So zeigt sich also schon in der Leibesgröße eine Bestimmung für die Lebensweise des Thieres. Noch mehr aber wird diese Bestimmung durch die Ausrüstung ausgesprochen. Daß ein Fisch- oder Flossensäuger schwimmt oder ein Flatterthier fliegt, versteht sich eigentlich von selbst: ebenso gut aber auch, daß der Affe oder das Eichhorn oder die Katze klettern, der Maulwurf gräbt und die Viel- und Einhufer oder Wiederkäuer auf dem Boden laufen: ihre Gliederung weist sie dazu an. Hierzu kommt nun noch die Willkürlichkeit in der Wahl des Ortes, um den Aufent- halt eines Thieres zu bestimmen.
Hinsichtlich der Ordnungen läßt sich Folgendes sagen: Die altweltlichen Affen sind Baum- oder Felsen-, die neuweltlichen Affen und die Äffer aber ausschließlich Baumthiere; die Fleder- mäuse leben in der Luft, schlafen aber auf oder in Bäumen und in Felsen. Die Kerbthierräuber leben größtentheils auf dem Boden, einige aber auch unter der Erde und andere sogar auf Bäumen. Die fleischfressenden Raubthiere bewohnen Bäume und Felsen, den Boden und das Wasser; doch gehört die größere Anzahl den Erdthieren an, und nur sehr wenige führen ein theilweise unterirdisches Leben. Die Beutelthiere leben auf der Erde, in Höhlen, im Wasser und auf Bäumen, die Nage- thiere überall, nur nicht im Meere, größtentheils aber in Höhlen. Die Zahnlosen sind Erd-, Höh- len- und Baumthiere, die Dickhäuter leben wieder größtentheils auf dem Boden, einige aber auch im Sumpfe oder im Wasser selbst; die Einhufer und Wiederkäuer sind ausschließlich Erd- oder Felsenthiere; die Flossenfüßler und Wale endlich Meerbewohner.
Es muß Jedem, welcher beobachtet, auffallen, daß sich nicht allein die Heimat im weiteren Sinne, sondern auch der Wohnkreis, ja, der eng begreuzte Aufenthaltsort des Thieres in dem Ge- schöpfe selbst kund gibt. Die Zusammengehörigkeit von Land und Thier offenbart sich nämlich nicht allein in der jedem Thiere eigenthümlichen Gliederung, sondern auch, und zwar sehr scharf und bezeichnend, in der Färbung. Als allgemeine Regel kann gelten, daß das Thier eine Färbung besitzt, welche der vorherrschenden Färbung seines Wohnortes genau entspricht. Der außerordentliche Vortheil, welchen das Thier von einer solchen Gleichfärbigkeit mit seiner Heimat ziehen kann, wird klar, wenn wir bedeuken, daß sich das Raubthier an seine Beute möglichst unmerkbar an- schleichen, das schwache Thier aber sich vor dem Räuber möglichst gut verstecken muß. Es liegt mir fern, in der Gleichfärbigkeit des Thieres und seiner Heimat ein Schöpfungswunder zu erblicken, weil ich das Thier einfach als Erzeugniß seiner Heimat betrachte und über das Wie dieser Zusammengehörigkeit nicht früher grüblen mag, als mir die Wissenschaft haltbare, auf natürlichem Grunde fußende Vor- lagen zur Erklärung gewähren kann. Jch will hier auch keine Erklärungen, sondern einfache That- sachen geben.
Schon die Affen sind durchgehends ihren Wohnorten gleich gefärbt: Braun, Grasgrün und Grau sind die hauptsächlichsten Färbungen ihres Haarkleides, und sie entsprechen eben der Baum- rinde oder dem Gelaube und Grase, sowie den Felsen, auf denen sie wohnen. Alle Flatterthiere, welche auf Bäumen leben, zeigen ebenfalls eine braune oder grünliche Färbung, diejenigen, welche in Felsenritzen schlafen, das ungewisse Grau der Felsen -- oder der Dämmerung. Unter den Raub- thieren finden sich viele, welche als wahre Spiegelbilder ihrer Heimat zu betrachten sind. Der Wolf trägt ein echtes Erdkleid: das Fahlbraun und Grau seines Pelzes schmiegt sich allen Färbungen seines Wohnkreises an; Reinecke, der Schleicher, zeigt uns, daß er bei uns zu Lande ebenso wohl zum Nadel- wie zum Laubwalde paßt; sein Vetter im Norden, der Polarfuchs, legt im Winter ein Schneekleid, im Sommer ein Felsenkleid an; ein anderes Glied seiner Sippschaft, der Fenek, trägt das isabellfarbne Gewand der Wüste. Die Hiänen, als Nachtthiere, sind in Grau gekleidet, in diejenige Farbe, welche am ehesten dem Auge verschwindet. Löwe und Leopard, Gepard und Serwal geben sich als echte Steppenthiere zu erkennen; Braungelb ist Grundfarbe, aber allerlei anders gefärbte Flecken zeigen sich auf ihr: die Steppe ist bunter und darf daher auch das Thier schon malen. Unsere nordischen Katzen entsprechen ihrer farbloseren Heimat und unserer trüberen Nacht: Grau ist ihre Hauptfärbung; der Karakal ist wieder echtes Wüstenthier; der Tiger zeigt sogar die Rohrstängel seiner Bambuswälder in den schwarzen Streifen, der Leopard die buntlaubigen Gebüsche Mittelafrikas auf seinem Fell; die amerikanischen Katzen spiegeln ihre bunten Wälder wieder. Jn den Ginster- und Schleichkatzen sehen wir echte Erdthiere: Grau mit oder ohne Flecken und Strei- fen, und ein überall hinpassendes, sehr schwer zu beschreibendes Graugrün sind die hauptsächlichsten
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
So zeigt ſich alſo ſchon in der Leibesgröße eine Beſtimmung für die Lebensweiſe des Thieres. Noch mehr aber wird dieſe Beſtimmung durch die Ausrüſtung ausgeſprochen. Daß ein Fiſch- oder Floſſenſäuger ſchwimmt oder ein Flatterthier fliegt, verſteht ſich eigentlich von ſelbſt: ebenſo gut aber auch, daß der Affe oder das Eichhorn oder die Katze klettern, der Maulwurf gräbt und die Viel- und Einhufer oder Wiederkäuer auf dem Boden laufen: ihre Gliederung weiſt ſie dazu an. Hierzu kommt nun noch die Willkürlichkeit in der Wahl des Ortes, um den Aufent- halt eines Thieres zu beſtimmen.
Hinſichtlich der Ordnungen läßt ſich Folgendes ſagen: Die altweltlichen Affen ſind Baum- oder Felſen-, die neuweltlichen Affen und die Äffer aber ausſchließlich Baumthiere; die Fleder- mäuſe leben in der Luft, ſchlafen aber auf oder in Bäumen und in Felſen. Die Kerbthierräuber leben größtentheils auf dem Boden, einige aber auch unter der Erde und andere ſogar auf Bäumen. Die fleiſchfreſſenden Raubthiere bewohnen Bäume und Felſen, den Boden und das Waſſer; doch gehört die größere Anzahl den Erdthieren an, und nur ſehr wenige führen ein theilweiſe unterirdiſches Leben. Die Beutelthiere leben auf der Erde, in Höhlen, im Waſſer und auf Bäumen, die Nage- thiere überall, nur nicht im Meere, größtentheils aber in Höhlen. Die Zahnloſen ſind Erd-, Höh- len- und Baumthiere, die Dickhäuter leben wieder größtentheils auf dem Boden, einige aber auch im Sumpfe oder im Waſſer ſelbſt; die Einhufer und Wiederkäuer ſind ausſchließlich Erd- oder Felſenthiere; die Floſſenfüßler und Wale endlich Meerbewohner.
Es muß Jedem, welcher beobachtet, auffallen, daß ſich nicht allein die Heimat im weiteren Sinne, ſondern auch der Wohnkreis, ja, der eng begreuzte Aufenthaltsort des Thieres in dem Ge- ſchöpfe ſelbſt kund gibt. Die Zuſammengehörigkeit von Land und Thier offenbart ſich nämlich nicht allein in der jedem Thiere eigenthümlichen Gliederung, ſondern auch, und zwar ſehr ſcharf und bezeichnend, in der Färbung. Als allgemeine Regel kann gelten, daß das Thier eine Färbung beſitzt, welche der vorherrſchenden Färbung ſeines Wohnortes genau entſpricht. Der außerordentliche Vortheil, welchen das Thier von einer ſolchen Gleichfärbigkeit mit ſeiner Heimat ziehen kann, wird klar, wenn wir bedeuken, daß ſich das Raubthier an ſeine Beute möglichſt unmerkbar an- ſchleichen, das ſchwache Thier aber ſich vor dem Räuber möglichſt gut verſtecken muß. Es liegt mir fern, in der Gleichfärbigkeit des Thieres und ſeiner Heimat ein Schöpfungswunder zu erblicken, weil ich das Thier einfach als Erzeugniß ſeiner Heimat betrachte und über das Wie dieſer Zuſammengehörigkeit nicht früher grüblen mag, als mir die Wiſſenſchaft haltbare, auf natürlichem Grunde fußende Vor- lagen zur Erklärung gewähren kann. Jch will hier auch keine Erklärungen, ſondern einfache That- ſachen geben.
Schon die Affen ſind durchgehends ihren Wohnorten gleich gefärbt: Braun, Grasgrün und Grau ſind die hauptſächlichſten Färbungen ihres Haarkleides, und ſie entſprechen eben der Baum- rinde oder dem Gelaube und Graſe, ſowie den Felſen, auf denen ſie wohnen. Alle Flatterthiere, welche auf Bäumen leben, zeigen ebenfalls eine braune oder grünliche Färbung, diejenigen, welche in Felſenritzen ſchlafen, das ungewiſſe Grau der Felſen — oder der Dämmerung. Unter den Raub- thieren finden ſich viele, welche als wahre Spiegelbilder ihrer Heimat zu betrachten ſind. Der Wolf trägt ein echtes Erdkleid: das Fahlbraun und Grau ſeines Pelzes ſchmiegt ſich allen Färbungen ſeines Wohnkreiſes an; Reinecke, der Schleicher, zeigt uns, daß er bei uns zu Lande ebenſo wohl zum Nadel- wie zum Laubwalde paßt; ſein Vetter im Norden, der Polarfuchs, legt im Winter ein Schneekleid, im Sommer ein Felſenkleid an; ein anderes Glied ſeiner Sippſchaft, der Fenek, trägt das iſabellfarbne Gewand der Wüſte. Die Hiänen, als Nachtthiere, ſind in Grau gekleidet, in diejenige Farbe, welche am eheſten dem Auge verſchwindet. Löwe und Leopard, Gepard und Serwal geben ſich als echte Steppenthiere zu erkennen; Braungelb iſt Grundfarbe, aber allerlei anders gefärbte Flecken zeigen ſich auf ihr: die Steppe iſt bunter und darf daher auch das Thier ſchon malen. Unſere nordiſchen Katzen entſprechen ihrer farbloſeren Heimat und unſerer trüberen Nacht: Grau iſt ihre Hauptfärbung; der Karakal iſt wieder echtes Wüſtenthier; der Tiger zeigt ſogar die Rohrſtängel ſeiner Bambuswälder in den ſchwarzen Streifen, der Leopard die buntlaubigen Gebüſche Mittelafrikas auf ſeinem Fell; die amerikaniſchen Katzen ſpiegeln ihre bunten Wälder wieder. Jn den Ginſter- und Schleichkatzen ſehen wir echte Erdthiere: Grau mit oder ohne Flecken und Strei- fen, und ein überall hinpaſſendes, ſehr ſchwer zu beſchreibendes Graugrün ſind die hauptſächlichſten
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[XXXII[XXXII]/0042]
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
So zeigt ſich alſo ſchon in der Leibesgröße eine Beſtimmung für die Lebensweiſe des Thieres.
Noch mehr aber wird dieſe Beſtimmung durch die Ausrüſtung ausgeſprochen. Daß ein Fiſch- oder
Floſſenſäuger ſchwimmt oder ein Flatterthier fliegt, verſteht ſich eigentlich von ſelbſt: ebenſo
gut aber auch, daß der Affe oder das Eichhorn oder die Katze klettern, der Maulwurf gräbt
und die Viel- und Einhufer oder Wiederkäuer auf dem Boden laufen: ihre Gliederung weiſt
ſie dazu an. Hierzu kommt nun noch die Willkürlichkeit in der Wahl des Ortes, um den Aufent-
halt eines Thieres zu beſtimmen.
Hinſichtlich der Ordnungen läßt ſich Folgendes ſagen: Die altweltlichen Affen ſind Baum-
oder Felſen-, die neuweltlichen Affen und die Äffer aber ausſchließlich Baumthiere; die Fleder-
mäuſe leben in der Luft, ſchlafen aber auf oder in Bäumen und in Felſen. Die Kerbthierräuber
leben größtentheils auf dem Boden, einige aber auch unter der Erde und andere ſogar auf Bäumen.
Die fleiſchfreſſenden Raubthiere bewohnen Bäume und Felſen, den Boden und das Waſſer; doch
gehört die größere Anzahl den Erdthieren an, und nur ſehr wenige führen ein theilweiſe unterirdiſches
Leben. Die Beutelthiere leben auf der Erde, in Höhlen, im Waſſer und auf Bäumen, die Nage-
thiere überall, nur nicht im Meere, größtentheils aber in Höhlen. Die Zahnloſen ſind Erd-, Höh-
len- und Baumthiere, die Dickhäuter leben wieder größtentheils auf dem Boden, einige aber auch
im Sumpfe oder im Waſſer ſelbſt; die Einhufer und Wiederkäuer ſind ausſchließlich Erd- oder
Felſenthiere; die Floſſenfüßler und Wale endlich Meerbewohner.
Es muß Jedem, welcher beobachtet, auffallen, daß ſich nicht allein die Heimat im weiteren
Sinne, ſondern auch der Wohnkreis, ja, der eng begreuzte Aufenthaltsort des Thieres in dem Ge-
ſchöpfe ſelbſt kund gibt. Die Zuſammengehörigkeit von Land und Thier offenbart ſich nämlich
nicht allein in der jedem Thiere eigenthümlichen Gliederung, ſondern auch, und zwar ſehr ſcharf und
bezeichnend, in der Färbung. Als allgemeine Regel kann gelten, daß das Thier eine Färbung
beſitzt, welche der vorherrſchenden Färbung ſeines Wohnortes genau entſpricht. Der
außerordentliche Vortheil, welchen das Thier von einer ſolchen Gleichfärbigkeit mit ſeiner Heimat ziehen
kann, wird klar, wenn wir bedeuken, daß ſich das Raubthier an ſeine Beute möglichſt unmerkbar an-
ſchleichen, das ſchwache Thier aber ſich vor dem Räuber möglichſt gut verſtecken muß. Es liegt mir fern,
in der Gleichfärbigkeit des Thieres und ſeiner Heimat ein Schöpfungswunder zu erblicken, weil ich das
Thier einfach als Erzeugniß ſeiner Heimat betrachte und über das Wie dieſer Zuſammengehörigkeit
nicht früher grüblen mag, als mir die Wiſſenſchaft haltbare, auf natürlichem Grunde fußende Vor-
lagen zur Erklärung gewähren kann. Jch will hier auch keine Erklärungen, ſondern einfache That-
ſachen geben.
Schon die Affen ſind durchgehends ihren Wohnorten gleich gefärbt: Braun, Grasgrün
und Grau ſind die hauptſächlichſten Färbungen ihres Haarkleides, und ſie entſprechen eben der Baum-
rinde oder dem Gelaube und Graſe, ſowie den Felſen, auf denen ſie wohnen. Alle Flatterthiere,
welche auf Bäumen leben, zeigen ebenfalls eine braune oder grünliche Färbung, diejenigen, welche
in Felſenritzen ſchlafen, das ungewiſſe Grau der Felſen — oder der Dämmerung. Unter den Raub-
thieren finden ſich viele, welche als wahre Spiegelbilder ihrer Heimat zu betrachten ſind. Der Wolf
trägt ein echtes Erdkleid: das Fahlbraun und Grau ſeines Pelzes ſchmiegt ſich allen Färbungen ſeines
Wohnkreiſes an; Reinecke, der Schleicher, zeigt uns, daß er bei uns zu Lande ebenſo wohl zum
Nadel- wie zum Laubwalde paßt; ſein Vetter im Norden, der Polarfuchs, legt im Winter ein
Schneekleid, im Sommer ein Felſenkleid an; ein anderes Glied ſeiner Sippſchaft, der Fenek, trägt
das iſabellfarbne Gewand der Wüſte. Die Hiänen, als Nachtthiere, ſind in Grau gekleidet, in
diejenige Farbe, welche am eheſten dem Auge verſchwindet. Löwe und Leopard, Gepard und
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anders gefärbte Flecken zeigen ſich auf ihr: die Steppe iſt bunter und darf daher auch das Thier
ſchon malen. Unſere nordiſchen Katzen entſprechen ihrer farbloſeren Heimat und unſerer trüberen
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ſogar die Rohrſtängel ſeiner Bambuswälder in den ſchwarzen Streifen, der Leopard die buntlaubigen
Gebüſche Mittelafrikas auf ſeinem Fell; die amerikaniſchen Katzen ſpiegeln ihre bunten Wälder wieder.
Jn den Ginſter- und Schleichkatzen ſehen wir echte Erdthiere: Grau mit oder ohne Flecken und Strei-
fen, und ein überall hinpaſſendes, ſehr ſchwer zu beſchreibendes Graugrün ſind die hauptſächlichſten
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. XXXII[XXXII]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/42>, abgerufen am 22.11.2024.
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