welches man sich denken kann. Seinen ganzen Ruhm dankt es seiner leiblichen Befähigung; die geistigen Eigenschaften hat noch nicht einmal ein Araber gerühmt, obgleich Hunderte seines Volkes ohne dieses Thier nicht leben könnten. Doch ich will meine eben ausgesprochene Ansicht durch eine möglichst genaue Beschreibung zu bestätigen suchen.
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar (Camelus Dromedarius), der Djem- mel der Araber, ist ein gewaltiger Wiederkäuer, welcher im Durchschnitt fünf bis sieben Fuß Höhe und von der Schnauzenspitze bis zum Schwanzende sieben bis neun Fuß Länge erreicht und dabei bis sechs oder acht Centner schwer wird. Obgleich nicht so reich an Rassen, als das Pferd, zeigt doch auch das Kamel sehr erhebliche Abänderungen. Jm allgemeinen kann man sagen, daß die Ka- mele der Wüste und Steppen schlanke, hochgewachsene, langbeinige Geschöpfe, die der fruchtbaren Länder dagegen, namentlich die in Nordafrika einheimischen, plumpe, schwere Thiere sind. Zwischen einem "Bischarin", oder einer Rasse, die von einem Bischarin-Nomaden gezüchtet wird, und dem egyptischen Lastkamel macht sich ein ebensogroßer Unterschied bemerklich, wie zwischen einem arabischen Roß und einem Karrengaule. Das erstgenannte Kamel ist das vorzüglichste Reitthier, das letztere der kräftigste Lastträger unter allen.
Der Araber unterscheidet wohl zwanzig verschiedenartige Rassen der Wüstenschiffe; denn es gibt ebensogut eine Wissenschaft der Kamele, wie eine solche der Pferde: -- man spricht auch beim Dromedar von edlen und unedlen Thieren. Unsere Abbildung zeigt uns eines der gewöhnlichen Lastkamele, welches man seinem Adel nach ungefähr mit einem Bauernpferde gleichstellen kann. Der Leib des Kamels ist bauchig, in den Weichen sehr eingezogen und in der Mitte des Rückens mit einem Fetthöcker verunziert. Die Beine sind lang, aber plump gebaut und namentlich durch die verhältnißmäßig schwachen Schenkel und durch die breiten schwieligen Hufe ausgezeichnet; der Hals ist sehr lang, wird aber fast nie aufrecht, sondern in einem flachen Bogen wagrecht getragen; an ihm sitzt der kleine häßliche Kopf. Da nun auch der Schwanz ein ganz sonderbares Anhängsel ist, welches am meisten an den Schwanz einer Kuh erinnert, erscheint das ganze Thier eigentlich als eine son- derbare Mißgestalt.
Wir müssen die einzelnen Theile wohl etwas genauer betrachten. Der ungehörnte Kopf ist ziemlich kurz, die Schnauze aber gestreckt und aufgetrieben, der stark erhabene Scheitel gerundet und gewölbt; die Augen sind groß und von erschrecklich blödem Ausdruck; die länglichrunde Stirn steht wagrecht. Die Ohren sind sehr klein, aber beweglich; sie stehen weit hinten am Schädel. Die Ober- lippe überhängt die Unterlippe, welche ihrerseits aber auch nach unten fällt, gleichsam, als ob die Masse den Muskeln zu schwer wäre und von ihnen nicht bewältigt werden könnte. Wenn man ein Kamel von vorn ansieht, zeigt sich der Mund fast immer geössnet und die Rasenlöcher seitlich zusammenge- zogen. Bei schneller Bewegung des Thieres schwingen die häßlichen Lippen beständig auf und nieder, als ob sie sich nicht in ihrer Lage erhalten könnten. Am Hinterhaupt befinden sich eigen- thümliche Absonderungsdrüsen von ungefähr zwei Zoll Länge und drei Zoll Breite, welche mittelst zweier Ausführungsgänge unmittelbar auf der Hautoberfläche münden und beständig, zur Zeit der Brunst aber ganz besonders eine widerwärtig riechende, schwarze Flüssigkeit ausströmen lassen. Der Hals ist lang, seitlich zusammengedrückt, in der Mitte am dicksten. Der Leib ist bauchig und eigentlich nach allen Seiten hin zugerundet. Die Rückenlinie steigt von dem Halse an in Bogen nach oben, bis gegen den Widerrist hin und erhebt sich dort sehr steil zu der Spitze des Höckers, von wo aus sie nach hinten wieder jäh abfällt. Der Höcker steht aufrecht, wechselt aber im Lauf des Jahres bedeutend in seiner Größe. Je reichlichere Nahrung das Kamel hat, um so größer wird sein Höcker; je dürftiger ihm die Kost zugemessen wird, umsomehr fällt er zusammen. Bei vollen, gut genährten Thieren hat der Höcker die Gestalt einer Piramide und nimmt mindestens den vierten Theil des Rückens ein, bei recht magern verschwindet er fast gänzlich. Zur Regenzeit, welche saf- tige Weide bringt, wächst der während der dürren Hungermonate kaum sichtbare Höcker erstaunlich rasch an, und sein Gewicht kann dann bis auf 30 Pfund steigen, während es im Gegentheil auch auf
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
welches man ſich denken kann. Seinen ganzen Ruhm dankt es ſeiner leiblichen Befähigung; die geiſtigen Eigenſchaften hat noch nicht einmal ein Araber gerühmt, obgleich Hunderte ſeines Volkes ohne dieſes Thier nicht leben könnten. Doch ich will meine eben ausgeſprochene Anſicht durch eine möglichſt genaue Beſchreibung zu beſtätigen ſuchen.
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar (Camelus Dromedarius), der Djem- mel der Araber, iſt ein gewaltiger Wiederkäuer, welcher im Durchſchnitt fünf bis ſieben Fuß Höhe und von der Schnauzenſpitze bis zum Schwanzende ſieben bis neun Fuß Länge erreicht und dabei bis ſechs oder acht Centner ſchwer wird. Obgleich nicht ſo reich an Raſſen, als das Pferd, zeigt doch auch das Kamel ſehr erhebliche Abänderungen. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß die Ka- mele der Wüſte und Steppen ſchlanke, hochgewachſene, langbeinige Geſchöpfe, die der fruchtbaren Länder dagegen, namentlich die in Nordafrika einheimiſchen, plumpe, ſchwere Thiere ſind. Zwiſchen einem „Biſcharin‟, oder einer Raſſe, die von einem Biſcharin-Nomaden gezüchtet wird, und dem egyptiſchen Laſtkamel macht ſich ein ebenſogroßer Unterſchied bemerklich, wie zwiſchen einem arabiſchen Roß und einem Karrengaule. Das erſtgenannte Kamel iſt das vorzüglichſte Reitthier, das letztere der kräftigſte Laſtträger unter allen.
Der Araber unterſcheidet wohl zwanzig verſchiedenartige Raſſen der Wüſtenſchiffe; denn es gibt ebenſogut eine Wiſſenſchaft der Kamele, wie eine ſolche der Pferde: — man ſpricht auch beim Dromedar von edlen und unedlen Thieren. Unſere Abbildung zeigt uns eines der gewöhnlichen Laſtkamele, welches man ſeinem Adel nach ungefähr mit einem Bauernpferde gleichſtellen kann. Der Leib des Kamels iſt bauchig, in den Weichen ſehr eingezogen und in der Mitte des Rückens mit einem Fetthöcker verunziert. Die Beine ſind lang, aber plump gebaut und namentlich durch die verhältnißmäßig ſchwachen Schenkel und durch die breiten ſchwieligen Hufe ausgezeichnet; der Hals iſt ſehr lang, wird aber faſt nie aufrecht, ſondern in einem flachen Bogen wagrecht getragen; an ihm ſitzt der kleine häßliche Kopf. Da nun auch der Schwanz ein ganz ſonderbares Anhängſel iſt, welches am meiſten an den Schwanz einer Kuh erinnert, erſcheint das ganze Thier eigentlich als eine ſon- derbare Mißgeſtalt.
Wir müſſen die einzelnen Theile wohl etwas genauer betrachten. Der ungehörnte Kopf iſt ziemlich kurz, die Schnauze aber geſtreckt und aufgetrieben, der ſtark erhabene Scheitel gerundet und gewölbt; die Augen ſind groß und von erſchrecklich blödem Ausdruck; die länglichrunde Stirn ſteht wagrecht. Die Ohren ſind ſehr klein, aber beweglich; ſie ſtehen weit hinten am Schädel. Die Ober- lippe überhängt die Unterlippe, welche ihrerſeits aber auch nach unten fällt, gleichſam, als ob die Maſſe den Muskeln zu ſchwer wäre und von ihnen nicht bewältigt werden könnte. Wenn man ein Kamel von vorn anſieht, zeigt ſich der Mund faſt immer geöſſnet und die Raſenlöcher ſeitlich zuſammenge- zogen. Bei ſchneller Bewegung des Thieres ſchwingen die häßlichen Lippen beſtändig auf und nieder, als ob ſie ſich nicht in ihrer Lage erhalten könnten. Am Hinterhaupt befinden ſich eigen- thümliche Abſonderungsdrüſen von ungefähr zwei Zoll Länge und drei Zoll Breite, welche mittelſt zweier Ausführungsgänge unmittelbar auf der Hautoberfläche münden und beſtändig, zur Zeit der Brunſt aber ganz beſonders eine widerwärtig riechende, ſchwarze Flüſſigkeit ausſtrömen laſſen. Der Hals iſt lang, ſeitlich zuſammengedrückt, in der Mitte am dickſten. Der Leib iſt bauchig und eigentlich nach allen Seiten hin zugerundet. Die Rückenlinie ſteigt von dem Halſe an in Bogen nach oben, bis gegen den Widerriſt hin und erhebt ſich dort ſehr ſteil zu der Spitze des Höckers, von wo aus ſie nach hinten wieder jäh abfällt. Der Höcker ſteht aufrecht, wechſelt aber im Lauf des Jahres bedeutend in ſeiner Größe. Je reichlichere Nahrung das Kamel hat, um ſo größer wird ſein Höcker; je dürftiger ihm die Koſt zugemeſſen wird, umſomehr fällt er zuſammen. Bei vollen, gut genährten Thieren hat der Höcker die Geſtalt einer Piramide und nimmt mindeſtens den vierten Theil des Rückens ein, bei recht magern verſchwindet er faſt gänzlich. Zur Regenzeit, welche ſaf- tige Weide bringt, wächſt der während der dürren Hungermonate kaum ſichtbare Höcker erſtaunlich raſch an, und ſein Gewicht kann dann bis auf 30 Pfund ſteigen, während es im Gegentheil auch auf
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[383/0407]
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
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geiſtigen Eigenſchaften hat noch nicht einmal ein Araber gerühmt, obgleich Hunderte ſeines Volkes
ohne dieſes Thier nicht leben könnten. Doch ich will meine eben ausgeſprochene Anſicht durch eine
möglichſt genaue Beſchreibung zu beſtätigen ſuchen.
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar (Camelus Dromedarius), der Djem-
mel der Araber, iſt ein gewaltiger Wiederkäuer, welcher im Durchſchnitt fünf bis ſieben Fuß Höhe
und von der Schnauzenſpitze bis zum Schwanzende ſieben bis neun Fuß Länge erreicht und dabei
bis ſechs oder acht Centner ſchwer wird. Obgleich nicht ſo reich an Raſſen, als das Pferd, zeigt
doch auch das Kamel ſehr erhebliche Abänderungen. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß die Ka-
mele der Wüſte und Steppen ſchlanke, hochgewachſene, langbeinige Geſchöpfe, die der fruchtbaren
Länder dagegen, namentlich die in Nordafrika einheimiſchen, plumpe, ſchwere Thiere ſind. Zwiſchen
einem „Biſcharin‟, oder einer Raſſe, die von einem Biſcharin-Nomaden gezüchtet wird, und dem
egyptiſchen Laſtkamel macht ſich ein ebenſogroßer Unterſchied bemerklich, wie zwiſchen einem arabiſchen
Roß und einem Karrengaule. Das erſtgenannte Kamel iſt das vorzüglichſte Reitthier, das letztere
der kräftigſte Laſtträger unter allen.
Der Araber unterſcheidet wohl zwanzig verſchiedenartige Raſſen der Wüſtenſchiffe; denn es gibt
ebenſogut eine Wiſſenſchaft der Kamele, wie eine ſolche der Pferde: — man ſpricht auch beim
Dromedar von edlen und unedlen Thieren. Unſere Abbildung zeigt uns eines der gewöhnlichen
Laſtkamele, welches man ſeinem Adel nach ungefähr mit einem Bauernpferde gleichſtellen kann.
Der Leib des Kamels iſt bauchig, in den Weichen ſehr eingezogen und in der Mitte des Rückens mit
einem Fetthöcker verunziert. Die Beine ſind lang, aber plump gebaut und namentlich durch die
verhältnißmäßig ſchwachen Schenkel und durch die breiten ſchwieligen Hufe ausgezeichnet; der Hals
iſt ſehr lang, wird aber faſt nie aufrecht, ſondern in einem flachen Bogen wagrecht getragen; an ihm
ſitzt der kleine häßliche Kopf. Da nun auch der Schwanz ein ganz ſonderbares Anhängſel iſt, welches
am meiſten an den Schwanz einer Kuh erinnert, erſcheint das ganze Thier eigentlich als eine ſon-
derbare Mißgeſtalt.
Wir müſſen die einzelnen Theile wohl etwas genauer betrachten. Der ungehörnte Kopf iſt
ziemlich kurz, die Schnauze aber geſtreckt und aufgetrieben, der ſtark erhabene Scheitel gerundet und
gewölbt; die Augen ſind groß und von erſchrecklich blödem Ausdruck; die länglichrunde Stirn ſteht
wagrecht. Die Ohren ſind ſehr klein, aber beweglich; ſie ſtehen weit hinten am Schädel. Die Ober-
lippe überhängt die Unterlippe, welche ihrerſeits aber auch nach unten fällt, gleichſam, als ob die Maſſe
den Muskeln zu ſchwer wäre und von ihnen nicht bewältigt werden könnte. Wenn man ein Kamel
von vorn anſieht, zeigt ſich der Mund faſt immer geöſſnet und die Raſenlöcher ſeitlich zuſammenge-
zogen. Bei ſchneller Bewegung des Thieres ſchwingen die häßlichen Lippen beſtändig auf und
nieder, als ob ſie ſich nicht in ihrer Lage erhalten könnten. Am Hinterhaupt befinden ſich eigen-
thümliche Abſonderungsdrüſen von ungefähr zwei Zoll Länge und drei Zoll Breite, welche mittelſt
zweier Ausführungsgänge unmittelbar auf der Hautoberfläche münden und beſtändig, zur Zeit der
Brunſt aber ganz beſonders eine widerwärtig riechende, ſchwarze Flüſſigkeit ausſtrömen laſſen. Der
Hals iſt lang, ſeitlich zuſammengedrückt, in der Mitte am dickſten. Der Leib iſt bauchig und
eigentlich nach allen Seiten hin zugerundet. Die Rückenlinie ſteigt von dem Halſe an in Bogen
nach oben, bis gegen den Widerriſt hin und erhebt ſich dort ſehr ſteil zu der Spitze des Höckers,
von wo aus ſie nach hinten wieder jäh abfällt. Der Höcker ſteht aufrecht, wechſelt aber im Lauf des
Jahres bedeutend in ſeiner Größe. Je reichlichere Nahrung das Kamel hat, um ſo größer wird ſein
Höcker; je dürftiger ihm die Koſt zugemeſſen wird, umſomehr fällt er zuſammen. Bei vollen, gut
genährten Thieren hat der Höcker die Geſtalt einer Piramide und nimmt mindeſtens den vierten
Theil des Rückens ein, bei recht magern verſchwindet er faſt gänzlich. Zur Regenzeit, welche ſaf-
tige Weide bringt, wächſt der während der dürren Hungermonate kaum ſichtbare Höcker erſtaunlich
raſch an, und ſein Gewicht kann dann bis auf 30 Pfund ſteigen, während es im Gegentheil auch auf
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/407>, abgerufen am 23.11.2024.
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