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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Leibes- und Lebensbeschreibung beider.
32 Thüren zerfressen, und das langschwänzige Ungeziefer lustwandelte nun im ganzen Hause nach
Belieben umher. Diesem Vergnügen that die Wildkatze den gründlichsten Eintrag und gewann sich
auch aus diesem Grunde immer mehr die Liebe ihres Erziehers.

Der Mbaracaya oder Tschati-Chati (Leopardus Maracaya) ähnelt in seinem Leibesbau
mehr dem Jaguar, als dem Ozelot, unterscheidet sich aber nicht nur durch seine Zeichnung, sondern
auch durch seine Größe augenblicklich von dem gefürchteten Räuber. Auch ist der Kopf verhältniß-
mäßig kleiner und der Schwanz verhältnißmäßig kürzer. Der Tschati ist aber immerhin noch eine
große Katze; denn seine Körperlänge beträgt 21/2 Fuß, die des Schwanzes 1 Fuß und die Schulterhöhe
1 1/3 Fuß. Der Grundton der Färbung ist mehr gelblich, als röthlich, der Grundfarbe des Leoparden-
fells ziemlich ähnlich: die Unterseite ist rein weiß. Auf dem Kopfe, Rücken, am Schwanze und unten
an den Beinen heben sich einfache, schwarze Tüpfel ab, welche ebenso unregelmäßig in ihrer Gestalt,
wie in ihrer Anordnung sind. Bald sind sie lang gezogen, bald rund, bald in Streifen geordnet-
bald wirr durch einander gestreut. Ein Flecken über dem Auge und die Backen sind rein weiß, die
Ohren sind innen weiß, außen schwarz mit weißem oder gelbem Fleck. An den Seiten des Kopfes
verlaufen zwei schwarze, unter der Kehle zieht ein brauner Streifen hin. Die Endhälfte des Schwanzes
hat schwarze Binden und einige Ringel vor der Spitze. Die Jungen haben ein struppigeres und streifig
geflecktes Haarkleid; aber auch bei den Alten ändert die Grundfarbe und die Beschaffenheit der Flecken
und Streifen vielfach ab.

Der Tschati ist ein höchst eifriger Jäger und wagt sich schon an ziemlich große Thiere. Den
Hühnerzüchtern, welche in der Nähe ihrer Waldungen wohnen, ist er ein sehr unangenehmer und
ungemüthlicher Nachbar, und jeder, welcher Hühner hat, mag sich vor ihm in Acht nehmen; denn,
wie es scheint, zieht er Geflügel aller übrigen Speise vor und ist deshalb eben nicht lässig, den
Hühnerhäusern häufig Besuche abstatten. Eine Mauer oder ein Pfahlzaun rings um das Gehöft
schützt gar nicht gegen seine nächtlichen Besuche; denn er versteht es ebensogut, sich durch die schmalsten
Oeffnungen zu drängen, als über hohe Umfassungen zu klettern. Dabei ist er so vorsichtig bei seinen
nächtlichen Ueberfällen, daß er gewöhnlich nicht das geringste Anzeichen von seinen Besuchen giebt und
nur am nächsten Morgen durch einige Blutspuren oder zerstreute Federn und noch mehr durch die
fehlenden Hühner verkündet, daß er wieder einmal da gewesen sei. Jnnerhalb zweier Jahren wurden
nicht weniger als achtzehn Tschatis von einem Landeigner um sein Gehöft herum gefangen, und
hieraus mag hervorgehen, daß sie an manchen Orten häufig genug sind.

Man sagt, daß er in Paaren lebe und jedes derselben einen besondern Jagdgrund besitze, ohne
daß die beiden Gatten sich jedoch bei der Jagd behilflich wären. Während des Tages liegen die
Thiere sorgfältig verborgen in dem dunkeln Schatten der Wälder und schlafen ihre Zeit ab, bis die
Sonne zur Rüste gegangen ist und die Dunkelheit sich über das Land senkt. Dann machen sie sich
auf, um ihren Weg der Zerstörung zu wandeln. Jn Mondscheinnächten verbleiben sie in ihren
Wäldern, d. h. sie scheuen sich, an ein Gehöft heranzuschleichen: je dunkler und stürmischer aber die
Nacht ist, umsomehr scheint sie dieser Katze geeignet, einen Ueberfall auf die von den Menschen geschützten
Thiere zu versuchen. Jn solchen Nächten mag der Landeigner sich in Acht nehmen und gut nach seinen
Thoren und Läden sehen, oder aber erwarten, daß er am Morgen einen leeren Hühnerstall findet.

Jn der Gefangenschaft ist der Tschati ein sehr liebenswürdiges und anhängliches Wesen, welches
seinen Herrn durch sein angenehmes Wesen und die hübschen und anmuthigen Streiche erfreut. Einer,
welcher von dem erwähnten Landbesitzer gefangen worden war, wurde so vollständig zahm, daß man
ihm zuletzt die Freiheit gab. Doch so liebenswürdig und umgänglich er sich auch gegen seinen Herrn
bewiesen hatte, so mord- und rauflustig zeigte er sich gegen die Hühner. Diese Eigenschaft war viel
zu tief in ihm eingewurzelt, als daß sie hätte ausgerottet werden können. Das Thier benutzte jeden
Augenblick, um im eigenen Hause oder in der Nachbarschaft einen Ueberfall zu machen, und endete
bald genug auf einem dieser Streifzüge durch den Sper eines erbosten Pächters sein Leben.

Leibes- und Lebensbeſchreibung beider.
32 Thüren zerfreſſen, und das langſchwänzige Ungeziefer luſtwandelte nun im ganzen Hauſe nach
Belieben umher. Dieſem Vergnügen that die Wildkatze den gründlichſten Eintrag und gewann ſich
auch aus dieſem Grunde immer mehr die Liebe ihres Erziehers.

Der Mbaracaya oder Tſchati-Chati (Leopardus Maracaya) ähnelt in ſeinem Leibesbau
mehr dem Jaguar, als dem Ozelot, unterſcheidet ſich aber nicht nur durch ſeine Zeichnung, ſondern
auch durch ſeine Größe augenblicklich von dem gefürchteten Räuber. Auch iſt der Kopf verhältniß-
mäßig kleiner und der Schwanz verhältnißmäßig kürzer. Der Tſchati iſt aber immerhin noch eine
große Katze; denn ſeine Körperlänge beträgt 2½ Fuß, die des Schwanzes 1 Fuß und die Schulterhöhe
1⅓ Fuß. Der Grundton der Färbung iſt mehr gelblich, als röthlich, der Grundfarbe des Leoparden-
fells ziemlich ähnlich: die Unterſeite iſt rein weiß. Auf dem Kopfe, Rücken, am Schwanze und unten
an den Beinen heben ſich einfache, ſchwarze Tüpfel ab, welche ebenſo unregelmäßig in ihrer Geſtalt,
wie in ihrer Anordnung ſind. Bald ſind ſie lang gezogen, bald rund, bald in Streifen geordnet-
bald wirr durch einander geſtreut. Ein Flecken über dem Auge und die Backen ſind rein weiß, die
Ohren ſind innen weiß, außen ſchwarz mit weißem oder gelbem Fleck. An den Seiten des Kopfes
verlaufen zwei ſchwarze, unter der Kehle zieht ein brauner Streifen hin. Die Endhälfte des Schwanzes
hat ſchwarze Binden und einige Ringel vor der Spitze. Die Jungen haben ein ſtruppigeres und ſtreifig
geflecktes Haarkleid; aber auch bei den Alten ändert die Grundfarbe und die Beſchaffenheit der Flecken
und Streifen vielfach ab.

Der Tſchati iſt ein höchſt eifriger Jäger und wagt ſich ſchon an ziemlich große Thiere. Den
Hühnerzüchtern, welche in der Nähe ihrer Waldungen wohnen, iſt er ein ſehr unangenehmer und
ungemüthlicher Nachbar, und jeder, welcher Hühner hat, mag ſich vor ihm in Acht nehmen; denn,
wie es ſcheint, zieht er Geflügel aller übrigen Speiſe vor und iſt deshalb eben nicht läſſig, den
Hühnerhäuſern häufig Beſuche abſtatten. Eine Mauer oder ein Pfahlzaun rings um das Gehöft
ſchützt gar nicht gegen ſeine nächtlichen Beſuche; denn er verſteht es ebenſogut, ſich durch die ſchmalſten
Oeffnungen zu drängen, als über hohe Umfaſſungen zu klettern. Dabei iſt er ſo vorſichtig bei ſeinen
nächtlichen Ueberfällen, daß er gewöhnlich nicht das geringſte Anzeichen von ſeinen Beſuchen giebt und
nur am nächſten Morgen durch einige Blutſpuren oder zerſtreute Federn und noch mehr durch die
fehlenden Hühner verkündet, daß er wieder einmal da geweſen ſei. Jnnerhalb zweier Jahren wurden
nicht weniger als achtzehn Tſchatis von einem Landeigner um ſein Gehöft herum gefangen, und
hieraus mag hervorgehen, daß ſie an manchen Orten häufig genug ſind.

Man ſagt, daß er in Paaren lebe und jedes derſelben einen beſondern Jagdgrund beſitze, ohne
daß die beiden Gatten ſich jedoch bei der Jagd behilflich wären. Während des Tages liegen die
Thiere ſorgfältig verborgen in dem dunkeln Schatten der Wälder und ſchlafen ihre Zeit ab, bis die
Sonne zur Rüſte gegangen iſt und die Dunkelheit ſich über das Land ſenkt. Dann machen ſie ſich
auf, um ihren Weg der Zerſtörung zu wandeln. Jn Mondſcheinnächten verbleiben ſie in ihren
Wäldern, d. h. ſie ſcheuen ſich, an ein Gehöft heranzuſchleichen: je dunkler und ſtürmiſcher aber die
Nacht iſt, umſomehr ſcheint ſie dieſer Katze geeignet, einen Ueberfall auf die von den Menſchen geſchützten
Thiere zu verſuchen. Jn ſolchen Nächten mag der Landeigner ſich in Acht nehmen und gut nach ſeinen
Thoren und Läden ſehen, oder aber erwarten, daß er am Morgen einen leeren Hühnerſtall findet.

Jn der Gefangenſchaft iſt der Tſchati ein ſehr liebenswürdiges und anhängliches Weſen, welches
ſeinen Herrn durch ſein angenehmes Weſen und die hübſchen und anmuthigen Streiche erfreut. Einer,
welcher von dem erwähnten Landbeſitzer gefangen worden war, wurde ſo vollſtändig zahm, daß man
ihm zuletzt die Freiheit gab. Doch ſo liebenswürdig und umgänglich er ſich auch gegen ſeinen Herrn
bewieſen hatte, ſo mord- und raufluſtig zeigte er ſich gegen die Hühner. Dieſe Eigenſchaft war viel
zu tief in ihm eingewurzelt, als daß ſie hätte ausgerottet werden können. Das Thier benutzte jeden
Augenblick, um im eigenen Hauſe oder in der Nachbarſchaft einen Ueberfall zu machen, und endete
bald genug auf einem dieſer Streifzüge durch den Sper eines erboſten Pächters ſein Leben.

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[253/0317] Leibes- und Lebensbeſchreibung beider. 32 Thüren zerfreſſen, und das langſchwänzige Ungeziefer luſtwandelte nun im ganzen Hauſe nach Belieben umher. Dieſem Vergnügen that die Wildkatze den gründlichſten Eintrag und gewann ſich auch aus dieſem Grunde immer mehr die Liebe ihres Erziehers. Der Mbaracaya oder Tſchati-Chati (Leopardus Maracaya) ähnelt in ſeinem Leibesbau mehr dem Jaguar, als dem Ozelot, unterſcheidet ſich aber nicht nur durch ſeine Zeichnung, ſondern auch durch ſeine Größe augenblicklich von dem gefürchteten Räuber. Auch iſt der Kopf verhältniß- mäßig kleiner und der Schwanz verhältnißmäßig kürzer. Der Tſchati iſt aber immerhin noch eine große Katze; denn ſeine Körperlänge beträgt 2½ Fuß, die des Schwanzes 1 Fuß und die Schulterhöhe 1⅓ Fuß. Der Grundton der Färbung iſt mehr gelblich, als röthlich, der Grundfarbe des Leoparden- fells ziemlich ähnlich: die Unterſeite iſt rein weiß. Auf dem Kopfe, Rücken, am Schwanze und unten an den Beinen heben ſich einfache, ſchwarze Tüpfel ab, welche ebenſo unregelmäßig in ihrer Geſtalt, wie in ihrer Anordnung ſind. Bald ſind ſie lang gezogen, bald rund, bald in Streifen geordnet- bald wirr durch einander geſtreut. Ein Flecken über dem Auge und die Backen ſind rein weiß, die Ohren ſind innen weiß, außen ſchwarz mit weißem oder gelbem Fleck. An den Seiten des Kopfes verlaufen zwei ſchwarze, unter der Kehle zieht ein brauner Streifen hin. Die Endhälfte des Schwanzes hat ſchwarze Binden und einige Ringel vor der Spitze. Die Jungen haben ein ſtruppigeres und ſtreifig geflecktes Haarkleid; aber auch bei den Alten ändert die Grundfarbe und die Beſchaffenheit der Flecken und Streifen vielfach ab. Der Tſchati iſt ein höchſt eifriger Jäger und wagt ſich ſchon an ziemlich große Thiere. Den Hühnerzüchtern, welche in der Nähe ihrer Waldungen wohnen, iſt er ein ſehr unangenehmer und ungemüthlicher Nachbar, und jeder, welcher Hühner hat, mag ſich vor ihm in Acht nehmen; denn, wie es ſcheint, zieht er Geflügel aller übrigen Speiſe vor und iſt deshalb eben nicht läſſig, den Hühnerhäuſern häufig Beſuche abſtatten. Eine Mauer oder ein Pfahlzaun rings um das Gehöft ſchützt gar nicht gegen ſeine nächtlichen Beſuche; denn er verſteht es ebenſogut, ſich durch die ſchmalſten Oeffnungen zu drängen, als über hohe Umfaſſungen zu klettern. Dabei iſt er ſo vorſichtig bei ſeinen nächtlichen Ueberfällen, daß er gewöhnlich nicht das geringſte Anzeichen von ſeinen Beſuchen giebt und nur am nächſten Morgen durch einige Blutſpuren oder zerſtreute Federn und noch mehr durch die fehlenden Hühner verkündet, daß er wieder einmal da geweſen ſei. Jnnerhalb zweier Jahren wurden nicht weniger als achtzehn Tſchatis von einem Landeigner um ſein Gehöft herum gefangen, und hieraus mag hervorgehen, daß ſie an manchen Orten häufig genug ſind. Man ſagt, daß er in Paaren lebe und jedes derſelben einen beſondern Jagdgrund beſitze, ohne daß die beiden Gatten ſich jedoch bei der Jagd behilflich wären. Während des Tages liegen die Thiere ſorgfältig verborgen in dem dunkeln Schatten der Wälder und ſchlafen ihre Zeit ab, bis die Sonne zur Rüſte gegangen iſt und die Dunkelheit ſich über das Land ſenkt. Dann machen ſie ſich auf, um ihren Weg der Zerſtörung zu wandeln. Jn Mondſcheinnächten verbleiben ſie in ihren Wäldern, d. h. ſie ſcheuen ſich, an ein Gehöft heranzuſchleichen: je dunkler und ſtürmiſcher aber die Nacht iſt, umſomehr ſcheint ſie dieſer Katze geeignet, einen Ueberfall auf die von den Menſchen geſchützten Thiere zu verſuchen. Jn ſolchen Nächten mag der Landeigner ſich in Acht nehmen und gut nach ſeinen Thoren und Läden ſehen, oder aber erwarten, daß er am Morgen einen leeren Hühnerſtall findet. Jn der Gefangenſchaft iſt der Tſchati ein ſehr liebenswürdiges und anhängliches Weſen, welches ſeinen Herrn durch ſein angenehmes Weſen und die hübſchen und anmuthigen Streiche erfreut. Einer, welcher von dem erwähnten Landbeſitzer gefangen worden war, wurde ſo vollſtändig zahm, daß man ihm zuletzt die Freiheit gab. Doch ſo liebenswürdig und umgänglich er ſich auch gegen ſeinen Herrn bewieſen hatte, ſo mord- und raufluſtig zeigte er ſich gegen die Hühner. Dieſe Eigenſchaft war viel zu tief in ihm eingewurzelt, als daß ſie hätte ausgerottet werden können. Das Thier benutzte jeden Augenblick, um im eigenen Hauſe oder in der Nachbarſchaft einen Ueberfall zu machen, und endete bald genug auf einem dieſer Streifzüge durch den Sper eines erboſten Pächters ſein Leben.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/317>, abgerufen am 25.11.2024.