Unsere Betrachtung wendet sich, je weiter wir abwärts steigen, mehr und mehr den massigen Gestalten der ersten Klasse zu. Das gaukelnde Volk der Baumkletterer haben wir mit den am wenig- sten begabten Faulthieren gänzlich verlassen; jetzt sind wir, so zu sagen, auf ebener Erde angelangt und ziehen uns mehr und mehr zur Tiefe, zum Wasser hinab. Alle Säugethiere, welche wir von jetzt an betrachten, gehören entweder dem festen Boden oder dem Wasser an; kein einziges mehr versteigt sich auf die Höhen der Bäume, und nur noch ausnahmsweise finden sich einige, welche auf den luftigen Höhen des Gebirges sich bewegen, fast mit derselben Sicherheit und Kühnheit der eigentlichen Kletter- thiere.
Die Hufthiere sind zugleich Bodenthiere. Jhre leibliche Ausrüstung verlangt gebieterisch solches Leben. Alle zu ihnen zählenden Säuger sind verhältnißmäßig massige Thiere. Jhr Rumpf ist ge- wöhnlich dicht, der Hals dagegen lang, der Kopf nur selten groß, aber ausgezeichnet durch gewaltige Waffen, welche theils als Gehörne und Geweihe, theils als ungeheure Zähne hervortreten. Die Gliedmaßen sind gleich lang und die Zehen an den Füßen von einem bis fünf Hufen umkleidet. Der Schwanz ist kurz und berührt gewöhnlich den Boden nicht. Die Sinneswerkzeuge zeigen sich noch vortrefflich ausgebildet; große, höchst bewegliche Ohren, lebhafte, schöne Augen und ein auch äußer- lich deutlich entwickeltes Geruchswerkzeug sind fast allen Hufthieren gemeinsam. Keiner ihrer Sinne verkümmert in dem Grade, wie bei manchen höher stehenden Thieren. Ein einfaches, bald dichteres und weicheres, bald dünner stehendes und borstiges, gewöhnlich dunkles Haarkleid umhüllt den Leib; Braun und Schwarz sind die am häufigsten vorkommenden Färbungen desselben. Von allem Anderen kennzeichnen die Hufe an den Füßen unsere Thiere. Jhre vier Gliedmaßen ragen noch vollständig aus dem Leibe hervor, sie sind echte Gangbeine; denn ihre Zehen sind an und für sich schon zu anderwei- tiger Benutzung ungeeignet, und die sie umhüllenden Hornschuhe oder Hufe verwehren vollends jeden sonstigen Gebrauch. Bei den am höchsten stehenden Hufthieren umhüllen die Hufe die Zehen gänzlich, bei den niederern nur einen Theil derselben. "Mit der Zahl der Zehen," sagt Giebel, "ändert sich auch die Gestalt der Hufe ab; je mehr Zehen, desto schwächer sind die einzelnen. Während das Pferd auf der Spitze des einzigen letzten, von einem großen Hufe bekleideten Zehengliedes geht, sind die vier und fünf Hufe an jedem Fuße des Elefanten zu schwach, den schweren Körper zu tragen, und die vorderen Zehenglieder berühren den Boden nicht. Bei drei und vier Zehen findet eine paarige oder eine gleichmäßige Ansbildung von innen nach außen statt." Auch das Gebiß ist bezeichnend für die Reihe, so groß seine Verschiedenheit sein mag. Die Backzähne sind immer nur zum Zermalmen be-
Vierte Reihe. Hufthiere (Ungulata).
Unſere Betrachtung wendet ſich, je weiter wir abwärts ſteigen, mehr und mehr den maſſigen Geſtalten der erſten Klaſſe zu. Das gaukelnde Volk der Baumkletterer haben wir mit den am wenig- ſten begabten Faulthieren gänzlich verlaſſen; jetzt ſind wir, ſo zu ſagen, auf ebener Erde angelangt und ziehen uns mehr und mehr zur Tiefe, zum Waſſer hinab. Alle Säugethiere, welche wir von jetzt an betrachten, gehören entweder dem feſten Boden oder dem Waſſer an; kein einziges mehr verſteigt ſich auf die Höhen der Bäume, und nur noch ausnahmsweiſe finden ſich einige, welche auf den luftigen Höhen des Gebirges ſich bewegen, faſt mit derſelben Sicherheit und Kühnheit der eigentlichen Kletter- thiere.
Die Hufthiere ſind zugleich Bodenthiere. Jhre leibliche Ausrüſtung verlangt gebieteriſch ſolches Leben. Alle zu ihnen zählenden Säuger ſind verhältnißmäßig maſſige Thiere. Jhr Rumpf iſt ge- wöhnlich dicht, der Hals dagegen lang, der Kopf nur ſelten groß, aber ausgezeichnet durch gewaltige Waffen, welche theils als Gehörne und Geweihe, theils als ungeheure Zähne hervortreten. Die Gliedmaßen ſind gleich lang und die Zehen an den Füßen von einem bis fünf Hufen umkleidet. Der Schwanz iſt kurz und berührt gewöhnlich den Boden nicht. Die Sinneswerkzeuge zeigen ſich noch vortrefflich ausgebildet; große, höchſt bewegliche Ohren, lebhafte, ſchöne Augen und ein auch äußer- lich deutlich entwickeltes Geruchswerkzeug ſind faſt allen Hufthieren gemeinſam. Keiner ihrer Sinne verkümmert in dem Grade, wie bei manchen höher ſtehenden Thieren. Ein einfaches, bald dichteres und weicheres, bald dünner ſtehendes und borſtiges, gewöhnlich dunkles Haarkleid umhüllt den Leib; Braun und Schwarz ſind die am häufigſten vorkommenden Färbungen deſſelben. Von allem Anderen kennzeichnen die Hufe an den Füßen unſere Thiere. Jhre vier Gliedmaßen ragen noch vollſtändig aus dem Leibe hervor, ſie ſind echte Gangbeine; denn ihre Zehen ſind an und für ſich ſchon zu anderwei- tiger Benutzung ungeeignet, und die ſie umhüllenden Hornſchuhe oder Hufe verwehren vollends jeden ſonſtigen Gebrauch. Bei den am höchſten ſtehenden Hufthieren umhüllen die Hufe die Zehen gänzlich, bei den niederern nur einen Theil derſelben. „Mit der Zahl der Zehen,‟ ſagt Giebel, „ändert ſich auch die Geſtalt der Hufe ab; je mehr Zehen, deſto ſchwächer ſind die einzelnen. Während das Pferd auf der Spitze des einzigen letzten, von einem großen Hufe bekleideten Zehengliedes geht, ſind die vier und fünf Hufe an jedem Fuße des Elefanten zu ſchwach, den ſchweren Körper zu tragen, und die vorderen Zehenglieder berühren den Boden nicht. Bei drei und vier Zehen findet eine paarige oder eine gleichmäßige Ansbildung von innen nach außen ſtatt.‟ Auch das Gebiß iſt bezeichnend für die Reihe, ſo groß ſeine Verſchiedenheit ſein mag. Die Backzähne ſind immer nur zum Zermalmen be-
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Vierte Reihe.
Hufthiere (Ungulata).
Unſere Betrachtung wendet ſich, je weiter wir abwärts ſteigen, mehr und mehr den maſſigen
Geſtalten der erſten Klaſſe zu. Das gaukelnde Volk der Baumkletterer haben wir mit den am wenig-
ſten begabten Faulthieren gänzlich verlaſſen; jetzt ſind wir, ſo zu ſagen, auf ebener Erde angelangt
und ziehen uns mehr und mehr zur Tiefe, zum Waſſer hinab. Alle Säugethiere, welche wir von jetzt
an betrachten, gehören entweder dem feſten Boden oder dem Waſſer an; kein einziges mehr verſteigt
ſich auf die Höhen der Bäume, und nur noch ausnahmsweiſe finden ſich einige, welche auf den luftigen
Höhen des Gebirges ſich bewegen, faſt mit derſelben Sicherheit und Kühnheit der eigentlichen Kletter-
thiere.
Die Hufthiere ſind zugleich Bodenthiere. Jhre leibliche Ausrüſtung verlangt gebieteriſch ſolches
Leben. Alle zu ihnen zählenden Säuger ſind verhältnißmäßig maſſige Thiere. Jhr Rumpf iſt ge-
wöhnlich dicht, der Hals dagegen lang, der Kopf nur ſelten groß, aber ausgezeichnet durch gewaltige
Waffen, welche theils als Gehörne und Geweihe, theils als ungeheure Zähne hervortreten. Die
Gliedmaßen ſind gleich lang und die Zehen an den Füßen von einem bis fünf Hufen umkleidet. Der
Schwanz iſt kurz und berührt gewöhnlich den Boden nicht. Die Sinneswerkzeuge zeigen ſich noch
vortrefflich ausgebildet; große, höchſt bewegliche Ohren, lebhafte, ſchöne Augen und ein auch äußer-
lich deutlich entwickeltes Geruchswerkzeug ſind faſt allen Hufthieren gemeinſam. Keiner ihrer Sinne
verkümmert in dem Grade, wie bei manchen höher ſtehenden Thieren. Ein einfaches, bald dichteres
und weicheres, bald dünner ſtehendes und borſtiges, gewöhnlich dunkles Haarkleid umhüllt den Leib;
Braun und Schwarz ſind die am häufigſten vorkommenden Färbungen deſſelben. Von allem Anderen
kennzeichnen die Hufe an den Füßen unſere Thiere. Jhre vier Gliedmaßen ragen noch vollſtändig aus
dem Leibe hervor, ſie ſind echte Gangbeine; denn ihre Zehen ſind an und für ſich ſchon zu anderwei-
tiger Benutzung ungeeignet, und die ſie umhüllenden Hornſchuhe oder Hufe verwehren vollends jeden
ſonſtigen Gebrauch. Bei den am höchſten ſtehenden Hufthieren umhüllen die Hufe die Zehen gänzlich,
bei den niederern nur einen Theil derſelben. „Mit der Zahl der Zehen,‟ ſagt Giebel, „ändert ſich
auch die Geſtalt der Hufe ab; je mehr Zehen, deſto ſchwächer ſind die einzelnen. Während das Pferd
auf der Spitze des einzigen letzten, von einem großen Hufe bekleideten Zehengliedes geht, ſind die vier
und fünf Hufe an jedem Fuße des Elefanten zu ſchwach, den ſchweren Körper zu tragen, und die
vorderen Zehenglieder berühren den Boden nicht. Bei drei und vier Zehen findet eine paarige oder
eine gleichmäßige Ansbildung von innen nach außen ſtatt.‟ Auch das Gebiß iſt bezeichnend für die
Reihe, ſo groß ſeine Verſchiedenheit ſein mag. Die Backzähne ſind immer nur zum Zermalmen be-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. [332]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/352>, abgerufen am 23.11.2024.
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