Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Raubthiere.
List und Verstellungskunst aneignen, welche ihr Räuber- und Diebeshandwerk erfordert. Dazu ver-
leiht ihnen das Gefühl ihrer Stärke großen Muth und ein Selbstbewußtsein, wie andere Thiere es
niemals erlangen können. Aber eben diese Eigenschaften haben auch wieder andere im Gefolge, welche
nicht sehr für die sonst so herrlichen Geschöpfe einnehmen. Die Raubthiere werden gewohnt, zu
siegen, und eignen sich deshalb bald mit der immer stärker werdenden Herrschsucht Grausamkeit und
häufig zuletzt unüberwindliche Mordlust, ja förmliche Blutgier an, -- in einem Grade, daß sie sogar
als Sinnbilder für gewisse Menschen angesehen werden können.

Die Anlagen und Eigenschaften des Leibes und Geistes bedingen nothwendig Aufenthalt und
Lebensweise. Die Raubthiere wohnen und herrschen überall: auf dem Boden, wie in den Kronen der
Bäume, im Wasser, wie unter der Erde, auf den Gebirgen, wie in der Ebene, im Wald, wie auf
dem Felde, im Norden, wie im Süden. Sie sind ebensowohl vollendete Nacht-, wie Tagethiere;
sie gehen ebensogut in der Dämmerung, wie im Lichte der Sonne oder im Dunkel der Nacht ihrer
Nahrung nach.

Die Klügsten leben gewöhnlich gesellig, die weniger Verständigen einsam; die Flinken greifen
offen an, die weniger Behenden stürzen aus einem Hinterhalte vor -- sie mögen so stark sein, wie
sie wollen. Diese gehen gerade, jene auf Schleichwegen auf ihr Ziel los: alle aber verbergen sich so
lange als möglich, einzig in der Absicht, durch ihr Erscheinen nicht vorzeitig zu schrecken, und nur
wenige suchen, im Bewußtsein ihrer Schwäche, eilig Schutz und Zuflucht, sobald sie irgend etwas
Verdächtiges, gefährlich Scheinendes bemerken. Je höher sie leiblich begabt sind, und je mehr sie den
Tag lieben, um so heiterer, lebendiger, fröhlicher und geselliger zeigen sie sich; je niedriger sie stehen,
je mehr sie Nachtthiere sind, um so stumpfer, mürrischer, mißtrauischer, scheuer und ungeselliger
werden sie. Der Erwerb der Nahrung trägt hierzu wesentlich mit bei; denn er vereinigt oder trennt,
bildet den Geist oder stumpft dessen Fähigkeiten.

Alle Raubsäuger nähren sich von anderen Thieren, und nur sehr ausnahmsweise verzehren
einige auch Früchte, Körner und anderweitige Pflanzenstoffe. Man hat nach der verschiedenen Nahrung
drei größere Gruppen benannt, die Kerf-, Alles- und Fleischfresser nämlich; diese Namen sind aber nicht
stichhaltig: denn die Allesfresser oder die Kerfjäger verschmähen ebensowenig ein gediegenes Stückchen
Fleisch, wie die größten und wildesten Raubthiere. Sämmtliche Mitglieder unserer Ordnung sind vom
Hause aus geborne Räuber und Mörder, gleichviel, ob sie oder ihre Schlachtopfer groß oder klein
sind; und selbst Die, welche Pflanzenkost lieben, zeigen bei Gelegenheit, daß sie von der übrigen Ge-
sellschaft keine Ausnahme machen wollen, soweit es sich um Raub und Mord handelt. Hinsichtlich der
Auswahl ihrer Nahrungsstoffe oder, bestimmter gesagt, ihrer Beute, unterscheiden sich die Raubsäuger
erklärlicherweise in demselben Grade, wie hinsichtlich ihres Leibesbaues, ihrer Heimat, ihres Aufenthalts-
ortes und ihrer Lebensweise. Kaum eine einzige aller Klassen des Thierreichs bleibt vor den Angriffen
und Brandschatzungen unserer Raubritter gesichert. Die größten und stärksten Glieder der Ordnung
halten sich zumeist an die ihnen zunächststehende erste Klasse, jedoch ohne deshalb tieferstehende Thiere
zu verschmähen. Nicht einmal der Löwe nährt sich ausschließlich von Säugethieren, und die übrigen
Katzen zeigen sich noch weit weniger wählerisch, als er. Die Hunde, eigentlich echte Fleischfresser,
dehnen ihre Jagd noch weiter aus; unter den Schleichkatzen und Mardern finden wir bereits einige,
welche sich ausschließlich von Fischen oder gern von Lurchen nähren; die Bären sind eben die "Alles-
fresser" und lassen sich auch in der That Pflanzenkost so gut wie Thierfleisch munden; und in den
Jgeln, Spitzmäusen und Maulwürfen endlich sehen wir wieder Räuber, die ohne Umstände
alles Lebende, was sie bewältigen können, angreifen und auffressen. Somit finden also die Wirbel-
thiere ebensogut ihre Liebhaber oder richtiger ihre Feinde, wie die niederen Thiere, deren Leib noch so
groß ist, daß er gesehen und gefaßt werden kann. Und mögen sich die einen wie die anderen auf dem
festen Boden oder im Wasser, unter der Erde oder im Gezweig der Bäume aufhalten, im Norden
wie im Süden, in der Höhe, wie in der Tiefe leben: den Tod verbreiten sie überall um sich her, das
Rauben und das Morden enden niemals.

Die Raubthiere.
Liſt und Verſtellungskunſt aneignen, welche ihr Räuber- und Diebeshandwerk erfordert. Dazu ver-
leiht ihnen das Gefühl ihrer Stärke großen Muth und ein Selbſtbewußtſein, wie andere Thiere es
niemals erlangen können. Aber eben dieſe Eigenſchaften haben auch wieder andere im Gefolge, welche
nicht ſehr für die ſonſt ſo herrlichen Geſchöpfe einnehmen. Die Raubthiere werden gewohnt, zu
ſiegen, und eignen ſich deshalb bald mit der immer ſtärker werdenden Herrſchſucht Grauſamkeit und
häufig zuletzt unüberwindliche Mordluſt, ja förmliche Blutgier an, — in einem Grade, daß ſie ſogar
als Sinnbilder für gewiſſe Menſchen angeſehen werden können.

Die Anlagen und Eigenſchaften des Leibes und Geiſtes bedingen nothwendig Aufenthalt und
Lebensweiſe. Die Raubthiere wohnen und herrſchen überall: auf dem Boden, wie in den Kronen der
Bäume, im Waſſer, wie unter der Erde, auf den Gebirgen, wie in der Ebene, im Wald, wie auf
dem Felde, im Norden, wie im Süden. Sie ſind ebenſowohl vollendete Nacht-, wie Tagethiere;
ſie gehen ebenſogut in der Dämmerung, wie im Lichte der Sonne oder im Dunkel der Nacht ihrer
Nahrung nach.

Die Klügſten leben gewöhnlich geſellig, die weniger Verſtändigen einſam; die Flinken greifen
offen an, die weniger Behenden ſtürzen aus einem Hinterhalte vor — ſie mögen ſo ſtark ſein, wie
ſie wollen. Dieſe gehen gerade, jene auf Schleichwegen auf ihr Ziel los: alle aber verbergen ſich ſo
lange als möglich, einzig in der Abſicht, durch ihr Erſcheinen nicht vorzeitig zu ſchrecken, und nur
wenige ſuchen, im Bewußtſein ihrer Schwäche, eilig Schutz und Zuflucht, ſobald ſie irgend etwas
Verdächtiges, gefährlich Scheinendes bemerken. Je höher ſie leiblich begabt ſind, und je mehr ſie den
Tag lieben, um ſo heiterer, lebendiger, fröhlicher und geſelliger zeigen ſie ſich; je niedriger ſie ſtehen,
je mehr ſie Nachtthiere ſind, um ſo ſtumpfer, mürriſcher, mißtrauiſcher, ſcheuer und ungeſelliger
werden ſie. Der Erwerb der Nahrung trägt hierzu weſentlich mit bei; denn er vereinigt oder trennt,
bildet den Geiſt oder ſtumpft deſſen Fähigkeiten.

Alle Raubſäuger nähren ſich von anderen Thieren, und nur ſehr ausnahmsweiſe verzehren
einige auch Früchte, Körner und anderweitige Pflanzenſtoffe. Man hat nach der verſchiedenen Nahrung
drei größere Gruppen benannt, die Kerf-, Alles- und Fleiſchfreſſer nämlich; dieſe Namen ſind aber nicht
ſtichhaltig: denn die Allesfreſſer oder die Kerfjäger verſchmähen ebenſowenig ein gediegenes Stückchen
Fleiſch, wie die größten und wildeſten Raubthiere. Sämmtliche Mitglieder unſerer Ordnung ſind vom
Hauſe aus geborne Räuber und Mörder, gleichviel, ob ſie oder ihre Schlachtopfer groß oder klein
ſind; und ſelbſt Die, welche Pflanzenkoſt lieben, zeigen bei Gelegenheit, daß ſie von der übrigen Ge-
ſellſchaft keine Ausnahme machen wollen, ſoweit es ſich um Raub und Mord handelt. Hinſichtlich der
Auswahl ihrer Nahrungsſtoffe oder, beſtimmter geſagt, ihrer Beute, unterſcheiden ſich die Raubſäuger
erklärlicherweiſe in demſelben Grade, wie hinſichtlich ihres Leibesbaues, ihrer Heimat, ihres Aufenthalts-
ortes und ihrer Lebensweiſe. Kaum eine einzige aller Klaſſen des Thierreichs bleibt vor den Angriffen
und Brandſchatzungen unſerer Raubritter geſichert. Die größten und ſtärkſten Glieder der Ordnung
halten ſich zumeiſt an die ihnen zunächſtſtehende erſte Klaſſe, jedoch ohne deshalb tieferſtehende Thiere
zu verſchmähen. Nicht einmal der Löwe nährt ſich ausſchließlich von Säugethieren, und die übrigen
Katzen zeigen ſich noch weit weniger wähleriſch, als er. Die Hunde, eigentlich echte Fleiſchfreſſer,
dehnen ihre Jagd noch weiter aus; unter den Schleichkatzen und Mardern finden wir bereits einige,
welche ſich ausſchließlich von Fiſchen oder gern von Lurchen nähren; die Bären ſind eben die „Alles-
freſſer‟ und laſſen ſich auch in der That Pflanzenkoſt ſo gut wie Thierfleiſch munden; und in den
Jgeln, Spitzmäuſen und Maulwürfen endlich ſehen wir wieder Räuber, die ohne Umſtände
alles Lebende, was ſie bewältigen können, angreifen und auffreſſen. Somit finden alſo die Wirbel-
thiere ebenſogut ihre Liebhaber oder richtiger ihre Feinde, wie die niederen Thiere, deren Leib noch ſo
groß iſt, daß er geſehen und gefaßt werden kann. Und mögen ſich die einen wie die anderen auf dem
feſten Boden oder im Waſſer, unter der Erde oder im Gezweig der Bäume aufhalten, im Norden
wie im Süden, in der Höhe, wie in der Tiefe leben: den Tod verbreiten ſie überall um ſich her, das
Rauben und das Morden enden niemals.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0240" n="182"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi></fw><lb/>
Li&#x017F;t und Ver&#x017F;tellungskun&#x017F;t aneignen, welche ihr Räuber- und Diebeshandwerk erfordert. Dazu ver-<lb/>
leiht ihnen das Gefühl ihrer Stärke großen Muth und ein Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;ein, wie andere Thiere es<lb/>
niemals erlangen können. Aber eben die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaften haben auch wieder andere im Gefolge, welche<lb/>
nicht &#x017F;ehr für die &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o herrlichen Ge&#x017F;chöpfe einnehmen. Die Raubthiere werden gewohnt, zu<lb/>
&#x017F;iegen, und eignen &#x017F;ich deshalb bald mit der immer &#x017F;tärker werdenden Herr&#x017F;ch&#x017F;ucht Grau&#x017F;amkeit und<lb/>
häufig zuletzt unüberwindliche Mordlu&#x017F;t, ja förmliche Blutgier an, &#x2014; in einem Grade, daß &#x017F;ie &#x017F;ogar<lb/>
als Sinnbilder für gewi&#x017F;&#x017F;e Men&#x017F;chen ange&#x017F;ehen werden können.</p><lb/>
          <p>Die Anlagen und Eigen&#x017F;chaften des Leibes und Gei&#x017F;tes bedingen nothwendig Aufenthalt und<lb/>
Lebenswei&#x017F;e. Die Raubthiere wohnen und herr&#x017F;chen überall: auf dem Boden, wie in den Kronen der<lb/>
Bäume, im Wa&#x017F;&#x017F;er, wie unter der Erde, auf den Gebirgen, wie in der Ebene, im Wald, wie auf<lb/>
dem Felde, im Norden, wie im Süden. Sie &#x017F;ind eben&#x017F;owohl vollendete Nacht-, wie Tagethiere;<lb/>
&#x017F;ie gehen eben&#x017F;ogut in der Dämmerung, wie im Lichte der Sonne oder im Dunkel der Nacht ihrer<lb/>
Nahrung nach.</p><lb/>
          <p>Die Klüg&#x017F;ten leben gewöhnlich ge&#x017F;ellig, die weniger Ver&#x017F;tändigen ein&#x017F;am; die Flinken greifen<lb/>
offen an, die weniger Behenden &#x017F;türzen aus einem Hinterhalte vor &#x2014; &#x017F;ie mögen &#x017F;o &#x017F;tark &#x017F;ein, wie<lb/>
&#x017F;ie wollen. Die&#x017F;e gehen gerade, jene auf Schleichwegen auf ihr Ziel los: alle aber verbergen &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
lange als möglich, einzig in der Ab&#x017F;icht, durch ihr Er&#x017F;cheinen nicht vorzeitig zu &#x017F;chrecken, und nur<lb/>
wenige &#x017F;uchen, im Bewußt&#x017F;ein ihrer Schwäche, eilig Schutz und Zuflucht, &#x017F;obald &#x017F;ie irgend etwas<lb/>
Verdächtiges, gefährlich Scheinendes bemerken. Je höher &#x017F;ie leiblich begabt &#x017F;ind, und je mehr &#x017F;ie den<lb/>
Tag lieben, um &#x017F;o heiterer, lebendiger, fröhlicher und ge&#x017F;elliger zeigen &#x017F;ie &#x017F;ich; je niedriger &#x017F;ie &#x017F;tehen,<lb/>
je mehr &#x017F;ie Nachtthiere &#x017F;ind, um &#x017F;o &#x017F;tumpfer, mürri&#x017F;cher, mißtraui&#x017F;cher, &#x017F;cheuer und unge&#x017F;elliger<lb/>
werden &#x017F;ie. Der Erwerb der Nahrung trägt hierzu we&#x017F;entlich mit bei; denn er vereinigt oder trennt,<lb/>
bildet den Gei&#x017F;t oder &#x017F;tumpft de&#x017F;&#x017F;en Fähigkeiten.</p><lb/>
          <p>Alle Raub&#x017F;äuger nähren &#x017F;ich von anderen Thieren, und nur &#x017F;ehr ausnahmswei&#x017F;e verzehren<lb/>
einige auch Früchte, Körner und anderweitige Pflanzen&#x017F;toffe. Man hat nach der ver&#x017F;chiedenen Nahrung<lb/>
drei größere Gruppen benannt, die Kerf-, Alles- und Flei&#x017F;chfre&#x017F;&#x017F;er nämlich; die&#x017F;e Namen &#x017F;ind aber nicht<lb/>
&#x017F;tichhaltig: denn die Allesfre&#x017F;&#x017F;er oder die Kerfjäger ver&#x017F;chmähen eben&#x017F;owenig ein gediegenes Stückchen<lb/>
Flei&#x017F;ch, wie die größten und wilde&#x017F;ten Raubthiere. Sämmtliche Mitglieder un&#x017F;erer Ordnung &#x017F;ind vom<lb/>
Hau&#x017F;e aus geborne Räuber und Mörder, gleichviel, ob &#x017F;ie oder ihre Schlachtopfer groß oder klein<lb/>
&#x017F;ind; und &#x017F;elb&#x017F;t Die, welche Pflanzenko&#x017F;t lieben, zeigen bei Gelegenheit, daß &#x017F;ie von der übrigen Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft keine Ausnahme machen wollen, &#x017F;oweit es &#x017F;ich um Raub und Mord handelt. Hin&#x017F;ichtlich der<lb/>
Auswahl ihrer Nahrungs&#x017F;toffe oder, be&#x017F;timmter ge&#x017F;agt, ihrer Beute, unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich die Raub&#x017F;äuger<lb/>
erklärlicherwei&#x017F;e in dem&#x017F;elben Grade, wie hin&#x017F;ichtlich ihres Leibesbaues, ihrer Heimat, ihres Aufenthalts-<lb/>
ortes und ihrer Lebenswei&#x017F;e. Kaum eine einzige aller Kla&#x017F;&#x017F;en des Thierreichs bleibt vor den Angriffen<lb/>
und Brand&#x017F;chatzungen un&#x017F;erer Raubritter ge&#x017F;ichert. Die größten und &#x017F;tärk&#x017F;ten Glieder der Ordnung<lb/>
halten &#x017F;ich zumei&#x017F;t an die ihnen zunäch&#x017F;t&#x017F;tehende er&#x017F;te Kla&#x017F;&#x017F;e, jedoch ohne deshalb tiefer&#x017F;tehende Thiere<lb/>
zu ver&#x017F;chmähen. Nicht einmal der <hi rendition="#g">Löwe</hi> nährt &#x017F;ich aus&#x017F;chließlich von Säugethieren, und die übrigen<lb/>
Katzen zeigen &#x017F;ich noch weit weniger wähleri&#x017F;ch, als er. Die <hi rendition="#g">Hunde,</hi> eigentlich echte <hi rendition="#g">Flei&#x017F;chfre&#x017F;&#x017F;er,</hi><lb/>
dehnen ihre Jagd noch weiter aus; unter den <hi rendition="#g">Schleichkatzen</hi> und <hi rendition="#g">Mardern</hi> finden wir bereits einige,<lb/>
welche &#x017F;ich aus&#x017F;chließlich von Fi&#x017F;chen oder gern von Lurchen nähren; die <hi rendition="#g">Bären</hi> &#x017F;ind eben die &#x201E;Alles-<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;er&#x201F; und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auch in der That Pflanzenko&#x017F;t &#x017F;o gut wie Thierflei&#x017F;ch munden; und in den<lb/><hi rendition="#g">Jgeln, Spitzmäu&#x017F;en</hi> und <hi rendition="#g">Maulwürfen</hi> endlich &#x017F;ehen wir wieder Räuber, die ohne Um&#x017F;tände<lb/>
alles Lebende, was &#x017F;ie bewältigen können, angreifen und auffre&#x017F;&#x017F;en. Somit finden al&#x017F;o die Wirbel-<lb/>
thiere eben&#x017F;ogut ihre Liebhaber oder richtiger ihre Feinde, wie die niederen Thiere, deren Leib noch &#x017F;o<lb/>
groß i&#x017F;t, daß er ge&#x017F;ehen und gefaßt werden kann. Und mögen &#x017F;ich die einen wie die anderen auf dem<lb/>
fe&#x017F;ten Boden oder im Wa&#x017F;&#x017F;er, unter der Erde oder im Gezweig der Bäume aufhalten, im Norden<lb/>
wie im Süden, in der Höhe, wie in der Tiefe leben: den Tod verbreiten &#x017F;ie überall um &#x017F;ich her, das<lb/>
Rauben und das Morden enden niemals.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0240] Die Raubthiere. Liſt und Verſtellungskunſt aneignen, welche ihr Räuber- und Diebeshandwerk erfordert. Dazu ver- leiht ihnen das Gefühl ihrer Stärke großen Muth und ein Selbſtbewußtſein, wie andere Thiere es niemals erlangen können. Aber eben dieſe Eigenſchaften haben auch wieder andere im Gefolge, welche nicht ſehr für die ſonſt ſo herrlichen Geſchöpfe einnehmen. Die Raubthiere werden gewohnt, zu ſiegen, und eignen ſich deshalb bald mit der immer ſtärker werdenden Herrſchſucht Grauſamkeit und häufig zuletzt unüberwindliche Mordluſt, ja förmliche Blutgier an, — in einem Grade, daß ſie ſogar als Sinnbilder für gewiſſe Menſchen angeſehen werden können. Die Anlagen und Eigenſchaften des Leibes und Geiſtes bedingen nothwendig Aufenthalt und Lebensweiſe. Die Raubthiere wohnen und herrſchen überall: auf dem Boden, wie in den Kronen der Bäume, im Waſſer, wie unter der Erde, auf den Gebirgen, wie in der Ebene, im Wald, wie auf dem Felde, im Norden, wie im Süden. Sie ſind ebenſowohl vollendete Nacht-, wie Tagethiere; ſie gehen ebenſogut in der Dämmerung, wie im Lichte der Sonne oder im Dunkel der Nacht ihrer Nahrung nach. Die Klügſten leben gewöhnlich geſellig, die weniger Verſtändigen einſam; die Flinken greifen offen an, die weniger Behenden ſtürzen aus einem Hinterhalte vor — ſie mögen ſo ſtark ſein, wie ſie wollen. Dieſe gehen gerade, jene auf Schleichwegen auf ihr Ziel los: alle aber verbergen ſich ſo lange als möglich, einzig in der Abſicht, durch ihr Erſcheinen nicht vorzeitig zu ſchrecken, und nur wenige ſuchen, im Bewußtſein ihrer Schwäche, eilig Schutz und Zuflucht, ſobald ſie irgend etwas Verdächtiges, gefährlich Scheinendes bemerken. Je höher ſie leiblich begabt ſind, und je mehr ſie den Tag lieben, um ſo heiterer, lebendiger, fröhlicher und geſelliger zeigen ſie ſich; je niedriger ſie ſtehen, je mehr ſie Nachtthiere ſind, um ſo ſtumpfer, mürriſcher, mißtrauiſcher, ſcheuer und ungeſelliger werden ſie. Der Erwerb der Nahrung trägt hierzu weſentlich mit bei; denn er vereinigt oder trennt, bildet den Geiſt oder ſtumpft deſſen Fähigkeiten. Alle Raubſäuger nähren ſich von anderen Thieren, und nur ſehr ausnahmsweiſe verzehren einige auch Früchte, Körner und anderweitige Pflanzenſtoffe. Man hat nach der verſchiedenen Nahrung drei größere Gruppen benannt, die Kerf-, Alles- und Fleiſchfreſſer nämlich; dieſe Namen ſind aber nicht ſtichhaltig: denn die Allesfreſſer oder die Kerfjäger verſchmähen ebenſowenig ein gediegenes Stückchen Fleiſch, wie die größten und wildeſten Raubthiere. Sämmtliche Mitglieder unſerer Ordnung ſind vom Hauſe aus geborne Räuber und Mörder, gleichviel, ob ſie oder ihre Schlachtopfer groß oder klein ſind; und ſelbſt Die, welche Pflanzenkoſt lieben, zeigen bei Gelegenheit, daß ſie von der übrigen Ge- ſellſchaft keine Ausnahme machen wollen, ſoweit es ſich um Raub und Mord handelt. Hinſichtlich der Auswahl ihrer Nahrungsſtoffe oder, beſtimmter geſagt, ihrer Beute, unterſcheiden ſich die Raubſäuger erklärlicherweiſe in demſelben Grade, wie hinſichtlich ihres Leibesbaues, ihrer Heimat, ihres Aufenthalts- ortes und ihrer Lebensweiſe. Kaum eine einzige aller Klaſſen des Thierreichs bleibt vor den Angriffen und Brandſchatzungen unſerer Raubritter geſichert. Die größten und ſtärkſten Glieder der Ordnung halten ſich zumeiſt an die ihnen zunächſtſtehende erſte Klaſſe, jedoch ohne deshalb tieferſtehende Thiere zu verſchmähen. Nicht einmal der Löwe nährt ſich ausſchließlich von Säugethieren, und die übrigen Katzen zeigen ſich noch weit weniger wähleriſch, als er. Die Hunde, eigentlich echte Fleiſchfreſſer, dehnen ihre Jagd noch weiter aus; unter den Schleichkatzen und Mardern finden wir bereits einige, welche ſich ausſchließlich von Fiſchen oder gern von Lurchen nähren; die Bären ſind eben die „Alles- freſſer‟ und laſſen ſich auch in der That Pflanzenkoſt ſo gut wie Thierfleiſch munden; und in den Jgeln, Spitzmäuſen und Maulwürfen endlich ſehen wir wieder Räuber, die ohne Umſtände alles Lebende, was ſie bewältigen können, angreifen und auffreſſen. Somit finden alſo die Wirbel- thiere ebenſogut ihre Liebhaber oder richtiger ihre Feinde, wie die niederen Thiere, deren Leib noch ſo groß iſt, daß er geſehen und gefaßt werden kann. Und mögen ſich die einen wie die anderen auf dem feſten Boden oder im Waſſer, unter der Erde oder im Gezweig der Bäume aufhalten, im Norden wie im Süden, in der Höhe, wie in der Tiefe leben: den Tod verbreiten ſie überall um ſich her, das Rauben und das Morden enden niemals.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/240
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/240>, abgerufen am 24.11.2024.