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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Jgel. -- Gemeiner Jgel.
ersteigt er Höhen von 8000 Fuß; in den Karpathen fehlt er. Er findet sich ebensowohl in flachen, wie
in bergigen Gegenden, in Wäldern, Auen, in Feldern und in Gärten, und ist in ganz Deutschland
eigentlich nirgends selten, aber auch nirgends häufig. Weit zahlreicher ist er in Rußland, wo er, wie
es scheint, besonders geschont wird, und Reinecke und der Uhu, seine Hauptfeinde aus dem Thier-
reiche, soviel andere Nahrung haben, daß sie ihn in Frieden lassen können. Laubholz mit dichtem
Gebüsch oder faule, an der Wurzel ausgehöhlte Bäume, Hecken in Gärten, Haufen von Mist und
Laub, Löcher in Umhegungsmauern, kurz Orte, welche ihm Schlupfwinkel gewähren, wissen ihn zu
fesseln, und hier darf man auch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, ihn jahraus, jahrein zu
finden. Will man ihn hegen und pflegen, so muß man sein hauptsächlichstes Augenmerk auf Anlegung
derartiger Zufluchtsorte richten. "Früher," sagt Lenz, "hatte ich in meinem Garten mit Stroh ge-
füllte, in Abtheilungen gebrachte und mit niederen Gängen versehene Häuschen für die Jgel, stellte
ihnen auch Milch zum Saufen hin und kaufte zu der Vermehrung neue. Sie zogen aber meinen Zaun
und noch mehr einen großen, aus Reisig und Dornen aufgebauten Haufen vor; durch das Anschaffen
neuer aber brachte ich gar keine Vermehrung zu Stande, wahrscheinlich weil sie, ihre Heimat suchend,
entflohen. Jetzt habe ich dagegen in dem genannten Garten ein zweihundert Schritt langes Wäldchen
angelegt, dessen Buschwerk dicht in einander schließt und wo alle geringen Lücken jährlich mit Dornen
beworfen werden, so daß sich weder ein Mensch, noch ein Hund darin herumtreiben kann. Hier steht
eine Anzahl Kästchen, die einen halben Fuß lang und breit, einen Fuß hoch, unten und an einer Seite
offen sind und den Jgeln eine gute Winterherberge geben. Dieses Wäldchen behagt ihnen gar sehr,
und neben ihnen tummeln sich Drosseln, Rothkehlchen, Zaunkönige, Goldammern und Gras-
mücken
lustig herum." Jch möchte meinen Lesern anrathen, wenn sie es können, ebenso Schlupf-
winkel für den unschuldig Geächteten anzulegen. Aus dem Folgenden mag hervorgehen, warum.

Der Jgel ist ein drolliger Kauz und dabei ein guter, furchtsamer Kerl, welcher sich ehrlich und
redlich, unter Mühe und Arbeit durchs Leben schlägt. Er ist wenig zum Gesellschafter geeignet,
und deshalb findet er sich auch stets allein oder höchstens in Gesellschaft mit seinem Weibchen. Unter
den dichtesten Gebüschen, unter Reisighaufen oder in Hecken hat sich jeder einzeln sein Lager auf-
geschlagen und möglichst bequem zurechtgemacht. Es ist ein großes Nest aus Blättern, Stroh
und Heu, welches in einer Höhle oder unter dichtem Gezweig angelegt wird. Findet er nicht selbst
eine schon vorhandene Höhle, so gräbt er sich mit vieler Arbeit eine eigne Wohnung und füttert diese
aus. Sie reicht etwa einen Fuß tief in die Erde und ist mit zwei Ausgängen versehen, von denen
der eine in der Regel nach Mittag, der andere gegen Mitternacht gelegt ist. Allein diese Thüren ver-
ändert er, wie das Eichhorn, zumal hei heftigem Nord- oder Südwind. Jn hohem Getreide gräbt
er sich selten eine Höhle, sondern macht sich blos ein großes Nest. Die Wohnung des Weibchens ist
fast immer nicht weit von der des Männchens, gewöhnlich in ein und demselben Garten. Es kommt
wohl auch vor, daß beide Jgel sich in der warmen Jahreszeit in ein Nest legen, ja zärtliche Jgel ver-
mögen es gar nicht, sich von ihrer Schönen zu trennen, und theilen regelmäßig das Lager mit ihr.
Dabei spielen sie oft recht allerliebst mit einander, necken und jagen sich gegenseitig, kurz, kosen zu-
sammen, wie Verliebte Dies überhaupt zu thun pflegen. Wenn der Ort ganz sicher ist, sieht man die
beiden Gatten wohl auch bei Tage ihre Liebesspiele und Scherze treiben, an halbwegs lauten Orten
aber erscheinen sie blos zur Nachtzeit. Man hört, wie ich oben andeutete, ein Geraschel im Laube
und sieht den Jgel plötzlich in schnurgerader Richtung weglaufen, trotz der schnell trippelnden Schritte
langsam und ziemlich schwerfällig. Dabei schnuppert er mit der Nase, wie ein Spürhund, beständig
auf dem Boden und beriecht jeden Gegenstand, welchen er unterwegs trifft, sehr sorgfältig. Bei solchen
Wanderungen trieft ihm beständig Wasser aus Mund und Nase, und man behauptet, daß er den
Rückweg nach seiner Wohnung durch das Wittern dieser Flüssigkeit wieder auffinde. Jch glaube nicht
daran, weil ich oft die große Ortskenntniß des Thieres bemerken konnte. Hört unser Stachelheld auf
seinem Wege etwas Verdächtiges, so bleibt er |stehen, lauscht und wittert, und man sieht dabei recht
deutlich, daß der Sinn des Geruchs bei weitem der schärffte ist, zumal im Vergleich zum Gesicht.

Die Raubthiere. Jgel. — Gemeiner Jgel.
erſteigt er Höhen von 8000 Fuß; in den Karpathen fehlt er. Er findet ſich ebenſowohl in flachen, wie
in bergigen Gegenden, in Wäldern, Auen, in Feldern und in Gärten, und iſt in ganz Deutſchland
eigentlich nirgends ſelten, aber auch nirgends häufig. Weit zahlreicher iſt er in Rußland, wo er, wie
es ſcheint, beſonders geſchont wird, und Reinecke und der Uhu, ſeine Hauptfeinde aus dem Thier-
reiche, ſoviel andere Nahrung haben, daß ſie ihn in Frieden laſſen können. Laubholz mit dichtem
Gebüſch oder faule, an der Wurzel ausgehöhlte Bäume, Hecken in Gärten, Haufen von Miſt und
Laub, Löcher in Umhegungsmauern, kurz Orte, welche ihm Schlupfwinkel gewähren, wiſſen ihn zu
feſſeln, und hier darf man auch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, ihn jahraus, jahrein zu
finden. Will man ihn hegen und pflegen, ſo muß man ſein hauptſächlichſtes Augenmerk auf Anlegung
derartiger Zufluchtsorte richten. „Früher,‟ ſagt Lenz, „hatte ich in meinem Garten mit Stroh ge-
füllte, in Abtheilungen gebrachte und mit niederen Gängen verſehene Häuschen für die Jgel, ſtellte
ihnen auch Milch zum Saufen hin und kaufte zu der Vermehrung neue. Sie zogen aber meinen Zaun
und noch mehr einen großen, aus Reiſig und Dornen aufgebauten Haufen vor; durch das Anſchaffen
neuer aber brachte ich gar keine Vermehrung zu Stande, wahrſcheinlich weil ſie, ihre Heimat ſuchend,
entflohen. Jetzt habe ich dagegen in dem genannten Garten ein zweihundert Schritt langes Wäldchen
angelegt, deſſen Buſchwerk dicht in einander ſchließt und wo alle geringen Lücken jährlich mit Dornen
beworfen werden, ſo daß ſich weder ein Menſch, noch ein Hund darin herumtreiben kann. Hier ſteht
eine Anzahl Käſtchen, die einen halben Fuß lang und breit, einen Fuß hoch, unten und an einer Seite
offen ſind und den Jgeln eine gute Winterherberge geben. Dieſes Wäldchen behagt ihnen gar ſehr,
und neben ihnen tummeln ſich Droſſeln, Rothkehlchen, Zaunkönige, Goldammern und Gras-
mücken
luſtig herum.‟ Jch möchte meinen Leſern anrathen, wenn ſie es können, ebenſo Schlupf-
winkel für den unſchuldig Geächteten anzulegen. Aus dem Folgenden mag hervorgehen, warum.

Der Jgel iſt ein drolliger Kauz und dabei ein guter, furchtſamer Kerl, welcher ſich ehrlich und
redlich, unter Mühe und Arbeit durchs Leben ſchlägt. Er iſt wenig zum Geſellſchafter geeignet,
und deshalb findet er ſich auch ſtets allein oder höchſtens in Geſellſchaft mit ſeinem Weibchen. Unter
den dichteſten Gebüſchen, unter Reiſighaufen oder in Hecken hat ſich jeder einzeln ſein Lager auf-
geſchlagen und möglichſt bequem zurechtgemacht. Es iſt ein großes Neſt aus Blättern, Stroh
und Heu, welches in einer Höhle oder unter dichtem Gezweig angelegt wird. Findet er nicht ſelbſt
eine ſchon vorhandene Höhle, ſo gräbt er ſich mit vieler Arbeit eine eigne Wohnung und füttert dieſe
aus. Sie reicht etwa einen Fuß tief in die Erde und iſt mit zwei Ausgängen verſehen, von denen
der eine in der Regel nach Mittag, der andere gegen Mitternacht gelegt iſt. Allein dieſe Thüren ver-
ändert er, wie das Eichhorn, zumal hei heftigem Nord- oder Südwind. Jn hohem Getreide gräbt
er ſich ſelten eine Höhle, ſondern macht ſich blos ein großes Neſt. Die Wohnung des Weibchens iſt
faſt immer nicht weit von der des Männchens, gewöhnlich in ein und demſelben Garten. Es kommt
wohl auch vor, daß beide Jgel ſich in der warmen Jahreszeit in ein Neſt legen, ja zärtliche Jgel ver-
mögen es gar nicht, ſich von ihrer Schönen zu trennen, und theilen regelmäßig das Lager mit ihr.
Dabei ſpielen ſie oft recht allerliebſt mit einander, necken und jagen ſich gegenſeitig, kurz, koſen zu-
ſammen, wie Verliebte Dies überhaupt zu thun pflegen. Wenn der Ort ganz ſicher iſt, ſieht man die
beiden Gatten wohl auch bei Tage ihre Liebesſpiele und Scherze treiben, an halbwegs lauten Orten
aber erſcheinen ſie blos zur Nachtzeit. Man hört, wie ich oben andeutete, ein Geraſchel im Laube
und ſieht den Jgel plötzlich in ſchnurgerader Richtung weglaufen, trotz der ſchnell trippelnden Schritte
langſam und ziemlich ſchwerfällig. Dabei ſchnuppert er mit der Naſe, wie ein Spürhund, beſtändig
auf dem Boden und beriecht jeden Gegenſtand, welchen er unterwegs trifft, ſehr ſorgfältig. Bei ſolchen
Wanderungen trieft ihm beſtändig Waſſer aus Mund und Naſe, und man behauptet, daß er den
Rückweg nach ſeiner Wohnung durch das Wittern dieſer Flüſſigkeit wieder auffinde. Jch glaube nicht
daran, weil ich oft die große Ortskenntniß des Thieres bemerken konnte. Hört unſer Stachelheld auf
ſeinem Wege etwas Verdächtiges, ſo bleibt er |ſtehen, lauſcht und wittert, und man ſieht dabei recht
deutlich, daß der Sinn des Geruchs bei weitem der ſchärffte iſt, zumal im Vergleich zum Geſicht.

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[650/0728] Die Raubthiere. Jgel. — Gemeiner Jgel. erſteigt er Höhen von 8000 Fuß; in den Karpathen fehlt er. Er findet ſich ebenſowohl in flachen, wie in bergigen Gegenden, in Wäldern, Auen, in Feldern und in Gärten, und iſt in ganz Deutſchland eigentlich nirgends ſelten, aber auch nirgends häufig. Weit zahlreicher iſt er in Rußland, wo er, wie es ſcheint, beſonders geſchont wird, und Reinecke und der Uhu, ſeine Hauptfeinde aus dem Thier- reiche, ſoviel andere Nahrung haben, daß ſie ihn in Frieden laſſen können. Laubholz mit dichtem Gebüſch oder faule, an der Wurzel ausgehöhlte Bäume, Hecken in Gärten, Haufen von Miſt und Laub, Löcher in Umhegungsmauern, kurz Orte, welche ihm Schlupfwinkel gewähren, wiſſen ihn zu feſſeln, und hier darf man auch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, ihn jahraus, jahrein zu finden. Will man ihn hegen und pflegen, ſo muß man ſein hauptſächlichſtes Augenmerk auf Anlegung derartiger Zufluchtsorte richten. „Früher,‟ ſagt Lenz, „hatte ich in meinem Garten mit Stroh ge- füllte, in Abtheilungen gebrachte und mit niederen Gängen verſehene Häuschen für die Jgel, ſtellte ihnen auch Milch zum Saufen hin und kaufte zu der Vermehrung neue. Sie zogen aber meinen Zaun und noch mehr einen großen, aus Reiſig und Dornen aufgebauten Haufen vor; durch das Anſchaffen neuer aber brachte ich gar keine Vermehrung zu Stande, wahrſcheinlich weil ſie, ihre Heimat ſuchend, entflohen. Jetzt habe ich dagegen in dem genannten Garten ein zweihundert Schritt langes Wäldchen angelegt, deſſen Buſchwerk dicht in einander ſchließt und wo alle geringen Lücken jährlich mit Dornen beworfen werden, ſo daß ſich weder ein Menſch, noch ein Hund darin herumtreiben kann. Hier ſteht eine Anzahl Käſtchen, die einen halben Fuß lang und breit, einen Fuß hoch, unten und an einer Seite offen ſind und den Jgeln eine gute Winterherberge geben. Dieſes Wäldchen behagt ihnen gar ſehr, und neben ihnen tummeln ſich Droſſeln, Rothkehlchen, Zaunkönige, Goldammern und Gras- mücken luſtig herum.‟ Jch möchte meinen Leſern anrathen, wenn ſie es können, ebenſo Schlupf- winkel für den unſchuldig Geächteten anzulegen. Aus dem Folgenden mag hervorgehen, warum. Der Jgel iſt ein drolliger Kauz und dabei ein guter, furchtſamer Kerl, welcher ſich ehrlich und redlich, unter Mühe und Arbeit durchs Leben ſchlägt. Er iſt wenig zum Geſellſchafter geeignet, und deshalb findet er ſich auch ſtets allein oder höchſtens in Geſellſchaft mit ſeinem Weibchen. Unter den dichteſten Gebüſchen, unter Reiſighaufen oder in Hecken hat ſich jeder einzeln ſein Lager auf- geſchlagen und möglichſt bequem zurechtgemacht. Es iſt ein großes Neſt aus Blättern, Stroh und Heu, welches in einer Höhle oder unter dichtem Gezweig angelegt wird. Findet er nicht ſelbſt eine ſchon vorhandene Höhle, ſo gräbt er ſich mit vieler Arbeit eine eigne Wohnung und füttert dieſe aus. Sie reicht etwa einen Fuß tief in die Erde und iſt mit zwei Ausgängen verſehen, von denen der eine in der Regel nach Mittag, der andere gegen Mitternacht gelegt iſt. Allein dieſe Thüren ver- ändert er, wie das Eichhorn, zumal hei heftigem Nord- oder Südwind. Jn hohem Getreide gräbt er ſich ſelten eine Höhle, ſondern macht ſich blos ein großes Neſt. Die Wohnung des Weibchens iſt faſt immer nicht weit von der des Männchens, gewöhnlich in ein und demſelben Garten. Es kommt wohl auch vor, daß beide Jgel ſich in der warmen Jahreszeit in ein Neſt legen, ja zärtliche Jgel ver- mögen es gar nicht, ſich von ihrer Schönen zu trennen, und theilen regelmäßig das Lager mit ihr. Dabei ſpielen ſie oft recht allerliebſt mit einander, necken und jagen ſich gegenſeitig, kurz, koſen zu- ſammen, wie Verliebte Dies überhaupt zu thun pflegen. Wenn der Ort ganz ſicher iſt, ſieht man die beiden Gatten wohl auch bei Tage ihre Liebesſpiele und Scherze treiben, an halbwegs lauten Orten aber erſcheinen ſie blos zur Nachtzeit. Man hört, wie ich oben andeutete, ein Geraſchel im Laube und ſieht den Jgel plötzlich in ſchnurgerader Richtung weglaufen, trotz der ſchnell trippelnden Schritte langſam und ziemlich ſchwerfällig. Dabei ſchnuppert er mit der Naſe, wie ein Spürhund, beſtändig auf dem Boden und beriecht jeden Gegenſtand, welchen er unterwegs trifft, ſehr ſorgfältig. Bei ſolchen Wanderungen trieft ihm beſtändig Waſſer aus Mund und Naſe, und man behauptet, daß er den Rückweg nach ſeiner Wohnung durch das Wittern dieſer Flüſſigkeit wieder auffinde. Jch glaube nicht daran, weil ich oft die große Ortskenntniß des Thieres bemerken konnte. Hört unſer Stachelheld auf ſeinem Wege etwas Verdächtiges, ſo bleibt er |ſtehen, lauſcht und wittert, und man ſieht dabei recht deutlich, daß der Sinn des Geruchs bei weitem der ſchärffte iſt, zumal im Vergleich zum Geſicht.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/728>, abgerufen am 24.11.2024.