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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasen. -- Unser Hase.
er nicht zu frische Sturzäcker, nicht zu feuchte, mit Binsen bewachsene Vertiefungen und Felder mit
Oelsaat, welche nächst dem Wintergetreide den größten Theil seiner Weide ausmacht. Solange noch
gar kein oder wenig Schnee liegt, verändert er seinen Wohnort nicht; nur bei Nacht geht er in die
Gärten und sucht den eingeschlagenen und aufgeschichteten Kohl auf. Fällt starker Schnee, so läßt
er sich in seinem Lager verschneien, zieht sich aber, sobald das Unwetter nachläßt, in die Nähe der
Kleefelder. Bekommt der Schnee eine Eisrinde, so nimmt der Mangel immer mehr überhand, und
je mehr Dies geschieht, um so schädlicher wird der Hase den Gärten und Baumschulen. Dann ist
ihm die Schale der meisten jungen Bäume, vorzüglich die der Akazie und ganz junger Lärchen, sowie
der Schwarzdorn ebenso willkommen, als der Braunkohl. Vermindert sich durch Thauwetter der
Schnee, oder geht er ganz weg, so zieht sich der Hase wieder zurück, und dann ist grünes Getreide
aller Art seine ausschließliche Weide. Bis die Wintersaat zu schossen anfängt, äßt er diese; hierauf
rückt er vor Sonnenuntergang oder nach warmem Regen etwas früher aus und geht ins Sommer-
getreide. Auch diese Saat nimmt er nicht an, wenn sie alt wird, bleibt aber in ihr liegen, besucht
abends frisch gepflanzte Krautfelder, Rübenstücke u. dgl. -- Der Buschhase rückt nur abends auf die
Felder, und morgens mit Tagesanbruch oder bald nach Sonnenaufgang kehrt er wieder ins Holz
zurück. Er wechselt aber während des Sommers seinen Aufenthalt am Tage zuweilen mit hochbestan-
denen Getreidefeldern oder, wenn Regen fällt, mit Brach- und Sturzäckern. Jm Herbst, wenn die
Sträucher sich entlauben, geht er ganz aus dem Walde heraus; denn das Fallen der Blätter ist ihm
entsetzlich. Jm Winter zieht er sich in die dichtesten Gehölze, mit eintretendem Thauwetter aber kehrt er
wieder in das lichtere Holz zurück. Der eigentliche Waldhase zeigt sich während der milden und frucht-
baren Jahreszeit in den Vorhölzern und rückt vonhieraus, wenn ihm die Aeßung auf den Waldwiesen
nicht genügt, gegen Abend in die Felder. Bei starken Wintern geht er in die Dickichte und immer
tiefer in den Wald hinein. Er läßt sich auch durch das fallende Laub nicht stören. Der Berghase
befindet sich beim Genusse der in der Nachbarschaft seines Aufenthaltes wachsenden duftigen Kräuter so
wohl, daß er nur, wenn Felder in der Nähe sind, dieselben aus Lüsternheit besucht."

"Außer der Rammelzeit, während welcher Alles, was Hase heißt, in unaufhörlicher Unruhe ist,
bringt dieses Wild den ganzen Tag schlafend oder schlummernd im Lager zu. Nie geht der Hase
gerade auf den Ort los, wo er ein altes Lager weiß, oder ein neues machen will, sondern läuft erst ein
Stück über den Ort, wo er zu ruhen gedenkt, hinaus, kehrt um, macht wieder einige Sätze vor-
wärts, dann wieder einen Sprung seitwärts, und verfährt so noch einige Male, bis er mit dem wei-
testen Satze an den Platz kommt, wo er bleiben will."

"Bei der Zubereitung des Lagers scharrt der Hase im freien Felde eine etwa zwei bis drei Zoll
tiefe, am hinteren Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, welche so lang und breit ist, daß der
obere Theil des Nückens nur sehr wenig sichtbar bleibt, wenn er in derselben die Vorderläufe aus-
streckt, auf diesen den Kopf mit angeschlossenen Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den
Leib zusammendrückt. Jn diesem Lager schützt er sich während der milden Jahreszeit leidlich vor
Sturm und Regen. Jm Winter höhlt er das Lager gewöhnlich so tief aus, daß man von ihm Nichts,
als einen kleinen schwarzgrauen Punkt gewahrt. Jm Sommer wendet er das Gesicht nach Norden,
im Winter nach Süden, bei stürmischem Wetter aber so, daß er unter dem Winde sitzt."

"Fast möchte es scheinen, als habe die Natur den Hasen durch Munterkeit, Schnelligkeit und
Schlauheit für die ihm angeborene Furchtsamkeit und Scheu zu entschädigen gesucht. Hat er irgend
eine Gelegenheit gefunden, unter dem Schutze der Dunkelheit seinen sehr guten Appetit zu stillen,
und ist die Witterung nicht ganz ungünstig, so wird kaum ein Morgen vergehen, an welchem er
sich nicht gleich nach Sonnenaufgang auf trockenen, zumal sandigen Plätzen, entweder mit seines
Gleichen oder allein herumtummelt. Lustige Sprünge, abwechselnd mit Kreislaufen und Wälzen,
sind Aeußerung des Wohlbehagens, in welchem er sich so berauscht, daß er seinen ärgsten Feind,
den Fuchs, für einen Spielkameraden ansieht und einen kurzen Spaß mit dem Leben bezahlt. Der
alte Hase läßt sich nicht so leicht überlisten und rettet sich, wenn er gesund und bei Kräften ist, vor

Die Haſen. — Unſer Haſe.
er nicht zu friſche Sturzäcker, nicht zu feuchte, mit Binſen bewachſene Vertiefungen und Felder mit
Oelſaat, welche nächſt dem Wintergetreide den größten Theil ſeiner Weide ausmacht. Solange noch
gar kein oder wenig Schnee liegt, verändert er ſeinen Wohnort nicht; nur bei Nacht geht er in die
Gärten und ſucht den eingeſchlagenen und aufgeſchichteten Kohl auf. Fällt ſtarker Schnee, ſo läßt
er ſich in ſeinem Lager verſchneien, zieht ſich aber, ſobald das Unwetter nachläßt, in die Nähe der
Kleefelder. Bekommt der Schnee eine Eisrinde, ſo nimmt der Mangel immer mehr überhand, und
je mehr Dies geſchieht, um ſo ſchädlicher wird der Haſe den Gärten und Baumſchulen. Dann iſt
ihm die Schale der meiſten jungen Bäume, vorzüglich die der Akazie und ganz junger Lärchen, ſowie
der Schwarzdorn ebenſo willkommen, als der Braunkohl. Vermindert ſich durch Thauwetter der
Schnee, oder geht er ganz weg, ſo zieht ſich der Haſe wieder zurück, und dann iſt grünes Getreide
aller Art ſeine ausſchließliche Weide. Bis die Winterſaat zu ſchoſſen anfängt, äßt er dieſe; hierauf
rückt er vor Sonnenuntergang oder nach warmem Regen etwas früher aus und geht ins Sommer-
getreide. Auch dieſe Saat nimmt er nicht an, wenn ſie alt wird, bleibt aber in ihr liegen, beſucht
abends friſch gepflanzte Krautfelder, Rübenſtücke u. dgl. — Der Buſchhaſe rückt nur abends auf die
Felder, und morgens mit Tagesanbruch oder bald nach Sonnenaufgang kehrt er wieder ins Holz
zurück. Er wechſelt aber während des Sommers ſeinen Aufenthalt am Tage zuweilen mit hochbeſtan-
denen Getreidefeldern oder, wenn Regen fällt, mit Brach- und Sturzäckern. Jm Herbſt, wenn die
Sträucher ſich entlauben, geht er ganz aus dem Walde heraus; denn das Fallen der Blätter iſt ihm
entſetzlich. Jm Winter zieht er ſich in die dichteſten Gehölze, mit eintretendem Thauwetter aber kehrt er
wieder in das lichtere Holz zurück. Der eigentliche Waldhaſe zeigt ſich während der milden und frucht-
baren Jahreszeit in den Vorhölzern und rückt vonhieraus, wenn ihm die Aeßung auf den Waldwieſen
nicht genügt, gegen Abend in die Felder. Bei ſtarken Wintern geht er in die Dickichte und immer
tiefer in den Wald hinein. Er läßt ſich auch durch das fallende Laub nicht ſtören. Der Berghaſe
befindet ſich beim Genuſſe der in der Nachbarſchaft ſeines Aufenthaltes wachſenden duftigen Kräuter ſo
wohl, daß er nur, wenn Felder in der Nähe ſind, dieſelben aus Lüſternheit beſucht.‟

„Außer der Rammelzeit, während welcher Alles, was Haſe heißt, in unaufhörlicher Unruhe iſt,
bringt dieſes Wild den ganzen Tag ſchlafend oder ſchlummernd im Lager zu. Nie geht der Haſe
gerade auf den Ort los, wo er ein altes Lager weiß, oder ein neues machen will, ſondern läuft erſt ein
Stück über den Ort, wo er zu ruhen gedenkt, hinaus, kehrt um, macht wieder einige Sätze vor-
wärts, dann wieder einen Sprung ſeitwärts, und verfährt ſo noch einige Male, bis er mit dem wei-
teſten Satze an den Platz kommt, wo er bleiben will.‟

„Bei der Zubereitung des Lagers ſcharrt der Haſe im freien Felde eine etwa zwei bis drei Zoll
tiefe, am hinteren Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, welche ſo lang und breit iſt, daß der
obere Theil des Nückens nur ſehr wenig ſichtbar bleibt, wenn er in derſelben die Vorderläufe aus-
ſtreckt, auf dieſen den Kopf mit angeſchloſſenen Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den
Leib zuſammendrückt. Jn dieſem Lager ſchützt er ſich während der milden Jahreszeit leidlich vor
Sturm und Regen. Jm Winter höhlt er das Lager gewöhnlich ſo tief aus, daß man von ihm Nichts,
als einen kleinen ſchwarzgrauen Punkt gewahrt. Jm Sommer wendet er das Geſicht nach Norden,
im Winter nach Süden, bei ſtürmiſchem Wetter aber ſo, daß er unter dem Winde ſitzt.‟

„Faſt möchte es ſcheinen, als habe die Natur den Haſen durch Munterkeit, Schnelligkeit und
Schlauheit für die ihm angeborene Furchtſamkeit und Scheu zu entſchädigen geſucht. Hat er irgend
eine Gelegenheit gefunden, unter dem Schutze der Dunkelheit ſeinen ſehr guten Appetit zu ſtillen,
und iſt die Witterung nicht ganz ungünſtig, ſo wird kaum ein Morgen vergehen, an welchem er
ſich nicht gleich nach Sonnenaufgang auf trockenen, zumal ſandigen Plätzen, entweder mit ſeines
Gleichen oder allein herumtummelt. Luſtige Sprünge, abwechſelnd mit Kreislaufen und Wälzen,
ſind Aeußerung des Wohlbehagens, in welchem er ſich ſo berauſcht, daß er ſeinen ärgſten Feind,
den Fuchs, für einen Spielkameraden anſieht und einen kurzen Spaß mit dem Leben bezahlt. Der
alte Haſe läßt ſich nicht ſo leicht überliſten und rettet ſich, wenn er geſund und bei Kräften iſt, vor

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[252/0270] Die Haſen. — Unſer Haſe. er nicht zu friſche Sturzäcker, nicht zu feuchte, mit Binſen bewachſene Vertiefungen und Felder mit Oelſaat, welche nächſt dem Wintergetreide den größten Theil ſeiner Weide ausmacht. Solange noch gar kein oder wenig Schnee liegt, verändert er ſeinen Wohnort nicht; nur bei Nacht geht er in die Gärten und ſucht den eingeſchlagenen und aufgeſchichteten Kohl auf. Fällt ſtarker Schnee, ſo läßt er ſich in ſeinem Lager verſchneien, zieht ſich aber, ſobald das Unwetter nachläßt, in die Nähe der Kleefelder. Bekommt der Schnee eine Eisrinde, ſo nimmt der Mangel immer mehr überhand, und je mehr Dies geſchieht, um ſo ſchädlicher wird der Haſe den Gärten und Baumſchulen. Dann iſt ihm die Schale der meiſten jungen Bäume, vorzüglich die der Akazie und ganz junger Lärchen, ſowie der Schwarzdorn ebenſo willkommen, als der Braunkohl. Vermindert ſich durch Thauwetter der Schnee, oder geht er ganz weg, ſo zieht ſich der Haſe wieder zurück, und dann iſt grünes Getreide aller Art ſeine ausſchließliche Weide. Bis die Winterſaat zu ſchoſſen anfängt, äßt er dieſe; hierauf rückt er vor Sonnenuntergang oder nach warmem Regen etwas früher aus und geht ins Sommer- getreide. Auch dieſe Saat nimmt er nicht an, wenn ſie alt wird, bleibt aber in ihr liegen, beſucht abends friſch gepflanzte Krautfelder, Rübenſtücke u. dgl. — Der Buſchhaſe rückt nur abends auf die Felder, und morgens mit Tagesanbruch oder bald nach Sonnenaufgang kehrt er wieder ins Holz zurück. Er wechſelt aber während des Sommers ſeinen Aufenthalt am Tage zuweilen mit hochbeſtan- denen Getreidefeldern oder, wenn Regen fällt, mit Brach- und Sturzäckern. Jm Herbſt, wenn die Sträucher ſich entlauben, geht er ganz aus dem Walde heraus; denn das Fallen der Blätter iſt ihm entſetzlich. Jm Winter zieht er ſich in die dichteſten Gehölze, mit eintretendem Thauwetter aber kehrt er wieder in das lichtere Holz zurück. Der eigentliche Waldhaſe zeigt ſich während der milden und frucht- baren Jahreszeit in den Vorhölzern und rückt vonhieraus, wenn ihm die Aeßung auf den Waldwieſen nicht genügt, gegen Abend in die Felder. Bei ſtarken Wintern geht er in die Dickichte und immer tiefer in den Wald hinein. Er läßt ſich auch durch das fallende Laub nicht ſtören. Der Berghaſe befindet ſich beim Genuſſe der in der Nachbarſchaft ſeines Aufenthaltes wachſenden duftigen Kräuter ſo wohl, daß er nur, wenn Felder in der Nähe ſind, dieſelben aus Lüſternheit beſucht.‟ „Außer der Rammelzeit, während welcher Alles, was Haſe heißt, in unaufhörlicher Unruhe iſt, bringt dieſes Wild den ganzen Tag ſchlafend oder ſchlummernd im Lager zu. Nie geht der Haſe gerade auf den Ort los, wo er ein altes Lager weiß, oder ein neues machen will, ſondern läuft erſt ein Stück über den Ort, wo er zu ruhen gedenkt, hinaus, kehrt um, macht wieder einige Sätze vor- wärts, dann wieder einen Sprung ſeitwärts, und verfährt ſo noch einige Male, bis er mit dem wei- teſten Satze an den Platz kommt, wo er bleiben will.‟ „Bei der Zubereitung des Lagers ſcharrt der Haſe im freien Felde eine etwa zwei bis drei Zoll tiefe, am hinteren Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, welche ſo lang und breit iſt, daß der obere Theil des Nückens nur ſehr wenig ſichtbar bleibt, wenn er in derſelben die Vorderläufe aus- ſtreckt, auf dieſen den Kopf mit angeſchloſſenen Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den Leib zuſammendrückt. Jn dieſem Lager ſchützt er ſich während der milden Jahreszeit leidlich vor Sturm und Regen. Jm Winter höhlt er das Lager gewöhnlich ſo tief aus, daß man von ihm Nichts, als einen kleinen ſchwarzgrauen Punkt gewahrt. Jm Sommer wendet er das Geſicht nach Norden, im Winter nach Süden, bei ſtürmiſchem Wetter aber ſo, daß er unter dem Winde ſitzt.‟ „Faſt möchte es ſcheinen, als habe die Natur den Haſen durch Munterkeit, Schnelligkeit und Schlauheit für die ihm angeborene Furchtſamkeit und Scheu zu entſchädigen geſucht. Hat er irgend eine Gelegenheit gefunden, unter dem Schutze der Dunkelheit ſeinen ſehr guten Appetit zu ſtillen, und iſt die Witterung nicht ganz ungünſtig, ſo wird kaum ein Morgen vergehen, an welchem er ſich nicht gleich nach Sonnenaufgang auf trockenen, zumal ſandigen Plätzen, entweder mit ſeines Gleichen oder allein herumtummelt. Luſtige Sprünge, abwechſelnd mit Kreislaufen und Wälzen, ſind Aeußerung des Wohlbehagens, in welchem er ſich ſo berauſcht, daß er ſeinen ärgſten Feind, den Fuchs, für einen Spielkameraden anſieht und einen kurzen Spaß mit dem Leben bezahlt. Der alte Haſe läßt ſich nicht ſo leicht überliſten und rettet ſich, wenn er geſund und bei Kräften iſt, vor

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/270>, abgerufen am 23.11.2024.