entfernten Orten gefangenen Fische nach Hause zu bringen. Endlich waren sie gezwungen, während aller dieser Arbeiten, welche äußerst langsam vonstattengingen, die Jagd der Vögel und Pelzthiere fast ganz zu verabsäumen. Eine furchtbare Hungersnoth, welche viele Menschen hinraffte, war die Folge des Mangels an Hunden, welche hier nie ersetzt werden können, weil es bei dem rauhen Klima und kurzen Sommer ganz unmöglich ist, das nöthige Futter für die Pferde anzuschaffen, und endlich, weil der Hund ganz flüchtig über den Schnee hinwegläuft, wo das schwere Pferd beständig ver- sinken würde."
Von diesen Thieren kann man in Wahrheit das Wort Zoroasters anwenden: "Durch den Verstand des Hundes besteht die Welt."
Der Hund hat uns bewiesen, was die Erziehung eines Thieres über dasselbe vermag: der Wolf, unsers treuen Hausfreundes nächster Verwandter, macht uns mit dem Hunde im Urzustande bekannt. Zwischen jenem erzogenen und diesem wilden Hunde ist der Unterschied so groß, daß wir den Einen in dem Andern nicht wiedererkennen, und so ist es erklärlich, wenn wir den Wolf regel- mäßig im höchsten Grade einseitig auffassen und beurtheilen. Der Haushund schwebt uns vor, wenn wir uns mit dem Wolfe beschäftigen; wir denken an Bildung und Gesittung, wo wir es mit Wildheit zu thun haben: es wird also, ganz abgesehen von der mit ins Spiel kommenden Selbstsucht, unser Urtheil ein falsches.
Wenige Thiere sind, mindestens dem Namen nach, so allgemein bekannt geworden, als der Wolf. Von ihm berichtet die älteste Geschichte und das älteste Märchen, er spielt seine Rolle in den frühsten Völkersagen und in heutigen Ammengeschichten, er ist den wilden Völkern nicht weniger verhaßt, als den gesitteten. Wo er auch erscheint, tritt er als Feind des Menschen auf, und dieser hat seine Feinde wenn auch nicht richtiger beurtheilt, so doch oft schärfer beobachtet, als die meisten seiner Freunde unter den Thieren.
Der Wolf (Canis Lupus oder Lupus vulgaris) hat etwa die Gestalt eines großen, hochbeinigen, dürren Hundes, welcher den Schwanz hängen läßt, anstatt ihn aufgerollt zu tragen. Bei schärferer Vergleichung zeigen sich die Unterschiede namentlich im Folgenden: Der Leib ist hager, der Bauch eingezogen, die Läufe sind klapperdürr und schmalpfotig. Die langhaarige Lunte hängt bis auf die Fersen herab, die Schnauze ist im Verhältniß zu dem dicken Kopf gestreckt und spitzig, die breite Stirn fällt schief ab, die Seher stehen schief, die Lauscher immer aufrecht. Der Pelz ist nach dem Klima der Länder, welche der Wolf bewohnt, verschieden, ebensowohl hinsichtlich seines Haarwuchses, als seiner Färbung. Jn den nördlichen Ländern ist die Behaarung lang, rauh und dicht, am längsten am Unterleib und an den Schenkeln, buschig am Schwanze, dicht und aufrechtstehend am Halse und an den Seiten; in südlichen Gegenden ist der Pelz kürzer und rauher. Die Färbung ist gewöhnlich fahlgraugelb mit schwärzlicher Mischung, welche an der Unterseite lichter, oft weißlichgrau erscheint. Jm Sommer spielt die Gesammtfärbung mehr in das Röthliche, im Winter mehr in das Gelbliche, in nördlichen Ländern mehr in das Weiße, in südlichen mehr in das Schwärzliche. Die Stirne ist weißlichgrau, die Schnauze gelblichgrau, immer aber mit Schwarz gemischt. Die Lippen sind weißlich, die Wangen gelblich und zuweilen undeutlich schwarz gestreift. Ein ausgewachsener Wolf erreicht gewöhnlich fünf Fuß Leibeslänge, wovon 11/2 Fuß auf den Schwanz kommen. Die Höhe am Widerrist beträgt etwa 21/2 Fuß. Das Weibchen unterscheidet sich von dem Männchen durch einen etwas schwächern Körperbau, eine spitzere Schnauze und einen dünnern Schwanz.
Sehr fraglich ist es übrigens, ob man alle Wölfe Europas als verschiedene Ausprägungen ein und derselben Art oder als wirklich verschiedene Arten anzusehen hat. Auch beim Wolf werden fest- stehende Unterscheidungsmerkmale der nordischen und südlichen Thiere bemerklich, welche mindestens
Die Raubthiere. Hunde. — Wolf.
entfernten Orten gefangenen Fiſche nach Hauſe zu bringen. Endlich waren ſie gezwungen, während aller dieſer Arbeiten, welche äußerſt langſam vonſtattengingen, die Jagd der Vögel und Pelzthiere faſt ganz zu verabſäumen. Eine furchtbare Hungersnoth, welche viele Menſchen hinraffte, war die Folge des Mangels an Hunden, welche hier nie erſetzt werden können, weil es bei dem rauhen Klima und kurzen Sommer ganz unmöglich iſt, das nöthige Futter für die Pferde anzuſchaffen, und endlich, weil der Hund ganz flüchtig über den Schnee hinwegläuft, wo das ſchwere Pferd beſtändig ver- ſinken würde.‟
Von dieſen Thieren kann man in Wahrheit das Wort Zoroaſters anwenden: „Durch den Verſtand des Hundes beſteht die Welt.‟
Der Hund hat uns bewieſen, was die Erziehung eines Thieres über daſſelbe vermag: der Wolf, unſers treuen Hausfreundes nächſter Verwandter, macht uns mit dem Hunde im Urzuſtande bekannt. Zwiſchen jenem erzogenen und dieſem wilden Hunde iſt der Unterſchied ſo groß, daß wir den Einen in dem Andern nicht wiedererkennen, und ſo iſt es erklärlich, wenn wir den Wolf regel- mäßig im höchſten Grade einſeitig auffaſſen und beurtheilen. Der Haushund ſchwebt uns vor, wenn wir uns mit dem Wolfe beſchäftigen; wir denken an Bildung und Geſittung, wo wir es mit Wildheit zu thun haben: es wird alſo, ganz abgeſehen von der mit ins Spiel kommenden Selbſtſucht, unſer Urtheil ein falſches.
Wenige Thiere ſind, mindeſtens dem Namen nach, ſo allgemein bekannt geworden, als der Wolf. Von ihm berichtet die älteſte Geſchichte und das älteſte Märchen, er ſpielt ſeine Rolle in den frühſten Völkerſagen und in heutigen Ammengeſchichten, er iſt den wilden Völkern nicht weniger verhaßt, als den geſitteten. Wo er auch erſcheint, tritt er als Feind des Menſchen auf, und dieſer hat ſeine Feinde wenn auch nicht richtiger beurtheilt, ſo doch oft ſchärfer beobachtet, als die meiſten ſeiner Freunde unter den Thieren.
Der Wolf (Canis Lupus oder Lupus vulgaris) hat etwa die Geſtalt eines großen, hochbeinigen, dürren Hundes, welcher den Schwanz hängen läßt, anſtatt ihn aufgerollt zu tragen. Bei ſchärferer Vergleichung zeigen ſich die Unterſchiede namentlich im Folgenden: Der Leib iſt hager, der Bauch eingezogen, die Läufe ſind klapperdürr und ſchmalpfotig. Die langhaarige Lunte hängt bis auf die Ferſen herab, die Schnauze iſt im Verhältniß zu dem dicken Kopf geſtreckt und ſpitzig, die breite Stirn fällt ſchief ab, die Seher ſtehen ſchief, die Lauſcher immer aufrecht. Der Pelz iſt nach dem Klima der Länder, welche der Wolf bewohnt, verſchieden, ebenſowohl hinſichtlich ſeines Haarwuchſes, als ſeiner Färbung. Jn den nördlichen Ländern iſt die Behaarung lang, rauh und dicht, am längſten am Unterleib und an den Schenkeln, buſchig am Schwanze, dicht und aufrechtſtehend am Halſe und an den Seiten; in ſüdlichen Gegenden iſt der Pelz kürzer und rauher. Die Färbung iſt gewöhnlich fahlgraugelb mit ſchwärzlicher Miſchung, welche an der Unterſeite lichter, oft weißlichgrau erſcheint. Jm Sommer ſpielt die Geſammtfärbung mehr in das Röthliche, im Winter mehr in das Gelbliche, in nördlichen Ländern mehr in das Weiße, in ſüdlichen mehr in das Schwärzliche. Die Stirne iſt weißlichgrau, die Schnauze gelblichgrau, immer aber mit Schwarz gemiſcht. Die Lippen ſind weißlich, die Wangen gelblich und zuweilen undeutlich ſchwarz geſtreift. Ein ausgewachſener Wolf erreicht gewöhnlich fünf Fuß Leibeslänge, wovon 1½ Fuß auf den Schwanz kommen. Die Höhe am Widerriſt beträgt etwa 2½ Fuß. Das Weibchen unterſcheidet ſich von dem Männchen durch einen etwas ſchwächern Körperbau, eine ſpitzere Schnauze und einen dünnern Schwanz.
Sehr fraglich iſt es übrigens, ob man alle Wölfe Europas als verſchiedene Ausprägungen ein und derſelben Art oder als wirklich verſchiedene Arten anzuſehen hat. Auch beim Wolf werden feſt- ſtehende Unterſcheidungsmerkmale der nordiſchen und ſüdlichen Thiere bemerklich, welche mindeſtens
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Die Raubthiere. Hunde. — Wolf.
entfernten Orten gefangenen Fiſche nach Hauſe zu bringen. Endlich waren ſie gezwungen, während
aller dieſer Arbeiten, welche äußerſt langſam vonſtattengingen, die Jagd der Vögel und Pelzthiere
faſt ganz zu verabſäumen. Eine furchtbare Hungersnoth, welche viele Menſchen hinraffte, war die
Folge des Mangels an Hunden, welche hier nie erſetzt werden können, weil es bei dem rauhen Klima
und kurzen Sommer ganz unmöglich iſt, das nöthige Futter für die Pferde anzuſchaffen, und endlich,
weil der Hund ganz flüchtig über den Schnee hinwegläuft, wo das ſchwere Pferd beſtändig ver-
ſinken würde.‟
Von dieſen Thieren kann man in Wahrheit das Wort Zoroaſters anwenden: „Durch den
Verſtand des Hundes beſteht die Welt.‟
Der Hund hat uns bewieſen, was die Erziehung eines Thieres über daſſelbe vermag: der
Wolf, unſers treuen Hausfreundes nächſter Verwandter, macht uns mit dem Hunde im Urzuſtande
bekannt. Zwiſchen jenem erzogenen und dieſem wilden Hunde iſt der Unterſchied ſo groß, daß wir
den Einen in dem Andern nicht wiedererkennen, und ſo iſt es erklärlich, wenn wir den Wolf regel-
mäßig im höchſten Grade einſeitig auffaſſen und beurtheilen. Der Haushund ſchwebt uns vor, wenn
wir uns mit dem Wolfe beſchäftigen; wir denken an Bildung und Geſittung, wo wir es mit Wildheit
zu thun haben: es wird alſo, ganz abgeſehen von der mit ins Spiel kommenden Selbſtſucht, unſer
Urtheil ein falſches.
Wenige Thiere ſind, mindeſtens dem Namen nach, ſo allgemein bekannt geworden, als der Wolf.
Von ihm berichtet die älteſte Geſchichte und das älteſte Märchen, er ſpielt ſeine Rolle in den frühſten
Völkerſagen und in heutigen Ammengeſchichten, er iſt den wilden Völkern nicht weniger verhaßt, als
den geſitteten. Wo er auch erſcheint, tritt er als Feind des Menſchen auf, und dieſer hat ſeine Feinde
wenn auch nicht richtiger beurtheilt, ſo doch oft ſchärfer beobachtet, als die meiſten ſeiner Freunde
unter den Thieren.
Der Wolf (Canis Lupus oder Lupus vulgaris) hat etwa die Geſtalt eines großen, hochbeinigen,
dürren Hundes, welcher den Schwanz hängen läßt, anſtatt ihn aufgerollt zu tragen. Bei ſchärferer
Vergleichung zeigen ſich die Unterſchiede namentlich im Folgenden: Der Leib iſt hager, der Bauch
eingezogen, die Läufe ſind klapperdürr und ſchmalpfotig. Die langhaarige Lunte hängt bis auf
die Ferſen herab, die Schnauze iſt im Verhältniß zu dem dicken Kopf geſtreckt und ſpitzig, die breite
Stirn fällt ſchief ab, die Seher ſtehen ſchief, die Lauſcher immer aufrecht. Der Pelz iſt nach dem
Klima der Länder, welche der Wolf bewohnt, verſchieden, ebenſowohl hinſichtlich ſeines Haarwuchſes,
als ſeiner Färbung. Jn den nördlichen Ländern iſt die Behaarung lang, rauh und dicht, am
längſten am Unterleib und an den Schenkeln, buſchig am Schwanze, dicht und aufrechtſtehend am
Halſe und an den Seiten; in ſüdlichen Gegenden iſt der Pelz kürzer und rauher. Die Färbung iſt
gewöhnlich fahlgraugelb mit ſchwärzlicher Miſchung, welche an der Unterſeite lichter, oft weißlichgrau
erſcheint. Jm Sommer ſpielt die Geſammtfärbung mehr in das Röthliche, im Winter mehr in das
Gelbliche, in nördlichen Ländern mehr in das Weiße, in ſüdlichen mehr in das Schwärzliche. Die
Stirne iſt weißlichgrau, die Schnauze gelblichgrau, immer aber mit Schwarz gemiſcht. Die Lippen ſind
weißlich, die Wangen gelblich und zuweilen undeutlich ſchwarz geſtreift. Ein ausgewachſener Wolf
erreicht gewöhnlich fünf Fuß Leibeslänge, wovon 1½ Fuß auf den Schwanz kommen. Die Höhe am
Widerriſt beträgt etwa 2½ Fuß. Das Weibchen unterſcheidet ſich von dem Männchen durch einen
etwas ſchwächern Körperbau, eine ſpitzere Schnauze und einen dünnern Schwanz.
Sehr fraglich iſt es übrigens, ob man alle Wölfe Europas als verſchiedene Ausprägungen ein
und derſelben Art oder als wirklich verſchiedene Arten anzuſehen hat. Auch beim Wolf werden feſt-
ſtehende Unterſcheidungsmerkmale der nordiſchen und ſüdlichen Thiere bemerklich, welche mindeſtens
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/468>, abgerufen am 22.11.2024.
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