Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Der afrikanische Steppenesel.
nicht versagen, gelegentlich nach der ihm schmeichelnden Hand zu schnappen oder, falls ihm Dies
möglich, dem sich mit ihm abgebenden Menschen einen Hufschlag beizubringen. Demungeachtet ist
auch er lenksam, -- nicht störrisch, höchstens spiel- oder rauflustig. -- Seinen Vater, welcher
im Thiergarten zu Wien lebt, hat man mit Erfolg eine Stute des Dauw belegen lassen;
das Füllen wird jedoch zur Zeit erst erwartet, und kann deshalb von mir noch nicht beschrieben
werden.

Die gebänderten Füße dieses Thieres sind ein beachtenswerthes Merkmal; denn sie lassen unseren

[Abbildung] Der afrikanische Steppenefel (Asinus afrieanus).
Esel als ein Mittelglied zwischen seinen Verwandten und den Tigerpferden erscheinen und beweisen
wieder einmal, daß jeder Landstrich seinen Geschöpfen gewisse Eigenthümlichkeiten verleiht.

Mag es auch unentschieden bleiben, welchem Wildesel wir unser nützliches Hausthier ver-
danken, so steht doch soviel fest, daß der Kulan sowohl, wie der Hamar el Wadi von Alters her
gezähmt und zur Veredelung der Eselzucht benutzt wurden. Die alten Römer gaben große Summen
für diese Veredelung aus, die Perser und Araber thun es noch heute. Nur bei uns ist der zahme
Esel
(Asinus vulgaris) durch fortwährende Vernachlässigung zu einem wahren Krüppel herab-
gesunken.

Wenn man den Esel, welcher bei uns zu Lande zur Mühle trägt oder den Milchkarren zieht,
mit seinen südländischen Brüdern vergleicht, könnte man versucht werden, beide als verschiedene
Arten anzusehen, so gering ist die Aehnlichkeit zwischen ihnen. Der nordische Esel, welchen unsere
Abbildung so hübsch wiedergibt, ist, wie allbekannt, ein träger, eigensinniger, oft störrischer Gesell,
welcher allgemein, wenn auch mit Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt. Der süd-

Der afrikaniſche Steppeneſel.
nicht verſagen, gelegentlich nach der ihm ſchmeichelnden Hand zu ſchnappen oder, falls ihm Dies
möglich, dem ſich mit ihm abgebenden Menſchen einen Hufſchlag beizubringen. Demungeachtet iſt
auch er lenkſam, — nicht ſtörriſch, höchſtens ſpiel- oder raufluſtig. — Seinen Vater, welcher
im Thiergarten zu Wien lebt, hat man mit Erfolg eine Stute des Dauw belegen laſſen;
das Füllen wird jedoch zur Zeit erſt erwartet, und kann deshalb von mir noch nicht beſchrieben
werden.

Die gebänderten Füße dieſes Thieres ſind ein beachtenswerthes Merkmal; denn ſie laſſen unſeren

[Abbildung] Der afrikaniſche Steppenefel (Asinus afrieanus).
Eſel als ein Mittelglied zwiſchen ſeinen Verwandten und den Tigerpferden erſcheinen und beweiſen
wieder einmal, daß jeder Landſtrich ſeinen Geſchöpfen gewiſſe Eigenthümlichkeiten verleiht.

Mag es auch unentſchieden bleiben, welchem Wildeſel wir unſer nützliches Hausthier ver-
danken, ſo ſteht doch ſoviel feſt, daß der Kulan ſowohl, wie der Hamar el Wadi von Alters her
gezähmt und zur Veredelung der Eſelzucht benutzt wurden. Die alten Römer gaben große Summen
für dieſe Veredelung aus, die Perſer und Araber thun es noch heute. Nur bei uns iſt der zahme
Eſel
(Asinus vulgaris) durch fortwährende Vernachläſſigung zu einem wahren Krüppel herab-
geſunken.

Wenn man den Eſel, welcher bei uns zu Lande zur Mühle trägt oder den Milchkarren zieht,
mit ſeinen ſüdländiſchen Brüdern vergleicht, könnte man verſucht werden, beide als verſchiedene
Arten anzuſehen, ſo gering iſt die Aehnlichkeit zwiſchen ihnen. Der nordiſche Eſel, welchen unſere
Abbildung ſo hübſch wiedergibt, iſt, wie allbekannt, ein träger, eigenſinniger, oft ſtörriſcher Geſell,
welcher allgemein, wenn auch mit Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt. Der ſüd-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0387" n="365"/><fw place="top" type="header">Der afrikani&#x017F;che Steppene&#x017F;el.</fw><lb/>
nicht ver&#x017F;agen, gelegentlich nach der ihm &#x017F;chmeichelnden Hand zu &#x017F;chnappen oder, falls ihm Dies<lb/>
möglich, dem &#x017F;ich mit ihm abgebenden Men&#x017F;chen einen Huf&#x017F;chlag beizubringen. Demungeachtet i&#x017F;t<lb/>
auch er lenk&#x017F;am, &#x2014; nicht &#x017F;törri&#x017F;ch, höch&#x017F;tens &#x017F;piel- oder rauflu&#x017F;tig. &#x2014; Seinen Vater, welcher<lb/>
im Thiergarten zu Wien lebt, hat man mit Erfolg eine Stute des <hi rendition="#g">Dauw</hi> belegen la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
das Füllen wird jedoch zur Zeit er&#x017F;t erwartet, und kann deshalb von mir noch nicht be&#x017F;chrieben<lb/>
werden.</p><lb/>
              <p>Die gebänderten Füße die&#x017F;es Thieres &#x017F;ind ein beachtenswerthes Merkmal; denn &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;eren<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der afrikani&#x017F;che Steppenefel</hi> (<hi rendition="#aq">Asinus afrieanus</hi>).</hi></head></figure><lb/>
E&#x017F;el als ein Mittelglied zwi&#x017F;chen &#x017F;einen Verwandten und den <hi rendition="#g">Tigerpferden</hi> er&#x017F;cheinen und bewei&#x017F;en<lb/>
wieder einmal, daß jeder Land&#x017F;trich &#x017F;einen Ge&#x017F;chöpfen gewi&#x017F;&#x017F;e Eigenthümlichkeiten verleiht.</p><lb/>
              <p>Mag es auch unent&#x017F;chieden bleiben, welchem Wilde&#x017F;el wir un&#x017F;er nützliches Hausthier ver-<lb/>
danken, &#x017F;o &#x017F;teht doch &#x017F;oviel fe&#x017F;t, daß der Kulan &#x017F;owohl, wie der Hamar el Wadi von Alters her<lb/>
gezähmt und zur Veredelung der E&#x017F;elzucht benutzt wurden. Die alten Römer gaben große Summen<lb/>
für die&#x017F;e Veredelung aus, die Per&#x017F;er und Araber thun es noch heute. Nur bei uns i&#x017F;t der <hi rendition="#g">zahme<lb/>
E&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Asinus vulgaris</hi>) durch fortwährende Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung zu einem wahren Krüppel herab-<lb/>
ge&#x017F;unken.</p><lb/>
              <p>Wenn man den E&#x017F;el, welcher bei uns zu Lande zur Mühle trägt oder den Milchkarren zieht,<lb/>
mit &#x017F;einen &#x017F;üdländi&#x017F;chen Brüdern vergleicht, könnte man ver&#x017F;ucht werden, beide als ver&#x017F;chiedene<lb/>
Arten anzu&#x017F;ehen, &#x017F;o gering i&#x017F;t die Aehnlichkeit zwi&#x017F;chen ihnen. Der nordi&#x017F;che E&#x017F;el, welchen un&#x017F;ere<lb/>
Abbildung &#x017F;o hüb&#x017F;ch wiedergibt, i&#x017F;t, wie allbekannt, ein träger, eigen&#x017F;inniger, oft &#x017F;törri&#x017F;cher Ge&#x017F;ell,<lb/>
welcher allgemein, wenn auch mit Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt. Der &#x017F;üd-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0387] Der afrikaniſche Steppeneſel. nicht verſagen, gelegentlich nach der ihm ſchmeichelnden Hand zu ſchnappen oder, falls ihm Dies möglich, dem ſich mit ihm abgebenden Menſchen einen Hufſchlag beizubringen. Demungeachtet iſt auch er lenkſam, — nicht ſtörriſch, höchſtens ſpiel- oder raufluſtig. — Seinen Vater, welcher im Thiergarten zu Wien lebt, hat man mit Erfolg eine Stute des Dauw belegen laſſen; das Füllen wird jedoch zur Zeit erſt erwartet, und kann deshalb von mir noch nicht beſchrieben werden. Die gebänderten Füße dieſes Thieres ſind ein beachtenswerthes Merkmal; denn ſie laſſen unſeren [Abbildung Der afrikaniſche Steppenefel (Asinus afrieanus).] Eſel als ein Mittelglied zwiſchen ſeinen Verwandten und den Tigerpferden erſcheinen und beweiſen wieder einmal, daß jeder Landſtrich ſeinen Geſchöpfen gewiſſe Eigenthümlichkeiten verleiht. Mag es auch unentſchieden bleiben, welchem Wildeſel wir unſer nützliches Hausthier ver- danken, ſo ſteht doch ſoviel feſt, daß der Kulan ſowohl, wie der Hamar el Wadi von Alters her gezähmt und zur Veredelung der Eſelzucht benutzt wurden. Die alten Römer gaben große Summen für dieſe Veredelung aus, die Perſer und Araber thun es noch heute. Nur bei uns iſt der zahme Eſel (Asinus vulgaris) durch fortwährende Vernachläſſigung zu einem wahren Krüppel herab- geſunken. Wenn man den Eſel, welcher bei uns zu Lande zur Mühle trägt oder den Milchkarren zieht, mit ſeinen ſüdländiſchen Brüdern vergleicht, könnte man verſucht werden, beide als verſchiedene Arten anzuſehen, ſo gering iſt die Aehnlichkeit zwiſchen ihnen. Der nordiſche Eſel, welchen unſere Abbildung ſo hübſch wiedergibt, iſt, wie allbekannt, ein träger, eigenſinniger, oft ſtörriſcher Geſell, welcher allgemein, wenn auch mit Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt. Der ſüd-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/387
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/387>, abgerufen am 22.05.2024.