Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Gewohnheiten. Lebensschilderung.
Fuchs ähnelt er auch darin, daß er nur selten in großen Gesellschaften jagt. Gewöhnlich sieht man
Trupps von fünf bis sechs Stück, meistens eine Mutter mit ihren Kindern; doch kommt es auch vor,
daß sich bei einem Aase viele Dingos versammeln: manche Ansiedler wollen bei solchen Gelegenheiten
schon ihrer achtzig bis hundert vereinigt gesehen haben. Man behauptet, daß die Familien sehr treu
zusammenhalten, ein eignes Gebiet haben und niemals in das einer andern Meute eintreten, aber
ebensowenig leiden, daß diese ihre Grenzen überschreitet.

Ehe die Ansiedler regelrecht gegen diesen Erzfeind ihrer Herden zu Felde zogen, verloren sie durch
ihn erstaunlich viel Schafe. Man versichert, daß in einer einzigen Schäferei binnen drei Monaten
nicht weniger als 1200 Stück Schafe und Lämmer von den Dingos geraubt wurden. Größer noch,
als die Verluste, welche ein Einfall des Raubthieres unmittelbar zur Folge hat, sind die mittelbaren,

[Abbildung] Der Dingo oder Warragal (Canis Dingo).
weil die Schafe beim Erscheinen des Raubthieres wie unsinnig davon rennen, blind in die Steppe
hinausjagen und dann entweder anderen Dingos oder dem Durst zum Opfer fallen. Außer den
Schafen frißt der "Wildhund" Kängurus aller Art und andere größere und kleinere Buschthiere.
Er greift jedes lebende, eingeborne Thier Australiens mit unbeschreiblicher Gier und Wuth an, nur
vor den Hunden fürchtet er sich. Die Hirten- und die Jagdhunde und die Dingos leben in ewiger
Feindschaft: sie verfolgen sich gegenseitig mit wirklich beispiellosem Haß. Wenn mehrere Haushunde
einen Dingo sehen, fallen sie über ihn her und reißen ihn in Stücke; daß Umgekehrte ist der Fall,
wenn ein verirrter Haushund von Dingos gefunden wird. Doch kommt es vor, daß sich zur Paarungs-
zeit eine Dingohündin zu den Schäferhunden gesellt und mit diesen sich verträgt. "Als ich eines
Morgens aus meinem Zelte trat," sagt ein alter Buschmann in seinen "Forschergängen durch
den Wald.
"sah ich einen weiblichen Dingo mit allen unseren Hunden spielen. Sobald sie mich sah
ging sie davon. Einer unserer Hunde folgte ihr aber und blieb drei Tage lang aus; er kam zurück,

Gewohnheiten. Lebensſchilderung.
Fuchs ähnelt er auch darin, daß er nur ſelten in großen Geſellſchaften jagt. Gewöhnlich ſieht man
Trupps von fünf bis ſechs Stück, meiſtens eine Mutter mit ihren Kindern; doch kommt es auch vor,
daß ſich bei einem Aaſe viele Dingos verſammeln: manche Anſiedler wollen bei ſolchen Gelegenheiten
ſchon ihrer achtzig bis hundert vereinigt geſehen haben. Man behauptet, daß die Familien ſehr treu
zuſammenhalten, ein eignes Gebiet haben und niemals in das einer andern Meute eintreten, aber
ebenſowenig leiden, daß dieſe ihre Grenzen überſchreitet.

Ehe die Anſiedler regelrecht gegen dieſen Erzfeind ihrer Herden zu Felde zogen, verloren ſie durch
ihn erſtaunlich viel Schafe. Man verſichert, daß in einer einzigen Schäferei binnen drei Monaten
nicht weniger als 1200 Stück Schafe und Lämmer von den Dingos geraubt wurden. Größer noch,
als die Verluſte, welche ein Einfall des Raubthieres unmittelbar zur Folge hat, ſind die mittelbaren,

[Abbildung] Der Dingo oder Warragal (Canis Dingo).
weil die Schafe beim Erſcheinen des Raubthieres wie unſinnig davon rennen, blind in die Steppe
hinausjagen und dann entweder anderen Dingos oder dem Durſt zum Opfer fallen. Außer den
Schafen frißt der „Wildhund‟ Kängurus aller Art und andere größere und kleinere Buſchthiere.
Er greift jedes lebende, eingeborne Thier Auſtraliens mit unbeſchreiblicher Gier und Wuth an, nur
vor den Hunden fürchtet er ſich. Die Hirten- und die Jagdhunde und die Dingos leben in ewiger
Feindſchaft: ſie verfolgen ſich gegenſeitig mit wirklich beiſpielloſem Haß. Wenn mehrere Haushunde
einen Dingo ſehen, fallen ſie über ihn her und reißen ihn in Stücke; daß Umgekehrte iſt der Fall,
wenn ein verirrter Haushund von Dingos gefunden wird. Doch kommt es vor, daß ſich zur Paarungs-
zeit eine Dingohündin zu den Schäferhunden geſellt und mit dieſen ſich verträgt. „Als ich eines
Morgens aus meinem Zelte trat,‟ ſagt ein alter Buſchmann in ſeinen „Forſchergängen durch
den Wald.
„ſah ich einen weiblichen Dingo mit allen unſeren Hunden ſpielen. Sobald ſie mich ſah
ging ſie davon. Einer unſerer Hunde folgte ihr aber und blieb drei Tage lang aus; er kam zurück,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0391" n="325"/><fw place="top" type="header">Gewohnheiten. Lebens&#x017F;childerung.</fw><lb/>
Fuchs ähnelt er auch darin, daß er nur &#x017F;elten in großen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften jagt. Gewöhnlich &#x017F;ieht man<lb/>
Trupps von fünf bis &#x017F;echs Stück, mei&#x017F;tens eine Mutter mit ihren Kindern; doch kommt es auch vor,<lb/>
daß &#x017F;ich bei einem Aa&#x017F;e viele Dingos ver&#x017F;ammeln: manche An&#x017F;iedler wollen bei &#x017F;olchen Gelegenheiten<lb/>
&#x017F;chon ihrer achtzig bis hundert vereinigt ge&#x017F;ehen haben. Man behauptet, daß die Familien &#x017F;ehr treu<lb/>
zu&#x017F;ammenhalten, ein eignes Gebiet haben und niemals in das einer andern Meute eintreten, aber<lb/>
eben&#x017F;owenig leiden, daß die&#x017F;e ihre Grenzen über&#x017F;chreitet.</p><lb/>
          <p>Ehe die An&#x017F;iedler regelrecht gegen die&#x017F;en Erzfeind ihrer Herden zu Felde zogen, verloren &#x017F;ie durch<lb/>
ihn er&#x017F;taunlich viel Schafe. Man ver&#x017F;ichert, daß in einer einzigen Schäferei binnen drei Monaten<lb/>
nicht weniger als 1200 Stück Schafe und Lämmer von den Dingos geraubt wurden. Größer noch,<lb/>
als die Verlu&#x017F;te, welche ein Einfall des Raubthieres unmittelbar zur Folge hat, &#x017F;ind die mittelbaren,<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Dingo</hi> oder <hi rendition="#g">Warragal</hi> (<hi rendition="#aq">Canis Dingo</hi>).</hi></head></figure><lb/>
weil die Schafe beim Er&#x017F;cheinen des Raubthieres wie un&#x017F;innig davon rennen, blind in die Steppe<lb/>
hinausjagen und dann entweder anderen Dingos oder dem Dur&#x017F;t zum Opfer fallen. Außer den<lb/>
Schafen frißt der <hi rendition="#g">&#x201E;Wildhund&#x201F; Kängurus</hi> aller Art und andere größere und kleinere Bu&#x017F;chthiere.<lb/>
Er greift jedes lebende, eingeborne Thier Au&#x017F;traliens mit unbe&#x017F;chreiblicher Gier und Wuth an, nur<lb/>
vor den Hunden fürchtet er &#x017F;ich. Die Hirten- und die Jagdhunde und die Dingos leben in ewiger<lb/>
Feind&#x017F;chaft: &#x017F;ie verfolgen &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig mit wirklich bei&#x017F;piello&#x017F;em Haß. Wenn mehrere Haushunde<lb/>
einen Dingo &#x017F;ehen, fallen &#x017F;ie über ihn her und reißen ihn in Stücke; daß Umgekehrte i&#x017F;t der Fall,<lb/>
wenn ein verirrter Haushund von Dingos gefunden wird. Doch kommt es vor, daß &#x017F;ich zur Paarungs-<lb/>
zeit eine Dingohündin zu den Schäferhunden ge&#x017F;ellt und mit die&#x017F;en &#x017F;ich verträgt. &#x201E;Als ich eines<lb/>
Morgens aus meinem Zelte trat,&#x201F; &#x017F;agt <hi rendition="#g">ein alter Bu&#x017F;chmann</hi> in &#x017F;einen &#x201E;<hi rendition="#g">For&#x017F;chergängen durch<lb/>
den Wald.</hi> &#x201E;&#x017F;ah ich einen weiblichen Dingo mit allen un&#x017F;eren Hunden &#x017F;pielen. Sobald &#x017F;ie mich &#x017F;ah<lb/>
ging &#x017F;ie davon. Einer un&#x017F;erer Hunde folgte ihr aber und blieb drei Tage lang aus; er kam zurück,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0391] Gewohnheiten. Lebensſchilderung. Fuchs ähnelt er auch darin, daß er nur ſelten in großen Geſellſchaften jagt. Gewöhnlich ſieht man Trupps von fünf bis ſechs Stück, meiſtens eine Mutter mit ihren Kindern; doch kommt es auch vor, daß ſich bei einem Aaſe viele Dingos verſammeln: manche Anſiedler wollen bei ſolchen Gelegenheiten ſchon ihrer achtzig bis hundert vereinigt geſehen haben. Man behauptet, daß die Familien ſehr treu zuſammenhalten, ein eignes Gebiet haben und niemals in das einer andern Meute eintreten, aber ebenſowenig leiden, daß dieſe ihre Grenzen überſchreitet. Ehe die Anſiedler regelrecht gegen dieſen Erzfeind ihrer Herden zu Felde zogen, verloren ſie durch ihn erſtaunlich viel Schafe. Man verſichert, daß in einer einzigen Schäferei binnen drei Monaten nicht weniger als 1200 Stück Schafe und Lämmer von den Dingos geraubt wurden. Größer noch, als die Verluſte, welche ein Einfall des Raubthieres unmittelbar zur Folge hat, ſind die mittelbaren, [Abbildung Der Dingo oder Warragal (Canis Dingo).] weil die Schafe beim Erſcheinen des Raubthieres wie unſinnig davon rennen, blind in die Steppe hinausjagen und dann entweder anderen Dingos oder dem Durſt zum Opfer fallen. Außer den Schafen frißt der „Wildhund‟ Kängurus aller Art und andere größere und kleinere Buſchthiere. Er greift jedes lebende, eingeborne Thier Auſtraliens mit unbeſchreiblicher Gier und Wuth an, nur vor den Hunden fürchtet er ſich. Die Hirten- und die Jagdhunde und die Dingos leben in ewiger Feindſchaft: ſie verfolgen ſich gegenſeitig mit wirklich beiſpielloſem Haß. Wenn mehrere Haushunde einen Dingo ſehen, fallen ſie über ihn her und reißen ihn in Stücke; daß Umgekehrte iſt der Fall, wenn ein verirrter Haushund von Dingos gefunden wird. Doch kommt es vor, daß ſich zur Paarungs- zeit eine Dingohündin zu den Schäferhunden geſellt und mit dieſen ſich verträgt. „Als ich eines Morgens aus meinem Zelte trat,‟ ſagt ein alter Buſchmann in ſeinen „Forſchergängen durch den Wald. „ſah ich einen weiblichen Dingo mit allen unſeren Hunden ſpielen. Sobald ſie mich ſah ging ſie davon. Einer unſerer Hunde folgte ihr aber und blieb drei Tage lang aus; er kam zurück,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/391
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/391>, abgerufen am 18.05.2024.