Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Einhufer. -- Der zahme Esel.
aber die schlechtesten Esel. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am schlech-
testen behandelt und am meisten vernachlässigt, während man ihn in den Ländern des nördlichen
Afrikas und in Asien wenigstens durch Kreuzung zu veredeln sucht. Eine gute Behandlung wird auch
im Morgenlande nur den werthvollen Eseln zu Theil; die übrigen führen fast ein ebenso trauriges
Leben, als die unsrigen. Der Spanier z. B. putzt seinen Esel wohl mit allerlei Quasten und Rosetten,
bunten Halsbändern, hübschen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß sein Grauthier sich
noch einmal so stolz trage, wenn es im Schmuck ginge, sich also an der Aufmerksamkeit seines Herrn
gar sehr ergötze, behandelt seinen armen vierbeinigen Diener aber überaus schlecht, läßt ihn hungern,
arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzigste. Auch der gewöhnliche egyptische Esel hat
nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er ist Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm
ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; sogar der Bettler hat gewöhnlich
seinen Esel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er sich Almosen erbitten will, läßt den Esel, wie
er sich ausdrückt, auf "Gottes Grund und Boden" weiden und reitet Abends auf ihm wieder
nach Hause.

Nirgends dürfte die Eselreiterei so im Schwunge sein, als in Egypten. Hier sind die willigen
Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge-
braucht sie, wie man unsere Lohnkutschen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine
Schande, sich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte sind sie allein geeignet, die
nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher sieht man sie in Kairo z. B. überall in dem
ununterbrochenen Menschenstrome, welcher sich durch die Straßen wälzt. Die Eseltreiber Kairos bil-
den einen eigenen Stand, eine förmliche Kaste, sie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die
Palmen. Sie sind den Einheimischen, wie den Fremden unentbehrlich; sie sind es, denen man
jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wissen. "Es ist
eine wahre Luft und ein wahrer Jammer," sagt der Kleinstädter in Egypten, "mit diesen Eselsjungen
umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, soll man sie für gutmüthiger oder bösartiger,
störrischer oder dienstwilliger, träger oder lebhafter, verschmitzter oder unverschämter halten: sie sind
ein Quirl von allen möglichen Eigenschaften." Der Reisende begegnet ihnen, sobald er in Alexandrien
seinen Fuß an die Küste setzt. Auf jedem belebten Platze stehen sie mit ihren Thieren von Sonnenauf-
bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfschiffes ist für sie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt,
den in ihren Augen Unwissenden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunächst in
drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er englische Laute hören läßt. Dann entsteht
um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reisende das Klügste thut, was er thun kann, nämlich auf
gut Glück einen der Esel besteigt und sich von dem Jungen nach dem ersten besten Gasthause schaffen
läßt. So stellen sie sich zuerst dar; aber erst wenn man der arabischen Sprache kundig ist und statt
des Kauderwelsches von drei bis vier durch sie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen
reden kann, lernt man sie kennen. Es ist überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die
ihren Thieren gespendeten Lobeserhebungen mit anzuhören.

"Sieh, Herr," sagt der Eine, "diesen Dampfwagen von einem Esel, wie ich ihn Dir anbiete,
und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anpreisen! Sie müssen unter
Dir zusammenbrechen; denn es sind erbärmliche Geschöpfe, und Du bist ein starker Mann! Aber der
meinige! -- Jhm ist es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen." "Das ist ein
Kahiriner Esel," sagt der Andere; "sein Großvater war ein Gazellenbock und seine Ururmutter ein
wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf' und bestätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen
Eltern keine Schande, geh' an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!"

Der Dritte sucht beide womöglich noch zu überbieten, und in diesem Tone geht es fort, bis man
endlich eines der Thiere bestiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder
durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugespitzten Treibstockes in Galopp gebracht,
und hinterher hetzt der Knabe, rufend, schreiend, anspornend, plaudernd, seine Lungen mißhandelnd,

Einhufer. — Der zahme Eſel.
aber die ſchlechteſten Eſel. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am ſchlech-
teſten behandelt und am meiſten vernachläſſigt, während man ihn in den Ländern des nördlichen
Afrikas und in Aſien wenigſtens durch Kreuzung zu veredeln ſucht. Eine gute Behandlung wird auch
im Morgenlande nur den werthvollen Eſeln zu Theil; die übrigen führen faſt ein ebenſo trauriges
Leben, als die unſrigen. Der Spanier z. B. putzt ſeinen Eſel wohl mit allerlei Quaſten und Roſetten,
bunten Halsbändern, hübſchen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß ſein Grauthier ſich
noch einmal ſo ſtolz trage, wenn es im Schmuck ginge, ſich alſo an der Aufmerkſamkeit ſeines Herrn
gar ſehr ergötze, behandelt ſeinen armen vierbeinigen Diener aber überaus ſchlecht, läßt ihn hungern,
arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzigſte. Auch der gewöhnliche egyptiſche Eſel hat
nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er iſt Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm
ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; ſogar der Bettler hat gewöhnlich
ſeinen Eſel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er ſich Almoſen erbitten will, läßt den Eſel, wie
er ſich ausdrückt, auf „Gottes Grund und Boden‟ weiden und reitet Abends auf ihm wieder
nach Hauſe.

Nirgends dürfte die Eſelreiterei ſo im Schwunge ſein, als in Egypten. Hier ſind die willigen
Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge-
braucht ſie, wie man unſere Lohnkutſchen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine
Schande, ſich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte ſind ſie allein geeignet, die
nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher ſieht man ſie in Kairo z. B. überall in dem
ununterbrochenen Menſchenſtrome, welcher ſich durch die Straßen wälzt. Die Eſeltreiber Kairos bil-
den einen eigenen Stand, eine förmliche Kaſte, ſie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die
Palmen. Sie ſind den Einheimiſchen, wie den Fremden unentbehrlich; ſie ſind es, denen man
jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wiſſen. „Es iſt
eine wahre Luft und ein wahrer Jammer,‟ ſagt der Kleinſtädter in Egypten, „mit dieſen Eſelsjungen
umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, ſoll man ſie für gutmüthiger oder bösartiger,
ſtörriſcher oder dienſtwilliger, träger oder lebhafter, verſchmitzter oder unverſchämter halten: ſie ſind
ein Quirl von allen möglichen Eigenſchaften.‟ Der Reiſende begegnet ihnen, ſobald er in Alexandrien
ſeinen Fuß an die Küſte ſetzt. Auf jedem belebten Platze ſtehen ſie mit ihren Thieren von Sonnenauf-
bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfſchiffes iſt für ſie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt,
den in ihren Augen Unwiſſenden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunächſt in
drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er engliſche Laute hören läßt. Dann entſteht
um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reiſende das Klügſte thut, was er thun kann, nämlich auf
gut Glück einen der Eſel beſteigt und ſich von dem Jungen nach dem erſten beſten Gaſthauſe ſchaffen
läßt. So ſtellen ſie ſich zuerſt dar; aber erſt wenn man der arabiſchen Sprache kundig iſt und ſtatt
des Kauderwelſches von drei bis vier durch ſie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen
reden kann, lernt man ſie kennen. Es iſt überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die
ihren Thieren geſpendeten Lobeserhebungen mit anzuhören.

„Sieh, Herr,‟ ſagt der Eine, „dieſen Dampfwagen von einem Eſel, wie ich ihn Dir anbiete,
und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anpreiſen! Sie müſſen unter
Dir zuſammenbrechen; denn es ſind erbärmliche Geſchöpfe, und Du biſt ein ſtarker Mann! Aber der
meinige! — Jhm iſt es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen.‟ „Das iſt ein
Kahiriner Eſel,‟ ſagt der Andere; „ſein Großvater war ein Gazellenbock und ſeine Ururmutter ein
wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf’ und beſtätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen
Eltern keine Schande, geh’ an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!‟

Der Dritte ſucht beide womöglich noch zu überbieten, und in dieſem Tone geht es fort, bis man
endlich eines der Thiere beſtiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder
durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugeſpitzten Treibſtockes in Galopp gebracht,
und hinterher hetzt der Knabe, rufend, ſchreiend, anſpornend, plaudernd, ſeine Lungen mißhandelnd,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0390" n="368"/><fw place="top" type="header">Einhufer. &#x2014; Der zahme E&#x017F;el.</fw><lb/>
aber die &#x017F;chlechte&#x017F;ten E&#x017F;el. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am &#x017F;chlech-<lb/>
te&#x017F;ten behandelt und am mei&#x017F;ten vernachlä&#x017F;&#x017F;igt, während man ihn in den Ländern des nördlichen<lb/>
Afrikas und in A&#x017F;ien wenig&#x017F;tens durch Kreuzung zu veredeln &#x017F;ucht. Eine gute Behandlung wird auch<lb/>
im Morgenlande nur den werthvollen E&#x017F;eln zu Theil; die übrigen führen fa&#x017F;t ein eben&#x017F;o trauriges<lb/>
Leben, als die un&#x017F;rigen. Der Spanier z. B. putzt &#x017F;einen E&#x017F;el wohl mit allerlei Qua&#x017F;ten und Ro&#x017F;etten,<lb/>
bunten Halsbändern, hüb&#x017F;chen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß &#x017F;ein Grauthier &#x017F;ich<lb/>
noch einmal &#x017F;o &#x017F;tolz trage, wenn es im Schmuck ginge, &#x017F;ich al&#x017F;o an der Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;eines Herrn<lb/>
gar &#x017F;ehr ergötze, behandelt &#x017F;einen armen vierbeinigen Diener aber überaus &#x017F;chlecht, läßt ihn hungern,<lb/>
arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzig&#x017F;te. Auch der gewöhnliche egypti&#x017F;che E&#x017F;el hat<lb/>
nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er i&#x017F;t Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm<lb/>
ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; &#x017F;ogar der Bettler hat gewöhnlich<lb/>
&#x017F;einen E&#x017F;el: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er &#x017F;ich Almo&#x017F;en erbitten will, läßt den E&#x017F;el, wie<lb/>
er &#x017F;ich ausdrückt, auf &#x201E;Gottes Grund und Boden&#x201F; weiden und reitet Abends auf ihm wieder<lb/>
nach Hau&#x017F;e.</p><lb/>
              <p>Nirgends dürfte die E&#x017F;elreiterei &#x017F;o im Schwunge &#x017F;ein, als in Egypten. Hier &#x017F;ind die willigen<lb/>
Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge-<lb/>
braucht &#x017F;ie, wie man un&#x017F;ere Lohnkut&#x017F;chen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine<lb/>
Schande, &#x017F;ich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte &#x017F;ind &#x017F;ie allein geeignet, die<lb/>
nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher &#x017F;ieht man &#x017F;ie in Kairo z. B. überall in dem<lb/>
ununterbrochenen Men&#x017F;chen&#x017F;trome, welcher &#x017F;ich durch die Straßen wälzt. Die E&#x017F;eltreiber Kairos bil-<lb/>
den einen eigenen Stand, eine förmliche Ka&#x017F;te, &#x017F;ie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die<lb/>
Palmen. Sie &#x017F;ind den Einheimi&#x017F;chen, wie den Fremden unentbehrlich; &#x017F;ie &#x017F;ind es, denen man<lb/>
jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wi&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Es i&#x017F;t<lb/>
eine wahre Luft und ein wahrer Jammer,&#x201F; &#x017F;agt der Klein&#x017F;tädter in Egypten, &#x201E;mit die&#x017F;en E&#x017F;elsjungen<lb/>
umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, &#x017F;oll man &#x017F;ie für gutmüthiger oder bösartiger,<lb/>
&#x017F;törri&#x017F;cher oder dien&#x017F;twilliger, träger oder lebhafter, ver&#x017F;chmitzter oder unver&#x017F;chämter halten: &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
ein Quirl von allen möglichen Eigen&#x017F;chaften.&#x201F; Der Rei&#x017F;ende begegnet ihnen, &#x017F;obald er in Alexandrien<lb/>
&#x017F;einen Fuß an die Kü&#x017F;te &#x017F;etzt. Auf jedem belebten Platze &#x017F;tehen &#x017F;ie mit ihren Thieren von Sonnenauf-<lb/>
bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampf&#x017F;chiffes i&#x017F;t für &#x017F;ie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt,<lb/>
den in ihren Augen Unwi&#x017F;&#x017F;enden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunäch&#x017F;t in<lb/>
drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er engli&#x017F;che Laute hören läßt. Dann ent&#x017F;teht<lb/>
um den Geldmann eine Prügelei, bis der Rei&#x017F;ende das Klüg&#x017F;te thut, was er thun kann, nämlich auf<lb/>
gut Glück einen der E&#x017F;el be&#x017F;teigt und &#x017F;ich von dem Jungen nach dem er&#x017F;ten be&#x017F;ten Ga&#x017F;thau&#x017F;e &#x017F;chaffen<lb/>
läßt. So &#x017F;tellen &#x017F;ie &#x017F;ich zuer&#x017F;t dar; aber er&#x017F;t wenn man der arabi&#x017F;chen Sprache kundig i&#x017F;t und &#x017F;tatt<lb/>
des Kauderwel&#x017F;ches von drei bis vier durch &#x017F;ie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen<lb/>
reden kann, lernt man &#x017F;ie kennen. Es i&#x017F;t überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die<lb/>
ihren Thieren ge&#x017F;pendeten Lobeserhebungen mit anzuhören.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Sieh, Herr,&#x201F; &#x017F;agt der Eine, &#x201E;die&#x017F;en Dampfwagen von einem E&#x017F;el, wie ich ihn Dir anbiete,<lb/>
und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anprei&#x017F;en! Sie mü&#x017F;&#x017F;en unter<lb/>
Dir zu&#x017F;ammenbrechen; denn es &#x017F;ind erbärmliche Ge&#x017F;chöpfe, und Du bi&#x017F;t ein &#x017F;tarker Mann! Aber der<lb/>
meinige! &#x2014; Jhm i&#x017F;t es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen.&#x201F; &#x201E;Das i&#x017F;t ein<lb/>
Kahiriner E&#x017F;el,&#x201F; &#x017F;agt der Andere; &#x201E;&#x017F;ein Großvater war ein Gazellenbock und &#x017F;eine Ururmutter ein<lb/>
wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf&#x2019; und be&#x017F;tätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen<lb/>
Eltern keine Schande, geh&#x2019; an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!&#x201F;</p><lb/>
              <p>Der Dritte &#x017F;ucht beide womöglich noch zu überbieten, und in die&#x017F;em Tone geht es fort, bis man<lb/>
endlich eines der Thiere be&#x017F;tiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder<lb/>
durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zuge&#x017F;pitzten Treib&#x017F;tockes in Galopp gebracht,<lb/>
und hinterher hetzt der Knabe, rufend, &#x017F;chreiend, an&#x017F;pornend, plaudernd, &#x017F;eine Lungen mißhandelnd,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0390] Einhufer. — Der zahme Eſel. aber die ſchlechteſten Eſel. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am ſchlech- teſten behandelt und am meiſten vernachläſſigt, während man ihn in den Ländern des nördlichen Afrikas und in Aſien wenigſtens durch Kreuzung zu veredeln ſucht. Eine gute Behandlung wird auch im Morgenlande nur den werthvollen Eſeln zu Theil; die übrigen führen faſt ein ebenſo trauriges Leben, als die unſrigen. Der Spanier z. B. putzt ſeinen Eſel wohl mit allerlei Quaſten und Roſetten, bunten Halsbändern, hübſchen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß ſein Grauthier ſich noch einmal ſo ſtolz trage, wenn es im Schmuck ginge, ſich alſo an der Aufmerkſamkeit ſeines Herrn gar ſehr ergötze, behandelt ſeinen armen vierbeinigen Diener aber überaus ſchlecht, läßt ihn hungern, arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzigſte. Auch der gewöhnliche egyptiſche Eſel hat nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er iſt Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; ſogar der Bettler hat gewöhnlich ſeinen Eſel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er ſich Almoſen erbitten will, läßt den Eſel, wie er ſich ausdrückt, auf „Gottes Grund und Boden‟ weiden und reitet Abends auf ihm wieder nach Hauſe. Nirgends dürfte die Eſelreiterei ſo im Schwunge ſein, als in Egypten. Hier ſind die willigen Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge- braucht ſie, wie man unſere Lohnkutſchen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine Schande, ſich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte ſind ſie allein geeignet, die nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher ſieht man ſie in Kairo z. B. überall in dem ununterbrochenen Menſchenſtrome, welcher ſich durch die Straßen wälzt. Die Eſeltreiber Kairos bil- den einen eigenen Stand, eine förmliche Kaſte, ſie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die Palmen. Sie ſind den Einheimiſchen, wie den Fremden unentbehrlich; ſie ſind es, denen man jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wiſſen. „Es iſt eine wahre Luft und ein wahrer Jammer,‟ ſagt der Kleinſtädter in Egypten, „mit dieſen Eſelsjungen umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, ſoll man ſie für gutmüthiger oder bösartiger, ſtörriſcher oder dienſtwilliger, träger oder lebhafter, verſchmitzter oder unverſchämter halten: ſie ſind ein Quirl von allen möglichen Eigenſchaften.‟ Der Reiſende begegnet ihnen, ſobald er in Alexandrien ſeinen Fuß an die Küſte ſetzt. Auf jedem belebten Platze ſtehen ſie mit ihren Thieren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfſchiffes iſt für ſie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt, den in ihren Augen Unwiſſenden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunächſt in drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er engliſche Laute hören läßt. Dann entſteht um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reiſende das Klügſte thut, was er thun kann, nämlich auf gut Glück einen der Eſel beſteigt und ſich von dem Jungen nach dem erſten beſten Gaſthauſe ſchaffen läßt. So ſtellen ſie ſich zuerſt dar; aber erſt wenn man der arabiſchen Sprache kundig iſt und ſtatt des Kauderwelſches von drei bis vier durch ſie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen reden kann, lernt man ſie kennen. Es iſt überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die ihren Thieren geſpendeten Lobeserhebungen mit anzuhören. „Sieh, Herr,‟ ſagt der Eine, „dieſen Dampfwagen von einem Eſel, wie ich ihn Dir anbiete, und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anpreiſen! Sie müſſen unter Dir zuſammenbrechen; denn es ſind erbärmliche Geſchöpfe, und Du biſt ein ſtarker Mann! Aber der meinige! — Jhm iſt es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen.‟ „Das iſt ein Kahiriner Eſel,‟ ſagt der Andere; „ſein Großvater war ein Gazellenbock und ſeine Ururmutter ein wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf’ und beſtätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen Eltern keine Schande, geh’ an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!‟ Der Dritte ſucht beide womöglich noch zu überbieten, und in dieſem Tone geht es fort, bis man endlich eines der Thiere beſtiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugeſpitzten Treibſtockes in Galopp gebracht, und hinterher hetzt der Knabe, rufend, ſchreiend, anſpornend, plaudernd, ſeine Lungen mißhandelnd,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/390
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/390>, abgerufen am 22.05.2024.