jüngere Böcke, welche durch die alten von dem Trupp abgeschlagen wurden, sich zusammenrudeln und ein mürrisches Junggesellenleben mit einander führen.
Nach den Beobachtungen, welche wir machen und nach den Erkundigungen, welche wir einziehen konnten, ähnelt der Kudu in seiner Lebensweise und seinem Wesen unserem Hochwild. Er durch- streift ein ziemlich großes Gebiet und wechselt auf ihm regelmäßig hin und her. Haltung und Gang erinnern an den Hirsch. Erstere ist ebenso stolz, letzterer ebenso zierlich und dabei doch gemessen, wie bei dem Edelwild unserer Wälder. Solange der Kudu ungestört ist, schreitet er ziemlich langsam längs der Bergwände dahin, dem dornigen Gestrüpp vorsichtig ausweichend und an günstigen Stellen sich äßend. Knospen und Blätter verschiedener Sträuche bilden einen guten Theil seines Geäßes; doch verschmäht er auch nicht Gräser und tritt deshalb, zumal gegen Abend, auf grüne Blößen im Walde heraus. Aufgescheucht trollt er ziemlich schwerfällig dahin, und nur auf ebenen Stellen wird er flüchtig. Aber auch dann noch ist sein Lauf verhältnißmäßig langsam. Jn den Buschwäldern muß er, um nicht aufgehalten zu werden, sein Gehörn soweit nach hinten legen, daß die Spitzen desselben fast seinen Rücken berühren. Ehe er flüchtig wird, stößt er ein weites, hörbares Schnauben und zuweilen ein dumpfes Blöcken aus. Wie Pater Filippini mir sagte, rührt letzteres aber blos vom Thier her; der Bock schreit nur zur Brunstzeit, dann aber in derselben ausdrucksvollen Weise, wie unser Edelhirsch.
Jn Habesch soll der Bock Ende Januars auf die Brunst treten. Von der Höhe herab vernimmt man um diese Zeit gegen Abend sein Georgel, mit welchem er andere Nebenbuhler zum Kampfe ein- ladet. Daß heftige Streite zwischen den verliebten Böcken ausgefochten werden, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; denn der Kudu zeigt sich auch sonst als ein höchst muthiges und wehrhaftes Thier. Filippini hat zwar niemals einem solchen Kampfe beigewohnt, wohl aber die Abissinier davon oft erzählen hören. Der Satz fällt mit dem Anfange der großen Regenzeit zusammen, gewöhnlich Ende Augusts: das Thier würde also sieben bis acht Monate hoch beschlagen gehen. Nur höchst selten fin- det man noch Böcke bei den Thieren, nachdem sie gesetzt haben: die Mutter allein ernährt, bewacht und beschützt ihr Kalb.
Jn allen Ländern, wo der stolze, schön gezeichnete Kudu vorkommt, ist er der eifrigsten Ver- folgung ausgesetzt. Sein Wildpret ist, wie ich mich selbst überzeugt habe, ganz vorzüglich; in Ge- schmack erinnert es an das unseres Edelhirsches. Das Mark der Knochen gilt manchen südafrikani- schen Völkerschaften als ein unersetzlicher Leckerbissen. Zumal die Kaffern haben, wenn sie einen Kudu erlegten, nichts Eiligeres zu thun, als das Fleisch von den Knochen abzuschälen, diese zu zer- brechen und dann das Mark aus den Röhren zu saugen, roh, wie es ist. Auch das Fell wird im Süden Afrikas hochgeschätzt und gilt für manche Zwecke geradezu als unübertrefflich. Die holländi- schen Ansiedler kaufen es zu hohen Preisen, um Peitschen daraus zu machen, namentlich die soge- nannten Schmitzen oder Vorschläge, welche als Haupterforderniß einer zum Knallen geeigneten Peitsche angesehen werden. Außerdem verwendet man das Leder zu Riemen, mit denen man Häute zusammennäht oder Päckte schnürt; es wird zu Geschirren, Satteldecken, Schuhen u. s. w. ver- wendet. Jn Habesch gerbt man das Fell und bereitet sich aus den Stangen des Gehörns, nachdem man sie mit Hilfe der Fäulniß von ihrem Knochenkern befreit hat, Füllhörner zur Aufbewahrung von Honig, Salz, Kaffee und dergleichen.
Die Jagd des Kudu wird in sehr verschiedener Weise ausgeführt. Filippini zog den Pirsch- gang jeder übrigen Jagdart vor. Er kannte die Lieblingsstellen des Wildes und suchte sich hier an die weit sichtbaren, hohen Gestalten vorsichtig anzuschleichen. Am liebsten jagte er des Nachmittags, weil um diese Zeit der Agaseen in die Thäler herab zur Tränke zieht. Die meisten Antilopen begnü- gen sich mit dem Nachtthau, welchen sie von den Blättern der Bäume ablecken: der Agaseen aber bedarf sehr viel Wasser und muß allabendlich von seinen Bergen herabsteigen, um sein Bedürfniß zu befriedigen. Hierzu sucht er sich nun gewisse, ihm besonders günstig erscheinende Stellen der kleinen Bäche oder der in Regenbetten gelegenen Tümpel abissinischer Gebirgsthäler aus, und wer solche
Die Antilopen. — Der Kudu.
jüngere Böcke, welche durch die alten von dem Trupp abgeſchlagen wurden, ſich zuſammenrudeln und ein mürriſches Junggeſellenleben mit einander führen.
Nach den Beobachtungen, welche wir machen und nach den Erkundigungen, welche wir einziehen konnten, ähnelt der Kudu in ſeiner Lebensweiſe und ſeinem Weſen unſerem Hochwild. Er durch- ſtreift ein ziemlich großes Gebiet und wechſelt auf ihm regelmäßig hin und her. Haltung und Gang erinnern an den Hirſch. Erſtere iſt ebenſo ſtolz, letzterer ebenſo zierlich und dabei doch gemeſſen, wie bei dem Edelwild unſerer Wälder. Solange der Kudu ungeſtört iſt, ſchreitet er ziemlich langſam längs der Bergwände dahin, dem dornigen Geſtrüpp vorſichtig ausweichend und an günſtigen Stellen ſich äßend. Knospen und Blätter verſchiedener Sträuche bilden einen guten Theil ſeines Geäßes; doch verſchmäht er auch nicht Gräſer und tritt deshalb, zumal gegen Abend, auf grüne Blößen im Walde heraus. Aufgeſcheucht trollt er ziemlich ſchwerfällig dahin, und nur auf ebenen Stellen wird er flüchtig. Aber auch dann noch iſt ſein Lauf verhältnißmäßig langſam. Jn den Buſchwäldern muß er, um nicht aufgehalten zu werden, ſein Gehörn ſoweit nach hinten legen, daß die Spitzen deſſelben faſt ſeinen Rücken berühren. Ehe er flüchtig wird, ſtößt er ein weites, hörbares Schnauben und zuweilen ein dumpfes Blöcken aus. Wie Pater Filippini mir ſagte, rührt letzteres aber blos vom Thier her; der Bock ſchreit nur zur Brunſtzeit, dann aber in derſelben ausdrucksvollen Weiſe, wie unſer Edelhirſch.
Jn Habeſch ſoll der Bock Ende Januars auf die Brunſt treten. Von der Höhe herab vernimmt man um dieſe Zeit gegen Abend ſein Georgel, mit welchem er andere Nebenbuhler zum Kampfe ein- ladet. Daß heftige Streite zwiſchen den verliebten Böcken ausgefochten werden, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; denn der Kudu zeigt ſich auch ſonſt als ein höchſt muthiges und wehrhaftes Thier. Filippini hat zwar niemals einem ſolchen Kampfe beigewohnt, wohl aber die Abiſſinier davon oft erzählen hören. Der Satz fällt mit dem Anfange der großen Regenzeit zuſammen, gewöhnlich Ende Auguſts: das Thier würde alſo ſieben bis acht Monate hoch beſchlagen gehen. Nur höchſt ſelten fin- det man noch Böcke bei den Thieren, nachdem ſie geſetzt haben: die Mutter allein ernährt, bewacht und beſchützt ihr Kalb.
Jn allen Ländern, wo der ſtolze, ſchön gezeichnete Kudu vorkommt, iſt er der eifrigſten Ver- folgung ausgeſetzt. Sein Wildpret iſt, wie ich mich ſelbſt überzeugt habe, ganz vorzüglich; in Ge- ſchmack erinnert es an das unſeres Edelhirſches. Das Mark der Knochen gilt manchen ſüdafrikani- ſchen Völkerſchaften als ein unerſetzlicher Leckerbiſſen. Zumal die Kaffern haben, wenn ſie einen Kudu erlegten, nichts Eiligeres zu thun, als das Fleiſch von den Knochen abzuſchälen, dieſe zu zer- brechen und dann das Mark aus den Röhren zu ſaugen, roh, wie es iſt. Auch das Fell wird im Süden Afrikas hochgeſchätzt und gilt für manche Zwecke geradezu als unübertrefflich. Die holländi- ſchen Anſiedler kaufen es zu hohen Preiſen, um Peitſchen daraus zu machen, namentlich die ſoge- nannten Schmitzen oder Vorſchläge, welche als Haupterforderniß einer zum Knallen geeigneten Peitſche angeſehen werden. Außerdem verwendet man das Leder zu Riemen, mit denen man Häute zuſammennäht oder Päckte ſchnürt; es wird zu Geſchirren, Satteldecken, Schuhen u. ſ. w. ver- wendet. Jn Habeſch gerbt man das Fell und bereitet ſich aus den Stangen des Gehörns, nachdem man ſie mit Hilfe der Fäulniß von ihrem Knochenkern befreit hat, Füllhörner zur Aufbewahrung von Honig, Salz, Kaffee und dergleichen.
Die Jagd des Kudu wird in ſehr verſchiedener Weiſe ausgeführt. Filippini zog den Pirſch- gang jeder übrigen Jagdart vor. Er kannte die Lieblingsſtellen des Wildes und ſuchte ſich hier an die weit ſichtbaren, hohen Geſtalten vorſichtig anzuſchleichen. Am liebſten jagte er des Nachmittags, weil um dieſe Zeit der Agaſeen in die Thäler herab zur Tränke zieht. Die meiſten Antilopen begnü- gen ſich mit dem Nachtthau, welchen ſie von den Blättern der Bäume ablecken: der Agaſeen aber bedarf ſehr viel Waſſer und muß allabendlich von ſeinen Bergen herabſteigen, um ſein Bedürfniß zu befriedigen. Hierzu ſucht er ſich nun gewiſſe, ihm beſonders günſtig erſcheinende Stellen der kleinen Bäche oder der in Regenbetten gelegenen Tümpel abiſſiniſcher Gebirgsthäler aus, und wer ſolche
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[542/0572]
Die Antilopen. — Der Kudu.
jüngere Böcke, welche durch die alten von dem Trupp abgeſchlagen wurden, ſich zuſammenrudeln und
ein mürriſches Junggeſellenleben mit einander führen.
Nach den Beobachtungen, welche wir machen und nach den Erkundigungen, welche wir einziehen
konnten, ähnelt der Kudu in ſeiner Lebensweiſe und ſeinem Weſen unſerem Hochwild. Er durch-
ſtreift ein ziemlich großes Gebiet und wechſelt auf ihm regelmäßig hin und her. Haltung und Gang
erinnern an den Hirſch. Erſtere iſt ebenſo ſtolz, letzterer ebenſo zierlich und dabei doch gemeſſen,
wie bei dem Edelwild unſerer Wälder. Solange der Kudu ungeſtört iſt, ſchreitet er ziemlich langſam
längs der Bergwände dahin, dem dornigen Geſtrüpp vorſichtig ausweichend und an günſtigen Stellen
ſich äßend. Knospen und Blätter verſchiedener Sträuche bilden einen guten Theil ſeines Geäßes;
doch verſchmäht er auch nicht Gräſer und tritt deshalb, zumal gegen Abend, auf grüne Blößen im
Walde heraus. Aufgeſcheucht trollt er ziemlich ſchwerfällig dahin, und nur auf ebenen Stellen wird
er flüchtig. Aber auch dann noch iſt ſein Lauf verhältnißmäßig langſam. Jn den Buſchwäldern
muß er, um nicht aufgehalten zu werden, ſein Gehörn ſoweit nach hinten legen, daß die Spitzen
deſſelben faſt ſeinen Rücken berühren. Ehe er flüchtig wird, ſtößt er ein weites, hörbares Schnauben
und zuweilen ein dumpfes Blöcken aus. Wie Pater Filippini mir ſagte, rührt letzteres aber blos
vom Thier her; der Bock ſchreit nur zur Brunſtzeit, dann aber in derſelben ausdrucksvollen Weiſe,
wie unſer Edelhirſch.
Jn Habeſch ſoll der Bock Ende Januars auf die Brunſt treten. Von der Höhe herab vernimmt
man um dieſe Zeit gegen Abend ſein Georgel, mit welchem er andere Nebenbuhler zum Kampfe ein-
ladet. Daß heftige Streite zwiſchen den verliebten Böcken ausgefochten werden, unterliegt wohl kaum
einem Zweifel; denn der Kudu zeigt ſich auch ſonſt als ein höchſt muthiges und wehrhaftes Thier.
Filippini hat zwar niemals einem ſolchen Kampfe beigewohnt, wohl aber die Abiſſinier davon oft
erzählen hören. Der Satz fällt mit dem Anfange der großen Regenzeit zuſammen, gewöhnlich Ende
Auguſts: das Thier würde alſo ſieben bis acht Monate hoch beſchlagen gehen. Nur höchſt ſelten fin-
det man noch Böcke bei den Thieren, nachdem ſie geſetzt haben: die Mutter allein ernährt, bewacht
und beſchützt ihr Kalb.
Jn allen Ländern, wo der ſtolze, ſchön gezeichnete Kudu vorkommt, iſt er der eifrigſten Ver-
folgung ausgeſetzt. Sein Wildpret iſt, wie ich mich ſelbſt überzeugt habe, ganz vorzüglich; in Ge-
ſchmack erinnert es an das unſeres Edelhirſches. Das Mark der Knochen gilt manchen ſüdafrikani-
ſchen Völkerſchaften als ein unerſetzlicher Leckerbiſſen. Zumal die Kaffern haben, wenn ſie einen
Kudu erlegten, nichts Eiligeres zu thun, als das Fleiſch von den Knochen abzuſchälen, dieſe zu zer-
brechen und dann das Mark aus den Röhren zu ſaugen, roh, wie es iſt. Auch das Fell wird im
Süden Afrikas hochgeſchätzt und gilt für manche Zwecke geradezu als unübertrefflich. Die holländi-
ſchen Anſiedler kaufen es zu hohen Preiſen, um Peitſchen daraus zu machen, namentlich die ſoge-
nannten Schmitzen oder Vorſchläge, welche als Haupterforderniß einer zum Knallen geeigneten
Peitſche angeſehen werden. Außerdem verwendet man das Leder zu Riemen, mit denen man Häute
zuſammennäht oder Päckte ſchnürt; es wird zu Geſchirren, Satteldecken, Schuhen u. ſ. w. ver-
wendet. Jn Habeſch gerbt man das Fell und bereitet ſich aus den Stangen des Gehörns, nachdem
man ſie mit Hilfe der Fäulniß von ihrem Knochenkern befreit hat, Füllhörner zur Aufbewahrung
von Honig, Salz, Kaffee und dergleichen.
Die Jagd des Kudu wird in ſehr verſchiedener Weiſe ausgeführt. Filippini zog den Pirſch-
gang jeder übrigen Jagdart vor. Er kannte die Lieblingsſtellen des Wildes und ſuchte ſich hier an
die weit ſichtbaren, hohen Geſtalten vorſichtig anzuſchleichen. Am liebſten jagte er des Nachmittags,
weil um dieſe Zeit der Agaſeen in die Thäler herab zur Tränke zieht. Die meiſten Antilopen begnü-
gen ſich mit dem Nachtthau, welchen ſie von den Blättern der Bäume ablecken: der Agaſeen aber
bedarf ſehr viel Waſſer und muß allabendlich von ſeinen Bergen herabſteigen, um ſein Bedürfniß zu
befriedigen. Hierzu ſucht er ſich nun gewiſſe, ihm beſonders günſtig erſcheinende Stellen der kleinen
Bäche oder der in Regenbetten gelegenen Tümpel abiſſiniſcher Gebirgsthäler aus, und wer ſolche
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/572>, abgerufen am 23.11.2024.
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