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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Frei- und Gefangenleben des Aguarachay.
mit ihrem Herrn. Mit einbrechender Nacht verließen sie das Haus und jagten, wie die wilden, in
Wald und Feld oder stahlen von den benachbarten Hütten Hühner und Enten weg; gegen Morgen
kehrten sie nach Hause zurück. Allein auch da war das zahme Geflügel nichts weniger als sicher vor
ihnen, falls sie dasselbe unbemerkt rauben konnten; sowie sie sich aber beobachtet glaubten, warfen
sie keinen Blick auf die Hühner."

"Da beide Thiere ihren Stiefgeschwistern sehr zugethan waren, begleiteten sie dieselben gewöhnlich,
wenn ihr Herr mit ihnen auf die Jagd ritt, und halfen das Wild aufsuchen und verfolgen. Jch selbst
habe mit diesen Füchsen mehreremal gejagt und war erstaunt über ihren äußerst feinen Geruch, indem
sie im Aufsuchen und Verfolgen einer Fährte die besten Hunde übertrafen. War ein Wild aufgestochen,
so verloren sie nie die Spur, dieselbe mochte auch noch so oft durch andere gekreuzt sein. Am liebsten
jagten sie Rebhühner, Agutis, Tatus und junge Feldhirsche, alles Thiere, welchen sie auf
ihren nächtlichen Streifereien nachzustellen gewöhnt waren. Auch große Hirsche, Pekaris und selbst
den Jaguar halfen sie jagen. Währte aber die Jagd mehrere Stunden fort, so ermüdeten sie viel
früher, als die Hunde, und kehrten dann nach Hause zurück, ohne auf das Zurufen ihres Herrn zu achten."

"Bei dieser Gelegenheit beobachtete ich eine sonderbare Gewohnheit des Aguarachay, von welcher
mir schon Jäger gesprochen hatten. Wenn er nämlich ein Stück Leder oder einen Lappen Tuch oder sonst
einen ihm unbekannten Gegenstand auf seinem Wege antrifft, ergreift er denselben mit den Zähnen,
trägt ihn eine Strecke weit und versteckt ihn dann in einem Gebüsch oder im hohen Grase, worauf er
seinen Lauf fortsetzt, ohne später zu der Stelle zurückzukehren. Dieser Sitte wegen müssen die Reisenden,
welche die Nächte unter freiem Himmel zubringen, ihre Zäume, Sättel und Gurte gut verwahren, sonst
werden sie ihnen leicht von dem Aguarachay weggetragen, nicht aber, wie Azara behauptet, gefressen.
Mir wurde auf meiner Reise ein Zaum, einem meiner Reisegefährten ein Schnupftuch entwendet: Beides
fanden wir am andern Morgen in einiger Entfernung von unserm Lager unversehrt im dichten Ge-
strüpp wieder." (Tschudi fand in einer Höhle des Thieres ein Stück Steigbügel, einen Sporen
und ein Messer, welche ebenfalls von dem Aguarachay herbeigeschleppt worden waren).

Der Balg des Aguarachay wird nur selten, das Fleisch aber, seines widrigen Geruches und Ge-
schmackes wegen, niemals von den Eingebornen Paraguays benutzt. Dennoch wird ihm des Schadens
wegen, den er anrichtet, häufig nachgestellt. Man fängt ihn in Fallen oder schießt ihn abends auf der
Lauer oder hetzt ihn mit Hunden zu Tode. Zu diesem Ende sucht man ihn aus dem Gebüsch, in dem er sich
versteckt hat, ins Freie zu treiben, damit ihn die berittenen Jäger zugleich mit den Hunden verfolgen
können. Anfangs läuft er sehr schnell, so daß ihn die Reiter beinahe aus den Augen verlieren. Nach
einer Viertelstunde aber fängt er an, müde zu werden, und wird nun bald eingeholt. Gegen die Hunde
sucht er sich zu vertheidigen, wird aber sogleich von ihnen in Stücke zerrissen. Es hält übrigens schwer
genug, einen Aguarachay aus seinem Schlupfwinkel hinaus ins Freie zu treiben, indem ihm die Hunde
in der Gewandtheit weit nachstehen, durch das verschlungene Gebüsch und die stachlichen Bromelien
durchzuschlüpfen. -- Jn Peru zahlt der Grundbesitzer für jeden Fuchs, welcher ihm abgeliefert wird,
ein Schaf. Die Jndianer stellen deshalb dem Aguarachay, welcher dort Atoj heißt, eifrig nach, und
die Herdenbesitzer ihrerseits suchen eine Ehre darin, ihre Gebäude mit möglichst vielen ausgestopften
Fuchsbälgen zu verzieren. -- Außer dem Menschen mag der Aguarachay keinem andern Feinde unter-
liegen. Sein scharfes Gehör und seine äußerst feine Nase sichern ihn vor jedem unversehenen Ueberfall,
und der Verfolgung entgeht er dann leicht durch seine Schnelligkeit.

Auch im Thierreich giebt es ausgeartete Mitglieder guter Familien; auch hier finden sich Ver-
wandte, welche sich leiblich außerordentlich nahe stehen und geistig doch in jeder Hinsicht unterscheiden.
Ein solcher, wirklich aus der Art geschlagner Bursch ist der Eis-, Polar- oder Steinfuchs (Vulpes
lagopus
), einer der nächsten Vettern unsers Reinecke und ihm gleichwohl in Sitten und Lebensweise
durchaus unähnlich, eines der einfältigsten und zugleich zudringlichsten, der dümmsten und doch auch
schlausten Glieder der Fuchsfamilie. Jch selbst bin auf meinen vieljährigen Reisen von keinem Thier

Brehm, Thierleben. 28

Frei- und Gefangenleben des Aguarachay.
mit ihrem Herrn. Mit einbrechender Nacht verließen ſie das Haus und jagten, wie die wilden, in
Wald und Feld oder ſtahlen von den benachbarten Hütten Hühner und Enten weg; gegen Morgen
kehrten ſie nach Hauſe zurück. Allein auch da war das zahme Geflügel nichts weniger als ſicher vor
ihnen, falls ſie daſſelbe unbemerkt rauben konnten; ſowie ſie ſich aber beobachtet glaubten, warfen
ſie keinen Blick auf die Hühner.‟

„Da beide Thiere ihren Stiefgeſchwiſtern ſehr zugethan waren, begleiteten ſie dieſelben gewöhnlich,
wenn ihr Herr mit ihnen auf die Jagd ritt, und halfen das Wild aufſuchen und verfolgen. Jch ſelbſt
habe mit dieſen Füchſen mehreremal gejagt und war erſtaunt über ihren äußerſt feinen Geruch, indem
ſie im Aufſuchen und Verfolgen einer Fährte die beſten Hunde übertrafen. War ein Wild aufgeſtochen,
ſo verloren ſie nie die Spur, dieſelbe mochte auch noch ſo oft durch andere gekreuzt ſein. Am liebſten
jagten ſie Rebhühner, Agutis, Tatus und junge Feldhirſche, alles Thiere, welchen ſie auf
ihren nächtlichen Streifereien nachzuſtellen gewöhnt waren. Auch große Hirſche, Pekaris und ſelbſt
den Jaguar halfen ſie jagen. Währte aber die Jagd mehrere Stunden fort, ſo ermüdeten ſie viel
früher, als die Hunde, und kehrten dann nach Hauſe zurück, ohne auf das Zurufen ihres Herrn zu achten.‟

„Bei dieſer Gelegenheit beobachtete ich eine ſonderbare Gewohnheit des Aguarachay, von welcher
mir ſchon Jäger geſprochen hatten. Wenn er nämlich ein Stück Leder oder einen Lappen Tuch oder ſonſt
einen ihm unbekannten Gegenſtand auf ſeinem Wege antrifft, ergreift er denſelben mit den Zähnen,
trägt ihn eine Strecke weit und verſteckt ihn dann in einem Gebüſch oder im hohen Graſe, worauf er
ſeinen Lauf fortſetzt, ohne ſpäter zu der Stelle zurückzukehren. Dieſer Sitte wegen müſſen die Reiſenden,
welche die Nächte unter freiem Himmel zubringen, ihre Zäume, Sättel und Gurte gut verwahren, ſonſt
werden ſie ihnen leicht von dem Aguarachay weggetragen, nicht aber, wie Azara behauptet, gefreſſen.
Mir wurde auf meiner Reiſe ein Zaum, einem meiner Reiſegefährten ein Schnupftuch entwendet: Beides
fanden wir am andern Morgen in einiger Entfernung von unſerm Lager unverſehrt im dichten Ge-
ſtrüpp wieder.‟ (Tſchudi fand in einer Höhle des Thieres ein Stück Steigbügel, einen Sporen
und ein Meſſer, welche ebenfalls von dem Aguarachay herbeigeſchleppt worden waren).

Der Balg des Aguarachay wird nur ſelten, das Fleiſch aber, ſeines widrigen Geruches und Ge-
ſchmackes wegen, niemals von den Eingebornen Paraguays benutzt. Dennoch wird ihm des Schadens
wegen, den er anrichtet, häufig nachgeſtellt. Man fängt ihn in Fallen oder ſchießt ihn abends auf der
Lauer oder hetzt ihn mit Hunden zu Tode. Zu dieſem Ende ſucht man ihn aus dem Gebüſch, in dem er ſich
verſteckt hat, ins Freie zu treiben, damit ihn die berittenen Jäger zugleich mit den Hunden verfolgen
können. Anfangs läuft er ſehr ſchnell, ſo daß ihn die Reiter beinahe aus den Augen verlieren. Nach
einer Viertelſtunde aber fängt er an, müde zu werden, und wird nun bald eingeholt. Gegen die Hunde
ſucht er ſich zu vertheidigen, wird aber ſogleich von ihnen in Stücke zerriſſen. Es hält übrigens ſchwer
genug, einen Aguarachay aus ſeinem Schlupfwinkel hinaus ins Freie zu treiben, indem ihm die Hunde
in der Gewandtheit weit nachſtehen, durch das verſchlungene Gebüſch und die ſtachlichen Bromelien
durchzuſchlüpfen. — Jn Peru zahlt der Grundbeſitzer für jeden Fuchs, welcher ihm abgeliefert wird,
ein Schaf. Die Jndianer ſtellen deshalb dem Aguarachay, welcher dort Atoj heißt, eifrig nach, und
die Herdenbeſitzer ihrerſeits ſuchen eine Ehre darin, ihre Gebäude mit möglichſt vielen ausgeſtopften
Fuchsbälgen zu verzieren. — Außer dem Menſchen mag der Aguarachay keinem andern Feinde unter-
liegen. Sein ſcharfes Gehör und ſeine äußerſt feine Naſe ſichern ihn vor jedem unverſehenen Ueberfall,
und der Verfolgung entgeht er dann leicht durch ſeine Schnelligkeit.

Auch im Thierreich giebt es ausgeartete Mitglieder guter Familien; auch hier finden ſich Ver-
wandte, welche ſich leiblich außerordentlich nahe ſtehen und geiſtig doch in jeder Hinſicht unterſcheiden.
Ein ſolcher, wirklich aus der Art geſchlagner Burſch iſt der Eis-, Polar- oder Steinfuchs (Vulpes
lagopus
), einer der nächſten Vettern unſers Reinecke und ihm gleichwohl in Sitten und Lebensweiſe
durchaus unähnlich, eines der einfältigſten und zugleich zudringlichſten, der dümmſten und doch auch
ſchlauſten Glieder der Fuchsfamilie. Jch ſelbſt bin auf meinen vieljährigen Reiſen von keinem Thier

Brehm, Thierleben. 28
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[433/0501] Frei- und Gefangenleben des Aguarachay. mit ihrem Herrn. Mit einbrechender Nacht verließen ſie das Haus und jagten, wie die wilden, in Wald und Feld oder ſtahlen von den benachbarten Hütten Hühner und Enten weg; gegen Morgen kehrten ſie nach Hauſe zurück. Allein auch da war das zahme Geflügel nichts weniger als ſicher vor ihnen, falls ſie daſſelbe unbemerkt rauben konnten; ſowie ſie ſich aber beobachtet glaubten, warfen ſie keinen Blick auf die Hühner.‟ „Da beide Thiere ihren Stiefgeſchwiſtern ſehr zugethan waren, begleiteten ſie dieſelben gewöhnlich, wenn ihr Herr mit ihnen auf die Jagd ritt, und halfen das Wild aufſuchen und verfolgen. Jch ſelbſt habe mit dieſen Füchſen mehreremal gejagt und war erſtaunt über ihren äußerſt feinen Geruch, indem ſie im Aufſuchen und Verfolgen einer Fährte die beſten Hunde übertrafen. War ein Wild aufgeſtochen, ſo verloren ſie nie die Spur, dieſelbe mochte auch noch ſo oft durch andere gekreuzt ſein. Am liebſten jagten ſie Rebhühner, Agutis, Tatus und junge Feldhirſche, alles Thiere, welchen ſie auf ihren nächtlichen Streifereien nachzuſtellen gewöhnt waren. Auch große Hirſche, Pekaris und ſelbſt den Jaguar halfen ſie jagen. Währte aber die Jagd mehrere Stunden fort, ſo ermüdeten ſie viel früher, als die Hunde, und kehrten dann nach Hauſe zurück, ohne auf das Zurufen ihres Herrn zu achten.‟ „Bei dieſer Gelegenheit beobachtete ich eine ſonderbare Gewohnheit des Aguarachay, von welcher mir ſchon Jäger geſprochen hatten. Wenn er nämlich ein Stück Leder oder einen Lappen Tuch oder ſonſt einen ihm unbekannten Gegenſtand auf ſeinem Wege antrifft, ergreift er denſelben mit den Zähnen, trägt ihn eine Strecke weit und verſteckt ihn dann in einem Gebüſch oder im hohen Graſe, worauf er ſeinen Lauf fortſetzt, ohne ſpäter zu der Stelle zurückzukehren. Dieſer Sitte wegen müſſen die Reiſenden, welche die Nächte unter freiem Himmel zubringen, ihre Zäume, Sättel und Gurte gut verwahren, ſonſt werden ſie ihnen leicht von dem Aguarachay weggetragen, nicht aber, wie Azara behauptet, gefreſſen. Mir wurde auf meiner Reiſe ein Zaum, einem meiner Reiſegefährten ein Schnupftuch entwendet: Beides fanden wir am andern Morgen in einiger Entfernung von unſerm Lager unverſehrt im dichten Ge- ſtrüpp wieder.‟ (Tſchudi fand in einer Höhle des Thieres ein Stück Steigbügel, einen Sporen und ein Meſſer, welche ebenfalls von dem Aguarachay herbeigeſchleppt worden waren). Der Balg des Aguarachay wird nur ſelten, das Fleiſch aber, ſeines widrigen Geruches und Ge- ſchmackes wegen, niemals von den Eingebornen Paraguays benutzt. Dennoch wird ihm des Schadens wegen, den er anrichtet, häufig nachgeſtellt. Man fängt ihn in Fallen oder ſchießt ihn abends auf der Lauer oder hetzt ihn mit Hunden zu Tode. Zu dieſem Ende ſucht man ihn aus dem Gebüſch, in dem er ſich verſteckt hat, ins Freie zu treiben, damit ihn die berittenen Jäger zugleich mit den Hunden verfolgen können. Anfangs läuft er ſehr ſchnell, ſo daß ihn die Reiter beinahe aus den Augen verlieren. Nach einer Viertelſtunde aber fängt er an, müde zu werden, und wird nun bald eingeholt. Gegen die Hunde ſucht er ſich zu vertheidigen, wird aber ſogleich von ihnen in Stücke zerriſſen. Es hält übrigens ſchwer genug, einen Aguarachay aus ſeinem Schlupfwinkel hinaus ins Freie zu treiben, indem ihm die Hunde in der Gewandtheit weit nachſtehen, durch das verſchlungene Gebüſch und die ſtachlichen Bromelien durchzuſchlüpfen. — Jn Peru zahlt der Grundbeſitzer für jeden Fuchs, welcher ihm abgeliefert wird, ein Schaf. Die Jndianer ſtellen deshalb dem Aguarachay, welcher dort Atoj heißt, eifrig nach, und die Herdenbeſitzer ihrerſeits ſuchen eine Ehre darin, ihre Gebäude mit möglichſt vielen ausgeſtopften Fuchsbälgen zu verzieren. — Außer dem Menſchen mag der Aguarachay keinem andern Feinde unter- liegen. Sein ſcharfes Gehör und ſeine äußerſt feine Naſe ſichern ihn vor jedem unverſehenen Ueberfall, und der Verfolgung entgeht er dann leicht durch ſeine Schnelligkeit. Auch im Thierreich giebt es ausgeartete Mitglieder guter Familien; auch hier finden ſich Ver- wandte, welche ſich leiblich außerordentlich nahe ſtehen und geiſtig doch in jeder Hinſicht unterſcheiden. Ein ſolcher, wirklich aus der Art geſchlagner Burſch iſt der Eis-, Polar- oder Steinfuchs (Vulpes lagopus), einer der nächſten Vettern unſers Reinecke und ihm gleichwohl in Sitten und Lebensweiſe durchaus unähnlich, eines der einfältigſten und zugleich zudringlichſten, der dümmſten und doch auch ſchlauſten Glieder der Fuchsfamilie. Jch ſelbſt bin auf meinen vieljährigen Reiſen von keinem Thier Brehm, Thierleben. 28

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/501>, abgerufen am 16.06.2024.