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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasen.
begann. Bekannten Personen leckte es die Hand und ließ von ihnen sich krauen; dabei streckte es sich
aus und gab das Wohlgefallen durch einen schwachen Laut zu erkennen. Fremde Personen, Kinder
und Hunde versuchte es zu beißen, und im Zorn grunzte und knirschte es ganz eigenthümlich. Gegen
Kälte war es so wenig empfindlich, daß Buffon glaubte, man könnte es in Europa einheimisch
machen.

Jch habe den Paka im hamburger Thiergarten mehr als ein Jahr lang beobachtet und als ein
träges, wenig anziehendes Thier kennen gelernt. Bei Tage erscheint es selten außerhalb seiner
Höhlen; gegen Sonnenuntergang kommt es hervor. Es lebt friedlich oder richtiger gleichgiltig
mit Agutis und einem Murmelthiere zusammen, läßt sich Nichts gefallen, greift aber keinen seiner
Genossen an. Begnügsam wie es ist, macht es weder an besonders gute Nahrung, noch an einen
wohleingerichteten Stall Anspruch. Hinsichtlich seiner Zähigkeit im Ertragen der Kälte muß ich
Buffon beistimmen; nur glaube ich nicht, daß eine Einbürgerung in Europa irgend welchen
erheblichen Nutzen haben würde.



An das Ende unserer Ordnung stellen wir, dem Vorgange fast aller Naturforscher folgend, die
Hafen (Lepores). Wer kennt sie nicht, die langbärtigen, langöhrigen Gesellen, deren Furcht schon
seit alter Zeit sprichwörtlich und deren wohlschmeckendes Fleisch bereits zur Römerzeit Feinschmecker
begeisterte! Man darf wohl sagen, daß unter den Nagern nächst den Ratten und Mäusen kein
Thier volksthümlicher ist, als der Hase, der bei uns heimische Vertreter einer nicht eben zahlreichen
Familie. Jedermann hat ihn in der Hand gehabt; Jeder kennt ihn wenigstens äußerlich: --
und dennoch ist der Hase weniger bekannt, als viele Thiere, welche manche Menschen niemals
gesehen haben. Denn nur der wahrhaft Eingeweihte kennt sein Leben und Treiben von Grund aus.

Die Hasen bilden eine sehr ausgezeichnete Familie. Sie sind die einzigen Nager, welche
mehr als zwei Vorderzähne haben; denn hinter den scharfen und breiten Nagezähnen stehen zwei wirk-
liche Schneidezähne, kleine, stumpfe, fast vierseitige Stifte. Hierdurch erhält das Gebiß ein so
eigenthümliches Gepräge, daß die Hasen geradezu einzig dastehen. Fünf bis sechs, aus je zwei
Platten zusammengesetzte Backenzähne finden sich noch in jedem Kiefer. Das Geripp ist durch mehr-
fache Eigenheiten ausgezeichnet; ich glaube aber genug zu thun, wenn ich, die anatomischen Fein-
heiten außer Acht lassend, eben nur anführe, daß 12 rippentragende, 9 Lenden-, 2 bis 4 Kreuz-
und 12 bis 20 Schwanzwirbel sich finden. Die allgemeinen Kennzeichen des Hasen sind gestreckter
Körper mit hohen Hinterbeinen, langer, gestreckter Schädel mit großen Ohren und Augen, fünf-
zehige Vorder- und vierzehige Hinterfüße, dicke, höchst bewegliche, tief gespaltene Lippen mit star-
ken Schnurren zu beiden Seiten und eine dichte, fast wollige Behaarung.

So wenig Arten die Familie auch enthält, über einen um so größeren Raum der Erde ist sie
verbreitet. Alle Theile der Erde, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands und seiner Jnseln, beher-
bergen Hasen. Sie finden sich in allen Klimaten, in Ebenen und Gebirgen, in offenen Feldern und
Felsenritzen, auf und unter der Erde, kurz überall, und wo die eine Art aufhört, beginnt eine an-
dere: die Gegend, welche von dieser nicht ausgebeutet wird, besitzt in einer anderen einen zufrie-
denen Bewohner. Alle nähren sich von weichen, saftigen Pflanzentheilen; doch kann man sagen,
daß sie eigentlich Nichts verschonen, was sie erlangen können. Sie verzehren die Pflanzen von der
Wurzel bis zur Frucht, wenn sie auch die Blätter niederer Kräuter am liebsten genießen. Die mei-
sten leben in beschränktem Grade gesellig und halten sehr treu an dem einmal gewählten oder ihnen
zuertheilten Standorte fest. Hier liegen sie den Tag über in einer Vertiefung oder Höhle verborgen,
bei Nacht streifen sie umher, um ihrer Nahrung nachzugehen. Man kann aber nicht sagen, daß
sie eigentliche Nachtthiere wären. Sie ruhen, streng genommen, blos in den Mittagsstunden und

Die Haſen.
begann. Bekannten Perſonen leckte es die Hand und ließ von ihnen ſich krauen; dabei ſtreckte es ſich
aus und gab das Wohlgefallen durch einen ſchwachen Laut zu erkennen. Fremde Perſonen, Kinder
und Hunde verſuchte es zu beißen, und im Zorn grunzte und knirſchte es ganz eigenthümlich. Gegen
Kälte war es ſo wenig empfindlich, daß Buffon glaubte, man könnte es in Europa einheimiſch
machen.

Jch habe den Paka im hamburger Thiergarten mehr als ein Jahr lang beobachtet und als ein
träges, wenig anziehendes Thier kennen gelernt. Bei Tage erſcheint es ſelten außerhalb ſeiner
Höhlen; gegen Sonnenuntergang kommt es hervor. Es lebt friedlich oder richtiger gleichgiltig
mit Agutis und einem Murmelthiere zuſammen, läßt ſich Nichts gefallen, greift aber keinen ſeiner
Genoſſen an. Begnügſam wie es iſt, macht es weder an beſonders gute Nahrung, noch an einen
wohleingerichteten Stall Anſpruch. Hinſichtlich ſeiner Zähigkeit im Ertragen der Kälte muß ich
Buffon beiſtimmen; nur glaube ich nicht, daß eine Einbürgerung in Europa irgend welchen
erheblichen Nutzen haben würde.



An das Ende unſerer Ordnung ſtellen wir, dem Vorgange faſt aller Naturforſcher folgend, die
Hafen (Lepores). Wer kennt ſie nicht, die langbärtigen, langöhrigen Geſellen, deren Furcht ſchon
ſeit alter Zeit ſprichwörtlich und deren wohlſchmeckendes Fleiſch bereits zur Römerzeit Feinſchmecker
begeiſterte! Man darf wohl ſagen, daß unter den Nagern nächſt den Ratten und Mäuſen kein
Thier volksthümlicher iſt, als der Haſe, der bei uns heimiſche Vertreter einer nicht eben zahlreichen
Familie. Jedermann hat ihn in der Hand gehabt; Jeder kennt ihn wenigſtens äußerlich: —
und dennoch iſt der Haſe weniger bekannt, als viele Thiere, welche manche Menſchen niemals
geſehen haben. Denn nur der wahrhaft Eingeweihte kennt ſein Leben und Treiben von Grund aus.

Die Haſen bilden eine ſehr ausgezeichnete Familie. Sie ſind die einzigen Nager, welche
mehr als zwei Vorderzähne haben; denn hinter den ſcharfen und breiten Nagezähnen ſtehen zwei wirk-
liche Schneidezähne, kleine, ſtumpfe, faſt vierſeitige Stifte. Hierdurch erhält das Gebiß ein ſo
eigenthümliches Gepräge, daß die Haſen geradezu einzig daſtehen. Fünf bis ſechs, aus je zwei
Platten zuſammengeſetzte Backenzähne finden ſich noch in jedem Kiefer. Das Geripp iſt durch mehr-
fache Eigenheiten ausgezeichnet; ich glaube aber genug zu thun, wenn ich, die anatomiſchen Fein-
heiten außer Acht laſſend, eben nur anführe, daß 12 rippentragende, 9 Lenden-, 2 bis 4 Kreuz-
und 12 bis 20 Schwanzwirbel ſich finden. Die allgemeinen Kennzeichen des Haſen ſind geſtreckter
Körper mit hohen Hinterbeinen, langer, geſtreckter Schädel mit großen Ohren und Augen, fünf-
zehige Vorder- und vierzehige Hinterfüße, dicke, höchſt bewegliche, tief geſpaltene Lippen mit ſtar-
ken Schnurren zu beiden Seiten und eine dichte, faſt wollige Behaarung.

So wenig Arten die Familie auch enthält, über einen um ſo größeren Raum der Erde iſt ſie
verbreitet. Alle Theile der Erde, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands und ſeiner Jnſeln, beher-
bergen Haſen. Sie finden ſich in allen Klimaten, in Ebenen und Gebirgen, in offenen Feldern und
Felſenritzen, auf und unter der Erde, kurz überall, und wo die eine Art aufhört, beginnt eine an-
dere: die Gegend, welche von dieſer nicht ausgebeutet wird, beſitzt in einer anderen einen zufrie-
denen Bewohner. Alle nähren ſich von weichen, ſaftigen Pflanzentheilen; doch kann man ſagen,
daß ſie eigentlich Nichts verſchonen, was ſie erlangen können. Sie verzehren die Pflanzen von der
Wurzel bis zur Frucht, wenn ſie auch die Blätter niederer Kräuter am liebſten genießen. Die mei-
ſten leben in beſchränktem Grade geſellig und halten ſehr treu an dem einmal gewählten oder ihnen
zuertheilten Standorte feſt. Hier liegen ſie den Tag über in einer Vertiefung oder Höhle verborgen,
bei Nacht ſtreifen ſie umher, um ihrer Nahrung nachzugehen. Man kann aber nicht ſagen, daß
ſie eigentliche Nachtthiere wären. Sie ruhen, ſtreng genommen, blos in den Mittagsſtunden und

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[248/0266] Die Haſen. begann. Bekannten Perſonen leckte es die Hand und ließ von ihnen ſich krauen; dabei ſtreckte es ſich aus und gab das Wohlgefallen durch einen ſchwachen Laut zu erkennen. Fremde Perſonen, Kinder und Hunde verſuchte es zu beißen, und im Zorn grunzte und knirſchte es ganz eigenthümlich. Gegen Kälte war es ſo wenig empfindlich, daß Buffon glaubte, man könnte es in Europa einheimiſch machen. Jch habe den Paka im hamburger Thiergarten mehr als ein Jahr lang beobachtet und als ein träges, wenig anziehendes Thier kennen gelernt. Bei Tage erſcheint es ſelten außerhalb ſeiner Höhlen; gegen Sonnenuntergang kommt es hervor. Es lebt friedlich oder richtiger gleichgiltig mit Agutis und einem Murmelthiere zuſammen, läßt ſich Nichts gefallen, greift aber keinen ſeiner Genoſſen an. Begnügſam wie es iſt, macht es weder an beſonders gute Nahrung, noch an einen wohleingerichteten Stall Anſpruch. Hinſichtlich ſeiner Zähigkeit im Ertragen der Kälte muß ich Buffon beiſtimmen; nur glaube ich nicht, daß eine Einbürgerung in Europa irgend welchen erheblichen Nutzen haben würde. An das Ende unſerer Ordnung ſtellen wir, dem Vorgange faſt aller Naturforſcher folgend, die Hafen (Lepores). Wer kennt ſie nicht, die langbärtigen, langöhrigen Geſellen, deren Furcht ſchon ſeit alter Zeit ſprichwörtlich und deren wohlſchmeckendes Fleiſch bereits zur Römerzeit Feinſchmecker begeiſterte! Man darf wohl ſagen, daß unter den Nagern nächſt den Ratten und Mäuſen kein Thier volksthümlicher iſt, als der Haſe, der bei uns heimiſche Vertreter einer nicht eben zahlreichen Familie. Jedermann hat ihn in der Hand gehabt; Jeder kennt ihn wenigſtens äußerlich: — und dennoch iſt der Haſe weniger bekannt, als viele Thiere, welche manche Menſchen niemals geſehen haben. Denn nur der wahrhaft Eingeweihte kennt ſein Leben und Treiben von Grund aus. Die Haſen bilden eine ſehr ausgezeichnete Familie. Sie ſind die einzigen Nager, welche mehr als zwei Vorderzähne haben; denn hinter den ſcharfen und breiten Nagezähnen ſtehen zwei wirk- liche Schneidezähne, kleine, ſtumpfe, faſt vierſeitige Stifte. Hierdurch erhält das Gebiß ein ſo eigenthümliches Gepräge, daß die Haſen geradezu einzig daſtehen. Fünf bis ſechs, aus je zwei Platten zuſammengeſetzte Backenzähne finden ſich noch in jedem Kiefer. Das Geripp iſt durch mehr- fache Eigenheiten ausgezeichnet; ich glaube aber genug zu thun, wenn ich, die anatomiſchen Fein- heiten außer Acht laſſend, eben nur anführe, daß 12 rippentragende, 9 Lenden-, 2 bis 4 Kreuz- und 12 bis 20 Schwanzwirbel ſich finden. Die allgemeinen Kennzeichen des Haſen ſind geſtreckter Körper mit hohen Hinterbeinen, langer, geſtreckter Schädel mit großen Ohren und Augen, fünf- zehige Vorder- und vierzehige Hinterfüße, dicke, höchſt bewegliche, tief geſpaltene Lippen mit ſtar- ken Schnurren zu beiden Seiten und eine dichte, faſt wollige Behaarung. So wenig Arten die Familie auch enthält, über einen um ſo größeren Raum der Erde iſt ſie verbreitet. Alle Theile der Erde, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands und ſeiner Jnſeln, beher- bergen Haſen. Sie finden ſich in allen Klimaten, in Ebenen und Gebirgen, in offenen Feldern und Felſenritzen, auf und unter der Erde, kurz überall, und wo die eine Art aufhört, beginnt eine an- dere: die Gegend, welche von dieſer nicht ausgebeutet wird, beſitzt in einer anderen einen zufrie- denen Bewohner. Alle nähren ſich von weichen, ſaftigen Pflanzentheilen; doch kann man ſagen, daß ſie eigentlich Nichts verſchonen, was ſie erlangen können. Sie verzehren die Pflanzen von der Wurzel bis zur Frucht, wenn ſie auch die Blätter niederer Kräuter am liebſten genießen. Die mei- ſten leben in beſchränktem Grade geſellig und halten ſehr treu an dem einmal gewählten oder ihnen zuertheilten Standorte feſt. Hier liegen ſie den Tag über in einer Vertiefung oder Höhle verborgen, bei Nacht ſtreifen ſie umher, um ihrer Nahrung nachzugehen. Man kann aber nicht ſagen, daß ſie eigentliche Nachtthiere wären. Sie ruhen, ſtreng genommen, blos in den Mittagsſtunden und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/266>, abgerufen am 23.11.2024.