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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Wolf.
Tode. Sobald er die Wirkung des Giftes verspürt, läßt er das Fleisch liegen und sucht sich durch
die Flucht zu retten. Allein schon nach wenigen Schritten versagen ihm die Glieder ihren Dienst.
Furchtbare Krämpfe reißen ihn zu Boden. Der Kopf wird von den Zuckungen in das Genick zurück-
geworfen, der Rachen weit aufgerissen, und in einem solchen Anfalle endet das Thier sein Leben.
Diese Vertilgungsart ist wohl die ergiebigste, weil der Wolf mit blinder Gier auf solches Fleisch stürzt.
Vortheilhaft sind auch die Fallgruben. Sie sind etwa zehn Fuß tief und haben acht Fuß im Durch-
messer. Man überdeckt sie mit einem leichten Dach aus schmalen, biegsamen Zweigen, Mos und
dergleichen, und bindet in ihrer Mitte einen Köder an. Damit der Wolf nicht Zeit habe, vorher lange
Untersuchungen zu machen, wird die Grube mit einem etwa 31/2 Fuß hohen Zaun umgeben, und
dieser dient auch gleich noch dazu, die Menschen gegen das Hinabfallen in solche Gruben zu sichern.
So muß der Wolf, um zu seiner Beute zu gelangen, mit einem Satze über den Zaun wegspringen,
bricht dann augenblicklich durch und fällt hinab in die Tiefe. Der schweizer Naturforscher Geßner
berichtet einen wirklich lustigen Fall, welcher zugleich von der Feigheit des Wolfes Zeugniß ablegt.
Er erzählt, daß der Jäger Gobler in einer solchen Wolfsgrube einmal einen dreifachen Fang auf
einmal gemacht habe: einen Wolf, einen Fuchs und ein altes Weib, von denen Jedes aus Furcht vor
den Anderen die ganze Nacht sich nicht gerührt hatte!

Jn volkreichen Gegenden bietet man die Mannschaft zu großen Treibjagden auf. Die Auf-
findung einer Wolfsspur war das Zeichen zum Aufbruch ganzer Gemeinden. Die schweizer Chronik
erzählt: "Sobald man einen Wolf gewahr wird, schlecht man Sturm über ihn, alsdann empört sich
eine ganze Landschaft zum Gejägt, bis er umgebracht oder vertrieben ist." Jeder waffenfähige Mann
war verpflichtet, und übte gern diese Pflicht, an der Wolfsjagd Theil zu nehmen. Jn den größeren
Förstereien Polens, Posens, Ostpreußens, Litthauens u. s. w. hat man eigens zur Wolfsjagd breite
Schneißen durch den Wald gehauen und diesen dadurch in kleinere Vierecke abgetheilt. Die drei Seiten
eines solchen Vierecks, welche unter dem Winde liegen, werden, sobald Wölfe gespürt worden sind,
mit Schützen bestellt und auf der andern Seite die Treiber hineingeschickt. Gewöhnlich erscheint der
Wolf schon nach dem ersten Lärm fuchsartig und pfeilschnell an der Schützenlinie, wo ihm ein
schlimmer Empfang bereitet wird. Bei solchen Jagden gebrauchen blos die ausgezeichnetsten Schützen
die Kugel, die meisten anderen Jäger laden ihre Doppelgewehre mit großen Schroten, sogenannten
Posten, welche man in Norwegen geradezu Wolfsschrote nennt, und schießen ihn damit, wenn
sie ordentlich gezielt haben, auch regelmäßig zusammen. Bei einem Aase auf der Schießhütte wird
der Wolf ebenfalls oft erlegt. Ja, es giebt Leute, welche einen dick vollgefressenen Wolf aufsuchen
und ohne weiteres mit dem Knüppel todtschlagen.

Diese Jagdart erinnert am lebhaftesten an die Jagden, welche die Bewohner der russischen
Steppe auf die Wölfe abhalten. Bei diesen erscheint das Gewehr nämlich geradezu als Nebensache.
Der aufgetriebene Wolf wird von den berittenen Jägern solange verfolgt, bis er nicht mehr laufen
kann und dann todtgeschlagen. Schon nach einer Jagd von ein paar Stunden versagen dem Wolf
die Kräfte. Er stürzt, rafft sich von neuem zu verzweifelten Sätzen auf, schießt noch eine Strecke
weiter vorwärts und giebt sich endlich verzweiflungsvoll seinen Verfolgern hin. Man kann sich
keinen scheußlichern Anblick denken, als den des mattgehetzten Wolfs. Die Zunge hängt ihm einen
halben Fuß lang aus dem geifernden Maule; der weißgelbe, zottige Pelz steht vom Körper ab und
ein abscheulicher Geruch strömt von ihm aus. Mit eingeknickten Hinterläufen macht er Kehrt gegen
die Verfolger. Diese aber, welche ihren Gegner genau kennen, steigen vom Pferde und schlagen ihn
entweder todt oder schieben ihm einen Lappen, einen alten Hut in den Rachen und packen ihn am
Genick, knebeln ihn und nehmen ihn mit sich nach Hause. So berichtet Hamm, welcher die Steppen
Rußlands mehrfach durchreiste. Kohl erzählt, daß die Pferdehirten eine außerordentliche Geschick-
lichkeit in der Wolfsjagd besäßen. Jhre ganze Waffe besteht aus einem Stock mit eisernem Knopf.
Diesen werfen sie dem gejagten Wolf, selbst wenn ihr Pferd im schnellsten Laufe begriffen ist, mit
solcher Geschicklichkeit auf den Pelz, daß der Feind regelmäßig schwer getroffen niedersinkt.

Die Raubthiere. Hunde. — Wolf.
Tode. Sobald er die Wirkung des Giftes verſpürt, läßt er das Fleiſch liegen und ſucht ſich durch
die Flucht zu retten. Allein ſchon nach wenigen Schritten verſagen ihm die Glieder ihren Dienſt.
Furchtbare Krämpfe reißen ihn zu Boden. Der Kopf wird von den Zuckungen in das Genick zurück-
geworfen, der Rachen weit aufgeriſſen, und in einem ſolchen Anfalle endet das Thier ſein Leben.
Dieſe Vertilgungsart iſt wohl die ergiebigſte, weil der Wolf mit blinder Gier auf ſolches Fleiſch ſtürzt.
Vortheilhaft ſind auch die Fallgruben. Sie ſind etwa zehn Fuß tief und haben acht Fuß im Durch-
meſſer. Man überdeckt ſie mit einem leichten Dach aus ſchmalen, biegſamen Zweigen, Mos und
dergleichen, und bindet in ihrer Mitte einen Köder an. Damit der Wolf nicht Zeit habe, vorher lange
Unterſuchungen zu machen, wird die Grube mit einem etwa 3½ Fuß hohen Zaun umgeben, und
dieſer dient auch gleich noch dazu, die Menſchen gegen das Hinabfallen in ſolche Gruben zu ſichern.
So muß der Wolf, um zu ſeiner Beute zu gelangen, mit einem Satze über den Zaun wegſpringen,
bricht dann augenblicklich durch und fällt hinab in die Tiefe. Der ſchweizer Naturforſcher Geßner
berichtet einen wirklich luſtigen Fall, welcher zugleich von der Feigheit des Wolfes Zeugniß ablegt.
Er erzählt, daß der Jäger Gobler in einer ſolchen Wolfsgrube einmal einen dreifachen Fang auf
einmal gemacht habe: einen Wolf, einen Fuchs und ein altes Weib, von denen Jedes aus Furcht vor
den Anderen die ganze Nacht ſich nicht gerührt hatte!

Jn volkreichen Gegenden bietet man die Mannſchaft zu großen Treibjagden auf. Die Auf-
findung einer Wolfsſpur war das Zeichen zum Aufbruch ganzer Gemeinden. Die ſchweizer Chronik
erzählt: „Sobald man einen Wolf gewahr wird, ſchlecht man Sturm über ihn, alsdann empört ſich
eine ganze Landſchaft zum Gejägt, bis er umgebracht oder vertrieben iſt.‟ Jeder waffenfähige Mann
war verpflichtet, und übte gern dieſe Pflicht, an der Wolfsjagd Theil zu nehmen. Jn den größeren
Förſtereien Polens, Poſens, Oſtpreußens, Litthauens u. ſ. w. hat man eigens zur Wolfsjagd breite
Schneißen durch den Wald gehauen und dieſen dadurch in kleinere Vierecke abgetheilt. Die drei Seiten
eines ſolchen Vierecks, welche unter dem Winde liegen, werden, ſobald Wölfe geſpürt worden ſind,
mit Schützen beſtellt und auf der andern Seite die Treiber hineingeſchickt. Gewöhnlich erſcheint der
Wolf ſchon nach dem erſten Lärm fuchsartig und pfeilſchnell an der Schützenlinie, wo ihm ein
ſchlimmer Empfang bereitet wird. Bei ſolchen Jagden gebrauchen blos die ausgezeichnetſten Schützen
die Kugel, die meiſten anderen Jäger laden ihre Doppelgewehre mit großen Schroten, ſogenannten
Poſten, welche man in Norwegen geradezu Wolfsſchrote nennt, und ſchießen ihn damit, wenn
ſie ordentlich gezielt haben, auch regelmäßig zuſammen. Bei einem Aaſe auf der Schießhütte wird
der Wolf ebenfalls oft erlegt. Ja, es giebt Leute, welche einen dick vollgefreſſenen Wolf aufſuchen
und ohne weiteres mit dem Knüppel todtſchlagen.

Dieſe Jagdart erinnert am lebhafteſten an die Jagden, welche die Bewohner der ruſſiſchen
Steppe auf die Wölfe abhalten. Bei dieſen erſcheint das Gewehr nämlich geradezu als Nebenſache.
Der aufgetriebene Wolf wird von den berittenen Jägern ſolange verfolgt, bis er nicht mehr laufen
kann und dann todtgeſchlagen. Schon nach einer Jagd von ein paar Stunden verſagen dem Wolf
die Kräfte. Er ſtürzt, rafft ſich von neuem zu verzweifelten Sätzen auf, ſchießt noch eine Strecke
weiter vorwärts und giebt ſich endlich verzweiflungsvoll ſeinen Verfolgern hin. Man kann ſich
keinen ſcheußlichern Anblick denken, als den des mattgehetzten Wolfs. Die Zunge hängt ihm einen
halben Fuß lang aus dem geifernden Maule; der weißgelbe, zottige Pelz ſteht vom Körper ab und
ein abſcheulicher Geruch ſtrömt von ihm aus. Mit eingeknickten Hinterläufen macht er Kehrt gegen
die Verfolger. Dieſe aber, welche ihren Gegner genau kennen, ſteigen vom Pferde und ſchlagen ihn
entweder todt oder ſchieben ihm einen Lappen, einen alten Hut in den Rachen und packen ihn am
Genick, knebeln ihn und nehmen ihn mit ſich nach Hauſe. So berichtet Hamm, welcher die Steppen
Rußlands mehrfach durchreiſte. Kohl erzählt, daß die Pferdehirten eine außerordentliche Geſchick-
lichkeit in der Wolfsjagd beſäßen. Jhre ganze Waffe beſteht aus einem Stock mit eiſernem Knopf.
Dieſen werfen ſie dem gejagten Wolf, ſelbſt wenn ihr Pferd im ſchnellſten Laufe begriffen iſt, mit
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[408/0476] Die Raubthiere. Hunde. — Wolf. Tode. Sobald er die Wirkung des Giftes verſpürt, läßt er das Fleiſch liegen und ſucht ſich durch die Flucht zu retten. Allein ſchon nach wenigen Schritten verſagen ihm die Glieder ihren Dienſt. Furchtbare Krämpfe reißen ihn zu Boden. Der Kopf wird von den Zuckungen in das Genick zurück- geworfen, der Rachen weit aufgeriſſen, und in einem ſolchen Anfalle endet das Thier ſein Leben. Dieſe Vertilgungsart iſt wohl die ergiebigſte, weil der Wolf mit blinder Gier auf ſolches Fleiſch ſtürzt. Vortheilhaft ſind auch die Fallgruben. Sie ſind etwa zehn Fuß tief und haben acht Fuß im Durch- meſſer. Man überdeckt ſie mit einem leichten Dach aus ſchmalen, biegſamen Zweigen, Mos und dergleichen, und bindet in ihrer Mitte einen Köder an. Damit der Wolf nicht Zeit habe, vorher lange Unterſuchungen zu machen, wird die Grube mit einem etwa 3½ Fuß hohen Zaun umgeben, und dieſer dient auch gleich noch dazu, die Menſchen gegen das Hinabfallen in ſolche Gruben zu ſichern. So muß der Wolf, um zu ſeiner Beute zu gelangen, mit einem Satze über den Zaun wegſpringen, bricht dann augenblicklich durch und fällt hinab in die Tiefe. Der ſchweizer Naturforſcher Geßner berichtet einen wirklich luſtigen Fall, welcher zugleich von der Feigheit des Wolfes Zeugniß ablegt. Er erzählt, daß der Jäger Gobler in einer ſolchen Wolfsgrube einmal einen dreifachen Fang auf einmal gemacht habe: einen Wolf, einen Fuchs und ein altes Weib, von denen Jedes aus Furcht vor den Anderen die ganze Nacht ſich nicht gerührt hatte! Jn volkreichen Gegenden bietet man die Mannſchaft zu großen Treibjagden auf. Die Auf- findung einer Wolfsſpur war das Zeichen zum Aufbruch ganzer Gemeinden. Die ſchweizer Chronik erzählt: „Sobald man einen Wolf gewahr wird, ſchlecht man Sturm über ihn, alsdann empört ſich eine ganze Landſchaft zum Gejägt, bis er umgebracht oder vertrieben iſt.‟ Jeder waffenfähige Mann war verpflichtet, und übte gern dieſe Pflicht, an der Wolfsjagd Theil zu nehmen. Jn den größeren Förſtereien Polens, Poſens, Oſtpreußens, Litthauens u. ſ. w. hat man eigens zur Wolfsjagd breite Schneißen durch den Wald gehauen und dieſen dadurch in kleinere Vierecke abgetheilt. Die drei Seiten eines ſolchen Vierecks, welche unter dem Winde liegen, werden, ſobald Wölfe geſpürt worden ſind, mit Schützen beſtellt und auf der andern Seite die Treiber hineingeſchickt. Gewöhnlich erſcheint der Wolf ſchon nach dem erſten Lärm fuchsartig und pfeilſchnell an der Schützenlinie, wo ihm ein ſchlimmer Empfang bereitet wird. Bei ſolchen Jagden gebrauchen blos die ausgezeichnetſten Schützen die Kugel, die meiſten anderen Jäger laden ihre Doppelgewehre mit großen Schroten, ſogenannten Poſten, welche man in Norwegen geradezu Wolfsſchrote nennt, und ſchießen ihn damit, wenn ſie ordentlich gezielt haben, auch regelmäßig zuſammen. Bei einem Aaſe auf der Schießhütte wird der Wolf ebenfalls oft erlegt. Ja, es giebt Leute, welche einen dick vollgefreſſenen Wolf aufſuchen und ohne weiteres mit dem Knüppel todtſchlagen. Dieſe Jagdart erinnert am lebhafteſten an die Jagden, welche die Bewohner der ruſſiſchen Steppe auf die Wölfe abhalten. Bei dieſen erſcheint das Gewehr nämlich geradezu als Nebenſache. Der aufgetriebene Wolf wird von den berittenen Jägern ſolange verfolgt, bis er nicht mehr laufen kann und dann todtgeſchlagen. Schon nach einer Jagd von ein paar Stunden verſagen dem Wolf die Kräfte. Er ſtürzt, rafft ſich von neuem zu verzweifelten Sätzen auf, ſchießt noch eine Strecke weiter vorwärts und giebt ſich endlich verzweiflungsvoll ſeinen Verfolgern hin. Man kann ſich keinen ſcheußlichern Anblick denken, als den des mattgehetzten Wolfs. Die Zunge hängt ihm einen halben Fuß lang aus dem geifernden Maule; der weißgelbe, zottige Pelz ſteht vom Körper ab und ein abſcheulicher Geruch ſtrömt von ihm aus. Mit eingeknickten Hinterläufen macht er Kehrt gegen die Verfolger. Dieſe aber, welche ihren Gegner genau kennen, ſteigen vom Pferde und ſchlagen ihn entweder todt oder ſchieben ihm einen Lappen, einen alten Hut in den Rachen und packen ihn am Genick, knebeln ihn und nehmen ihn mit ſich nach Hauſe. So berichtet Hamm, welcher die Steppen Rußlands mehrfach durchreiſte. Kohl erzählt, daß die Pferdehirten eine außerordentliche Geſchick- lichkeit in der Wolfsjagd beſäßen. Jhre ganze Waffe beſteht aus einem Stock mit eiſernem Knopf. Dieſen werfen ſie dem gejagten Wolf, ſelbſt wenn ihr Pferd im ſchnellſten Laufe begriffen iſt, mit ſolcher Geſchicklichkeit auf den Pelz, daß der Feind regelmäßig ſchwer getroffen niederſinkt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/476>, abgerufen am 22.11.2024.