelſchnelle Läufer, und da er vollen Spielraum hatte, zweifelte ich nicht im geringſten, daß er
uns entkommen würde. Zu ſeinem Unglück aber hatte er ſeinen Weg nach einer Landzunge gerichtet,
welche ungefähr zwei Meilen weit in die See hinauslief. Dort wurde ihm der Weg abgeſchnitten
und er gezwungen, ſchwimmend ſeine Rettung zu ſuchen. Der Meeresarm, welcher ihn vom feſten
Lande trennte, mochte ungefähr zwei Meilen breit ſein, und eine friſche Briſe trieb die Wellen hart
gegen ihn. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als entweder den Kampf mit den Hunden aufzu-
nehmen oder ſeine Rettung in der See zu ſuchen. Ohne Beſinnen ſtürzte er ſich in die Wogen und
durchſchwamm ſie muthig, obgleich die Wellen halb über ihn hinweggingen. Schließlich jedoch
wurde er genöthigt, umzukehren, und abgemattet und entkräftet, wie er war, erlag er ſeinen
Verfolgern bald nach ſeiner Rückkehr. Die Entfernung, welche er auf ſeiner Flucht durchjagt hatte,
konnte, wenn man die verſchiedenen Krümmungen hinzurechnen wollte, nicht unter 18 Meilen be-
tragen haben; ſicherlich durchſchwamm er deren zwei. Jch bin nicht im Stande, die Zeit zu beſtim-
men, in welcher er dieſe Strecke durchrannte, ich glaube blos, daß es ungefähr zwei Stunden waren,
als er am Ende der betreffenden Landzunge ankam. Dort aber rannte er noch ebenſo ſchnell, wie
im Anfang.‟

Jm übrigen habe ich über das Leben des Thieres nach dem bereits Mitgetheilten Nichts weiter
zu bemerken; denn gerade an dieſer Art der Familie hat man die meiſten Beobachtungen gemacht.
Gegenwärtig ſieht man das Känguru ſeltener bei uns in der Gefangenſchaft, als früher, wo es in
ſeiner Heimat weit häufiger war. Bei guter Pflege dauert es bei uns lange aus; Einzelne lebten
10 bis 15 Jahre in Europa. Auch dieſe Art wird eigentlich nicht zahm. Sie legt ihre angeborene
Scheu niemals gänzlich ab und befreundet ſich mit ihren Wärtern nicht mehr, als mit anderen Leuten.
Selbſt Vögel können das Känguru in Todesangſt verſetzen.



Eine der kleineren und hübſcheſten Arten der Familie iſt das Pademelon (Halmaturus Theti-
dis
). Es erreicht noch nicht den dritten Theil der Größe des Känguru. Seine Länge beträgt nur
3½ Fuß, wovon 1½ Fuß auf den Schwanz zu rechnen ſind. Das Fell iſt ziemlich lang und weich,
die Färbung der oberen Theile ein angenehmes Braungrau, welches im Nacken in Roſtroth übergeht.
Die Unterſeite iſt weiß oder gelblichweiß, die Seiten ſind röthlich, die Füße gleichmäßig braun, die
Vorderfüße grau, der mit kurzen, barſchen Haaren bedeckte Schwanz iſt oben grau, unten bräun-
lichweiß.

Brehm, Thierleben. II. 4
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[49/0063] Das Pademelon. ſeltener zu werden. Es lebt in Trupps, iſt jedoch nicht ſo geſellig, als man anfangs glaubte, getäuſcht durch die Vereinigung verſchiedener Familien. Gewöhnlich ſieht man nur ihrer drei oder vier zuſammen, und dieſe in ſo loſem Verbande, daß ſich eigentlich Keines um das Andere kümmert, ſondern Jedes unabhängig ſeinen eigenen Weg geht. Beſonders gute Weide vereinigt eine größere Anzahl, welche ſich wieder trennt, wenn eine Oertlichkeit ausgenutzt iſt. Früher glaubte man, in den Männchen die Leitthiere eines Trupps annehmen zu dürfen, wahrſcheinlich, weil ſie ihrer bedeu- tenden Größe wegen zu ſolchem Amte geeignet erſcheinen mochten; aber auch dieſe Annahme hat ſich als unrichtig herausgeſtellt. Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß das Känguru im hohen Grade ſcheu und furchtſam iſt und dem Menſchen nur ſelten erlaubt, ſich ihm in erwünſchter Weiſe zu nähern. Gould, welcher ein vortreffliches Werk über dieſe Familie geſchrieben hat, ſagt über die flüchtigen Kängurus Folgendes: „Jch erinnere mich mit beſonderer Vorliebe eines ſchönen Boo- mers, welcher ſich in der offenen Ebene zwiſchen den Hunden plötzlich aufrichtete und dann dahin jagte. Zuerſt warf er ſeinen Kopf empor, um nach ſeinen Verfolgern zu ſchielen, und zugleich um zu ſehen, welche Seite des Wegs ihm offen war; dann aber jagte er, ohne einen Augenblick zu zö- gern, vorwärts und gab uns Gelegenheit, das tollſte Rennen zu beobachten, welches ein Thier jemals vor unſeren Augen ausgeführt hat. Vierzehn (engliſche) Meilen in einem Zuge rannte der vogelſchnelle Läufer, und da er vollen Spielraum hatte, zweifelte ich nicht im geringſten, daß er uns entkommen würde. Zu ſeinem Unglück aber hatte er ſeinen Weg nach einer Landzunge gerichtet, welche ungefähr zwei Meilen weit in die See hinauslief. Dort wurde ihm der Weg abgeſchnitten und er gezwungen, ſchwimmend ſeine Rettung zu ſuchen. Der Meeresarm, welcher ihn vom feſten Lande trennte, mochte ungefähr zwei Meilen breit ſein, und eine friſche Briſe trieb die Wellen hart gegen ihn. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als entweder den Kampf mit den Hunden aufzu- nehmen oder ſeine Rettung in der See zu ſuchen. Ohne Beſinnen ſtürzte er ſich in die Wogen und durchſchwamm ſie muthig, obgleich die Wellen halb über ihn hinweggingen. Schließlich jedoch wurde er genöthigt, umzukehren, und abgemattet und entkräftet, wie er war, erlag er ſeinen Verfolgern bald nach ſeiner Rückkehr. Die Entfernung, welche er auf ſeiner Flucht durchjagt hatte, konnte, wenn man die verſchiedenen Krümmungen hinzurechnen wollte, nicht unter 18 Meilen be- tragen haben; ſicherlich durchſchwamm er deren zwei. Jch bin nicht im Stande, die Zeit zu beſtim- men, in welcher er dieſe Strecke durchrannte, ich glaube blos, daß es ungefähr zwei Stunden waren, als er am Ende der betreffenden Landzunge ankam. Dort aber rannte er noch ebenſo ſchnell, wie im Anfang.‟ Jm übrigen habe ich über das Leben des Thieres nach dem bereits Mitgetheilten Nichts weiter zu bemerken; denn gerade an dieſer Art der Familie hat man die meiſten Beobachtungen gemacht. Gegenwärtig ſieht man das Känguru ſeltener bei uns in der Gefangenſchaft, als früher, wo es in ſeiner Heimat weit häufiger war. Bei guter Pflege dauert es bei uns lange aus; Einzelne lebten 10 bis 15 Jahre in Europa. Auch dieſe Art wird eigentlich nicht zahm. Sie legt ihre angeborene Scheu niemals gänzlich ab und befreundet ſich mit ihren Wärtern nicht mehr, als mit anderen Leuten. Selbſt Vögel können das Känguru in Todesangſt verſetzen. Eine der kleineren und hübſcheſten Arten der Familie iſt das Pademelon (Halmaturus Theti- dis). Es erreicht noch nicht den dritten Theil der Größe des Känguru. Seine Länge beträgt nur 3½ Fuß, wovon 1½ Fuß auf den Schwanz zu rechnen ſind. Das Fell iſt ziemlich lang und weich, die Färbung der oberen Theile ein angenehmes Braungrau, welches im Nacken in Roſtroth übergeht. Die Unterſeite iſt weiß oder gelblichweiß, die Seiten ſind röthlich, die Füße gleichmäßig braun, die Vorderfüße grau, der mit kurzen, barſchen Haaren bedeckte Schwanz iſt oben grau, unten bräun- lichweiß. Brehm, Thierleben. II. 4

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/63>, abgerufen am 23.11.2024.