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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasenmäuse oder Chinchillen. -- Die eigentliche Wollmaus.
sitzen, wenn man sie in den Schos setzt, als wären sie in ihrem eigenen Lager, und scheinen es außer-
ordentlich gern zu haben, wenn man sie schmeichelt. Da sie sehr reinlich sind, darf man nicht fürch-
ten, daß sie die Kleider beschmuzen oder ihnen einen üblen Geruch mittheilen; denn sie haben gar
keinen Gestank wie andere Mäuse. Man könnte die Wollmäuse deshalb in den Häusern halten ohne
Beschwerde und mit wenig Kosten; sie würden diese Kosten durch Abscheeren der Wolle sehr reichlich
ersetzen. Die alten Peruvianer, welche weit erfinderischer waren als die jetzigen, verstanden aus die-
ser Wolle Bettdecken und andere Stoffe zu machen."

Ein anderer Reisender erzählt, daß die jungen Leute unser Thier mit Hunden fangen und seinen
Balg an die Handelsleute verkaufen, welche ihn nach San Jago und Valparaiso bringen, von wo er
weiter ausgeführt wird. Der ausgebreitete Handel droht eine völlige Zerstörung der schönen Thiere
herbeizuführen.

Jm Jahre 1829 kam auch von dieser Art ein Stück nach London und wurde von Bennett be-
schrieben. Es war ein sehr sanftes Geschöpf, welches aber doch bisweilen zu beißen versuchte, wenn
es nicht recht bei Laune war. Selten war es sehr lustig, und nur zuweilen sah man seine sonder-
baren Sprünge. Es setzte sich gewöhnlich auf die Schenkel, konnte sich aber auch auf die Hinterbeine
stellen und erhalten; die Nahrung brachte es mit den Vorderpfoten zum Munde. Jm Winter mußte
man es in ein mäßig erwärmtes Zimmer bringen und seine Wohnung mit einem Stück Flanell aus-
kleiden. Diesen zog es oft von der Wand ab und zerriß ihn, indem es mit dem Zeuge spielte. Bei
ungewöhnlichem Lärm verrieth es große Unruhe; sonst war es ruhig und sanft. Körner und saftige
Pflanzen schien es mehr zu lieben, als trockene Kräuter, welche die große Chinchilla sehr gern fraß.
Mit dieser durfte man die Wollmaus nicht zusammenbringen; denn als man es einmal that, entstand
ein heftiger Kampf, in welchem die kleine Art unfehlbar getödtet worden sein würde, wenn man die
Streiter nicht wieder getrennt hätte. Aus diesem Grunde glaubte Bennett das gesellige Leben ver-
schiedener Arten und Sippen bezweifeln zu müssen.

Seit wenig Tagen besitzt auch der hamburger Thiergarten eine Chinchilla -- die einzig Ueber-
lebende von sieben Stück, welche uns von Balparaiso gesandt wurden. Die wenigen Beobachtungen,
welche ich an ihr bisher machen konnte, stimmen im wesentlichen mit Bennett's Angaben überein;
doch glaube ich, Einiges hinzufügen zu müssen.

Unsere Chinchilla gibt uns hinlängliche Beweise, daß sie mehr Nacht- als Tagthier ist. Sie
zeigt sich bei Tage zwar ebenfalls munter, jedoch nur, wenn sie gestört wird. Als sie einmal
ihrem Käfig entschlüpft war und sich nach eigenem Belieben im Hause umhertreiben konnte, verbarg
sie sich hartnäckig bei Tage, trieb es aber dafür nachts um so lebhafter. Man fand ihre Spuren
überall, in der Höhe, wie in der Tiefe. Sie erkletterte Gestelle von drei bis sechs Fuß mit Leichtig-
keit, wahrscheinlich springend; sie durchkroch Ritzen und Oeffnungen von 13/4 Zoll Durchmesser,
Drahtgeflechte z. B., welche wir zu ihrer Absperrung als genügend erachtet haben würden. Jhr Gang
ist ein eigenthümliches Mittelding zwischen dem Lauf eines Kaninchens und dem satzweisen Springen
des Eichhorns; der Schwanz, welcher in der Ruhe stets nach oben eingerollt getragen wird, streckt
sich, sobald das Thier den Lauf beschleunigt. Beim Sitzen oder wenn sie aufrecht steht, stützt sich die
Chinchilla leicht auf den Schwanz, außerdem wird er immer frei getragen. Die Vorderfüße werden
im Sitzen eingezogen und an die Brust gelegt. Die langen Schnurren sind fortwährend in reger
Bewegung; die Ohren, welche in der Ruhe theilweise eingerollt werden, richten sich, sobald ein ver-
dächtiges Geräusch vernommen wird, ganz nach vorn. -- Dem Lichte entflieht die Chinchilla fast
ängstlich; sie sucht immer die dunkelsten Stellen. Hier setzt sie sich mit zusammengezogenem Leibe fest.
Eine Höhlung wird sofort als Zufluchtsort benutzt. Jhre Stimme, ein scharfes Knurren nach Art
des Kaninchens, vernimmt man nur, wenn man sie berührt. Sie läßt Dies ungern zu, versucht
auch, wenn sie gepackt wird, sich durch plötzliche, schnellende Bewegungen zu befreien, bedient sich
aber niemals ihres Gebisses zur Vertheidigung. -- So viel wir bisjetzt wissen, zieht unsere Gefan-
gene Heu und Gras jeder übrigen Nahrung vor. Körner scheint sie zu verschmähen, saftige Wur-

Die Haſenmäuſe oder Chinchillen. — Die eigentliche Wollmaus.
ſitzen, wenn man ſie in den Schos ſetzt, als wären ſie in ihrem eigenen Lager, und ſcheinen es außer-
ordentlich gern zu haben, wenn man ſie ſchmeichelt. Da ſie ſehr reinlich ſind, darf man nicht fürch-
ten, daß ſie die Kleider beſchmuzen oder ihnen einen üblen Geruch mittheilen; denn ſie haben gar
keinen Geſtank wie andere Mäuſe. Man könnte die Wollmäuſe deshalb in den Häuſern halten ohne
Beſchwerde und mit wenig Koſten; ſie würden dieſe Koſten durch Abſcheeren der Wolle ſehr reichlich
erſetzen. Die alten Peruvianer, welche weit erfinderiſcher waren als die jetzigen, verſtanden aus die-
ſer Wolle Bettdecken und andere Stoffe zu machen.‟

Ein anderer Reiſender erzählt, daß die jungen Leute unſer Thier mit Hunden fangen und ſeinen
Balg an die Handelsleute verkaufen, welche ihn nach San Jago und Valparaiſo bringen, von wo er
weiter ausgeführt wird. Der ausgebreitete Handel droht eine völlige Zerſtörung der ſchönen Thiere
herbeizuführen.

Jm Jahre 1829 kam auch von dieſer Art ein Stück nach London und wurde von Bennett be-
ſchrieben. Es war ein ſehr ſanftes Geſchöpf, welches aber doch bisweilen zu beißen verſuchte, wenn
es nicht recht bei Laune war. Selten war es ſehr luſtig, und nur zuweilen ſah man ſeine ſonder-
baren Sprünge. Es ſetzte ſich gewöhnlich auf die Schenkel, konnte ſich aber auch auf die Hinterbeine
ſtellen und erhalten; die Nahrung brachte es mit den Vorderpfoten zum Munde. Jm Winter mußte
man es in ein mäßig erwärmtes Zimmer bringen und ſeine Wohnung mit einem Stück Flanell aus-
kleiden. Dieſen zog es oft von der Wand ab und zerriß ihn, indem es mit dem Zeuge ſpielte. Bei
ungewöhnlichem Lärm verrieth es große Unruhe; ſonſt war es ruhig und ſanft. Körner und ſaftige
Pflanzen ſchien es mehr zu lieben, als trockene Kräuter, welche die große Chinchilla ſehr gern fraß.
Mit dieſer durfte man die Wollmaus nicht zuſammenbringen; denn als man es einmal that, entſtand
ein heftiger Kampf, in welchem die kleine Art unfehlbar getödtet worden ſein würde, wenn man die
Streiter nicht wieder getrennt hätte. Aus dieſem Grunde glaubte Bennett das geſellige Leben ver-
ſchiedener Arten und Sippen bezweifeln zu müſſen.

Seit wenig Tagen beſitzt auch der hamburger Thiergarten eine Chinchilla — die einzig Ueber-
lebende von ſieben Stück, welche uns von Balparaiſo geſandt wurden. Die wenigen Beobachtungen,
welche ich an ihr bisher machen konnte, ſtimmen im weſentlichen mit Bennett’s Angaben überein;
doch glaube ich, Einiges hinzufügen zu müſſen.

Unſere Chinchilla gibt uns hinlängliche Beweiſe, daß ſie mehr Nacht- als Tagthier iſt. Sie
zeigt ſich bei Tage zwar ebenfalls munter, jedoch nur, wenn ſie geſtört wird. Als ſie einmal
ihrem Käfig entſchlüpft war und ſich nach eigenem Belieben im Hauſe umhertreiben konnte, verbarg
ſie ſich hartnäckig bei Tage, trieb es aber dafür nachts um ſo lebhafter. Man fand ihre Spuren
überall, in der Höhe, wie in der Tiefe. Sie erkletterte Geſtelle von drei bis ſechs Fuß mit Leichtig-
keit, wahrſcheinlich ſpringend; ſie durchkroch Ritzen und Oeffnungen von 1¾ Zoll Durchmeſſer,
Drahtgeflechte z. B., welche wir zu ihrer Abſperrung als genügend erachtet haben würden. Jhr Gang
iſt ein eigenthümliches Mittelding zwiſchen dem Lauf eines Kaninchens und dem ſatzweiſen Springen
des Eichhorns; der Schwanz, welcher in der Ruhe ſtets nach oben eingerollt getragen wird, ſtreckt
ſich, ſobald das Thier den Lauf beſchleunigt. Beim Sitzen oder wenn ſie aufrecht ſteht, ſtützt ſich die
Chinchilla leicht auf den Schwanz, außerdem wird er immer frei getragen. Die Vorderfüße werden
im Sitzen eingezogen und an die Bruſt gelegt. Die langen Schnurren ſind fortwährend in reger
Bewegung; die Ohren, welche in der Ruhe theilweiſe eingerollt werden, richten ſich, ſobald ein ver-
dächtiges Geräuſch vernommen wird, ganz nach vorn. — Dem Lichte entflieht die Chinchilla faſt
ängſtlich; ſie ſucht immer die dunkelſten Stellen. Hier ſetzt ſie ſich mit zuſammengezogenem Leibe feſt.
Eine Höhlung wird ſofort als Zufluchtsort benutzt. Jhre Stimme, ein ſcharfes Knurren nach Art
des Kaninchens, vernimmt man nur, wenn man ſie berührt. Sie läßt Dies ungern zu, verſucht
auch, wenn ſie gepackt wird, ſich durch plötzliche, ſchnellende Bewegungen zu befreien, bedient ſich
aber niemals ihres Gebiſſes zur Vertheidigung. — So viel wir bisjetzt wiſſen, zieht unſere Gefan-
gene Heu und Gras jeder übrigen Nahrung vor. Körner ſcheint ſie zu verſchmähen, ſaftige Wur-

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[198/0214] Die Haſenmäuſe oder Chinchillen. — Die eigentliche Wollmaus. ſitzen, wenn man ſie in den Schos ſetzt, als wären ſie in ihrem eigenen Lager, und ſcheinen es außer- ordentlich gern zu haben, wenn man ſie ſchmeichelt. Da ſie ſehr reinlich ſind, darf man nicht fürch- ten, daß ſie die Kleider beſchmuzen oder ihnen einen üblen Geruch mittheilen; denn ſie haben gar keinen Geſtank wie andere Mäuſe. Man könnte die Wollmäuſe deshalb in den Häuſern halten ohne Beſchwerde und mit wenig Koſten; ſie würden dieſe Koſten durch Abſcheeren der Wolle ſehr reichlich erſetzen. Die alten Peruvianer, welche weit erfinderiſcher waren als die jetzigen, verſtanden aus die- ſer Wolle Bettdecken und andere Stoffe zu machen.‟ Ein anderer Reiſender erzählt, daß die jungen Leute unſer Thier mit Hunden fangen und ſeinen Balg an die Handelsleute verkaufen, welche ihn nach San Jago und Valparaiſo bringen, von wo er weiter ausgeführt wird. Der ausgebreitete Handel droht eine völlige Zerſtörung der ſchönen Thiere herbeizuführen. Jm Jahre 1829 kam auch von dieſer Art ein Stück nach London und wurde von Bennett be- ſchrieben. Es war ein ſehr ſanftes Geſchöpf, welches aber doch bisweilen zu beißen verſuchte, wenn es nicht recht bei Laune war. Selten war es ſehr luſtig, und nur zuweilen ſah man ſeine ſonder- baren Sprünge. Es ſetzte ſich gewöhnlich auf die Schenkel, konnte ſich aber auch auf die Hinterbeine ſtellen und erhalten; die Nahrung brachte es mit den Vorderpfoten zum Munde. Jm Winter mußte man es in ein mäßig erwärmtes Zimmer bringen und ſeine Wohnung mit einem Stück Flanell aus- kleiden. Dieſen zog es oft von der Wand ab und zerriß ihn, indem es mit dem Zeuge ſpielte. Bei ungewöhnlichem Lärm verrieth es große Unruhe; ſonſt war es ruhig und ſanft. Körner und ſaftige Pflanzen ſchien es mehr zu lieben, als trockene Kräuter, welche die große Chinchilla ſehr gern fraß. Mit dieſer durfte man die Wollmaus nicht zuſammenbringen; denn als man es einmal that, entſtand ein heftiger Kampf, in welchem die kleine Art unfehlbar getödtet worden ſein würde, wenn man die Streiter nicht wieder getrennt hätte. Aus dieſem Grunde glaubte Bennett das geſellige Leben ver- ſchiedener Arten und Sippen bezweifeln zu müſſen. Seit wenig Tagen beſitzt auch der hamburger Thiergarten eine Chinchilla — die einzig Ueber- lebende von ſieben Stück, welche uns von Balparaiſo geſandt wurden. Die wenigen Beobachtungen, welche ich an ihr bisher machen konnte, ſtimmen im weſentlichen mit Bennett’s Angaben überein; doch glaube ich, Einiges hinzufügen zu müſſen. Unſere Chinchilla gibt uns hinlängliche Beweiſe, daß ſie mehr Nacht- als Tagthier iſt. Sie zeigt ſich bei Tage zwar ebenfalls munter, jedoch nur, wenn ſie geſtört wird. Als ſie einmal ihrem Käfig entſchlüpft war und ſich nach eigenem Belieben im Hauſe umhertreiben konnte, verbarg ſie ſich hartnäckig bei Tage, trieb es aber dafür nachts um ſo lebhafter. Man fand ihre Spuren überall, in der Höhe, wie in der Tiefe. Sie erkletterte Geſtelle von drei bis ſechs Fuß mit Leichtig- keit, wahrſcheinlich ſpringend; ſie durchkroch Ritzen und Oeffnungen von 1¾ Zoll Durchmeſſer, Drahtgeflechte z. B., welche wir zu ihrer Abſperrung als genügend erachtet haben würden. Jhr Gang iſt ein eigenthümliches Mittelding zwiſchen dem Lauf eines Kaninchens und dem ſatzweiſen Springen des Eichhorns; der Schwanz, welcher in der Ruhe ſtets nach oben eingerollt getragen wird, ſtreckt ſich, ſobald das Thier den Lauf beſchleunigt. Beim Sitzen oder wenn ſie aufrecht ſteht, ſtützt ſich die Chinchilla leicht auf den Schwanz, außerdem wird er immer frei getragen. Die Vorderfüße werden im Sitzen eingezogen und an die Bruſt gelegt. Die langen Schnurren ſind fortwährend in reger Bewegung; die Ohren, welche in der Ruhe theilweiſe eingerollt werden, richten ſich, ſobald ein ver- dächtiges Geräuſch vernommen wird, ganz nach vorn. — Dem Lichte entflieht die Chinchilla faſt ängſtlich; ſie ſucht immer die dunkelſten Stellen. Hier ſetzt ſie ſich mit zuſammengezogenem Leibe feſt. Eine Höhlung wird ſofort als Zufluchtsort benutzt. Jhre Stimme, ein ſcharfes Knurren nach Art des Kaninchens, vernimmt man nur, wenn man ſie berührt. Sie läßt Dies ungern zu, verſucht auch, wenn ſie gepackt wird, ſich durch plötzliche, ſchnellende Bewegungen zu befreien, bedient ſich aber niemals ihres Gebiſſes zur Vertheidigung. — So viel wir bisjetzt wiſſen, zieht unſere Gefan- gene Heu und Gras jeder übrigen Nahrung vor. Körner ſcheint ſie zu verſchmähen, ſaftige Wur-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/214>, abgerufen am 23.11.2024.