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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die nubische Mendesautilope. Die Kanna.

Solche Jagden währen oft mehrere Wochen. Die Jäger nähren sich von ihrer Beute; aber ge-
wöhnlich ist diese so reich, daß sie einen Tag um den anderen immer noch ein mit Wild befrachtetes
Kamel nach den Zelten schicken können, um auch ihren Frauen und Kindern einen Antheil ihrer Beute
zukommen zu lassen. Die Zeit der Regen ist die geeignetste zur Jagd aller Antilopen; denn wenn
der Boden feucht ist, kann das Wild nicht so schnell laufen, als sonst, weil sich immer Klumpen von
feuchter Erde oder Schlamm an ihre Hufen hängen.

Bei vielen Araberstämmen sieht man die Mendesantilope und die Gazelle im gefangenen Zu-
stande. Die Schönheit der Augen dieser Thiere ist unter allen morgenländischen Völkern so vollstän-
dig anerkannt, daß schwangere Frauen Gazellen nur aus dem Grunde um sich zu halten pflegen, um
ihrer Frucht die Schönheit des Thieres einzuprägen. Sie setzen sich oft lange Zeit vor das Thier hin
und sehen ihm in die schönen Augen, streichen ihm mit den Fingern über die weißen Zähne und berüh-
ren dann die ihrigen und sagen dabei verschiedene Sprüche her, denen sie noch besondere Kraft zutrauen.
Am liebsten halten sie die Gazelle. Doch sieht man auch die Mendesantilopen hier und da in ihren
Zelten. Jn den neuesten Zeiten findet man die letzteren hier und da in den Thiergärten. Sie zeigen
durch ihr Betragen, wie nahe sie mit den Oryxböcken verwandt sind; denn sie sind ebenso launisch
und unverträglich, wie diese. Doch kennt man auch Ausnahmsfälle. Eine, welche der Großherzog von
Toskana aus Egypten erhielt, scheute sich nicht im geringsten vor dem Menschen, ließ sich streicheln
und liebkosen und leckte oft ihrem Wärter die Hand. Zuweilen wollte sie spielen und wurde dabei
unangenehm; denn oft zeigte sie unversehens die Hörner und versuchte Den zu stoßen und zu schlagen,
welcher sie eben geliebkost hatte. Beim geringsten Verdachte spitzte sie die Ohren und setzte sich in
Vertheidigungszustand. Auf Hunde und andere Feinde lief sie mit zurückgeschlagenen Hörnern ziem-
lich schnell los, stemmte sich mit den Vorderfüßen auf den Boden, wendete das Horn nach vorn und
stieß rasch von unten nach oben; auch mit den Füßen schlug sie sowohl vor- als rückwärts. Jhre
Stimme war bald ein Grunzen, bald ein schwaches Plärren; damit drückte sie Verlangen nach Nah-
rung aus. Heu, Hafer, Gerste und Korn genügten ihr. Sie hielt sich gut und lange in der Ge-
fangenschaft.

Soviel man bisjetzt weiß, hat sich das schöne Thier nur einige Male in der Gefangenschaft
fortgepflanzt, bisher aber nur in England und Belgien.



Jn den Eland- oder Elenantilopen (Boselaphus) sehen wir wiederum eins jener Verbin-
dungsglieder zweier Familien vor uns. Wenn man die plumpen, schwerfälligen Geschöpfe mit dem
dicken und starken Leibe, dem Kuhschwanze und der vorn herabhängenden Wamme betrachtet, glaubt
man eher ein Rind vor sich zu haben, als eine Antilope: aber dennoch ist in der ganzen Gestalt die
nahe Verwandtschaft mit den leichten und zierlichen Antilopen nicht zu verkennen, zumal die Hörner
unverkennbare Merkmale der Familienangehörigkeit sind.

Die Kanna (Boselaphus Oreas oder Canna) wird fast 9 Fuß lang und trägt dazu einen noch
über 11/2 Fuß langen Schwanz, am Widerrist erreicht sie eine Höhe von 61/2 Fuß. Jhr Gewicht
kann 7 bis 8 Centner betragen. Erfahrene Jäger behaupten, Männchen von 12 Fuß Leibeslänge
und 10 Centner Gewicht erlegt zu haben. Somit kommt das Thier fast dem wirklichen Elch an
Größe gleich. Nach dem Alter ändert sich die Färbung. Ausgewachsene Böcke sind auf der Ober-
seite hellbraun oder gelblichgrau, rostroth überlaufen, an den Seiten weißgelblich, unten und auf
den Außenseiten der Unterschenkel gelblichweiß, am Kopf hellgelblichbraun, während die Nackenmähne
und ein Haarbüschel am Unterhalse gelblichbraun oder dunkelbraunroth sind. Der Rückenstreifen
hat etwa dieselbe Färbung. Ein brauner Fleck über dem Beuggelenke der Vorderbeine und ein
schwarzrothbrauner Ring, welcher sich um die Fesseln zieht, mögen zur weiteren Kennzeichnung des
Thieres dienen.

Die nubiſche Mendesautilope. Die Kanna.

Solche Jagden währen oft mehrere Wochen. Die Jäger nähren ſich von ihrer Beute; aber ge-
wöhnlich iſt dieſe ſo reich, daß ſie einen Tag um den anderen immer noch ein mit Wild befrachtetes
Kamel nach den Zelten ſchicken können, um auch ihren Frauen und Kindern einen Antheil ihrer Beute
zukommen zu laſſen. Die Zeit der Regen iſt die geeignetſte zur Jagd aller Antilopen; denn wenn
der Boden feucht iſt, kann das Wild nicht ſo ſchnell laufen, als ſonſt, weil ſich immer Klumpen von
feuchter Erde oder Schlamm an ihre Hufen hängen.

Bei vielen Araberſtämmen ſieht man die Mendesantilope und die Gazelle im gefangenen Zu-
ſtande. Die Schönheit der Augen dieſer Thiere iſt unter allen morgenländiſchen Völkern ſo vollſtän-
dig anerkannt, daß ſchwangere Frauen Gazellen nur aus dem Grunde um ſich zu halten pflegen, um
ihrer Frucht die Schönheit des Thieres einzuprägen. Sie ſetzen ſich oft lange Zeit vor das Thier hin
und ſehen ihm in die ſchönen Augen, ſtreichen ihm mit den Fingern über die weißen Zähne und berüh-
ren dann die ihrigen und ſagen dabei verſchiedene Sprüche her, denen ſie noch beſondere Kraft zutrauen.
Am liebſten halten ſie die Gazelle. Doch ſieht man auch die Mendesantilopen hier und da in ihren
Zelten. Jn den neueſten Zeiten findet man die letzteren hier und da in den Thiergärten. Sie zeigen
durch ihr Betragen, wie nahe ſie mit den Oryxböcken verwandt ſind; denn ſie ſind ebenſo launiſch
und unverträglich, wie dieſe. Doch kennt man auch Ausnahmsfälle. Eine, welche der Großherzog von
Toskana aus Egypten erhielt, ſcheute ſich nicht im geringſten vor dem Menſchen, ließ ſich ſtreicheln
und liebkoſen und leckte oft ihrem Wärter die Hand. Zuweilen wollte ſie ſpielen und wurde dabei
unangenehm; denn oft zeigte ſie unverſehens die Hörner und verſuchte Den zu ſtoßen und zu ſchlagen,
welcher ſie eben geliebkoſt hatte. Beim geringſten Verdachte ſpitzte ſie die Ohren und ſetzte ſich in
Vertheidigungszuſtand. Auf Hunde und andere Feinde lief ſie mit zurückgeſchlagenen Hörnern ziem-
lich ſchnell los, ſtemmte ſich mit den Vorderfüßen auf den Boden, wendete das Horn nach vorn und
ſtieß raſch von unten nach oben; auch mit den Füßen ſchlug ſie ſowohl vor- als rückwärts. Jhre
Stimme war bald ein Grunzen, bald ein ſchwaches Plärren; damit drückte ſie Verlangen nach Nah-
rung aus. Heu, Hafer, Gerſte und Korn genügten ihr. Sie hielt ſich gut und lange in der Ge-
fangenſchaft.

Soviel man bisjetzt weiß, hat ſich das ſchöne Thier nur einige Male in der Gefangenſchaft
fortgepflanzt, bisher aber nur in England und Belgien.



Jn den Eland- oder Elenantilopen (Boselaphus) ſehen wir wiederum eins jener Verbin-
dungsglieder zweier Familien vor uns. Wenn man die plumpen, ſchwerfälligen Geſchöpfe mit dem
dicken und ſtarken Leibe, dem Kuhſchwanze und der vorn herabhängenden Wamme betrachtet, glaubt
man eher ein Rind vor ſich zu haben, als eine Antilope: aber dennoch iſt in der ganzen Geſtalt die
nahe Verwandtſchaft mit den leichten und zierlichen Antilopen nicht zu verkennen, zumal die Hörner
unverkennbare Merkmale der Familienangehörigkeit ſind.

Die Kanna (Boselaphus Oreas oder Canna) wird faſt 9 Fuß lang und trägt dazu einen noch
über 1½ Fuß langen Schwanz, am Widerriſt erreicht ſie eine Höhe von 6½ Fuß. Jhr Gewicht
kann 7 bis 8 Centner betragen. Erfahrene Jäger behaupten, Männchen von 12 Fuß Leibeslänge
und 10 Centner Gewicht erlegt zu haben. Somit kommt das Thier faſt dem wirklichen Elch an
Größe gleich. Nach dem Alter ändert ſich die Färbung. Ausgewachſene Böcke ſind auf der Ober-
ſeite hellbraun oder gelblichgrau, roſtroth überlaufen, an den Seiten weißgelblich, unten und auf
den Außenſeiten der Unterſchenkel gelblichweiß, am Kopf hellgelblichbraun, während die Nackenmähne
und ein Haarbüſchel am Unterhalſe gelblichbraun oder dunkelbraunroth ſind. Der Rückenſtreifen
hat etwa dieſelbe Färbung. Ein brauner Fleck über dem Beuggelenke der Vorderbeine und ein
ſchwarzrothbrauner Ring, welcher ſich um die Feſſeln zieht, mögen zur weiteren Kennzeichnung des
Thieres dienen.

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[555/0585] Die nubiſche Mendesautilope. Die Kanna. Solche Jagden währen oft mehrere Wochen. Die Jäger nähren ſich von ihrer Beute; aber ge- wöhnlich iſt dieſe ſo reich, daß ſie einen Tag um den anderen immer noch ein mit Wild befrachtetes Kamel nach den Zelten ſchicken können, um auch ihren Frauen und Kindern einen Antheil ihrer Beute zukommen zu laſſen. Die Zeit der Regen iſt die geeignetſte zur Jagd aller Antilopen; denn wenn der Boden feucht iſt, kann das Wild nicht ſo ſchnell laufen, als ſonſt, weil ſich immer Klumpen von feuchter Erde oder Schlamm an ihre Hufen hängen. Bei vielen Araberſtämmen ſieht man die Mendesantilope und die Gazelle im gefangenen Zu- ſtande. Die Schönheit der Augen dieſer Thiere iſt unter allen morgenländiſchen Völkern ſo vollſtän- dig anerkannt, daß ſchwangere Frauen Gazellen nur aus dem Grunde um ſich zu halten pflegen, um ihrer Frucht die Schönheit des Thieres einzuprägen. Sie ſetzen ſich oft lange Zeit vor das Thier hin und ſehen ihm in die ſchönen Augen, ſtreichen ihm mit den Fingern über die weißen Zähne und berüh- ren dann die ihrigen und ſagen dabei verſchiedene Sprüche her, denen ſie noch beſondere Kraft zutrauen. Am liebſten halten ſie die Gazelle. Doch ſieht man auch die Mendesantilopen hier und da in ihren Zelten. Jn den neueſten Zeiten findet man die letzteren hier und da in den Thiergärten. Sie zeigen durch ihr Betragen, wie nahe ſie mit den Oryxböcken verwandt ſind; denn ſie ſind ebenſo launiſch und unverträglich, wie dieſe. Doch kennt man auch Ausnahmsfälle. Eine, welche der Großherzog von Toskana aus Egypten erhielt, ſcheute ſich nicht im geringſten vor dem Menſchen, ließ ſich ſtreicheln und liebkoſen und leckte oft ihrem Wärter die Hand. Zuweilen wollte ſie ſpielen und wurde dabei unangenehm; denn oft zeigte ſie unverſehens die Hörner und verſuchte Den zu ſtoßen und zu ſchlagen, welcher ſie eben geliebkoſt hatte. Beim geringſten Verdachte ſpitzte ſie die Ohren und ſetzte ſich in Vertheidigungszuſtand. Auf Hunde und andere Feinde lief ſie mit zurückgeſchlagenen Hörnern ziem- lich ſchnell los, ſtemmte ſich mit den Vorderfüßen auf den Boden, wendete das Horn nach vorn und ſtieß raſch von unten nach oben; auch mit den Füßen ſchlug ſie ſowohl vor- als rückwärts. Jhre Stimme war bald ein Grunzen, bald ein ſchwaches Plärren; damit drückte ſie Verlangen nach Nah- rung aus. Heu, Hafer, Gerſte und Korn genügten ihr. Sie hielt ſich gut und lange in der Ge- fangenſchaft. Soviel man bisjetzt weiß, hat ſich das ſchöne Thier nur einige Male in der Gefangenſchaft fortgepflanzt, bisher aber nur in England und Belgien. Jn den Eland- oder Elenantilopen (Boselaphus) ſehen wir wiederum eins jener Verbin- dungsglieder zweier Familien vor uns. Wenn man die plumpen, ſchwerfälligen Geſchöpfe mit dem dicken und ſtarken Leibe, dem Kuhſchwanze und der vorn herabhängenden Wamme betrachtet, glaubt man eher ein Rind vor ſich zu haben, als eine Antilope: aber dennoch iſt in der ganzen Geſtalt die nahe Verwandtſchaft mit den leichten und zierlichen Antilopen nicht zu verkennen, zumal die Hörner unverkennbare Merkmale der Familienangehörigkeit ſind. Die Kanna (Boselaphus Oreas oder Canna) wird faſt 9 Fuß lang und trägt dazu einen noch über 1½ Fuß langen Schwanz, am Widerriſt erreicht ſie eine Höhe von 6½ Fuß. Jhr Gewicht kann 7 bis 8 Centner betragen. Erfahrene Jäger behaupten, Männchen von 12 Fuß Leibeslänge und 10 Centner Gewicht erlegt zu haben. Somit kommt das Thier faſt dem wirklichen Elch an Größe gleich. Nach dem Alter ändert ſich die Färbung. Ausgewachſene Böcke ſind auf der Ober- ſeite hellbraun oder gelblichgrau, roſtroth überlaufen, an den Seiten weißgelblich, unten und auf den Außenſeiten der Unterſchenkel gelblichweiß, am Kopf hellgelblichbraun, während die Nackenmähne und ein Haarbüſchel am Unterhalſe gelblichbraun oder dunkelbraunroth ſind. Der Rückenſtreifen hat etwa dieſelbe Färbung. Ein brauner Fleck über dem Beuggelenke der Vorderbeine und ein ſchwarzrothbrauner Ring, welcher ſich um die Feſſeln zieht, mögen zur weiteren Kennzeichnung des Thieres dienen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/585>, abgerufen am 29.06.2024.