Schmarotzern und Bettlern an ihrer Tafel, und blos im Rothfalle kehren sie auch noch am folgenden Tage zu dem Leichnam zurück.
Jn der Regel werfen die weiblichen Katzen mehr als ein Junges, wenn auch Dies aus- nahmsweise vorkommt. Man kann sagen, daß die Zahl ihrer Jungen zwischen Eins und Sechs schwankt; einige Arten sollen sogar noch mehr zur Welt bringen. Die Jungen werden bei der einen sehend, bei der andern blind geboren. Jhre Pflegerin ist die Mutter; der Vater bekümmert sich nur gelegentlich um sie. -- Eine Katzenmutter mit ihren Jungen gewährt ein höchst anziehendes Bild. Man sieht die mütterliche Zärtlichkeit und Liebe in jeder Bewegung der Alten ausgedrückt, hört sie in jedem Ton, welchen man vernimmt. Da liegt eine Zartheit und Weiche in der Stimme, welche man gar nicht vermuthet hätte! Dabei beobachtet die Alte ihre Kleinen mit so viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit, daß man gar nicht zweifeln kann, wie sehr ihr die Kinderschar aus Herz gewachsen ist. Besonders wohlthuend ist bei einem solchen Katzengehecke auch die Reinlichkeitsliebe, in welcher die Mutter ihre Jungen schon in der frühesten Jugend unterrichtet. Sie hat ohne Unterlaß zu putzen, zu lecken, zu glätten, zu ordnen und duldet nicht den geringsten Schmuz in der Nähe des Lagers. Gegen feindliche Besuche vertheidigt sie ihre Sprößlinge mit Hintansetzung ihres eigenen Lebens, und alle größeren Arten der Familie werden, wenn sie Junge haben, im höchsten Grade furchtbar. Bei den kleineren Arten muß die Mutter ihre Brut oft genug gegen den Vater vertheidigen, welcher die Jungen, so lange sie noch blind sind, ohne weiteres auffrißt, wenn er in das unbewachte Lager kommt. Daher rührt wohl auch hauptsächlich die große Sorgfalt aller Katzen, ihr Geheck möglichst zu verbergen. Nachdem die Jungen etwas mehr herangewachsen sind und sich schon als echte Katzen zeigen, ändert sich die Sache. Dann thut auch der Kater oder das Katzenmännchen überhaupt ihnen Nichts mehr zu Leide. Und nun beginnt ein gar lustiges Kindheitsleben der kleinen, zu Spiel und Scherz jeder Art immer geneigten Thiere. Die natürliche Begabung zeigt sich schon bei den ersten Bewegungen und Regungen, deren die Kätzchen fähig sind. Jhre Kinderspiele sind bereits nichts Anderes, als Vorübungen zu der erusten Jagd, welche die Erwachsenen betreiben. Alles, was sich bewegt, zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Kein Geräusch entgeht ihnen -- die kleinen Lauscher spitzen sich bei dem leisesten Rascheln in der Nähe. Anfangs ist der Schwanz der Alten die größte Kinder- freude der Jungen. Jede seiner Bewegungen wird beobachtet, und bald macht sich die übermüthige Gesellschaft daran, diese Bewegungen durch ihre Fangversuche zu hemmen und zu hindern. Doch die Alte läßt sich durch solche Neckereien nicht im geringsten stören und fährt fort, ihrer innern Seelen- stimmung durch die Schwanzbewegungen Ausdruck zu geben, ja sie bietet ihren Kleinen förmlich dieses Glied zu beliebigem Spiele dar. Wenige Wochen später sieht man die ganze Familie bereits mit den lebhaftesten Spielen beschäftigt, und nun wird die Alte geradezu kindisch, die Löwenmutter ebensogut, wie die Erzeugerin unserer Hauskatzen. Oft ist die ganze Gesellschaft zu einem scheinbaren Knäuel geballt, und Eins fängt und häkelt nach dem Schwanze des Andern. Mit dem zunehmenden Alter werden die Spiele immer ernstlicher. Die Kleinen lernen erkennen, daß der Schwanz doch nur ein Stück ihres eigenen Selbst ist; sie wollen aber ihre Kraft bald an etwas Anderm versuchen. Jetzt schleppt ihnen die Alte kleine Thiere zu, oft noch halb, ja ganz lebendig. Diese werden frei gelassen, und nun übt sich die junge Brut mit Eifer und Ausdauer in dem räuberischen Gewerbe, welches sie später betreiben werden. Schließlich nimmt sie die Alte oder bei manchen Arten das Elternpaar mit auf die Jagd hinaus; da lernen sie nun vollends alle Listen und Schleichwege, die ruhige Beherrschung ihrer selbst, die plötzlichen Angriffe, kurz, die ganze Kunst des Raubes. Erst wenn sie ganz selbstständig geworden sind, trennen sie sich von der Mutter oder den Eltern und führen nun längere Zeit ein ein- sames, herumschweifendes Leben.
Die Katzen stehen der ganzen übrigen Thierwelt als Feinde gegenüber, und deshalb ist der Schaden, welchen sie anrichten, außerordentlich bedeutend. Freilich muß man bedenken, daß die großen Arten der Familie fast sämmtlich in Ländern leben, welche unglaublich reich an Beute sind, ja man kann sogar behaupten, daß einige geradezu einer schädlichen Vermehrung mancher Wieder-
Die Raubthiere. Katzen. — Löwe.
Schmarotzern und Bettlern an ihrer Tafel, und blos im Rothfalle kehren ſie auch noch am folgenden Tage zu dem Leichnam zurück.
Jn der Regel werfen die weiblichen Katzen mehr als ein Junges, wenn auch Dies aus- nahmsweiſe vorkommt. Man kann ſagen, daß die Zahl ihrer Jungen zwiſchen Eins und Sechs ſchwankt; einige Arten ſollen ſogar noch mehr zur Welt bringen. Die Jungen werden bei der einen ſehend, bei der andern blind geboren. Jhre Pflegerin iſt die Mutter; der Vater bekümmert ſich nur gelegentlich um ſie. — Eine Katzenmutter mit ihren Jungen gewährt ein höchſt anziehendes Bild. Man ſieht die mütterliche Zärtlichkeit und Liebe in jeder Bewegung der Alten ausgedrückt, hört ſie in jedem Ton, welchen man vernimmt. Da liegt eine Zartheit und Weiche in der Stimme, welche man gar nicht vermuthet hätte! Dabei beobachtet die Alte ihre Kleinen mit ſo viel Sorgfalt und Aufmerkſamkeit, daß man gar nicht zweifeln kann, wie ſehr ihr die Kinderſchar aus Herz gewachſen iſt. Beſonders wohlthuend iſt bei einem ſolchen Katzengehecke auch die Reinlichkeitsliebe, in welcher die Mutter ihre Jungen ſchon in der früheſten Jugend unterrichtet. Sie hat ohne Unterlaß zu putzen, zu lecken, zu glätten, zu ordnen und duldet nicht den geringſten Schmuz in der Nähe des Lagers. Gegen feindliche Beſuche vertheidigt ſie ihre Sprößlinge mit Hintanſetzung ihres eigenen Lebens, und alle größeren Arten der Familie werden, wenn ſie Junge haben, im höchſten Grade furchtbar. Bei den kleineren Arten muß die Mutter ihre Brut oft genug gegen den Vater vertheidigen, welcher die Jungen, ſo lange ſie noch blind ſind, ohne weiteres auffrißt, wenn er in das unbewachte Lager kommt. Daher rührt wohl auch hauptſächlich die große Sorgfalt aller Katzen, ihr Geheck möglichſt zu verbergen. Nachdem die Jungen etwas mehr herangewachſen ſind und ſich ſchon als echte Katzen zeigen, ändert ſich die Sache. Dann thut auch der Kater oder das Katzenmännchen überhaupt ihnen Nichts mehr zu Leide. Und nun beginnt ein gar luſtiges Kindheitsleben der kleinen, zu Spiel und Scherz jeder Art immer geneigten Thiere. Die natürliche Begabung zeigt ſich ſchon bei den erſten Bewegungen und Regungen, deren die Kätzchen fähig ſind. Jhre Kinderſpiele ſind bereits nichts Anderes, als Vorübungen zu der eruſten Jagd, welche die Erwachſenen betreiben. Alles, was ſich bewegt, zieht ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Kein Geräuſch entgeht ihnen — die kleinen Lauſcher ſpitzen ſich bei dem leiſeſten Raſcheln in der Nähe. Anfangs iſt der Schwanz der Alten die größte Kinder- freude der Jungen. Jede ſeiner Bewegungen wird beobachtet, und bald macht ſich die übermüthige Geſellſchaft daran, dieſe Bewegungen durch ihre Fangverſuche zu hemmen und zu hindern. Doch die Alte läßt ſich durch ſolche Neckereien nicht im geringſten ſtören und fährt fort, ihrer innern Seelen- ſtimmung durch die Schwanzbewegungen Ausdruck zu geben, ja ſie bietet ihren Kleinen förmlich dieſes Glied zu beliebigem Spiele dar. Wenige Wochen ſpäter ſieht man die ganze Familie bereits mit den lebhafteſten Spielen beſchäftigt, und nun wird die Alte geradezu kindiſch, die Löwenmutter ebenſogut, wie die Erzeugerin unſerer Hauskatzen. Oft iſt die ganze Geſellſchaft zu einem ſcheinbaren Knäuel geballt, und Eins fängt und häkelt nach dem Schwanze des Andern. Mit dem zunehmenden Alter werden die Spiele immer ernſtlicher. Die Kleinen lernen erkennen, daß der Schwanz doch nur ein Stück ihres eigenen Selbſt iſt; ſie wollen aber ihre Kraft bald an etwas Anderm verſuchen. Jetzt ſchleppt ihnen die Alte kleine Thiere zu, oft noch halb, ja ganz lebendig. Dieſe werden frei gelaſſen, und nun übt ſich die junge Brut mit Eifer und Ausdauer in dem räuberiſchen Gewerbe, welches ſie ſpäter betreiben werden. Schließlich nimmt ſie die Alte oder bei manchen Arten das Elternpaar mit auf die Jagd hinaus; da lernen ſie nun vollends alle Liſten und Schleichwege, die ruhige Beherrſchung ihrer ſelbſt, die plötzlichen Angriffe, kurz, die ganze Kunſt des Raubes. Erſt wenn ſie ganz ſelbſtſtändig geworden ſind, trennen ſie ſich von der Mutter oder den Eltern und führen nun längere Zeit ein ein- ſames, herumſchweifendes Leben.
Die Katzen ſtehen der ganzen übrigen Thierwelt als Feinde gegenüber, und deshalb iſt der Schaden, welchen ſie anrichten, außerordentlich bedeutend. Freilich muß man bedenken, daß die großen Arten der Familie faſt ſämmtlich in Ländern leben, welche unglaublich reich an Beute ſind, ja man kann ſogar behaupten, daß einige geradezu einer ſchädlichen Vermehrung mancher Wieder-
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[188/0246]
Die Raubthiere. Katzen. — Löwe.
Schmarotzern und Bettlern an ihrer Tafel, und blos im Rothfalle kehren ſie auch noch am folgenden
Tage zu dem Leichnam zurück.
Jn der Regel werfen die weiblichen Katzen mehr als ein Junges, wenn auch Dies aus-
nahmsweiſe vorkommt. Man kann ſagen, daß die Zahl ihrer Jungen zwiſchen Eins und Sechs
ſchwankt; einige Arten ſollen ſogar noch mehr zur Welt bringen. Die Jungen werden bei der einen
ſehend, bei der andern blind geboren. Jhre Pflegerin iſt die Mutter; der Vater bekümmert ſich nur
gelegentlich um ſie. — Eine Katzenmutter mit ihren Jungen gewährt ein höchſt anziehendes Bild.
Man ſieht die mütterliche Zärtlichkeit und Liebe in jeder Bewegung der Alten ausgedrückt, hört ſie in
jedem Ton, welchen man vernimmt. Da liegt eine Zartheit und Weiche in der Stimme, welche
man gar nicht vermuthet hätte! Dabei beobachtet die Alte ihre Kleinen mit ſo viel Sorgfalt und
Aufmerkſamkeit, daß man gar nicht zweifeln kann, wie ſehr ihr die Kinderſchar aus Herz gewachſen iſt.
Beſonders wohlthuend iſt bei einem ſolchen Katzengehecke auch die Reinlichkeitsliebe, in welcher die
Mutter ihre Jungen ſchon in der früheſten Jugend unterrichtet. Sie hat ohne Unterlaß zu putzen, zu
lecken, zu glätten, zu ordnen und duldet nicht den geringſten Schmuz in der Nähe des Lagers.
Gegen feindliche Beſuche vertheidigt ſie ihre Sprößlinge mit Hintanſetzung ihres eigenen Lebens, und
alle größeren Arten der Familie werden, wenn ſie Junge haben, im höchſten Grade furchtbar. Bei
den kleineren Arten muß die Mutter ihre Brut oft genug gegen den Vater vertheidigen, welcher die
Jungen, ſo lange ſie noch blind ſind, ohne weiteres auffrißt, wenn er in das unbewachte Lager
kommt. Daher rührt wohl auch hauptſächlich die große Sorgfalt aller Katzen, ihr Geheck möglichſt
zu verbergen. Nachdem die Jungen etwas mehr herangewachſen ſind und ſich ſchon als echte Katzen
zeigen, ändert ſich die Sache. Dann thut auch der Kater oder das Katzenmännchen überhaupt ihnen
Nichts mehr zu Leide. Und nun beginnt ein gar luſtiges Kindheitsleben der kleinen, zu Spiel und
Scherz jeder Art immer geneigten Thiere. Die natürliche Begabung zeigt ſich ſchon bei den erſten
Bewegungen und Regungen, deren die Kätzchen fähig ſind. Jhre Kinderſpiele ſind bereits nichts
Anderes, als Vorübungen zu der eruſten Jagd, welche die Erwachſenen betreiben. Alles, was ſich
bewegt, zieht ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Kein Geräuſch entgeht ihnen — die kleinen Lauſcher ſpitzen
ſich bei dem leiſeſten Raſcheln in der Nähe. Anfangs iſt der Schwanz der Alten die größte Kinder-
freude der Jungen. Jede ſeiner Bewegungen wird beobachtet, und bald macht ſich die übermüthige
Geſellſchaft daran, dieſe Bewegungen durch ihre Fangverſuche zu hemmen und zu hindern. Doch die
Alte läßt ſich durch ſolche Neckereien nicht im geringſten ſtören und fährt fort, ihrer innern Seelen-
ſtimmung durch die Schwanzbewegungen Ausdruck zu geben, ja ſie bietet ihren Kleinen förmlich dieſes
Glied zu beliebigem Spiele dar. Wenige Wochen ſpäter ſieht man die ganze Familie bereits mit den
lebhafteſten Spielen beſchäftigt, und nun wird die Alte geradezu kindiſch, die Löwenmutter ebenſogut,
wie die Erzeugerin unſerer Hauskatzen. Oft iſt die ganze Geſellſchaft zu einem ſcheinbaren Knäuel
geballt, und Eins fängt und häkelt nach dem Schwanze des Andern. Mit dem zunehmenden Alter
werden die Spiele immer ernſtlicher. Die Kleinen lernen erkennen, daß der Schwanz doch nur ein
Stück ihres eigenen Selbſt iſt; ſie wollen aber ihre Kraft bald an etwas Anderm verſuchen. Jetzt
ſchleppt ihnen die Alte kleine Thiere zu, oft noch halb, ja ganz lebendig. Dieſe werden frei gelaſſen,
und nun übt ſich die junge Brut mit Eifer und Ausdauer in dem räuberiſchen Gewerbe, welches ſie
ſpäter betreiben werden. Schließlich nimmt ſie die Alte oder bei manchen Arten das Elternpaar mit
auf die Jagd hinaus; da lernen ſie nun vollends alle Liſten und Schleichwege, die ruhige Beherrſchung
ihrer ſelbſt, die plötzlichen Angriffe, kurz, die ganze Kunſt des Raubes. Erſt wenn ſie ganz ſelbſtſtändig
geworden ſind, trennen ſie ſich von der Mutter oder den Eltern und führen nun längere Zeit ein ein-
ſames, herumſchweifendes Leben.
Die Katzen ſtehen der ganzen übrigen Thierwelt als Feinde gegenüber, und deshalb iſt der
Schaden, welchen ſie anrichten, außerordentlich bedeutend. Freilich muß man bedenken, daß die
großen Arten der Familie faſt ſämmtlich in Ländern leben, welche unglaublich reich an Beute ſind,
ja man kann ſogar behaupten, daß einige geradezu einer ſchädlichen Vermehrung mancher Wieder-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/246>, abgerufen am 23.11.2024.
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