Die Thiere sind ganz allerliebst. Sie sehen aus wie kleine Murmelthiere oder wie Hamster und ähneln namentlich den letzteren vielfach in ihrem Wesen. Jhr Aufenthalt sind die verhältniß- mäßig trockenen Stellen des Morastes, welcher einen so großen Theil von Norwegen bedeckt. Sie bewohnen hier kleine Höhlungen unter Steinen oder im Mos; doch trifft man sie auch oft umher- schweifend zwischen den kleinen Hügeln an, welche sich aus dem Sumpfe erheben. Selten bemerkt man ausgetretene Gänge, welche von einer Höhle zu der anderen führen. Größere Gänge schürfen sie sich nur im Schnee. Sie sind bei Tag und Nacht munter und in Bewegung. Jhr Gang ist trippelnd, aber rasch, wenn auch der Mensch sie leicht einzuholen vermag. Auf der Flucht zeigen sie sich über- aus geschickt, indem sie jede trockne Stelle, auch in dem ärgsten Sumpf, herauszusuchen und als Brücke zu benutzen wissen. Das Wasser meiden sie mit einer gewissen Scheu, und wenn man sie in ein größeres Wasserbecken oder in ein Flüßchen wirft, quieken und knurren sie sehr ärgerlich und suchen, so schnell als möglich das trockene Land wieder zu gewinnen. Gewöhnlich verrathen sie sich selbst. Sie sitzen oft ganz ruhig und wohlversteckt in ihren Löchern und würden sicherlich nicht von den Vorübergehenden bemerkt werden; aber die Erscheinung eines Menschen erregt sie viel zu sehr, als daß sie schweigen könnten. Sie begrüßen deshalb mit lautem Quieken und Grunzen nach Meer- schweinchenart den Eindringling in ihr Gehege, gleichsam, als wollten sie ihm das Betreten ihres Gebietes verwehren. Nur während sie umherlaufen, nehmen sie die Flucht, wenn man auf sie zu- geht. Sie eilen dann nach irgend einem der unzähligen Löcher und setzen sich dort fest. Dann gehen sie nicht mehr zurück, sondern lassen es darauf ankommen, todtgeschlagen oder weggenommen zu werden. Mir machten die muthigen Kerlchen unglaublichen Spaß; ich konnte nie unterlassen, sie zum Kampfe herauszufordern. Sobald man in nächste Nähe ihrer Höhle gelangt, springen sie aus derselben hervor, quieken, grunzen, richten sich auf, beugen den Kopf zurück, so daß er fest auf dem Rücken zu liegen kommt und schauen nun mit den kleinen Augen so grimmig auf den Gegner, daß man wirklich unschlüssig wird, ob man sie aufnehmen soll oder nicht. Wenn sie einmal gestellt sind, denken sie gar nicht daran, wieder zurückzuweichen. Hält man ihnen den Stiefel vor, so beißen sie in denselben; ja, sie beißen selbst in den Stock oder in die Gewehrläufe, wenn sie auch merken, daß sie hier Nichts ausrichten können. Manche bissen sich so fest in meine Beinkleider ein, daß ich sie kaum wieder abschütteln konnte. Bei solchen Kämpfen gerathen sie in große Wuth und ähneln dann ganz den bösartigen Hamstern. Wenn man ihnen recht rasch auf den Leib kommt, laufen sie rückwärts mit aufgerichtetem Kopfe, solange der Weg glatt ist, und quieken und grunzen dabei nach Leibeskräften; stoßen sie aber auf ein Hinderniß, so halten sie wieder tapfer und muthig Stand und lassen sich lieber fangen, als daß sie durch einen kleinen Umweg sich freizumachen suchten. Zuweilen springen sie auch mit kleinen Sätzen auf ihren Gegner los. Sie scheinen sich überhaupt vor keinem Thiere zu fürchten, weil sie so gar tolldreist auf jedes Geschöpf losgehen. Jn den Straßen werden viele überfahren, weil sie sich trotzig mitten in den Weg stellen und nicht weichen wollen. Die Hunde auf den Höfen beißen eine Menge todt, und die Katzen verzehren wahrscheinlich soviele, daß sie immer satt sind; wenigstens könnte ich mir sonst nicht erklären, daß die Katzen der Postwechselstelle Fogstuen auf dem Dovre ganz ruhig neben den Lemmingen vorübergehen, ohne sich um sie zu bekümmern. Jm Winter schürfen sie sich, wie bemerkt, lange Gänge in den Schnee, und in diesen hinein bauen sie sich auch, wie ich bei der Schneeschmelze bemerkte, große dickwandige Nester aus zerbissenem Grase. Die Nester stehen etwa acht bis zehn Zoll über dem Boden, und von ihnen aus führen lange Gänge nach mehreren Seiten hin durch den Schnee, von denen die meisten bald bis auf die Mosdecke sich herabsenken und dann, wie die Gänge unserer Wühlmäuse, halb zwischen dem Mos und halb im Schnee weiter geführt werden. Aber die Lemminge laufen auch auf dem Schnee herum oder setzen wenigstens über die großen Schnee- felder in der Höhe des Gebirges.
Jhre Jungen werden nach Versicherung meines alten Jägers in den Nestern geworfen, welche sie bewohnen. Mir selbst glückte es nicht, eines dieser Nester aufzufinden, und fast wollte es mir scheinen, als gäbe es zur Zeit meines Aufenthaltes auf dem Dovrefjeld noch gar keine Junge. Linne sagt,
Die Wühlmäuſe. — Der Lemming.
Die Thiere ſind ganz allerliebſt. Sie ſehen aus wie kleine Murmelthiere oder wie Hamſter und ähneln namentlich den letzteren vielfach in ihrem Weſen. Jhr Aufenthalt ſind die verhältniß- mäßig trockenen Stellen des Moraſtes, welcher einen ſo großen Theil von Norwegen bedeckt. Sie bewohnen hier kleine Höhlungen unter Steinen oder im Mos; doch trifft man ſie auch oft umher- ſchweifend zwiſchen den kleinen Hügeln an, welche ſich aus dem Sumpfe erheben. Selten bemerkt man ausgetretene Gänge, welche von einer Höhle zu der anderen führen. Größere Gänge ſchürfen ſie ſich nur im Schnee. Sie ſind bei Tag und Nacht munter und in Bewegung. Jhr Gang iſt trippelnd, aber raſch, wenn auch der Menſch ſie leicht einzuholen vermag. Auf der Flucht zeigen ſie ſich über- aus geſchickt, indem ſie jede trockne Stelle, auch in dem ärgſten Sumpf, herauszuſuchen und als Brücke zu benutzen wiſſen. Das Waſſer meiden ſie mit einer gewiſſen Scheu, und wenn man ſie in ein größeres Waſſerbecken oder in ein Flüßchen wirft, quieken und knurren ſie ſehr ärgerlich und ſuchen, ſo ſchnell als möglich das trockene Land wieder zu gewinnen. Gewöhnlich verrathen ſie ſich ſelbſt. Sie ſitzen oft ganz ruhig und wohlverſteckt in ihren Löchern und würden ſicherlich nicht von den Vorübergehenden bemerkt werden; aber die Erſcheinung eines Menſchen erregt ſie viel zu ſehr, als daß ſie ſchweigen könnten. Sie begrüßen deshalb mit lautem Quieken und Grunzen nach Meer- ſchweinchenart den Eindringling in ihr Gehege, gleichſam, als wollten ſie ihm das Betreten ihres Gebietes verwehren. Nur während ſie umherlaufen, nehmen ſie die Flucht, wenn man auf ſie zu- geht. Sie eilen dann nach irgend einem der unzähligen Löcher und ſetzen ſich dort feſt. Dann gehen ſie nicht mehr zurück, ſondern laſſen es darauf ankommen, todtgeſchlagen oder weggenommen zu werden. Mir machten die muthigen Kerlchen unglaublichen Spaß; ich konnte nie unterlaſſen, ſie zum Kampfe herauszufordern. Sobald man in nächſte Nähe ihrer Höhle gelangt, ſpringen ſie aus derſelben hervor, quieken, grunzen, richten ſich auf, beugen den Kopf zurück, ſo daß er feſt auf dem Rücken zu liegen kommt und ſchauen nun mit den kleinen Augen ſo grimmig auf den Gegner, daß man wirklich unſchlüſſig wird, ob man ſie aufnehmen ſoll oder nicht. Wenn ſie einmal geſtellt ſind, denken ſie gar nicht daran, wieder zurückzuweichen. Hält man ihnen den Stiefel vor, ſo beißen ſie in denſelben; ja, ſie beißen ſelbſt in den Stock oder in die Gewehrläufe, wenn ſie auch merken, daß ſie hier Nichts ausrichten können. Manche biſſen ſich ſo feſt in meine Beinkleider ein, daß ich ſie kaum wieder abſchütteln konnte. Bei ſolchen Kämpfen gerathen ſie in große Wuth und ähneln dann ganz den bösartigen Hamſtern. Wenn man ihnen recht raſch auf den Leib kommt, laufen ſie rückwärts mit aufgerichtetem Kopfe, ſolange der Weg glatt iſt, und quieken und grunzen dabei nach Leibeskräften; ſtoßen ſie aber auf ein Hinderniß, ſo halten ſie wieder tapfer und muthig Stand und laſſen ſich lieber fangen, als daß ſie durch einen kleinen Umweg ſich freizumachen ſuchten. Zuweilen ſpringen ſie auch mit kleinen Sätzen auf ihren Gegner los. Sie ſcheinen ſich überhaupt vor keinem Thiere zu fürchten, weil ſie ſo gar tolldreiſt auf jedes Geſchöpf losgehen. Jn den Straßen werden viele überfahren, weil ſie ſich trotzig mitten in den Weg ſtellen und nicht weichen wollen. Die Hunde auf den Höfen beißen eine Menge todt, und die Katzen verzehren wahrſcheinlich ſoviele, daß ſie immer ſatt ſind; wenigſtens könnte ich mir ſonſt nicht erklären, daß die Katzen der Poſtwechſelſtelle Fogstuen auf dem Dovre ganz ruhig neben den Lemmingen vorübergehen, ohne ſich um ſie zu bekümmern. Jm Winter ſchürfen ſie ſich, wie bemerkt, lange Gänge in den Schnee, und in dieſen hinein bauen ſie ſich auch, wie ich bei der Schneeſchmelze bemerkte, große dickwandige Neſter aus zerbiſſenem Graſe. Die Neſter ſtehen etwa acht bis zehn Zoll über dem Boden, und von ihnen aus führen lange Gänge nach mehreren Seiten hin durch den Schnee, von denen die meiſten bald bis auf die Mosdecke ſich herabſenken und dann, wie die Gänge unſerer Wühlmäuſe, halb zwiſchen dem Mos und halb im Schnee weiter geführt werden. Aber die Lemminge laufen auch auf dem Schnee herum oder ſetzen wenigſtens über die großen Schnee- felder in der Höhe des Gebirges.
Jhre Jungen werden nach Verſicherung meines alten Jägers in den Neſtern geworfen, welche ſie bewohnen. Mir ſelbſt glückte es nicht, eines dieſer Neſter aufzufinden, und faſt wollte es mir ſcheinen, als gäbe es zur Zeit meines Aufenthaltes auf dem Dovrefjeld noch gar keine Junge. Linné ſagt,
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Die Wühlmäuſe. — Der Lemming.
Die Thiere ſind ganz allerliebſt. Sie ſehen aus wie kleine Murmelthiere oder wie Hamſter
und ähneln namentlich den letzteren vielfach in ihrem Weſen. Jhr Aufenthalt ſind die verhältniß-
mäßig trockenen Stellen des Moraſtes, welcher einen ſo großen Theil von Norwegen bedeckt. Sie
bewohnen hier kleine Höhlungen unter Steinen oder im Mos; doch trifft man ſie auch oft umher-
ſchweifend zwiſchen den kleinen Hügeln an, welche ſich aus dem Sumpfe erheben. Selten bemerkt
man ausgetretene Gänge, welche von einer Höhle zu der anderen führen. Größere Gänge ſchürfen ſie
ſich nur im Schnee. Sie ſind bei Tag und Nacht munter und in Bewegung. Jhr Gang iſt trippelnd,
aber raſch, wenn auch der Menſch ſie leicht einzuholen vermag. Auf der Flucht zeigen ſie ſich über-
aus geſchickt, indem ſie jede trockne Stelle, auch in dem ärgſten Sumpf, herauszuſuchen und als
Brücke zu benutzen wiſſen. Das Waſſer meiden ſie mit einer gewiſſen Scheu, und wenn man ſie in
ein größeres Waſſerbecken oder in ein Flüßchen wirft, quieken und knurren ſie ſehr ärgerlich und
ſuchen, ſo ſchnell als möglich das trockene Land wieder zu gewinnen. Gewöhnlich verrathen ſie ſich
ſelbſt. Sie ſitzen oft ganz ruhig und wohlverſteckt in ihren Löchern und würden ſicherlich nicht von
den Vorübergehenden bemerkt werden; aber die Erſcheinung eines Menſchen erregt ſie viel zu ſehr,
als daß ſie ſchweigen könnten. Sie begrüßen deshalb mit lautem Quieken und Grunzen nach Meer-
ſchweinchenart den Eindringling in ihr Gehege, gleichſam, als wollten ſie ihm das Betreten ihres
Gebietes verwehren. Nur während ſie umherlaufen, nehmen ſie die Flucht, wenn man auf ſie zu-
geht. Sie eilen dann nach irgend einem der unzähligen Löcher und ſetzen ſich dort feſt. Dann gehen
ſie nicht mehr zurück, ſondern laſſen es darauf ankommen, todtgeſchlagen oder weggenommen zu
werden. Mir machten die muthigen Kerlchen unglaublichen Spaß; ich konnte nie unterlaſſen, ſie
zum Kampfe herauszufordern. Sobald man in nächſte Nähe ihrer Höhle gelangt, ſpringen ſie aus
derſelben hervor, quieken, grunzen, richten ſich auf, beugen den Kopf zurück, ſo daß er feſt auf dem
Rücken zu liegen kommt und ſchauen nun mit den kleinen Augen ſo grimmig auf den Gegner, daß
man wirklich unſchlüſſig wird, ob man ſie aufnehmen ſoll oder nicht. Wenn ſie einmal geſtellt ſind,
denken ſie gar nicht daran, wieder zurückzuweichen. Hält man ihnen den Stiefel vor, ſo beißen ſie in
denſelben; ja, ſie beißen ſelbſt in den Stock oder in die Gewehrläufe, wenn ſie auch merken, daß ſie
hier Nichts ausrichten können. Manche biſſen ſich ſo feſt in meine Beinkleider ein, daß ich ſie kaum
wieder abſchütteln konnte. Bei ſolchen Kämpfen gerathen ſie in große Wuth und ähneln dann ganz
den bösartigen Hamſtern. Wenn man ihnen recht raſch auf den Leib kommt, laufen ſie rückwärts mit
aufgerichtetem Kopfe, ſolange der Weg glatt iſt, und quieken und grunzen dabei nach Leibeskräften;
ſtoßen ſie aber auf ein Hinderniß, ſo halten ſie wieder tapfer und muthig Stand und laſſen ſich lieber
fangen, als daß ſie durch einen kleinen Umweg ſich freizumachen ſuchten. Zuweilen ſpringen ſie auch
mit kleinen Sätzen auf ihren Gegner los. Sie ſcheinen ſich überhaupt vor keinem Thiere zu fürchten,
weil ſie ſo gar tolldreiſt auf jedes Geſchöpf losgehen. Jn den Straßen werden viele überfahren, weil
ſie ſich trotzig mitten in den Weg ſtellen und nicht weichen wollen. Die Hunde auf den Höfen beißen
eine Menge todt, und die Katzen verzehren wahrſcheinlich ſoviele, daß ſie immer ſatt ſind; wenigſtens
könnte ich mir ſonſt nicht erklären, daß die Katzen der Poſtwechſelſtelle Fogstuen auf dem Dovre
ganz ruhig neben den Lemmingen vorübergehen, ohne ſich um ſie zu bekümmern. Jm Winter ſchürfen
ſie ſich, wie bemerkt, lange Gänge in den Schnee, und in dieſen hinein bauen ſie ſich auch, wie ich bei
der Schneeſchmelze bemerkte, große dickwandige Neſter aus zerbiſſenem Graſe. Die Neſter ſtehen etwa
acht bis zehn Zoll über dem Boden, und von ihnen aus führen lange Gänge nach mehreren Seiten hin
durch den Schnee, von denen die meiſten bald bis auf die Mosdecke ſich herabſenken und dann, wie
die Gänge unſerer Wühlmäuſe, halb zwiſchen dem Mos und halb im Schnee weiter geführt werden.
Aber die Lemminge laufen auch auf dem Schnee herum oder ſetzen wenigſtens über die großen Schnee-
felder in der Höhe des Gebirges.
Jhre Jungen werden nach Verſicherung meines alten Jägers in den Neſtern geworfen, welche ſie
bewohnen. Mir ſelbſt glückte es nicht, eines dieſer Neſter aufzufinden, und faſt wollte es mir ſcheinen,
als gäbe es zur Zeit meines Aufenthaltes auf dem Dovrefjeld noch gar keine Junge. Linné ſagt,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/182>, abgerufen am 28.11.2024.
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