unglaublicher Anzahl vorkommt. Bis in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts genoß sie in Europa die Alleinherrschaft; von dieser Zeit an hat ihr die Wanderratte das Gebiet streitig gemacht, und damit ist sie auch mehr und mehr zurückgedrängt und ausgerottet worden. Anfangs haben beide eine Zeitlang neben einander gewohnt; aber bald ist jene überwiegend geworden, und sie ist in dem- selben Maße verschwunden, wie die Wanderratte vordrang. Doch ist sie auch zur Zeit noch so ziemlich über alle Theile der Erde verbreitet, vielleicht mit Ausnahme der kältesten Länder; aber sie kommt nicht mehr in geschlossenen Massen, sondern überall nur einzeln vor. Auch sie folgte dem Menschen durch alle Klimate der Erde, sie wanderte mit ihm zu Land und zu Meer durch die Welt. Unzweifel- haft war sie früher in Amerika, Australien und Afrika nicht heimisch, aber die Schiffe brachten sie an alle Küsten, und von den Küsten aus wanderte sie weiter und weiter in die Länder hinein. Gegenwärtig findet man sie noch in den südlichen Theilen von Asien, zumal in Persien und Jndien, in Afrika, vor-
[Abbildung]
Die gewöhnliche Hausratte (Mus Rattus).
züglich in Egypten und der Berberei, sowie im Kap der guten Hoffnung, in Amerika aller Orten und in Australien nicht nur in jeder europäischen Ansiedlung, sondern auch auf den fernsten Jn- seln des stillen Weltmeeres.
Die Wanderratte (Mus decumanus) ist um ein Beträchtliches größer, nämlich gegen 16 Zoll lang, wovon auf den Schwanz nur sieben Zoll kommen. Jhre Färbung ist auf der Ober- und Unterseite des Leibes verschieden; sie ist zweifarbig. Der ganze Obertheil des Körpers und Schwan- zes ist bräunlichgrau, die Unterseite scharf abgesetzt grauweiß; der Schwanz hat ungefähr 210 Schup- penringe, die Gaumenfalten sind gekörnt. Gewöhnlich ist die Mittellinie des Rückens etwas dunkler, als die Seite des Leibes, welche mehr ins Gelblichgraue spielt. Der Haargrund ist oben braungrau, unten lichter, meist blaßgrau. Zuweilen finden sich auf der Oberseite der Vorderfüße eigentlich bräunliche Härchen, auch kommen ganz weiße Thiere mit rothen Augen vor.
Die gewöhnliche Hausratte.
unglaublicher Anzahl vorkommt. Bis in die erſte Hälfte des vorigen Jahrhunderts genoß ſie in Europa die Alleinherrſchaft; von dieſer Zeit an hat ihr die Wanderratte das Gebiet ſtreitig gemacht, und damit iſt ſie auch mehr und mehr zurückgedrängt und ausgerottet worden. Anfangs haben beide eine Zeitlang neben einander gewohnt; aber bald iſt jene überwiegend geworden, und ſie iſt in dem- ſelben Maße verſchwunden, wie die Wanderratte vordrang. Doch iſt ſie auch zur Zeit noch ſo ziemlich über alle Theile der Erde verbreitet, vielleicht mit Ausnahme der kälteſten Länder; aber ſie kommt nicht mehr in geſchloſſenen Maſſen, ſondern überall nur einzeln vor. Auch ſie folgte dem Menſchen durch alle Klimate der Erde, ſie wanderte mit ihm zu Land und zu Meer durch die Welt. Unzweifel- haft war ſie früher in Amerika, Auſtralien und Afrika nicht heimiſch, aber die Schiffe brachten ſie an alle Küſten, und von den Küſten aus wanderte ſie weiter und weiter in die Länder hinein. Gegenwärtig findet man ſie noch in den ſüdlichen Theilen von Aſien, zumal in Perſien und Jndien, in Afrika, vor-
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Die gewöhnliche Hausratte (Mus Rattus).
züglich in Egypten und der Berberei, ſowie im Kap der guten Hoffnung, in Amerika aller Orten und in Auſtralien nicht nur in jeder europäiſchen Anſiedlung, ſondern auch auf den fernſten Jn- ſeln des ſtillen Weltmeeres.
Die Wanderratte (Mus decumanus) iſt um ein Beträchtliches größer, nämlich gegen 16 Zoll lang, wovon auf den Schwanz nur ſieben Zoll kommen. Jhre Färbung iſt auf der Ober- und Unterſeite des Leibes verſchieden; ſie iſt zweifarbig. Der ganze Obertheil des Körpers und Schwan- zes iſt bräunlichgrau, die Unterſeite ſcharf abgeſetzt grauweiß; der Schwanz hat ungefähr 210 Schup- penringe, die Gaumenfalten ſind gekörnt. Gewöhnlich iſt die Mittellinie des Rückens etwas dunkler, als die Seite des Leibes, welche mehr ins Gelblichgraue ſpielt. Der Haargrund iſt oben braungrau, unten lichter, meiſt blaßgrau. Zuweilen finden ſich auf der Oberſeite der Vorderfüße eigentlich bräunliche Härchen, auch kommen ganz weiße Thiere mit rothen Augen vor.
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Die gewöhnliche Hausratte.
unglaublicher Anzahl vorkommt. Bis in die erſte Hälfte des vorigen Jahrhunderts genoß ſie in
Europa die Alleinherrſchaft; von dieſer Zeit an hat ihr die Wanderratte das Gebiet ſtreitig gemacht,
und damit iſt ſie auch mehr und mehr zurückgedrängt und ausgerottet worden. Anfangs haben beide
eine Zeitlang neben einander gewohnt; aber bald iſt jene überwiegend geworden, und ſie iſt in dem-
ſelben Maße verſchwunden, wie die Wanderratte vordrang. Doch iſt ſie auch zur Zeit noch ſo ziemlich
über alle Theile der Erde verbreitet, vielleicht mit Ausnahme der kälteſten Länder; aber ſie kommt
nicht mehr in geſchloſſenen Maſſen, ſondern überall nur einzeln vor. Auch ſie folgte dem Menſchen
durch alle Klimate der Erde, ſie wanderte mit ihm zu Land und zu Meer durch die Welt. Unzweifel-
haft war ſie früher in Amerika, Auſtralien und Afrika nicht heimiſch, aber die Schiffe brachten ſie an
alle Küſten, und von den Küſten aus wanderte ſie weiter und weiter in die Länder hinein. Gegenwärtig
findet man ſie noch in den ſüdlichen Theilen von Aſien, zumal in Perſien und Jndien, in Afrika, vor-
[Abbildung Die gewöhnliche Hausratte (Mus Rattus).]
züglich in Egypten und der Berberei, ſowie im Kap der guten Hoffnung, in Amerika aller Orten
und in Auſtralien nicht nur in jeder europäiſchen Anſiedlung, ſondern auch auf den fernſten Jn-
ſeln des ſtillen Weltmeeres.
Die Wanderratte (Mus decumanus) iſt um ein Beträchtliches größer, nämlich gegen 16 Zoll
lang, wovon auf den Schwanz nur ſieben Zoll kommen. Jhre Färbung iſt auf der Ober- und
Unterſeite des Leibes verſchieden; ſie iſt zweifarbig. Der ganze Obertheil des Körpers und Schwan-
zes iſt bräunlichgrau, die Unterſeite ſcharf abgeſetzt grauweiß; der Schwanz hat ungefähr 210 Schup-
penringe, die Gaumenfalten ſind gekörnt. Gewöhnlich iſt die Mittellinie des Rückens etwas dunkler,
als die Seite des Leibes, welche mehr ins Gelblichgraue ſpielt. Der Haargrund iſt oben braungrau,
unten lichter, meiſt blaßgrau. Zuweilen finden ſich auf der Oberſeite der Vorderfüße eigentlich
bräunliche Härchen, auch kommen ganz weiße Thiere mit rothen Augen vor.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/133>, abgerufen am 26.11.2024.
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