Winterleben. -- Beschreibung des gemeinen Bären. Seine Verbreitung.
dem ersten Haarwechsel sich mehr und mehr ausdehnt, dabei aber allmählich seine weiße Farbe ver- liert, schmuzig- oder bräunlichgelb, zuletzt auch gelbbraun wird, bis es endlich kaum mehr zu erkennen ist. Nur höchst selten erhalten sich einzelne weiße Flecken an den Seiten des Halfes bis in das spätere Alter.
Meister Petz ist eins der größten Landsäugethiere, welche wir in Europa überhaupt haben. Die Körperlänge eines vollkommen erwachsenen Männchens beträgt fünf bis sechs Fuß, wovon blos drei Zoll auf das Stumpfschwänzchen kommen. Die Höhe am Widerrist schwankt zwischen drei und vier Fuß. Ein so großer Bär erreicht ein Gewicht von 500 bis 600 Pfund. Jn der Jetztzeit dürften jedoch solche Prachtstücke sehr selten zu finden sein, und ein Männchen von fünf Fuß Länge und 400 bis 500 Pfund Gewicht gilt gegenwärtig bereits als ein sehr starker "Hauptbär." Die Bärin ist immer kleiner und bedeutend leichter, als der Bär. Mit den Jahren nehmen beide Ge- schlechter noch etwas an Größe und Stärke zu.
[Abbildung]
Der gemeine Bär (Ursus arctos).
Die guten Tage des Bären sind vorüber. Er kann sich nur an solchen Orten halten, denen der Mensch mit seiner Qual noch ferngeblieben ist. Der fortschreitende Anbau des Bodens, das Lichten der Urwaldungen, welche unser Europa noch besitzt, kurz, das Vordringen des Menschen nach allen Seiten hin, vertreibt unsern Petz mehr und mehr und wird ihn schließlich gänzlich, we- nigstens aus Süd- und Mitteleuropa, verbannen. Bereits gegenwärtig kommt der Bär in Mittel- deutschland wie auf den britischen Jnseln nicht mehr vor, und auch in seinen eigentlichen Heimats- ländern nimmt er von Jahr zu Jahr ab. Noch im siebzehnten Jahrhundert war er in Deutschland ein häufiger Gast: vom Jahre 1611 bis 1653 wurden in Sachsen allein 203 Stücke von ihm erlegt. Ende des sechzehnten Jahrhunderts waren die Bären in Thüringen noch regelmäßige Erscheinungen. Der Graf Georg Ernst von Henneberg erlegte in dem Amte Schmalkalden allein in zwei Jahren ihrer sieben. Damals fanden sie sich auf dem ganzen Walde in ziemlicher Menge vor; aber schon im Jahre 1686 wurden die letzten Bären in Thüringen beobachtet und einer von ihnen erlegt. Die
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Winterleben. — Beſchreibung des gemeinen Bären. Seine Verbreitung.
dem erſten Haarwechſel ſich mehr und mehr ausdehnt, dabei aber allmählich ſeine weiße Farbe ver- liert, ſchmuzig- oder bräunlichgelb, zuletzt auch gelbbraun wird, bis es endlich kaum mehr zu erkennen iſt. Nur höchſt ſelten erhalten ſich einzelne weiße Flecken an den Seiten des Halfes bis in das ſpätere Alter.
Meiſter Petz iſt eins der größten Landſäugethiere, welche wir in Europa überhaupt haben. Die Körperlänge eines vollkommen erwachſenen Männchens beträgt fünf bis ſechs Fuß, wovon blos drei Zoll auf das Stumpfſchwänzchen kommen. Die Höhe am Widerriſt ſchwankt zwiſchen drei und vier Fuß. Ein ſo großer Bär erreicht ein Gewicht von 500 bis 600 Pfund. Jn der Jetztzeit dürften jedoch ſolche Prachtſtücke ſehr ſelten zu finden ſein, und ein Männchen von fünf Fuß Länge und 400 bis 500 Pfund Gewicht gilt gegenwärtig bereits als ein ſehr ſtarker „Hauptbär.‟ Die Bärin iſt immer kleiner und bedeutend leichter, als der Bär. Mit den Jahren nehmen beide Ge- ſchlechter noch etwas an Größe und Stärke zu.
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Der gemeine Bär (Ursus arctos).
Die guten Tage des Bären ſind vorüber. Er kann ſich nur an ſolchen Orten halten, denen der Menſch mit ſeiner Qual noch ferngeblieben iſt. Der fortſchreitende Anbau des Bodens, das Lichten der Urwaldungen, welche unſer Europa noch beſitzt, kurz, das Vordringen des Menſchen nach allen Seiten hin, vertreibt unſern Petz mehr und mehr und wird ihn ſchließlich gänzlich, we- nigſtens aus Süd- und Mitteleuropa, verbannen. Bereits gegenwärtig kommt der Bär in Mittel- deutſchland wie auf den britiſchen Jnſeln nicht mehr vor, und auch in ſeinen eigentlichen Heimats- ländern nimmt er von Jahr zu Jahr ab. Noch im ſiebzehnten Jahrhundert war er in Deutſchland ein häufiger Gaſt: vom Jahre 1611 bis 1653 wurden in Sachſen allein 203 Stücke von ihm erlegt. Ende des ſechzehnten Jahrhunderts waren die Bären in Thüringen noch regelmäßige Erſcheinungen. Der Graf Georg Ernſt von Henneberg erlegte in dem Amte Schmalkalden allein in zwei Jahren ihrer ſieben. Damals fanden ſie ſich auf dem ganzen Walde in ziemlicher Menge vor; aber ſchon im Jahre 1686 wurden die letzten Bären in Thüringen beobachtet und einer von ihnen erlegt. Die
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Winterleben. — Beſchreibung des gemeinen Bären. Seine Verbreitung.
dem erſten Haarwechſel ſich mehr und mehr ausdehnt, dabei aber allmählich ſeine weiße Farbe ver-
liert, ſchmuzig- oder bräunlichgelb, zuletzt auch gelbbraun wird, bis es endlich kaum mehr zu erkennen
iſt. Nur höchſt ſelten erhalten ſich einzelne weiße Flecken an den Seiten des Halfes bis in das
ſpätere Alter.
Meiſter Petz iſt eins der größten Landſäugethiere, welche wir in Europa überhaupt haben.
Die Körperlänge eines vollkommen erwachſenen Männchens beträgt fünf bis ſechs Fuß, wovon
blos drei Zoll auf das Stumpfſchwänzchen kommen. Die Höhe am Widerriſt ſchwankt zwiſchen drei
und vier Fuß. Ein ſo großer Bär erreicht ein Gewicht von 500 bis 600 Pfund. Jn der Jetztzeit
dürften jedoch ſolche Prachtſtücke ſehr ſelten zu finden ſein, und ein Männchen von fünf Fuß Länge
und 400 bis 500 Pfund Gewicht gilt gegenwärtig bereits als ein ſehr ſtarker „Hauptbär.‟ Die
Bärin iſt immer kleiner und bedeutend leichter, als der Bär. Mit den Jahren nehmen beide Ge-
ſchlechter noch etwas an Größe und Stärke zu.
[Abbildung Der gemeine Bär (Ursus arctos).]
Die guten Tage des Bären ſind vorüber. Er kann ſich nur an ſolchen Orten halten, denen
der Menſch mit ſeiner Qual noch ferngeblieben iſt. Der fortſchreitende Anbau des Bodens, das
Lichten der Urwaldungen, welche unſer Europa noch beſitzt, kurz, das Vordringen des Menſchen
nach allen Seiten hin, vertreibt unſern Petz mehr und mehr und wird ihn ſchließlich gänzlich, we-
nigſtens aus Süd- und Mitteleuropa, verbannen. Bereits gegenwärtig kommt der Bär in Mittel-
deutſchland wie auf den britiſchen Jnſeln nicht mehr vor, und auch in ſeinen eigentlichen Heimats-
ländern nimmt er von Jahr zu Jahr ab. Noch im ſiebzehnten Jahrhundert war er in Deutſchland
ein häufiger Gaſt: vom Jahre 1611 bis 1653 wurden in Sachſen allein 203 Stücke von ihm erlegt.
Ende des ſechzehnten Jahrhunderts waren die Bären in Thüringen noch regelmäßige Erſcheinungen.
Der Graf Georg Ernſt von Henneberg erlegte in dem Amte Schmalkalden allein in zwei Jahren
ihrer ſieben. Damals fanden ſie ſich auf dem ganzen Walde in ziemlicher Menge vor; aber ſchon im
Jahre 1686 wurden die letzten Bären in Thüringen beobachtet und einer von ihnen erlegt. Die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/655>, abgerufen am 22.11.2024.
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