oder Felsen. Der alte Affe zieht voran und bezeichnet den Weg, welcher stets in der kühnsten Weise ausgeführt wird. Erst wenn er sich ruhig zeigt, sammelt sich die Herde und beginnt dann nach kurzer Zeit den Rückweg, um die unterbrochene Plünderung -- denn nur von einer solchen flüchten sie -- wieder aufzunehmen.
Jedoch nicht alle Affen flüchten vor Feinden; die Stärkeren stellen sich vielmehr selbst furcht- baren Raubthieren und dem noch gefährlicheren Menschen kühn zur Wehr und lassen sich auf Kämpfe ein, deren Ausgang für den Angreifer mindestens zweifelhaft ist. Die größeren Affen, zumal die Paviane, besitzen in ihren Zähnen auch so furchtbare Waffen, daß sie es mit einem Feinde wohl aufnehmen können, besonders wenn dieser, wie gewöhnlich, einzeln herankommt, während sie die Ber- theidigung stets in Masse unternehmen und im Kampfe außerordentlich treu und fest zusammenhalten. Die Weibchen lassen sich nur, wenn sie sich ihrer Haut wehren oder ihr Junges vertheidigen müssen, in Kämpfe ein; dann aber zeigen sie verhältnißmäßig ebenso große Tapferkeit, wie die Männchen. Die meisten Affen kämpfen mit ihren Händen und Zähnen, sie kratzen und beißen; allein es wird von vielen Seiten einstimmig versichert, daß manche Arten auch mit Stöcken, zumal mit abgebrochenen Baumästen, sich vertheidigen, und es ist gewiß, daß sie Steine, Früchte, Holzstücke und dergleichen von oben herab auf ihre Gegner schleudern. Schon mit dem Pavian läßt sich kein Eingeborner in Kämpfe ein, vor Allem aber nicht, wenn er ohne das furchtbare Feuergewehr ihm entgegentreten sollte. Die Orangaffen und namentlich die Gorillas sollen so stark und gefährlich sein, daß der Mensch, welcher mit ihnen in Streit geräth, sein Feuergewehr ausschließlich zu seiner Selbstvertheidi- gung, niemals aber zum Angriffe benutzen kann. Jedenfalls ist die beispiellose Wuth der Affen, welche deren Stärke noch bedeutend steigert, sehr zu fürchten, und die Gewandtheit, welche sie alle besitzen, nimmt ihrem Feinde nur zu häufig die Gelegenheit, ihnen einen entscheidenden Schlag beizubringen.
Jn der Freiheit lebt jede Affenart für sich oder vereinigt sich höchstens mit ganz ähnlichen Arten; in der Gefangenschaft halten jedoch fast alle Arten gute Freundschaft, und es bildet sich hier ein ähnliches Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältniß, wie unter einer Bande. Der Stärkste erringt auch hier die Oberherrschaft. Größere Arten nehmen sich der kleineren, hilfloseren regelmäßig an, und zwar thun Dies die Männchen ebensowohl wie die Weibchen. Große Aeffinnen zeigen selbst Gelüste nach kleinern Menschenkindern oder allerlei jungen Thieren, welche sich tragen lassen. So abscheulich der Affe sonst gegen Thiere ist, so liebenswürdig beträgt er sich gegen Kinder oder Pfleg- linge, und daher ist die Affenliebe sprichwörtlich geworden. Am meisten zeigt sie sich natürlich an den eigenen Affenkindern.
Die Affen gebären ein Junges, wenige Arten zwei. Dies ist regelmäßig ein kleines, überaus häßliches Geschöpf, scheinbar mit doppelt so langen Gliedmaßen, wie seine Eltern sie besitzen, und mit einem Gesichte, welches dem eines Greises viel ähnlicher sieht, als dem eines Kindes, so faltig und runzelig ist es. Dieser Wechselbalg ist aber der Liebling der Mutter in noch weit höherem Grade, als es bei dem Menschen unter ähnlichen Umständen der Fall zu sein pflegt: sie hätschelt und pflegt ihn in rührender oder -- lächerlicher Weise, wie man will; denn die Liebe streift an das Lächerliche. Das Kind hängt sich bald nach seiner Geburt mit seinen beiden Vorderhänden an den Hals, mit seinen beiden Hinterhänden aber an die Weichen der Mutter fest, in der geeignetsten Lage, die laufende Mutter nicht zu behelligen und ungestört zu saugen. Größer gewordene Affenkinder springen bei Gefahr auch wohl auf Schulter und Rücken ihrer Eltern.
Anfangs ist das kleine Wesen natürlich sehr gefühl- und theilnahmslos, um so zärtlicher aber ist seine Mutter. Sie hat ohne Unterlaß mit ihrem Liebling zu thun; bald leckt sie ihn, bald laust sie ihn wieder, bald drückt sie ihn an sich, und bald nimmt sie ihn in beide Hände, als wollte sie sich an seinem Anblicke weiden, bald legt sie ihn sich an die Brust, bald schaukelt sie ihn hin und her, als wollte sie ihn einwiegen. Plinius versichert ganz ernsthaft, daß die Aeffinnen ihre Jungen aus lauter Liebe oft zu Tode drückten; doch ist Dies in der Neuzeit niemals beobachtet worden. Nach
Die Affen.
oder Felſen. Der alte Affe zieht voran und bezeichnet den Weg, welcher ſtets in der kühnſten Weiſe ausgeführt wird. Erſt wenn er ſich ruhig zeigt, ſammelt ſich die Herde und beginnt dann nach kurzer Zeit den Rückweg, um die unterbrochene Plünderung — denn nur von einer ſolchen flüchten ſie — wieder aufzunehmen.
Jedoch nicht alle Affen flüchten vor Feinden; die Stärkeren ſtellen ſich vielmehr ſelbſt furcht- baren Raubthieren und dem noch gefährlicheren Menſchen kühn zur Wehr und laſſen ſich auf Kämpfe ein, deren Ausgang für den Angreifer mindeſtens zweifelhaft iſt. Die größeren Affen, zumal die Paviane, beſitzen in ihren Zähnen auch ſo furchtbare Waffen, daß ſie es mit einem Feinde wohl aufnehmen können, beſonders wenn dieſer, wie gewöhnlich, einzeln herankommt, während ſie die Ber- theidigung ſtets in Maſſe unternehmen und im Kampfe außerordentlich treu und feſt zuſammenhalten. Die Weibchen laſſen ſich nur, wenn ſie ſich ihrer Haut wehren oder ihr Junges vertheidigen müſſen, in Kämpfe ein; dann aber zeigen ſie verhältnißmäßig ebenſo große Tapferkeit, wie die Männchen. Die meiſten Affen kämpfen mit ihren Händen und Zähnen, ſie kratzen und beißen; allein es wird von vielen Seiten einſtimmig verſichert, daß manche Arten auch mit Stöcken, zumal mit abgebrochenen Baumäſten, ſich vertheidigen, und es iſt gewiß, daß ſie Steine, Früchte, Holzſtücke und dergleichen von oben herab auf ihre Gegner ſchleudern. Schon mit dem Pavian läßt ſich kein Eingeborner in Kämpfe ein, vor Allem aber nicht, wenn er ohne das furchtbare Feuergewehr ihm entgegentreten ſollte. Die Orangaffen und namentlich die Gorillas ſollen ſo ſtark und gefährlich ſein, daß der Menſch, welcher mit ihnen in Streit geräth, ſein Feuergewehr ausſchließlich zu ſeiner Selbſtvertheidi- gung, niemals aber zum Angriffe benutzen kann. Jedenfalls iſt die beiſpielloſe Wuth der Affen, welche deren Stärke noch bedeutend ſteigert, ſehr zu fürchten, und die Gewandtheit, welche ſie alle beſitzen, nimmt ihrem Feinde nur zu häufig die Gelegenheit, ihnen einen entſcheidenden Schlag beizubringen.
Jn der Freiheit lebt jede Affenart für ſich oder vereinigt ſich höchſtens mit ganz ähnlichen Arten; in der Gefangenſchaft halten jedoch faſt alle Arten gute Freundſchaft, und es bildet ſich hier ein ähnliches Herrſchafts- und Abhängigkeitsverhältniß, wie unter einer Bande. Der Stärkſte erringt auch hier die Oberherrſchaft. Größere Arten nehmen ſich der kleineren, hilfloſeren regelmäßig an, und zwar thun Dies die Männchen ebenſowohl wie die Weibchen. Große Aeffinnen zeigen ſelbſt Gelüſte nach kleinern Menſchenkindern oder allerlei jungen Thieren, welche ſich tragen laſſen. So abſcheulich der Affe ſonſt gegen Thiere iſt, ſo liebenswürdig beträgt er ſich gegen Kinder oder Pfleg- linge, und daher iſt die Affenliebe ſprichwörtlich geworden. Am meiſten zeigt ſie ſich natürlich an den eigenen Affenkindern.
Die Affen gebären ein Junges, wenige Arten zwei. Dies iſt regelmäßig ein kleines, überaus häßliches Geſchöpf, ſcheinbar mit doppelt ſo langen Gliedmaßen, wie ſeine Eltern ſie beſitzen, und mit einem Geſichte, welches dem eines Greiſes viel ähnlicher ſieht, als dem eines Kindes, ſo faltig und runzelig iſt es. Dieſer Wechſelbalg iſt aber der Liebling der Mutter in noch weit höherem Grade, als es bei dem Menſchen unter ähnlichen Umſtänden der Fall zu ſein pflegt: ſie hätſchelt und pflegt ihn in rührender oder — lächerlicher Weiſe, wie man will; denn die Liebe ſtreift an das Lächerliche. Das Kind hängt ſich bald nach ſeiner Geburt mit ſeinen beiden Vorderhänden an den Hals, mit ſeinen beiden Hinterhänden aber an die Weichen der Mutter feſt, in der geeignetſten Lage, die laufende Mutter nicht zu behelligen und ungeſtört zu ſaugen. Größer gewordene Affenkinder ſpringen bei Gefahr auch wohl auf Schulter und Rücken ihrer Eltern.
Anfangs iſt das kleine Weſen natürlich ſehr gefühl- und theilnahmslos, um ſo zärtlicher aber iſt ſeine Mutter. Sie hat ohne Unterlaß mit ihrem Liebling zu thun; bald leckt ſie ihn, bald lauſt ſie ihn wieder, bald drückt ſie ihn an ſich, und bald nimmt ſie ihn in beide Hände, als wollte ſie ſich an ſeinem Anblicke weiden, bald legt ſie ihn ſich an die Bruſt, bald ſchaukelt ſie ihn hin und her, als wollte ſie ihn einwiegen. Plinius verſichert ganz ernſthaft, daß die Aeffinnen ihre Jungen aus lauter Liebe oft zu Tode drückten; doch iſt Dies in der Neuzeit niemals beobachtet worden. Nach
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[10/0060]
Die Affen.
oder Felſen. Der alte Affe zieht voran und bezeichnet den Weg, welcher ſtets in der kühnſten Weiſe
ausgeführt wird. Erſt wenn er ſich ruhig zeigt, ſammelt ſich die Herde und beginnt dann nach kurzer
Zeit den Rückweg, um die unterbrochene Plünderung — denn nur von einer ſolchen flüchten ſie —
wieder aufzunehmen.
Jedoch nicht alle Affen flüchten vor Feinden; die Stärkeren ſtellen ſich vielmehr ſelbſt furcht-
baren Raubthieren und dem noch gefährlicheren Menſchen kühn zur Wehr und laſſen ſich auf Kämpfe
ein, deren Ausgang für den Angreifer mindeſtens zweifelhaft iſt. Die größeren Affen, zumal die
Paviane, beſitzen in ihren Zähnen auch ſo furchtbare Waffen, daß ſie es mit einem Feinde wohl
aufnehmen können, beſonders wenn dieſer, wie gewöhnlich, einzeln herankommt, während ſie die Ber-
theidigung ſtets in Maſſe unternehmen und im Kampfe außerordentlich treu und feſt zuſammenhalten.
Die Weibchen laſſen ſich nur, wenn ſie ſich ihrer Haut wehren oder ihr Junges vertheidigen müſſen,
in Kämpfe ein; dann aber zeigen ſie verhältnißmäßig ebenſo große Tapferkeit, wie die Männchen.
Die meiſten Affen kämpfen mit ihren Händen und Zähnen, ſie kratzen und beißen; allein es wird von
vielen Seiten einſtimmig verſichert, daß manche Arten auch mit Stöcken, zumal mit abgebrochenen
Baumäſten, ſich vertheidigen, und es iſt gewiß, daß ſie Steine, Früchte, Holzſtücke und dergleichen
von oben herab auf ihre Gegner ſchleudern. Schon mit dem Pavian läßt ſich kein Eingeborner in
Kämpfe ein, vor Allem aber nicht, wenn er ohne das furchtbare Feuergewehr ihm entgegentreten
ſollte. Die Orangaffen und namentlich die Gorillas ſollen ſo ſtark und gefährlich ſein, daß der
Menſch, welcher mit ihnen in Streit geräth, ſein Feuergewehr ausſchließlich zu ſeiner Selbſtvertheidi-
gung, niemals aber zum Angriffe benutzen kann. Jedenfalls iſt die beiſpielloſe Wuth der Affen,
welche deren Stärke noch bedeutend ſteigert, ſehr zu fürchten, und die Gewandtheit, welche ſie alle
beſitzen, nimmt ihrem Feinde nur zu häufig die Gelegenheit, ihnen einen entſcheidenden Schlag
beizubringen.
Jn der Freiheit lebt jede Affenart für ſich oder vereinigt ſich höchſtens mit ganz ähnlichen Arten;
in der Gefangenſchaft halten jedoch faſt alle Arten gute Freundſchaft, und es bildet ſich hier ein
ähnliches Herrſchafts- und Abhängigkeitsverhältniß, wie unter einer Bande. Der Stärkſte erringt
auch hier die Oberherrſchaft. Größere Arten nehmen ſich der kleineren, hilfloſeren regelmäßig an,
und zwar thun Dies die Männchen ebenſowohl wie die Weibchen. Große Aeffinnen zeigen ſelbſt
Gelüſte nach kleinern Menſchenkindern oder allerlei jungen Thieren, welche ſich tragen laſſen. So
abſcheulich der Affe ſonſt gegen Thiere iſt, ſo liebenswürdig beträgt er ſich gegen Kinder oder Pfleg-
linge, und daher iſt die Affenliebe ſprichwörtlich geworden. Am meiſten zeigt ſie ſich natürlich an
den eigenen Affenkindern.
Die Affen gebären ein Junges, wenige Arten zwei. Dies iſt regelmäßig ein kleines, überaus
häßliches Geſchöpf, ſcheinbar mit doppelt ſo langen Gliedmaßen, wie ſeine Eltern ſie beſitzen, und
mit einem Geſichte, welches dem eines Greiſes viel ähnlicher ſieht, als dem eines Kindes, ſo faltig
und runzelig iſt es. Dieſer Wechſelbalg iſt aber der Liebling der Mutter in noch weit höherem
Grade, als es bei dem Menſchen unter ähnlichen Umſtänden der Fall zu ſein pflegt: ſie hätſchelt
und pflegt ihn in rührender oder — lächerlicher Weiſe, wie man will; denn die Liebe ſtreift an das
Lächerliche. Das Kind hängt ſich bald nach ſeiner Geburt mit ſeinen beiden Vorderhänden an den
Hals, mit ſeinen beiden Hinterhänden aber an die Weichen der Mutter feſt, in der geeignetſten Lage,
die laufende Mutter nicht zu behelligen und ungeſtört zu ſaugen. Größer gewordene Affenkinder
ſpringen bei Gefahr auch wohl auf Schulter und Rücken ihrer Eltern.
Anfangs iſt das kleine Weſen natürlich ſehr gefühl- und theilnahmslos, um ſo zärtlicher aber
iſt ſeine Mutter. Sie hat ohne Unterlaß mit ihrem Liebling zu thun; bald leckt ſie ihn, bald lauſt
ſie ihn wieder, bald drückt ſie ihn an ſich, und bald nimmt ſie ihn in beide Hände, als wollte ſie ſich
an ſeinem Anblicke weiden, bald legt ſie ihn ſich an die Bruſt, bald ſchaukelt ſie ihn hin und her, als
wollte ſie ihn einwiegen. Plinius verſichert ganz ernſthaft, daß die Aeffinnen ihre Jungen aus
lauter Liebe oft zu Tode drückten; doch iſt Dies in der Neuzeit niemals beobachtet worden. Nach
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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