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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde -- Haushund.

Jn seinem Umgange mit Menschen beweist der Hund ein Erkennungsvermögen, welches uns
oft Wunder nehmen muß. Daß alle Hunde den Abdecker kennen lernen und mit äußerstem Haß ver-
folgen, ist sicher. Ebenso gewiß ist es aber auch, daß sie augenblicklich wissen, ob ein Mensch ein
Freund von ihnen ist oder nicht. Daß die Ausdünstung gewisser Personen ihnen besonders angenehm
oder unangenehm ist, dürfte wohl nicht zu bezweifeln sein: allein Dies würde immer noch Nichts für
diesen Fall beweisen. Manche Menschen werden, sobald sie in ein Haus treten, augenblicklich mit
größter Freundlichkeit von allen Hunden begrüßt, selbst wenn ihnen diese noch nicht vorgestellt worden
und ganz fremd sind. Jch kenne Frauen, welche sich nirgends niederlassen können, ohne nach wenigen
Minuten von sämmtlichen Haushunden umlagert zu werden.

Bei dem Umgange des Hundes mit dem Menschen kann man auch sehr gut den wechselnden Aus-
druck des Hundegesichts beobachten. Die hohe geistige Fähigkeit des Thieres spricht sich in seinem
Gesicht ganz unverkennbar aus, und es wird wohl Niemand leugnen wollen, daß jeder Hund seinen
durchaus besondern Ausdruck hat, daß man zwei Hundegesichter ebensowenig wird verwechseln können,
wie zwei Menschengesichter.

Unter sich leben die Hunde gewöhnlich nicht besonders verträglich. Wenn zwei zusammenkommen,
welche sich nicht kennen, geht's erst an ein gegenseitiges Beriechen, dann fletschen beide die Zähne, und
die Beißerei beginnt, falls nicht zarte Rücksichten obwalten. Um so auffallender sind Freundschaften
von der größten Jnnigkeit, welche einzelne, gleichgeschlechtige Hunde zuweilen eingehen. Solche Freunde
zanken sich nie, suchen sich gegenseitig, leisten sich Hilfe in der Roth etc. Auch mit anderen Thieren
werden manchmal ähnliche Bündnisse geschlossen; selbst das beliebte Sprichwort von der Zuneigung
zwischen Hund und Katze kann zu Schanden werden.

Der Geschlechtstrieb ist bei den Hunden sehr ausgeprägt; er zeigt sich bei allen Arten als
Aeußerung einer heftigen Leidenschaft, als ein Rausch, selbst als eine Art vorübergehender Krankheit
und macht sie mehr oder weniger närrisch. Wird er nicht befriedigt, so kann der Hund unter Umständen
krank, sogar toll werden. Dabei ist der männliche Hund nicht ärger betheiligt, als der weibliche,
obgleich sich bei diesem die Sache in einem andern Lichte zeigt. Die Hündin ist zweimal im Jahre
läufisch, zumeist im Februar und im August, und zwar währt dieser Zustand jedesmal 9 bis 14 Tage.
Um diese Zeit versammelt sie alle männlichen Hunde der Nachbarschaft um sich, selbst solche, welche
eine halbe Stunde weit von ihr entfernt wohnen. Wie diese von einer begattungslustigen Hündin
Kunde bekommen, ist geradezu unbegreiflich. Man kann nicht wohl annehmen, daß sie durch den Geruch
soweit geleitet würden, und gleichwohl ist eine andere Erklärung ebensowenig denkbar. Das Betragen
beider Geschlechter unter sich ist ein höchst eigenthümliches. Es ist ebenso anziehend, als abstoßend,
es erregt ebenso unsere Heiterkeit, als unsern Widerwillen. Der männliche Hund ist im höchsten
Grade aufgeregt und folgt der Hündin auf Schritt und Tritt. Dabei wirbt er mit allen möglichen
Kunstgriffen um deren Zuneigung. Sein ganzes Gesicht wird ein anderes; jede seiner Bewegungen
ist gehobener, stolzer und eigenthümlicher; er sucht sich mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
liebenswürdig zu machen. Dahin gehört das Beschnuppern, das freundliche Anschauen, das sonderbare
Aufwerfen des Kopfes, die wirklich zärtlichen Blicke, das bittende Gekläff und dergleichen. Gegen
andere Hunde ist er mißgelaunt und eifersüchtig. Finden sich zwei gleich starke auf gleichem Wege, so
giebt es eine tüchtige Beißerei; sind mehrere vereinigt, so geschieht Dies nicht, aber nur aus dem
Grunde, weil alle übrigen männlichen Hunde sofort auf ein paar Zweikämpfer losstürzen, tüchtig auf
sie hineinbeißen und sie dadurch auseinandertreiben. Gegen die Hündin sind alle gleich liebenswürdig,
gegen alle ihre Mitbewerber gleich abscheulich, und deshalb hört auch das Knurren und Kläffen, Zanken
und Beißen nicht auf. Die Hündin selbst zeigt sich äußerst spröde und beißt beständig nach den sich
ihr nahenden Liebhabern. Sie knurrt, zeigt die Zähne und ist sehr unartig, ohne jedoch dadurch die
hingebenden Liebhaber zu erzürnen oder zu beleidigen. Endlich scheint sie doch mit ihnen Frieden zu
schließen und giebt sich den Forderungen ihres natürlichen Triebes hin. Dabei ist es nun wider-
wärtig, daß sie in Vielmännigkeit lebt und mehr als einem Hunde die Beiwohnung gestattet, und es

Die Raubthiere. Hunde — Haushund.

Jn ſeinem Umgange mit Menſchen beweiſt der Hund ein Erkennungsvermögen, welches uns
oft Wunder nehmen muß. Daß alle Hunde den Abdecker kennen lernen und mit äußerſtem Haß ver-
folgen, iſt ſicher. Ebenſo gewiß iſt es aber auch, daß ſie augenblicklich wiſſen, ob ein Menſch ein
Freund von ihnen iſt oder nicht. Daß die Ausdünſtung gewiſſer Perſonen ihnen beſonders angenehm
oder unangenehm iſt, dürfte wohl nicht zu bezweifeln ſein: allein Dies würde immer noch Nichts für
dieſen Fall beweiſen. Manche Menſchen werden, ſobald ſie in ein Haus treten, augenblicklich mit
größter Freundlichkeit von allen Hunden begrüßt, ſelbſt wenn ihnen dieſe noch nicht vorgeſtellt worden
und ganz fremd ſind. Jch kenne Frauen, welche ſich nirgends niederlaſſen können, ohne nach wenigen
Minuten von ſämmtlichen Haushunden umlagert zu werden.

Bei dem Umgange des Hundes mit dem Menſchen kann man auch ſehr gut den wechſelnden Aus-
druck des Hundegeſichts beobachten. Die hohe geiſtige Fähigkeit des Thieres ſpricht ſich in ſeinem
Geſicht ganz unverkennbar aus, und es wird wohl Niemand leugnen wollen, daß jeder Hund ſeinen
durchaus beſondern Ausdruck hat, daß man zwei Hundegeſichter ebenſowenig wird verwechſeln können,
wie zwei Menſchengeſichter.

Unter ſich leben die Hunde gewöhnlich nicht beſonders verträglich. Wenn zwei zuſammenkommen,
welche ſich nicht kennen, geht’s erſt an ein gegenſeitiges Beriechen, dann fletſchen beide die Zähne, und
die Beißerei beginnt, falls nicht zarte Rückſichten obwalten. Um ſo auffallender ſind Freundſchaften
von der größten Jnnigkeit, welche einzelne, gleichgeſchlechtige Hunde zuweilen eingehen. Solche Freunde
zanken ſich nie, ſuchen ſich gegenſeitig, leiſten ſich Hilfe in der Roth ꝛc. Auch mit anderen Thieren
werden manchmal ähnliche Bündniſſe geſchloſſen; ſelbſt das beliebte Sprichwort von der Zuneigung
zwiſchen Hund und Katze kann zu Schanden werden.

Der Geſchlechtstrieb iſt bei den Hunden ſehr ausgeprägt; er zeigt ſich bei allen Arten als
Aeußerung einer heftigen Leidenſchaft, als ein Rauſch, ſelbſt als eine Art vorübergehender Krankheit
und macht ſie mehr oder weniger närriſch. Wird er nicht befriedigt, ſo kann der Hund unter Umſtänden
krank, ſogar toll werden. Dabei iſt der männliche Hund nicht ärger betheiligt, als der weibliche,
obgleich ſich bei dieſem die Sache in einem andern Lichte zeigt. Die Hündin iſt zweimal im Jahre
läufiſch, zumeiſt im Februar und im Auguſt, und zwar währt dieſer Zuſtand jedesmal 9 bis 14 Tage.
Um dieſe Zeit verſammelt ſie alle männlichen Hunde der Nachbarſchaft um ſich, ſelbſt ſolche, welche
eine halbe Stunde weit von ihr entfernt wohnen. Wie dieſe von einer begattungsluſtigen Hündin
Kunde bekommen, iſt geradezu unbegreiflich. Man kann nicht wohl annehmen, daß ſie durch den Geruch
ſoweit geleitet würden, und gleichwohl iſt eine andere Erklärung ebenſowenig denkbar. Das Betragen
beider Geſchlechter unter ſich iſt ein höchſt eigenthümliches. Es iſt ebenſo anziehend, als abſtoßend,
es erregt ebenſo unſere Heiterkeit, als unſern Widerwillen. Der männliche Hund iſt im höchſten
Grade aufgeregt und folgt der Hündin auf Schritt und Tritt. Dabei wirbt er mit allen möglichen
Kunſtgriffen um deren Zuneigung. Sein ganzes Geſicht wird ein anderes; jede ſeiner Bewegungen
iſt gehobener, ſtolzer und eigenthümlicher; er ſucht ſich mit allen ihm zu Gebote ſtehenden Mitteln
liebenswürdig zu machen. Dahin gehört das Beſchnuppern, das freundliche Anſchauen, das ſonderbare
Aufwerfen des Kopfes, die wirklich zärtlichen Blicke, das bittende Gekläff und dergleichen. Gegen
andere Hunde iſt er mißgelaunt und eiferſüchtig. Finden ſich zwei gleich ſtarke auf gleichem Wege, ſo
giebt es eine tüchtige Beißerei; ſind mehrere vereinigt, ſo geſchieht Dies nicht, aber nur aus dem
Grunde, weil alle übrigen männlichen Hunde ſofort auf ein paar Zweikämpfer losſtürzen, tüchtig auf
ſie hineinbeißen und ſie dadurch auseinandertreiben. Gegen die Hündin ſind alle gleich liebenswürdig,
gegen alle ihre Mitbewerber gleich abſcheulich, und deshalb hört auch das Knurren und Kläffen, Zanken
und Beißen nicht auf. Die Hündin ſelbſt zeigt ſich äußerſt ſpröde und beißt beſtändig nach den ſich
ihr nahenden Liebhabern. Sie knurrt, zeigt die Zähne und iſt ſehr unartig, ohne jedoch dadurch die
hingebenden Liebhaber zu erzürnen oder zu beleidigen. Endlich ſcheint ſie doch mit ihnen Frieden zu
ſchließen und giebt ſich den Forderungen ihres natürlichen Triebes hin. Dabei iſt es nun wider-
wärtig, daß ſie in Vielmännigkeit lebt und mehr als einem Hunde die Beiwohnung geſtattet, und es

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[338/0404] Die Raubthiere. Hunde — Haushund. Jn ſeinem Umgange mit Menſchen beweiſt der Hund ein Erkennungsvermögen, welches uns oft Wunder nehmen muß. Daß alle Hunde den Abdecker kennen lernen und mit äußerſtem Haß ver- folgen, iſt ſicher. Ebenſo gewiß iſt es aber auch, daß ſie augenblicklich wiſſen, ob ein Menſch ein Freund von ihnen iſt oder nicht. Daß die Ausdünſtung gewiſſer Perſonen ihnen beſonders angenehm oder unangenehm iſt, dürfte wohl nicht zu bezweifeln ſein: allein Dies würde immer noch Nichts für dieſen Fall beweiſen. Manche Menſchen werden, ſobald ſie in ein Haus treten, augenblicklich mit größter Freundlichkeit von allen Hunden begrüßt, ſelbſt wenn ihnen dieſe noch nicht vorgeſtellt worden und ganz fremd ſind. Jch kenne Frauen, welche ſich nirgends niederlaſſen können, ohne nach wenigen Minuten von ſämmtlichen Haushunden umlagert zu werden. Bei dem Umgange des Hundes mit dem Menſchen kann man auch ſehr gut den wechſelnden Aus- druck des Hundegeſichts beobachten. Die hohe geiſtige Fähigkeit des Thieres ſpricht ſich in ſeinem Geſicht ganz unverkennbar aus, und es wird wohl Niemand leugnen wollen, daß jeder Hund ſeinen durchaus beſondern Ausdruck hat, daß man zwei Hundegeſichter ebenſowenig wird verwechſeln können, wie zwei Menſchengeſichter. Unter ſich leben die Hunde gewöhnlich nicht beſonders verträglich. Wenn zwei zuſammenkommen, welche ſich nicht kennen, geht’s erſt an ein gegenſeitiges Beriechen, dann fletſchen beide die Zähne, und die Beißerei beginnt, falls nicht zarte Rückſichten obwalten. Um ſo auffallender ſind Freundſchaften von der größten Jnnigkeit, welche einzelne, gleichgeſchlechtige Hunde zuweilen eingehen. Solche Freunde zanken ſich nie, ſuchen ſich gegenſeitig, leiſten ſich Hilfe in der Roth ꝛc. Auch mit anderen Thieren werden manchmal ähnliche Bündniſſe geſchloſſen; ſelbſt das beliebte Sprichwort von der Zuneigung zwiſchen Hund und Katze kann zu Schanden werden. Der Geſchlechtstrieb iſt bei den Hunden ſehr ausgeprägt; er zeigt ſich bei allen Arten als Aeußerung einer heftigen Leidenſchaft, als ein Rauſch, ſelbſt als eine Art vorübergehender Krankheit und macht ſie mehr oder weniger närriſch. Wird er nicht befriedigt, ſo kann der Hund unter Umſtänden krank, ſogar toll werden. Dabei iſt der männliche Hund nicht ärger betheiligt, als der weibliche, obgleich ſich bei dieſem die Sache in einem andern Lichte zeigt. Die Hündin iſt zweimal im Jahre läufiſch, zumeiſt im Februar und im Auguſt, und zwar währt dieſer Zuſtand jedesmal 9 bis 14 Tage. Um dieſe Zeit verſammelt ſie alle männlichen Hunde der Nachbarſchaft um ſich, ſelbſt ſolche, welche eine halbe Stunde weit von ihr entfernt wohnen. Wie dieſe von einer begattungsluſtigen Hündin Kunde bekommen, iſt geradezu unbegreiflich. Man kann nicht wohl annehmen, daß ſie durch den Geruch ſoweit geleitet würden, und gleichwohl iſt eine andere Erklärung ebenſowenig denkbar. Das Betragen beider Geſchlechter unter ſich iſt ein höchſt eigenthümliches. Es iſt ebenſo anziehend, als abſtoßend, es erregt ebenſo unſere Heiterkeit, als unſern Widerwillen. Der männliche Hund iſt im höchſten Grade aufgeregt und folgt der Hündin auf Schritt und Tritt. Dabei wirbt er mit allen möglichen Kunſtgriffen um deren Zuneigung. Sein ganzes Geſicht wird ein anderes; jede ſeiner Bewegungen iſt gehobener, ſtolzer und eigenthümlicher; er ſucht ſich mit allen ihm zu Gebote ſtehenden Mitteln liebenswürdig zu machen. Dahin gehört das Beſchnuppern, das freundliche Anſchauen, das ſonderbare Aufwerfen des Kopfes, die wirklich zärtlichen Blicke, das bittende Gekläff und dergleichen. Gegen andere Hunde iſt er mißgelaunt und eiferſüchtig. Finden ſich zwei gleich ſtarke auf gleichem Wege, ſo giebt es eine tüchtige Beißerei; ſind mehrere vereinigt, ſo geſchieht Dies nicht, aber nur aus dem Grunde, weil alle übrigen männlichen Hunde ſofort auf ein paar Zweikämpfer losſtürzen, tüchtig auf ſie hineinbeißen und ſie dadurch auseinandertreiben. Gegen die Hündin ſind alle gleich liebenswürdig, gegen alle ihre Mitbewerber gleich abſcheulich, und deshalb hört auch das Knurren und Kläffen, Zanken und Beißen nicht auf. Die Hündin ſelbſt zeigt ſich äußerſt ſpröde und beißt beſtändig nach den ſich ihr nahenden Liebhabern. Sie knurrt, zeigt die Zähne und iſt ſehr unartig, ohne jedoch dadurch die hingebenden Liebhaber zu erzürnen oder zu beleidigen. Endlich ſcheint ſie doch mit ihnen Frieden zu ſchließen und giebt ſich den Forderungen ihres natürlichen Triebes hin. Dabei iſt es nun wider- wärtig, daß ſie in Vielmännigkeit lebt und mehr als einem Hunde die Beiwohnung geſtattet, und es

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/404>, abgerufen am 19.05.2024.