Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ziegen. -- Der Alpensteinbock.

"Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Bastardbocke und von der bösartigen Bastard-
ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen-
leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemsenjäger, der dieser Zucht zu warten
hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Bastardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach-
kommenschaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die sich vorzüglich darin gesiel, die höchsten
Stellen in dem ihr zugewiesenen Bezirke zu erklettern. Oft erstiegen einzelne dieser Thiere Punkte,
von denen sie bisweilen nicht mehr allein und ohne menschliche Hilfe herabzusteigen wagten. So er-
kletterte eine der Bastardziegen einmal einen Thurm, auf dem sie, aus Scheu vor einem Sturze, durch
drei volle Tage verweilte, bis man sie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endlosen Klagen,
die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Bastardbock einliefen, hatten zur Folge, daß
man ihn sammt der Bastardziege auf die Grimselalpe versetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug
trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Bastardziege auf der Grimsel ging in der Folge
ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ,
zeichneten sich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch besondere Wildheit aus. So lange sie noch
jung waren, belustigten sie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als sie aber
älter und kräftiger wurden, fielen sie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Last und wurden sämmtlich
geschlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabsichtigte Zweck durch sie erreicht
werden konnte."

Es ist eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die spanischen Steinböcke bis jetzt dem Schick-
sale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch sind auf allen Hochgebirgen der
iberischen Halbinsel die stolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten sogar noch ziemlich häufig.
Mit Sicherheit ist der spanische Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von
ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras Guadarama und Degredos, sowie in der Fort-
setzung des Gebirges in der Sierra Estrella, einzeln auch in den andalusischen Gebirgen, nament-
lich in den Sierras de Ronda, von Malaga Nevada und Anjanilla, endlich in den
Sierras Morena, Sagua und auf den menschenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle spanischen
Jäger kennen das stolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in
allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen seiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt
wurden. Leider thut die verabscheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichstes, die Ver-
tilgung des edelen Thieres zu bewerkstelligen. Obwohl die Gesetze nach der gestatteten Jagdzeit die
Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, sondern jeder Jäger
schießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zusammen, wie sie ihm eben vor's
Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada
bald unter die gewesenen Thiere gezählt werden müssen, während sie früher dort häufig waren. Der
bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindestens 12 Thaler unseres Geldes abwirft, gilt dem Spa-
nier mehr als jede andere Rücksicht.

Gegenwärtig scheint der Steinbock noch im spanischen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de
Credos häufig zu sein. Hier sah Graells im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und
die von seinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Museums von Madrid
bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der
Jagd verhindert glücklicher Weise jeden Lassen, in dem Hochgebirge umher zu streifen, und die meisten
Spanier führen jetzt noch so schlechte Gewehre, daß schon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um
einen Steinbock zu erlegen.

Es ist eigenthümlich, daß der spanische Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt,
während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieser Unterschied in der Lebensweise
würde allerdings auch für Artverschiedenheit beider Thiere sprechen.

Jn den ersten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem Dr. Apetz
unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Versuch, mich eines der auf der

Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock.

„Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Baſtardbocke und von der bösartigen Baſtard-
ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen-
leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemſenjäger, der dieſer Zucht zu warten
hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Baſtardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach-
kommenſchaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die ſich vorzüglich darin geſiel, die höchſten
Stellen in dem ihr zugewieſenen Bezirke zu erklettern. Oft erſtiegen einzelne dieſer Thiere Punkte,
von denen ſie bisweilen nicht mehr allein und ohne menſchliche Hilfe herabzuſteigen wagten. So er-
kletterte eine der Baſtardziegen einmal einen Thurm, auf dem ſie, aus Scheu vor einem Sturze, durch
drei volle Tage verweilte, bis man ſie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endloſen Klagen,
die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Baſtardbock einliefen, hatten zur Folge, daß
man ihn ſammt der Baſtardziege auf die Grimſelalpe verſetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug
trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Baſtardziege auf der Grimſel ging in der Folge
ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ,
zeichneten ſich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch beſondere Wildheit aus. So lange ſie noch
jung waren, beluſtigten ſie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als ſie aber
älter und kräftiger wurden, fielen ſie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Laſt und wurden ſämmtlich
geſchlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabſichtigte Zweck durch ſie erreicht
werden konnte.‟

Es iſt eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die ſpaniſchen Steinböcke bis jetzt dem Schick-
ſale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch ſind auf allen Hochgebirgen der
iberiſchen Halbinſel die ſtolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten ſogar noch ziemlich häufig.
Mit Sicherheit iſt der ſpaniſche Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von
ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras Guadarama und Degredos, ſowie in der Fort-
ſetzung des Gebirges in der Sierra Eſtrella, einzeln auch in den andaluſiſchen Gebirgen, nament-
lich in den Sierras de Ronda, von Malaga Nevada und Anjanilla, endlich in den
Sierras Morena, Sagua und auf den menſchenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle ſpaniſchen
Jäger kennen das ſtolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in
allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen ſeiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt
wurden. Leider thut die verabſcheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichſtes, die Ver-
tilgung des edelen Thieres zu bewerkſtelligen. Obwohl die Geſetze nach der geſtatteten Jagdzeit die
Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, ſondern jeder Jäger
ſchießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zuſammen, wie ſie ihm eben vor’s
Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada
bald unter die geweſenen Thiere gezählt werden müſſen, während ſie früher dort häufig waren. Der
bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindeſtens 12 Thaler unſeres Geldes abwirft, gilt dem Spa-
nier mehr als jede andere Rückſicht.

Gegenwärtig ſcheint der Steinbock noch im ſpaniſchen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de
Credos häufig zu ſein. Hier ſah Graëlls im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und
die von ſeinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Muſeums von Madrid
bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der
Jagd verhindert glücklicher Weiſe jeden Laſſen, in dem Hochgebirge umher zu ſtreifen, und die meiſten
Spanier führen jetzt noch ſo ſchlechte Gewehre, daß ſchon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um
einen Steinbock zu erlegen.

Es iſt eigenthümlich, daß der ſpaniſche Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt,
während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieſer Unterſchied in der Lebensweiſe
würde allerdings auch für Artverſchiedenheit beider Thiere ſprechen.

Jn den erſten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem Dr. Apetz
unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Verſuch, mich eines der auf der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0606" n="576"/>
              <fw place="top" type="header">Die Ziegen. &#x2014; Der Alpen&#x017F;teinbock.</fw><lb/>
              <p>&#x201E;Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Ba&#x017F;tardbocke und von der bösartigen Ba&#x017F;tard-<lb/>
ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen-<lb/>
leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gem&#x017F;enjäger, der die&#x017F;er Zucht zu warten<lb/>
hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Ba&#x017F;tardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach-<lb/>
kommen&#x017F;chaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die &#x017F;ich vorzüglich darin ge&#x017F;iel, die höch&#x017F;ten<lb/>
Stellen in dem ihr zugewie&#x017F;enen Bezirke zu erklettern. Oft er&#x017F;tiegen einzelne die&#x017F;er Thiere Punkte,<lb/>
von denen &#x017F;ie bisweilen nicht mehr allein und ohne men&#x017F;chliche Hilfe herabzu&#x017F;teigen wagten. So er-<lb/>
kletterte eine der Ba&#x017F;tardziegen einmal einen Thurm, auf dem &#x017F;ie, aus Scheu vor einem Sturze, durch<lb/>
drei volle Tage verweilte, bis man &#x017F;ie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endlo&#x017F;en Klagen,<lb/>
die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Ba&#x017F;tardbock einliefen, hatten zur Folge, daß<lb/>
man ihn &#x017F;ammt der Ba&#x017F;tardziege auf die Grim&#x017F;elalpe ver&#x017F;etzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug<lb/>
trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Ba&#x017F;tardziege auf der Grim&#x017F;el ging in der Folge<lb/>
ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ,<lb/>
zeichneten &#x017F;ich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch be&#x017F;ondere Wildheit aus. So lange &#x017F;ie noch<lb/>
jung waren, belu&#x017F;tigten &#x017F;ie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als &#x017F;ie aber<lb/>
älter und kräftiger wurden, fielen &#x017F;ie den Eigenthümern ihrer Mütter zur La&#x017F;t und wurden &#x017F;ämmtlich<lb/>
ge&#x017F;chlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heab&#x017F;ichtigte Zweck durch &#x017F;ie erreicht<lb/>
werden konnte.&#x201F;</p><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die &#x017F;pani&#x017F;chen Steinböcke bis jetzt dem Schick-<lb/>
&#x017F;ale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch &#x017F;ind auf allen Hochgebirgen der<lb/>
iberi&#x017F;chen Halbin&#x017F;el die &#x017F;tolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten &#x017F;ogar noch ziemlich häufig.<lb/>
Mit Sicherheit i&#x017F;t der &#x017F;pani&#x017F;che Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von<lb/>
ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras <hi rendition="#g">Guadarama</hi> und <hi rendition="#g">Degredos,</hi> &#x017F;owie in der Fort-<lb/>
&#x017F;etzung des Gebirges in der <hi rendition="#g">Sierra E&#x017F;trella,</hi> einzeln auch in den andalu&#x017F;i&#x017F;chen Gebirgen, nament-<lb/>
lich in den <hi rendition="#g">Sierras de Ronda,</hi> von <hi rendition="#g">Malaga Nevada</hi> und <hi rendition="#g">Anjanilla,</hi> endlich in den<lb/>
Sierras <hi rendition="#g">Morena, Sagua</hi> und auf den men&#x017F;chenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle &#x017F;pani&#x017F;chen<lb/>
Jäger kennen das &#x017F;tolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in<lb/>
allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen &#x017F;einer Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt<lb/>
wurden. Leider thut die verab&#x017F;cheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglich&#x017F;tes, die Ver-<lb/>
tilgung des edelen Thieres zu bewerk&#x017F;telligen. Obwohl die Ge&#x017F;etze nach der ge&#x017F;tatteten Jagdzeit die<lb/>
Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, &#x017F;ondern jeder Jäger<lb/>
&#x017F;chießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zu&#x017F;ammen, wie &#x017F;ie ihm eben vor&#x2019;s<lb/>
Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada<lb/>
bald unter die gewe&#x017F;enen Thiere gezählt werden mü&#x017F;&#x017F;en, während &#x017F;ie früher dort häufig waren. Der<lb/>
bedeutende Gewinn der Jagd, welcher minde&#x017F;tens 12 Thaler un&#x017F;eres Geldes abwirft, gilt dem Spa-<lb/>
nier mehr als jede andere Rück&#x017F;icht.</p><lb/>
              <p>Gegenwärtig &#x017F;cheint der Steinbock noch im &#x017F;pani&#x017F;chen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de<lb/>
Credos häufig zu &#x017F;ein. Hier &#x017F;ah <hi rendition="#g">Gra<hi rendition="#aq">ë</hi>lls</hi> im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und<lb/>
die von &#x017F;einem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Mu&#x017F;eums von Madrid<lb/>
bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der<lb/>
Jagd verhindert glücklicher Wei&#x017F;e jeden La&#x017F;&#x017F;en, in dem Hochgebirge umher zu &#x017F;treifen, und die mei&#x017F;ten<lb/>
Spanier führen jetzt noch &#x017F;o &#x017F;chlechte Gewehre, daß &#x017F;chon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um<lb/>
einen Steinbock zu erlegen.</p><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t eigenthümlich, daß der &#x017F;pani&#x017F;che Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt,<lb/>
während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und die&#x017F;er Unter&#x017F;chied in der Lebenswei&#x017F;e<lb/>
würde allerdings auch für Artver&#x017F;chiedenheit beider Thiere &#x017F;prechen.</p><lb/>
              <p>Jn den er&#x017F;ten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Apetz</hi><lb/>
unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Ver&#x017F;uch, mich eines der auf der<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[576/0606] Die Ziegen. — Der Alpenſteinbock. „Die einzige noch übrige reine Steinziege, die vom Baſtardbocke und von der bösartigen Baſtard- ziege viele Mißhandlungen zu erdulden hatte, ging im Winter des Jahres 1825 an einem Lungen- leiden zu Grunde und mit Thränen in den Augen brachte der Gemſenjäger, der dieſer Zucht zu warten hatte, die Nachricht von ihrem Tode ins Thal. Der Baſtardbock hatte bereits eine zahlreiche Nach- kommenſchaft mit den Hausziegen der Aelpler erzeugt, die ſich vorzüglich darin geſiel, die höchſten Stellen in dem ihr zugewieſenen Bezirke zu erklettern. Oft erſtiegen einzelne dieſer Thiere Punkte, von denen ſie bisweilen nicht mehr allein und ohne menſchliche Hilfe herabzuſteigen wagten. So er- kletterte eine der Baſtardziegen einmal einen Thurm, auf dem ſie, aus Scheu vor einem Sturze, durch drei volle Tage verweilte, bis man ſie endlich mit großer Mühe herabholte. Die endloſen Klagen, die von den Bewohnern des Sareten-Thales über den Baſtardbock einliefen, hatten zur Folge, daß man ihn ſammt der Baſtardziege auf die Grimſelalpe verſetzte. Da er aber auch dort allerlei Unfug trieb, mußte er endlich getödtet werden, und die alte Baſtardziege auf der Grimſel ging in der Folge ein. Die Nachkommen, welche er aus der Paarung mit Hausziegen im Berner Oberlande zurückließ, zeichneten ſich bei Zunnahme des Alters gleichfalls durch beſondere Wildheit aus. So lange ſie noch jung waren, beluſtigten ſie die Sennen durch ihre muthwilligen Sprünge und Geberden; als ſie aber älter und kräftiger wurden, fielen ſie den Eigenthümern ihrer Mütter zur Laſt und wurden ſämmtlich geſchlachtet. So endete die Berner Steinbockzucht, ohne daß der heabſichtigte Zweck durch ſie erreicht werden konnte.‟ Es iſt eine wahre Frende für den Thierfreund, daß die ſpaniſchen Steinböcke bis jetzt dem Schick- ſale ihrer Verwandten auf den Alpen nicht entgegen gehen. Noch ſind auf allen Hochgebirgen der iberiſchen Halbinſel die ſtolzen Thiere verbreitet und an manchen Orten ſogar noch ziemlich häufig. Mit Sicherheit iſt der ſpaniſche Steinbock noch zu finden in den eigentlichen Pyrenäen und allen von ihnen auslaufenden Hochketten, in den Sierras Guadarama und Degredos, ſowie in der Fort- ſetzung des Gebirges in der Sierra Eſtrella, einzeln auch in den andaluſiſchen Gebirgen, nament- lich in den Sierras de Ronda, von Malaga Nevada und Anjanilla, endlich in den Sierras Morena, Sagua und auf den menſchenleeren Hochebenen von Cuenca. Alle ſpaniſchen Jäger kennen das ſtolze Wild, welches der Landesname Cabramontes trefflich bezeichnet, und noch in allen Gebirgsdörfern findet man Beutezeichen ſeiner Jagd, Gehörne, welche in die Mauern eingefügt wurden. Leider thut die verabſcheuungswürdige Bubenjägerei der Spanier ihr Möglichſtes, die Ver- tilgung des edelen Thieres zu bewerkſtelligen. Obwohl die Geſetze nach der geſtatteten Jagdzeit die Hegung der Thiere gebieten, denkt doch Niemand daran, die letztere einzuhalten, ſondern jeder Jäger ſchießt alte und junge Böcke, trächtige und gelte gehende Ziegen zuſammen, wie ſie ihm eben vor’s Rohr kommen. Das hat denn auch bereits zur Folge gehabt, daß die Steinböcke der Sierra Nevada bald unter die geweſenen Thiere gezählt werden müſſen, während ſie früher dort häufig waren. Der bedeutende Gewinn der Jagd, welcher mindeſtens 12 Thaler unſeres Geldes abwirft, gilt dem Spa- nier mehr als jede andere Rückſicht. Gegenwärtig ſcheint der Steinbock noch im ſpaniſchen Mittelgebirge, namentlich in der Sierra de Credos häufig zu ſein. Hier ſah Graëlls im April 1851 noch Rudel von 50 bis 60 Stück, und die von ſeinem Sommerausfluge mitgebrachten Böcke, welche eine Zierde des Muſeums von Madrid bilden, geben Zeugniß, daß die Thiere dort noch ein hohes Alter erreichen. Die Schwierigkeit der Jagd verhindert glücklicher Weiſe jeden Laſſen, in dem Hochgebirge umher zu ſtreifen, und die meiſten Spanier führen jetzt noch ſo ſchlechte Gewehre, daß ſchon ein ganz vorzüglicher Jäger dazu gehört, um einen Steinbock zu erlegen. Es iſt eigenthümlich, daß der ſpaniſche Steinbock im Norden in der Nähe der Schneefelder lebt, während er im Süden mehr das Mittelgebirge bevorzugt, und dieſer Unterſchied in der Lebensweiſe würde allerdings auch für Artverſchiedenheit beider Thiere ſprechen. Jn den erſten Tagen des Novembers 1856 machte ich mit meinem Bruder und dem Dr. Apetz unter Leitung eines eingeborenen Steinbockjägers den vergeblichen Verſuch, mich eines der auf der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/606
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/606>, abgerufen am 26.06.2024.