Seinen Freunden versicherte er steif und fest, ganz deutlich gehört zu haben, daß das erste Wiesel, welches ihn angriff, nach seinem Steinwurf entrüstet das Wort "Mörder" ausgerufen habe, -- und wir wollen diesem Manne diese Uebertreibung auch gern verzeihen, da das Geknurr eines wüthenden Wiesels wenigstens die beiden "r" jenes Wortes entschieden ausdrückt."
Das Hermelin jagt und frißt fast alle Arten kleiner Säugethiere und Vögel, die es erlisten kann, und wagt sich gar nicht selten auch an Beute, welche ihn an Leibesgröße bedeutend übertrifft. Mäuse, Maulwürfe, Hamster, Kaninchen, Sperlinge, Lerchen, Tauben, Hühner, junge Schwalben, welche es aus den Nestern holt, Schlangen und Eidechsen werden beständig von ihm befehdet, und selbst Hasen sind gar nicht vor ihm sicher. Vor einigen Jahren sah Lenz einmal fünf Hermeline bei einem Gartenzaune auf einem kranken Hasen sitzen, um ihn zu erwürgen. Derselbe Beobachter fügt hinzu, daß gesunde und große Hasen natürlich vor dem Wiesel sicher seien und blos kranke und junge ihm zur Beute fielen, doch versichern englische Naturforscher, daß das freche Thier auch gesunde übersiele. Hope hörte den lauten Angstschrei eines Hasen und wollte nach dem Orte hingehen, um sich von der Ursache zu überzeugen. Er sah einen Hasen dahinhinken, welcher offenbar von irgend Etwas auf das äußerste gequält wurde. Dieses Etwas hing ihm an der Seite der Brust, wie ein Blutegel angesaugt, und beim Näherkommen erkannte unser Beobachter, daß es ein Wiesel war. Der Hase schleppte seinen furchtbaren Feind noch mit sich fort und verschwand im Unterholze; wahrscheinlich kam er nicht mehr weit. Bell bemerkt hierzu: "Es ist eine eigenthümliche Thatsache, daß ein Hase, welcher von einem Wiesel verfolgt wird, seine natürliche Begabung gar nicht benutzt. Selbstverständlich würde er mit wenigen Sprüngen aus dem Bereich aller Angriffe kommen, wie er einem Hunde oder Fuchse entkommt; aber er scheint das kleine Geschöpf gar nicht zu beachten und hüpft gemächlich weiter, als gäbe es kein Wiesel in der Welt, obwohl ihm diese stumpfe Gleichgiltigkeit zu- weilen sehr schlecht bekommt."
Allerliebst sieht es aus, wenn ein Wiesel eine seiner Lieblingsjagden unternimmt, nämlich eine Wasserratte verfolgt. Diesem Nager wird von dem unverbesserlichen Strolche zu Wasser und zu Lande nachgestellt und, so ungünstig das eigentliche Element dieser Ratten dem Wiesel auch zu sein scheint, zuletzt doch der Garaus gemacht. Zuerst spürt das Raubthier alle Löcher aus. Sein feiner Geruch sagt ihm deutlich, ob in einem von ihnen ein oder zwei Ratten gerade ihrer Ruhe pflegen oder nicht. Hat das Wiesel nun eine beuteversprechende Höhle ausgewittert, so geht es ohne weiteres dahinein. Die Ratte hat natürlich nichts Eiligeres zu thun, als sich entsetzt in das Wasser zu werfen, und ist im Begriff, durch das Schilfdickicht zu schwimmen: aber Das rettet sie nicht vor dem unermüdlichen Verfolger, ja, man kann sagen, vor ihrem ärgsten Feind. Das Haupt und den Nacken über das Wasser emporgehoben, wie ein schwimmender Hund es zu thun pflegt, durchgleitet das Wiesel mit der Behendigkeit des Fischotters das ihm eigentlich fremde Element und verfolgt nun mit seiner be- kannten Ausdauer die fliehende Ratte. Diese ist verloren, wenn sie nicht ein Zufall rettet. Kletter- künste helfen ihr ebensowenig, als Versteckenspielen. Der Räuber ist ihr ununterbrochen auf der Fährte und seine Raubthierzähne sind immer noch schlimmer, als die starken und scharfen Schneide- zähne des Nagers. Der Kampf wird unter Umständen selbst im Wasser ausgeführt, und mit der erwürgten Beute im Maule schwimmt dann das behende Thier dem Ufer zu, um sie dort gemächlich zu verzehren. Wood erzählt, daß einige Wiesel eine zahlreiche Ansiedlung von Wasserratten in wenig Tagen zerstörten.
Die Paarungszeit des Hermelin fällt bei uns in den März. Jm Mai oder Juni bekommt das Weibchen fünf bis acht Junge. Gewöhnlich bereitet die Alte ihr weiches Bett in einem günstig ge- legenen Maulwurfsbau oder in einem andern ähnlichen Schlupfwinkel. Sie liebt ihre Kinder mit der größten Zärtlichkeit, säugt und pflegt sie und spielt mit ihnen, bis in den Herbst hinein; denn erst gegen den Winter hin trennen sich die fast vollständig ausgewachsenen Jungen von ihrer treuen Pflegerin. Sobald Gefahr droht, trägt die besorgte Mutter die ganze Brut im Maule nach einem andern Versteck, sogar schwimmend durch das Wasser. Wenn die Jungen erst einigermaßen erwachsen
Die Raubthiere. Marder. — Hermelin.
Seinen Freunden verſicherte er ſteif und feſt, ganz deutlich gehört zu haben, daß das erſte Wieſel, welches ihn angriff, nach ſeinem Steinwurf entrüſtet das Wort „Mörder‟ ausgerufen habe, — und wir wollen dieſem Manne dieſe Uebertreibung auch gern verzeihen, da das Geknurr eines wüthenden Wieſels wenigſtens die beiden „r‟ jenes Wortes entſchieden ausdrückt.‟
Das Hermelin jagt und frißt faſt alle Arten kleiner Säugethiere und Vögel, die es erliſten kann, und wagt ſich gar nicht ſelten auch an Beute, welche ihn an Leibesgröße bedeutend übertrifft. Mäuſe, Maulwürfe, Hamſter, Kaninchen, Sperlinge, Lerchen, Tauben, Hühner, junge Schwalben, welche es aus den Neſtern holt, Schlangen und Eidechſen werden beſtändig von ihm befehdet, und ſelbſt Haſen ſind gar nicht vor ihm ſicher. Vor einigen Jahren ſah Lenz einmal fünf Hermeline bei einem Gartenzaune auf einem kranken Haſen ſitzen, um ihn zu erwürgen. Derſelbe Beobachter fügt hinzu, daß geſunde und große Haſen natürlich vor dem Wieſel ſicher ſeien und blos kranke und junge ihm zur Beute fielen, doch verſichern engliſche Naturforſcher, daß das freche Thier auch geſunde überſiele. Hope hörte den lauten Angſtſchrei eines Haſen und wollte nach dem Orte hingehen, um ſich von der Urſache zu überzeugen. Er ſah einen Haſen dahinhinken, welcher offenbar von irgend Etwas auf das äußerſte gequält wurde. Dieſes Etwas hing ihm an der Seite der Bruſt, wie ein Blutegel angeſaugt, und beim Näherkommen erkannte unſer Beobachter, daß es ein Wieſel war. Der Haſe ſchleppte ſeinen furchtbaren Feind noch mit ſich fort und verſchwand im Unterholze; wahrſcheinlich kam er nicht mehr weit. Bell bemerkt hierzu: „Es iſt eine eigenthümliche Thatſache, daß ein Haſe, welcher von einem Wieſel verfolgt wird, ſeine natürliche Begabung gar nicht benutzt. Selbſtverſtändlich würde er mit wenigen Sprüngen aus dem Bereich aller Angriffe kommen, wie er einem Hunde oder Fuchſe entkommt; aber er ſcheint das kleine Geſchöpf gar nicht zu beachten und hüpft gemächlich weiter, als gäbe es kein Wieſel in der Welt, obwohl ihm dieſe ſtumpfe Gleichgiltigkeit zu- weilen ſehr ſchlecht bekommt.‟
Allerliebſt ſieht es aus, wenn ein Wieſel eine ſeiner Lieblingsjagden unternimmt, nämlich eine Waſſerratte verfolgt. Dieſem Nager wird von dem unverbeſſerlichen Strolche zu Waſſer und zu Lande nachgeſtellt und, ſo ungünſtig das eigentliche Element dieſer Ratten dem Wieſel auch zu ſein ſcheint, zuletzt doch der Garaus gemacht. Zuerſt ſpürt das Raubthier alle Löcher aus. Sein feiner Geruch ſagt ihm deutlich, ob in einem von ihnen ein oder zwei Ratten gerade ihrer Ruhe pflegen oder nicht. Hat das Wieſel nun eine beuteverſprechende Höhle ausgewittert, ſo geht es ohne weiteres dahinein. Die Ratte hat natürlich nichts Eiligeres zu thun, als ſich entſetzt in das Waſſer zu werfen, und iſt im Begriff, durch das Schilfdickicht zu ſchwimmen: aber Das rettet ſie nicht vor dem unermüdlichen Verfolger, ja, man kann ſagen, vor ihrem ärgſten Feind. Das Haupt und den Nacken über das Waſſer emporgehoben, wie ein ſchwimmender Hund es zu thun pflegt, durchgleitet das Wieſel mit der Behendigkeit des Fiſchotters das ihm eigentlich fremde Element und verfolgt nun mit ſeiner be- kannten Ausdauer die fliehende Ratte. Dieſe iſt verloren, wenn ſie nicht ein Zufall rettet. Kletter- künſte helfen ihr ebenſowenig, als Verſteckenſpielen. Der Räuber iſt ihr ununterbrochen auf der Fährte und ſeine Raubthierzähne ſind immer noch ſchlimmer, als die ſtarken und ſcharfen Schneide- zähne des Nagers. Der Kampf wird unter Umſtänden ſelbſt im Waſſer ausgeführt, und mit der erwürgten Beute im Maule ſchwimmt dann das behende Thier dem Ufer zu, um ſie dort gemächlich zu verzehren. Wood erzählt, daß einige Wieſel eine zahlreiche Anſiedlung von Waſſerratten in wenig Tagen zerſtörten.
Die Paarungszeit des Hermelin fällt bei uns in den März. Jm Mai oder Juni bekommt das Weibchen fünf bis acht Junge. Gewöhnlich bereitet die Alte ihr weiches Bett in einem günſtig ge- legenen Maulwurfsbau oder in einem andern ähnlichen Schlupfwinkel. Sie liebt ihre Kinder mit der größten Zärtlichkeit, ſäugt und pflegt ſie und ſpielt mit ihnen, bis in den Herbſt hinein; denn erſt gegen den Winter hin trennen ſich die faſt vollſtändig ausgewachſenen Jungen von ihrer treuen Pflegerin. Sobald Gefahr droht, trägt die beſorgte Mutter die ganze Brut im Maule nach einem andern Verſteck, ſogar ſchwimmend durch das Waſſer. Wenn die Jungen erſt einigermaßen erwachſen
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[552/0626]
Die Raubthiere. Marder. — Hermelin.
Seinen Freunden verſicherte er ſteif und feſt, ganz deutlich gehört zu haben, daß das erſte Wieſel,
welches ihn angriff, nach ſeinem Steinwurf entrüſtet das Wort „Mörder‟ ausgerufen habe, — und
wir wollen dieſem Manne dieſe Uebertreibung auch gern verzeihen, da das Geknurr eines wüthenden
Wieſels wenigſtens die beiden „r‟ jenes Wortes entſchieden ausdrückt.‟
Das Hermelin jagt und frißt faſt alle Arten kleiner Säugethiere und Vögel, die es erliſten
kann, und wagt ſich gar nicht ſelten auch an Beute, welche ihn an Leibesgröße bedeutend übertrifft.
Mäuſe, Maulwürfe, Hamſter, Kaninchen, Sperlinge, Lerchen, Tauben, Hühner, junge
Schwalben, welche es aus den Neſtern holt, Schlangen und Eidechſen werden beſtändig von ihm
befehdet, und ſelbſt Haſen ſind gar nicht vor ihm ſicher. Vor einigen Jahren ſah Lenz einmal fünf
Hermeline bei einem Gartenzaune auf einem kranken Haſen ſitzen, um ihn zu erwürgen. Derſelbe
Beobachter fügt hinzu, daß geſunde und große Haſen natürlich vor dem Wieſel ſicher ſeien und blos
kranke und junge ihm zur Beute fielen, doch verſichern engliſche Naturforſcher, daß das freche Thier
auch geſunde überſiele. Hope hörte den lauten Angſtſchrei eines Haſen und wollte nach dem Orte
hingehen, um ſich von der Urſache zu überzeugen. Er ſah einen Haſen dahinhinken, welcher offenbar
von irgend Etwas auf das äußerſte gequält wurde. Dieſes Etwas hing ihm an der Seite der Bruſt,
wie ein Blutegel angeſaugt, und beim Näherkommen erkannte unſer Beobachter, daß es ein Wieſel
war. Der Haſe ſchleppte ſeinen furchtbaren Feind noch mit ſich fort und verſchwand im Unterholze;
wahrſcheinlich kam er nicht mehr weit. Bell bemerkt hierzu: „Es iſt eine eigenthümliche Thatſache,
daß ein Haſe, welcher von einem Wieſel verfolgt wird, ſeine natürliche Begabung gar nicht benutzt.
Selbſtverſtändlich würde er mit wenigen Sprüngen aus dem Bereich aller Angriffe kommen, wie er
einem Hunde oder Fuchſe entkommt; aber er ſcheint das kleine Geſchöpf gar nicht zu beachten und hüpft
gemächlich weiter, als gäbe es kein Wieſel in der Welt, obwohl ihm dieſe ſtumpfe Gleichgiltigkeit zu-
weilen ſehr ſchlecht bekommt.‟
Allerliebſt ſieht es aus, wenn ein Wieſel eine ſeiner Lieblingsjagden unternimmt, nämlich eine
Waſſerratte verfolgt. Dieſem Nager wird von dem unverbeſſerlichen Strolche zu Waſſer und zu
Lande nachgeſtellt und, ſo ungünſtig das eigentliche Element dieſer Ratten dem Wieſel auch zu ſein ſcheint,
zuletzt doch der Garaus gemacht. Zuerſt ſpürt das Raubthier alle Löcher aus. Sein feiner Geruch
ſagt ihm deutlich, ob in einem von ihnen ein oder zwei Ratten gerade ihrer Ruhe pflegen oder nicht.
Hat das Wieſel nun eine beuteverſprechende Höhle ausgewittert, ſo geht es ohne weiteres dahinein.
Die Ratte hat natürlich nichts Eiligeres zu thun, als ſich entſetzt in das Waſſer zu werfen, und iſt
im Begriff, durch das Schilfdickicht zu ſchwimmen: aber Das rettet ſie nicht vor dem unermüdlichen
Verfolger, ja, man kann ſagen, vor ihrem ärgſten Feind. Das Haupt und den Nacken über das
Waſſer emporgehoben, wie ein ſchwimmender Hund es zu thun pflegt, durchgleitet das Wieſel mit
der Behendigkeit des Fiſchotters das ihm eigentlich fremde Element und verfolgt nun mit ſeiner be-
kannten Ausdauer die fliehende Ratte. Dieſe iſt verloren, wenn ſie nicht ein Zufall rettet. Kletter-
künſte helfen ihr ebenſowenig, als Verſteckenſpielen. Der Räuber iſt ihr ununterbrochen auf der
Fährte und ſeine Raubthierzähne ſind immer noch ſchlimmer, als die ſtarken und ſcharfen Schneide-
zähne des Nagers. Der Kampf wird unter Umſtänden ſelbſt im Waſſer ausgeführt, und mit der
erwürgten Beute im Maule ſchwimmt dann das behende Thier dem Ufer zu, um ſie dort gemächlich
zu verzehren. Wood erzählt, daß einige Wieſel eine zahlreiche Anſiedlung von Waſſerratten in
wenig Tagen zerſtörten.
Die Paarungszeit des Hermelin fällt bei uns in den März. Jm Mai oder Juni bekommt das
Weibchen fünf bis acht Junge. Gewöhnlich bereitet die Alte ihr weiches Bett in einem günſtig ge-
legenen Maulwurfsbau oder in einem andern ähnlichen Schlupfwinkel. Sie liebt ihre Kinder mit
der größten Zärtlichkeit, ſäugt und pflegt ſie und ſpielt mit ihnen, bis in den Herbſt hinein; denn erſt
gegen den Winter hin trennen ſich die faſt vollſtändig ausgewachſenen Jungen von ihrer treuen
Pflegerin. Sobald Gefahr droht, trägt die beſorgte Mutter die ganze Brut im Maule nach einem
andern Verſteck, ſogar ſchwimmend durch das Waſſer. Wenn die Jungen erſt einigermaßen erwachſen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/626>, abgerufen am 24.11.2024.
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