Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Linne's Beschreibung der Haushunde. nur in den Stock beißen; auch thut man wohl, wenn man ihnen etwas Speise zuwirft, womit sie sichbeschäftigen, bis man ein Haus erreicht hat. Schlägt man mit dem Stocke drein, so kommen auf das jammernde Geheul des getroffenen Hundes alle Hunde des Dorfes zusammen, und die Sache wird ernster, als zuvor. Dasselbe ist der Fall, wenn man schnellen Gang einschlägt oder wenn man durch Laufen sich zu retten sucht. Es sind mir mehrere Beispiele bekannt, daß Personen niedergeworfen und sehr schwer verwundet wurden. Den Knall des Schießgewehres fürchten diese Hunde am meisten; sie sind daran nicht gewöhnt und werden wie betäubt davon. Hat man nichts Derartiges bei sich und will Nichts mehr helfen, so ist das Beste, wenn man sich noch zur Zeit ruhig niedersetzt. Dies hilft gewöhnlich. Es macht die Hunde stutzen; sich verwundernd stellen sie sich in einen Kreis herum, ohne anzupacken und gehen am Ende auseinander. Zur Bewachung der Herden werden sie nicht be- nutzt; kommen welche auf die Steppe, so fallen sie die Viehherden, denen sie im Dorfe kein Leid thun, wüthend an, schleppen die Kälber an der Gurgel herum, erwürgen Schafe und fressen ihnen die Fett- schwänze ab." Von den Hunden des südlichen Rußland erzählt Kohl. "Jm Winter," sagt er, "ziehen sich die Man sollte wohl glauben, daß diese Hunde, welche sich eigentlich blos, um sich bequemer nähren Jene verwilderten Hunde des Südens nun mögen uns zu den eigentlichen Haushunden selbst Linné’s Beſchreibung der Haushunde. nur in den Stock beißen; auch thut man wohl, wenn man ihnen etwas Speiſe zuwirft, womit ſie ſichbeſchäftigen, bis man ein Haus erreicht hat. Schlägt man mit dem Stocke drein, ſo kommen auf das jammernde Geheul des getroffenen Hundes alle Hunde des Dorfes zuſammen, und die Sache wird ernſter, als zuvor. Daſſelbe iſt der Fall, wenn man ſchnellen Gang einſchlägt oder wenn man durch Laufen ſich zu retten ſucht. Es ſind mir mehrere Beiſpiele bekannt, daß Perſonen niedergeworfen und ſehr ſchwer verwundet wurden. Den Knall des Schießgewehres fürchten dieſe Hunde am meiſten; ſie ſind daran nicht gewöhnt und werden wie betäubt davon. Hat man nichts Derartiges bei ſich und will Nichts mehr helfen, ſo iſt das Beſte, wenn man ſich noch zur Zeit ruhig niederſetzt. Dies hilft gewöhnlich. Es macht die Hunde ſtutzen; ſich verwundernd ſtellen ſie ſich in einen Kreis herum, ohne anzupacken und gehen am Ende auseinander. Zur Bewachung der Herden werden ſie nicht be- nutzt; kommen welche auf die Steppe, ſo fallen ſie die Viehherden, denen ſie im Dorfe kein Leid thun, wüthend an, ſchleppen die Kälber an der Gurgel herum, erwürgen Schafe und freſſen ihnen die Fett- ſchwänze ab.‟ Von den Hunden des ſüdlichen Rußland erzählt Kohl. „Jm Winter,‟ ſagt er, „ziehen ſich die Man ſollte wohl glauben, daß dieſe Hunde, welche ſich eigentlich blos, um ſich bequemer nähren Jene verwilderten Hunde des Südens nun mögen uns zu den eigentlichen Haushunden ſelbſt <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0397" n="331"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>’s</hi> Beſchreibung der Haushunde.</fw><lb/> nur in den Stock beißen; auch thut man wohl, wenn man ihnen etwas Speiſe zuwirft, womit ſie ſich<lb/> beſchäftigen, bis man ein Haus erreicht hat. Schlägt man mit dem Stocke drein, ſo kommen auf das<lb/> jammernde Geheul des getroffenen Hundes alle Hunde des Dorfes zuſammen, und die Sache wird<lb/> ernſter, als zuvor. Daſſelbe iſt der Fall, wenn man ſchnellen Gang einſchlägt oder wenn man durch<lb/> Laufen ſich zu retten ſucht. Es ſind mir mehrere Beiſpiele bekannt, daß Perſonen niedergeworfen<lb/> und ſehr ſchwer verwundet wurden. Den Knall des Schießgewehres fürchten dieſe Hunde am meiſten;<lb/> ſie ſind daran nicht gewöhnt und werden wie betäubt davon. Hat man nichts Derartiges bei ſich<lb/> und will Nichts mehr helfen, ſo iſt das Beſte, wenn man ſich noch zur Zeit ruhig niederſetzt. Dies<lb/> hilft gewöhnlich. Es macht die Hunde ſtutzen; ſich verwundernd ſtellen ſie ſich in einen Kreis herum,<lb/> ohne anzupacken und gehen am Ende auseinander. Zur Bewachung der Herden werden ſie nicht be-<lb/> nutzt; kommen welche auf die Steppe, ſo fallen ſie die Viehherden, denen ſie im Dorfe kein Leid thun,<lb/> wüthend an, ſchleppen die Kälber an der Gurgel herum, erwürgen Schafe und freſſen ihnen die Fett-<lb/> ſchwänze ab.‟</p><lb/> <p>Von den Hunden des ſüdlichen Rußland erzählt <hi rendition="#g">Kohl.</hi> „Jm Winter,‟ ſagt er, „ziehen ſich die<lb/> Hunde ſcharenweiſe nach den Städten, ſtören im weggeworfenen Unrath und zerren an verrecktem Vieh<lb/> herum. Jn einigen Städten, wie Odeſſa, gehen Wächter umher, die ein beſtändiges Blutbad unter<lb/> den herrenloſen Hunden aurichten. Allein es hilft wenig, da man die Hundequellen in den Dörfern<lb/> und Städten nicht verſtopfen kann. Die Hunde ſind eine wahre Landplage, ſie ſind Allen zur Laſt<lb/> und freſſen ſelbſt den Gärtnern Obſt und Trauben weg.‟</p><lb/> <p>Man ſollte wohl glauben, daß dieſe Hunde, welche ſich eigentlich blos, um ſich bequemer nähren<lb/> zu können, an den Menſchen anſchließen, in günſtigen Gegenden leicht vollkommen verwildern und dann<lb/> denjenigen Arten durchaus gleich werden könnten, welche wir als wirklich wild, viele Naturforſcher<lb/> aber blos als verwilderte anſehen. Ebenſo gut als Egypten Nahrung bietet für <hi rendition="#g">Hiänen, Schakal</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Fuchs,</hi> oder die Tartarei und Rußland für <hi rendition="#g">Wolf, Schakal, Fuchs</hi> und <hi rendition="#g">Korſack,</hi> ebenſo gut<lb/> würden ſich dieſe Hunde, wenn ſie ſich ganz von der Herrſchaft des Menſchen befreien wollten, ſelbſt-<lb/> ſtändig machen und ernähren können. Allein gerade da, wo die Hunde in dieſem halbwilden Zuſtande<lb/> leben, findet man niemals Meuten, welche in der Weiſe des <hi rendition="#g">Dingo, Buanſah</hi> oder des <hi rendition="#aq">Perro<lb/> cimarron</hi> der amerikaniſchen Steppen jagen, und ſomit würden gerade ſie nur dazu dienen, uns einen<lb/> Zweifel mehr über die Arteinheit der genannten wilden und unſerer Haushunde wachzurufen.</p><lb/> <p>Jene verwilderten Hunde des Südens nun mögen uns zu den eigentlichen <hi rendition="#g">Haushunden</hi> ſelbſt<lb/> führen. Die Beſchreibung ihres Weſens und Lebens mag die unübertreffliche Kennzeichnung des<lb/> Thieres eröffnen, welche der Altvater der Thierkunde, <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>,</hi> in ſeiner eigenthümlich kurzen und<lb/> ſchlagenden Weiſe geſchrieben und uns hinterlaſſen hat. Jch habe mich bemüht, dieſelbe ſo treu als<lb/> möglich im Deutſchen wiederzugeben, obgleich Dies keine leichte Sache iſt. Manche Stellen laſſen ſich<lb/> gar nicht überſetzen; das Uebrige lautet etwa alſo: „Frißt Fleiſch, Aas, mehlige Pflanzenſtoffe, kein<lb/> Kraut, verdaut Knochen, erbricht ſich nach Gras; loſt auf einen Stein: <hi rendition="#g">Griechiſch Weiß,</hi> äußerſt<lb/> beizend. Trinkt leckend; wäſſert ſeitlich, in guter Geſellſchaft oft hundertmal, beriecht des nächſten<lb/> After; Naſe feucht, wittert vorzüglich; läuft der Quer; geht auf den Zehen, ſchwitzt ſehr wenig, in der<lb/> Hitze läßt er die Zunge hängen; vor Schlafengehen umkreiſt er die Lagerſtätte; hört im Schlaf ziemlich<lb/> ſcharf, träumt. Die Hündin iſt grauſam gegen eiferſüchtige Freier; in der Laufzeit treibt ſie es mit<lb/> vielen; ſie beißt dieſelben; in der Begattung innig verbunden; trägt neun Wochen, wölft vier bis acht,<lb/> die Männchen dem Vater, die Weibchen der Mutter ähnlich. Treu über Alles; Hausgenoſſe des<lb/> Menſchen; wedelt beim Nahen des Herrn, läßt ihn nicht ſchlagen; geht Jener, läuft er voraus, am<lb/> Kreuzweg ſieht er ſich um; gelehrig, erforſcht er Verlornes, macht nachts die Runde, meldet Nahende,<lb/> wacht bei Gütern, wehrt das Vieh von den Feldern ab, hält Reuthiere zuſammen, bewacht Rinder<lb/> und Schafe vor wilden Thieren, hält Löwen im Schach, treibt das Wild auf, ſtellt Enten, ſchleicht<lb/> im Sprunge an das Netz, bringt das vom Jäger Erlegte, ohne zu naſchen, dreht in Frankreich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [331/0397]
Linné’s Beſchreibung der Haushunde.
nur in den Stock beißen; auch thut man wohl, wenn man ihnen etwas Speiſe zuwirft, womit ſie ſich
beſchäftigen, bis man ein Haus erreicht hat. Schlägt man mit dem Stocke drein, ſo kommen auf das
jammernde Geheul des getroffenen Hundes alle Hunde des Dorfes zuſammen, und die Sache wird
ernſter, als zuvor. Daſſelbe iſt der Fall, wenn man ſchnellen Gang einſchlägt oder wenn man durch
Laufen ſich zu retten ſucht. Es ſind mir mehrere Beiſpiele bekannt, daß Perſonen niedergeworfen
und ſehr ſchwer verwundet wurden. Den Knall des Schießgewehres fürchten dieſe Hunde am meiſten;
ſie ſind daran nicht gewöhnt und werden wie betäubt davon. Hat man nichts Derartiges bei ſich
und will Nichts mehr helfen, ſo iſt das Beſte, wenn man ſich noch zur Zeit ruhig niederſetzt. Dies
hilft gewöhnlich. Es macht die Hunde ſtutzen; ſich verwundernd ſtellen ſie ſich in einen Kreis herum,
ohne anzupacken und gehen am Ende auseinander. Zur Bewachung der Herden werden ſie nicht be-
nutzt; kommen welche auf die Steppe, ſo fallen ſie die Viehherden, denen ſie im Dorfe kein Leid thun,
wüthend an, ſchleppen die Kälber an der Gurgel herum, erwürgen Schafe und freſſen ihnen die Fett-
ſchwänze ab.‟
Von den Hunden des ſüdlichen Rußland erzählt Kohl. „Jm Winter,‟ ſagt er, „ziehen ſich die
Hunde ſcharenweiſe nach den Städten, ſtören im weggeworfenen Unrath und zerren an verrecktem Vieh
herum. Jn einigen Städten, wie Odeſſa, gehen Wächter umher, die ein beſtändiges Blutbad unter
den herrenloſen Hunden aurichten. Allein es hilft wenig, da man die Hundequellen in den Dörfern
und Städten nicht verſtopfen kann. Die Hunde ſind eine wahre Landplage, ſie ſind Allen zur Laſt
und freſſen ſelbſt den Gärtnern Obſt und Trauben weg.‟
Man ſollte wohl glauben, daß dieſe Hunde, welche ſich eigentlich blos, um ſich bequemer nähren
zu können, an den Menſchen anſchließen, in günſtigen Gegenden leicht vollkommen verwildern und dann
denjenigen Arten durchaus gleich werden könnten, welche wir als wirklich wild, viele Naturforſcher
aber blos als verwilderte anſehen. Ebenſo gut als Egypten Nahrung bietet für Hiänen, Schakal
und Fuchs, oder die Tartarei und Rußland für Wolf, Schakal, Fuchs und Korſack, ebenſo gut
würden ſich dieſe Hunde, wenn ſie ſich ganz von der Herrſchaft des Menſchen befreien wollten, ſelbſt-
ſtändig machen und ernähren können. Allein gerade da, wo die Hunde in dieſem halbwilden Zuſtande
leben, findet man niemals Meuten, welche in der Weiſe des Dingo, Buanſah oder des Perro
cimarron der amerikaniſchen Steppen jagen, und ſomit würden gerade ſie nur dazu dienen, uns einen
Zweifel mehr über die Arteinheit der genannten wilden und unſerer Haushunde wachzurufen.
Jene verwilderten Hunde des Südens nun mögen uns zu den eigentlichen Haushunden ſelbſt
führen. Die Beſchreibung ihres Weſens und Lebens mag die unübertreffliche Kennzeichnung des
Thieres eröffnen, welche der Altvater der Thierkunde, Linné, in ſeiner eigenthümlich kurzen und
ſchlagenden Weiſe geſchrieben und uns hinterlaſſen hat. Jch habe mich bemüht, dieſelbe ſo treu als
möglich im Deutſchen wiederzugeben, obgleich Dies keine leichte Sache iſt. Manche Stellen laſſen ſich
gar nicht überſetzen; das Uebrige lautet etwa alſo: „Frißt Fleiſch, Aas, mehlige Pflanzenſtoffe, kein
Kraut, verdaut Knochen, erbricht ſich nach Gras; loſt auf einen Stein: Griechiſch Weiß, äußerſt
beizend. Trinkt leckend; wäſſert ſeitlich, in guter Geſellſchaft oft hundertmal, beriecht des nächſten
After; Naſe feucht, wittert vorzüglich; läuft der Quer; geht auf den Zehen, ſchwitzt ſehr wenig, in der
Hitze läßt er die Zunge hängen; vor Schlafengehen umkreiſt er die Lagerſtätte; hört im Schlaf ziemlich
ſcharf, träumt. Die Hündin iſt grauſam gegen eiferſüchtige Freier; in der Laufzeit treibt ſie es mit
vielen; ſie beißt dieſelben; in der Begattung innig verbunden; trägt neun Wochen, wölft vier bis acht,
die Männchen dem Vater, die Weibchen der Mutter ähnlich. Treu über Alles; Hausgenoſſe des
Menſchen; wedelt beim Nahen des Herrn, läßt ihn nicht ſchlagen; geht Jener, läuft er voraus, am
Kreuzweg ſieht er ſich um; gelehrig, erforſcht er Verlornes, macht nachts die Runde, meldet Nahende,
wacht bei Gütern, wehrt das Vieh von den Feldern ab, hält Reuthiere zuſammen, bewacht Rinder
und Schafe vor wilden Thieren, hält Löwen im Schach, treibt das Wild auf, ſtellt Enten, ſchleicht
im Sprunge an das Netz, bringt das vom Jäger Erlegte, ohne zu naſchen, dreht in Frankreich
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