Schon vor der Geburt des Hirsches ist die Stelle, welche das Geweih tragen soll, durch eine starke Verknöcherung des Schädels angedeutet. Mit dem sechsten oder achten Monate des Alters bildet sich durch Erhebung der äußeren Decke am Stirnbein ein Knochenzapfen, welcher während des ganzen Lebens hindurch stehen bleibt. Dies ist der sogenannte Rosenstock, auf dem sich die Geweihe aufsetzen. Anfänglich sind die Stangen nur einfach spitz, später verästeln sie sich mehr und mehr, indem von der Hauptstange Sprossen auslaufen, deren Zahl bis zwölf an jeder Stange ansteigen kann. "Mit dem Alter der Hirsche," sagt Blasius, "geht eine gewaltige Um- änderung der Geweihe vor sich. Die erste und allgemein auffallende Veränderung ist die der Rosenstöcke, welche mit der zunehmenden Größe der Stirnzapfen sich mit jedem Jahr mehr erweitern und nach der Mitte der Stirn einander nahe rücken; ebenso verringert sich auch mit dem Auf- rücken der Stirnkante die Rose und der Schädel in jedem Jahr. Noch auffallender aber sind die Veränderungen in der Gestalt der Geweihe und in der Anzahl der Enden."
"Die jungen Geweihe, in deren ersten Bildungsanfängen der Grund zum Abwerfen der alten liegt, sind anfangs von einer gefäßreichen, behaarten Haut umgeben, kolbig, weich und biegsam. Erst lösen sich die tieferen, dann die höher stehenden Enden von der Hauptstange los und nachdem alle in bleibende Verhältnisse ausgebildet und die Enden vereckt sind, stockt der Blutumlauf, und der Hirsch hat das Bedürfniß, die Haut oder den Bast abzuschlagen, der nun auch anfängt, sich von selbst abzulösen." Die Veränderung des Geweihes, gewissermaßen seine Weiterausbildung, geht nun folgendermaßen vor sich: Schon ehe der Hirsch das erste Lebensjahr erreicht, bilden sich als unmittelbare Fortsetzungen der Rosenstöcke Stangen, welche bei manchen Arten der Familie wohl abgeworfen, aber immer in gleicher Weise wieder ersetzt werden, während bei den meisten Hirschen die auf die erste Stange, die sogenannten Spieße, folgenden Geweihe, also der Kopfschmuck des zweiten Jahres einen, bisweilen wohl auch zwei Zacken, Sprossen oder Zinken erhalten. Jm Frühjahr des dritten Jahres wiederholt sich derselbe Vorgang; aber die neu aufgesetzte Stange enthält einen Sprossen mehr, als im vorigen Jahre, und so geht es fort, bis die größtmöglichste Ausbildung des Thieres erreicht worden ist. Krankheiten oder schlechte Nahrung bringen zuweilen einen Rückgang hervor, indem dann die neu aufgesetzten Stangen je einen oder zwei Sprossen weniger zählen, als vorher.
Dem Abfallen des Geweihes geht eine erhöhte Thätigkeit der Gefäßzweige voraus, welche um den Rosenstock verlaufen. Die Geweihstange wird durch Vordringen der Gefäße von dem Rosenstock abgelöst und von den Hirschen entweder abgestoßen, oder einfach durch ihre eigene Schwere zum Fallen gebracht. Dabei werden aber die Blutgefäße verletzt; es entsteht eine kurze Blutung, und auf der beschädigten Stelle wölbt sich ein Schorf, unter dem nun die neue Bildungsthätigkeit be- ginnt. Das Wachsthum der Geweihe währt zehn bis dreißig Wochen. Die Masse, aus der die Stangen gebildet werden, ist anfangs gallertartig, wird aber durch Zufuhr von Phosphorsäure und kohlensaurem Kalk allmählich in Knochen verwandelt. Die Haut über dem Geweih, der soge- nannte Bast, ist weich, dünn mit Haar besetzt und abstehend, gewöhnlich licht von Farbe; die Haut selbst ist außerordentlich gefäßreich und blutet bei der geringsten Verletzung; eine solche pflegt Miß- bildung des Geweihes hervorzubringen.
Jm allgemeinen ist die Gestalt des Geweihes eine sehr regelmäßige, obgleich die Oertlichkeit und die Nahrung wohl Veränderungen zur Folge haben mögen. Für die Artbestimmung bleibt das Geweih immer noch eins der Hauptmerkmale; aber viele Naturforscher sprechen solcher Bestimmung nur einen sehr zweifelhaften Werth zu. Gewöhnlich zeigen die verschiedenen Hirscharten aber auch noch außerdem durchgreifende Unterschiede, und somit unterliegt ihre Bestimmung bei weitem nicht den Schwierigkeiten, welche die Familie der scheidenhörnigen Wiederkäuer einer genaueren Artbestimmung entgegensetzen.
Die inneren Leibestheile der Hirsche stimmen im allgemeinen mit denen anderer Wiederkäuer überein und bedürfen hier keiner besonderen Beschreibung.
Die Hirſche.
Schon vor der Geburt des Hirſches iſt die Stelle, welche das Geweih tragen ſoll, durch eine ſtarke Verknöcherung des Schädels angedeutet. Mit dem ſechſten oder achten Monate des Alters bildet ſich durch Erhebung der äußeren Decke am Stirnbein ein Knochenzapfen, welcher während des ganzen Lebens hindurch ſtehen bleibt. Dies iſt der ſogenannte Roſenſtock, auf dem ſich die Geweihe aufſetzen. Anfänglich ſind die Stangen nur einfach ſpitz, ſpäter veräſteln ſie ſich mehr und mehr, indem von der Hauptſtange Sproſſen auslaufen, deren Zahl bis zwölf an jeder Stange anſteigen kann. „Mit dem Alter der Hirſche,‟ ſagt Blaſius, „geht eine gewaltige Um- änderung der Geweihe vor ſich. Die erſte und allgemein auffallende Veränderung iſt die der Roſenſtöcke, welche mit der zunehmenden Größe der Stirnzapfen ſich mit jedem Jahr mehr erweitern und nach der Mitte der Stirn einander nahe rücken; ebenſo verringert ſich auch mit dem Auf- rücken der Stirnkante die Roſe und der Schädel in jedem Jahr. Noch auffallender aber ſind die Veränderungen in der Geſtalt der Geweihe und in der Anzahl der Enden.‟
„Die jungen Geweihe, in deren erſten Bildungsanfängen der Grund zum Abwerfen der alten liegt, ſind anfangs von einer gefäßreichen, behaarten Haut umgeben, kolbig, weich und biegſam. Erſt löſen ſich die tieferen, dann die höher ſtehenden Enden von der Hauptſtange los und nachdem alle in bleibende Verhältniſſe ausgebildet und die Enden vereckt ſind, ſtockt der Blutumlauf, und der Hirſch hat das Bedürfniß, die Haut oder den Baſt abzuſchlagen, der nun auch anfängt, ſich von ſelbſt abzulöſen.‟ Die Veränderung des Geweihes, gewiſſermaßen ſeine Weiterausbildung, geht nun folgendermaßen vor ſich: Schon ehe der Hirſch das erſte Lebensjahr erreicht, bilden ſich als unmittelbare Fortſetzungen der Roſenſtöcke Stangen, welche bei manchen Arten der Familie wohl abgeworfen, aber immer in gleicher Weiſe wieder erſetzt werden, während bei den meiſten Hirſchen die auf die erſte Stange, die ſogenannten Spieße, folgenden Geweihe, alſo der Kopfſchmuck des zweiten Jahres einen, bisweilen wohl auch zwei Zacken, Sproſſen oder Zinken erhalten. Jm Frühjahr des dritten Jahres wiederholt ſich derſelbe Vorgang; aber die neu aufgeſetzte Stange enthält einen Sproſſen mehr, als im vorigen Jahre, und ſo geht es fort, bis die größtmöglichſte Ausbildung des Thieres erreicht worden iſt. Krankheiten oder ſchlechte Nahrung bringen zuweilen einen Rückgang hervor, indem dann die neu aufgeſetzten Stangen je einen oder zwei Sproſſen weniger zählen, als vorher.
Dem Abfallen des Geweihes geht eine erhöhte Thätigkeit der Gefäßzweige voraus, welche um den Roſenſtock verlaufen. Die Geweihſtange wird durch Vordringen der Gefäße von dem Roſenſtock abgelöſt und von den Hirſchen entweder abgeſtoßen, oder einfach durch ihre eigene Schwere zum Fallen gebracht. Dabei werden aber die Blutgefäße verletzt; es entſteht eine kurze Blutung, und auf der beſchädigten Stelle wölbt ſich ein Schorf, unter dem nun die neue Bildungsthätigkeit be- ginnt. Das Wachsthum der Geweihe währt zehn bis dreißig Wochen. Die Maſſe, aus der die Stangen gebildet werden, iſt anfangs gallertartig, wird aber durch Zufuhr von Phosphorſäure und kohlenſaurem Kalk allmählich in Knochen verwandelt. Die Haut über dem Geweih, der ſoge- nannte Baſt, iſt weich, dünn mit Haar beſetzt und abſtehend, gewöhnlich licht von Farbe; die Haut ſelbſt iſt außerordentlich gefäßreich und blutet bei der geringſten Verletzung; eine ſolche pflegt Miß- bildung des Geweihes hervorzubringen.
Jm allgemeinen iſt die Geſtalt des Geweihes eine ſehr regelmäßige, obgleich die Oertlichkeit und die Nahrung wohl Veränderungen zur Folge haben mögen. Für die Artbeſtimmung bleibt das Geweih immer noch eins der Hauptmerkmale; aber viele Naturforſcher ſprechen ſolcher Beſtimmung nur einen ſehr zweifelhaften Werth zu. Gewöhnlich zeigen die verſchiedenen Hirſcharten aber auch noch außerdem durchgreifende Unterſchiede, und ſomit unterliegt ihre Beſtimmung bei weitem nicht den Schwierigkeiten, welche die Familie der ſcheidenhörnigen Wiederkäuer einer genaueren Artbeſtimmung entgegenſetzen.
Die inneren Leibestheile der Hirſche ſtimmen im allgemeinen mit denen anderer Wiederkäuer überein und bedürfen hier keiner beſonderen Beſchreibung.
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Die Hirſche.
Schon vor der Geburt des Hirſches iſt die Stelle, welche das Geweih tragen ſoll, durch eine
ſtarke Verknöcherung des Schädels angedeutet. Mit dem ſechſten oder achten Monate des Alters
bildet ſich durch Erhebung der äußeren Decke am Stirnbein ein Knochenzapfen, welcher während
des ganzen Lebens hindurch ſtehen bleibt. Dies iſt der ſogenannte Roſenſtock, auf dem ſich die
Geweihe aufſetzen. Anfänglich ſind die Stangen nur einfach ſpitz, ſpäter veräſteln ſie ſich mehr
und mehr, indem von der Hauptſtange Sproſſen auslaufen, deren Zahl bis zwölf an jeder
Stange anſteigen kann. „Mit dem Alter der Hirſche,‟ ſagt Blaſius, „geht eine gewaltige Um-
änderung der Geweihe vor ſich. Die erſte und allgemein auffallende Veränderung iſt die der
Roſenſtöcke, welche mit der zunehmenden Größe der Stirnzapfen ſich mit jedem Jahr mehr erweitern
und nach der Mitte der Stirn einander nahe rücken; ebenſo verringert ſich auch mit dem Auf-
rücken der Stirnkante die Roſe und der Schädel in jedem Jahr. Noch auffallender aber ſind die
Veränderungen in der Geſtalt der Geweihe und in der Anzahl der Enden.‟
„Die jungen Geweihe, in deren erſten Bildungsanfängen der Grund zum Abwerfen der
alten liegt, ſind anfangs von einer gefäßreichen, behaarten Haut umgeben, kolbig, weich und
biegſam. Erſt löſen ſich die tieferen, dann die höher ſtehenden Enden von der Hauptſtange los
und nachdem alle in bleibende Verhältniſſe ausgebildet und die Enden vereckt ſind, ſtockt der
Blutumlauf, und der Hirſch hat das Bedürfniß, die Haut oder den Baſt abzuſchlagen, der nun
auch anfängt, ſich von ſelbſt abzulöſen.‟ Die Veränderung des Geweihes, gewiſſermaßen ſeine
Weiterausbildung, geht nun folgendermaßen vor ſich: Schon ehe der Hirſch das erſte Lebensjahr
erreicht, bilden ſich als unmittelbare Fortſetzungen der Roſenſtöcke Stangen, welche bei manchen
Arten der Familie wohl abgeworfen, aber immer in gleicher Weiſe wieder erſetzt werden, während
bei den meiſten Hirſchen die auf die erſte Stange, die ſogenannten Spieße, folgenden Geweihe,
alſo der Kopfſchmuck des zweiten Jahres einen, bisweilen wohl auch zwei Zacken, Sproſſen oder
Zinken erhalten. Jm Frühjahr des dritten Jahres wiederholt ſich derſelbe Vorgang; aber die neu
aufgeſetzte Stange enthält einen Sproſſen mehr, als im vorigen Jahre, und ſo geht es fort, bis die
größtmöglichſte Ausbildung des Thieres erreicht worden iſt. Krankheiten oder ſchlechte Nahrung
bringen zuweilen einen Rückgang hervor, indem dann die neu aufgeſetzten Stangen je einen oder zwei
Sproſſen weniger zählen, als vorher.
Dem Abfallen des Geweihes geht eine erhöhte Thätigkeit der Gefäßzweige voraus, welche um
den Roſenſtock verlaufen. Die Geweihſtange wird durch Vordringen der Gefäße von dem Roſenſtock
abgelöſt und von den Hirſchen entweder abgeſtoßen, oder einfach durch ihre eigene Schwere zum
Fallen gebracht. Dabei werden aber die Blutgefäße verletzt; es entſteht eine kurze Blutung, und
auf der beſchädigten Stelle wölbt ſich ein Schorf, unter dem nun die neue Bildungsthätigkeit be-
ginnt. Das Wachsthum der Geweihe währt zehn bis dreißig Wochen. Die Maſſe, aus der die
Stangen gebildet werden, iſt anfangs gallertartig, wird aber durch Zufuhr von Phosphorſäure
und kohlenſaurem Kalk allmählich in Knochen verwandelt. Die Haut über dem Geweih, der ſoge-
nannte Baſt, iſt weich, dünn mit Haar beſetzt und abſtehend, gewöhnlich licht von Farbe; die Haut
ſelbſt iſt außerordentlich gefäßreich und blutet bei der geringſten Verletzung; eine ſolche pflegt Miß-
bildung des Geweihes hervorzubringen.
Jm allgemeinen iſt die Geſtalt des Geweihes eine ſehr regelmäßige, obgleich die Oertlichkeit
und die Nahrung wohl Veränderungen zur Folge haben mögen. Für die Artbeſtimmung bleibt das
Geweih immer noch eins der Hauptmerkmale; aber viele Naturforſcher ſprechen ſolcher Beſtimmung
nur einen ſehr zweifelhaften Werth zu. Gewöhnlich zeigen die verſchiedenen Hirſcharten aber auch noch
außerdem durchgreifende Unterſchiede, und ſomit unterliegt ihre Beſtimmung bei weitem nicht den
Schwierigkeiten, welche die Familie der ſcheidenhörnigen Wiederkäuer einer genaueren Artbeſtimmung
entgegenſetzen.
Die inneren Leibestheile der Hirſche ſtimmen im allgemeinen mit denen anderer Wiederkäuer
überein und bedürfen hier keiner beſonderen Beſchreibung.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/446>, abgerufen am 23.11.2024.
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