Offene, trockene, aber mit guten Sträuchern bewachsene Ebenen und Berglehnen des östlichen Mittelasiens, zumal der Mongolei, sind die Heimat des Halbesels. Jn den mit vielen Salz- pfützen bestreuten Ebenen um den Tareisee schwärmt er jetzt am häufigsten. Früher sah man ihn in der argunischen Steppe herdenweise; jetzt finden sich dort nur zerstreute Trupps. Alte Hengste führen mehr als zwanzig Stuten und Füllen; gewöhnlich sind aber die Trupps geringer, und mancher Hengst hat nicht mehr, als zehn oder fünf Stuten. Diejenigen Hengste, welche aus den Herden der alten vertrieben wurden, folgen diesen gewöhnlich solange von ferne, bis es ihnen ge- lingt, eine oder mehrere Stuten vom Harem des älteren Hengstes abzulocken oder andere, verlaufene zu sammeln, und sich so einen eigenen Anhang zu schaffen. Die alten Hengste sollen zur Sprung- zeit junge Stuten, welche noch nicht rossig sind, aus ihrer Herde entfernen, und dadurch den jün- geren Mitbewerbern Gelegenheit zur Erwerbung eines eigenen Trupps verschaffen.
[Abbildung]
Der Halbesel oder Dschiggetai (Asinus hemionus).
Diesen Angaben fügt Radde etwa Folgendes hinzu:
"Die bedeutendsten Wanderungen des Dschiggetai finden im Herbste statt, weil die unstete Lebensweise erst dann beginnen kann, wenn die Füllen vom letzten Sommer kräftig genug sind, die anhaltenden, schnellen Märsche mitzumachen. Ende Septembers trennen sich die jungen Hengste von den Herden, denen sie bis ins dritte oder vierte Jahr angehörten, und ziehen einzeln in die bergigen Steppen, um sich selbst eine Herde zu gründen. Dann ist der Oschiggetai am unbändigsten. Stun- denlang steht der junge Hengst auf der höchsten Spitze eines steilen Gebirgsrückens, gegen den Wind gerichtet, und blickt weit hin über die niedrige Landschaft. Seine Nüstern sind weit geöffnet; sein Auge durchirrt die Oede. Kampfgierig wartet er eines Gegners; sobald er einen solchen gewahrt, sprengt er ihm in gestrecktem Galopp entgegen. Nun entbrennt ein blutiger Kampf um die Stuten.
Der Halbeſel oder Dſchiggetai.
Offene, trockene, aber mit guten Sträuchern bewachſene Ebenen und Berglehnen des öſtlichen Mittelaſiens, zumal der Mongolei, ſind die Heimat des Halbeſels. Jn den mit vielen Salz- pfützen beſtreuten Ebenen um den Tareiſee ſchwärmt er jetzt am häufigſten. Früher ſah man ihn in der arguniſchen Steppe herdenweiſe; jetzt finden ſich dort nur zerſtreute Trupps. Alte Hengſte führen mehr als zwanzig Stuten und Füllen; gewöhnlich ſind aber die Trupps geringer, und mancher Hengſt hat nicht mehr, als zehn oder fünf Stuten. Diejenigen Hengſte, welche aus den Herden der alten vertrieben wurden, folgen dieſen gewöhnlich ſolange von ferne, bis es ihnen ge- lingt, eine oder mehrere Stuten vom Harem des älteren Hengſtes abzulocken oder andere, verlaufene zu ſammeln, und ſich ſo einen eigenen Anhang zu ſchaffen. Die alten Hengſte ſollen zur Sprung- zeit junge Stuten, welche noch nicht roſſig ſind, aus ihrer Herde entfernen, und dadurch den jün- geren Mitbewerbern Gelegenheit zur Erwerbung eines eigenen Trupps verſchaffen.
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Der Halbeſel oder Dſchiggetai (Asinus hemionus).
Dieſen Angaben fügt Radde etwa Folgendes hinzu:
„Die bedeutendſten Wanderungen des Dſchiggetai finden im Herbſte ſtatt, weil die unſtete Lebensweiſe erſt dann beginnen kann, wenn die Füllen vom letzten Sommer kräftig genug ſind, die anhaltenden, ſchnellen Märſche mitzumachen. Ende Septembers trennen ſich die jungen Hengſte von den Herden, denen ſie bis ins dritte oder vierte Jahr angehörten, und ziehen einzeln in die bergigen Steppen, um ſich ſelbſt eine Herde zu gründen. Dann iſt der Oſchiggetai am unbändigſten. Stun- denlang ſteht der junge Hengſt auf der höchſten Spitze eines ſteilen Gebirgsrückens, gegen den Wind gerichtet, und blickt weit hin über die niedrige Landſchaft. Seine Nüſtern ſind weit geöffnet; ſein Auge durchirrt die Oede. Kampfgierig wartet er eines Gegners; ſobald er einen ſolchen gewahrt, ſprengt er ihm in geſtrecktem Galopp entgegen. Nun entbrennt ein blutiger Kampf um die Stuten.
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Der Halbeſel oder Dſchiggetai.
Offene, trockene, aber mit guten Sträuchern bewachſene Ebenen und Berglehnen des öſtlichen
Mittelaſiens, zumal der Mongolei, ſind die Heimat des Halbeſels. Jn den mit vielen Salz-
pfützen beſtreuten Ebenen um den Tareiſee ſchwärmt er jetzt am häufigſten. Früher ſah man ihn
in der arguniſchen Steppe herdenweiſe; jetzt finden ſich dort nur zerſtreute Trupps. Alte Hengſte
führen mehr als zwanzig Stuten und Füllen; gewöhnlich ſind aber die Trupps geringer, und
mancher Hengſt hat nicht mehr, als zehn oder fünf Stuten. Diejenigen Hengſte, welche aus den
Herden der alten vertrieben wurden, folgen dieſen gewöhnlich ſolange von ferne, bis es ihnen ge-
lingt, eine oder mehrere Stuten vom Harem des älteren Hengſtes abzulocken oder andere, verlaufene
zu ſammeln, und ſich ſo einen eigenen Anhang zu ſchaffen. Die alten Hengſte ſollen zur Sprung-
zeit junge Stuten, welche noch nicht roſſig ſind, aus ihrer Herde entfernen, und dadurch den jün-
geren Mitbewerbern Gelegenheit zur Erwerbung eines eigenen Trupps verſchaffen.
[Abbildung Der Halbeſel oder Dſchiggetai (Asinus hemionus).]
Dieſen Angaben fügt Radde etwa Folgendes hinzu:
„Die bedeutendſten Wanderungen des Dſchiggetai finden im Herbſte ſtatt, weil die unſtete
Lebensweiſe erſt dann beginnen kann, wenn die Füllen vom letzten Sommer kräftig genug ſind, die
anhaltenden, ſchnellen Märſche mitzumachen. Ende Septembers trennen ſich die jungen Hengſte von
den Herden, denen ſie bis ins dritte oder vierte Jahr angehörten, und ziehen einzeln in die bergigen
Steppen, um ſich ſelbſt eine Herde zu gründen. Dann iſt der Oſchiggetai am unbändigſten. Stun-
denlang ſteht der junge Hengſt auf der höchſten Spitze eines ſteilen Gebirgsrückens, gegen den
Wind gerichtet, und blickt weit hin über die niedrige Landſchaft. Seine Nüſtern ſind weit geöffnet;
ſein Auge durchirrt die Oede. Kampfgierig wartet er eines Gegners; ſobald er einen ſolchen gewahrt,
ſprengt er ihm in geſtrecktem Galopp entgegen. Nun entbrennt ein blutiger Kampf um die Stuten.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/381>, abgerufen am 23.11.2024.
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