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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Beobachtungen über die Unthaten des Vampir.
zugleich vermittelst eines Bisses den Saumthieren diese Wunden beizubringen, wobei übrigens jedes
schlafende Thier erwachen und sich seines Feindes entledigen würde. Vielmehr vermuthe ich, daß sie
erst durch Saugen mit den Lippen die Haut unempfindlich machen, wie Dies durch Aufsetzen von
Schröpfköpfen geschieht, und dann, wenn sie angeschwollen ist, mit den Zähnen eine kleine Oeffnung
zu Stande bringen. Durch diese bohren sie nun, wie mir wahrscheinlich ist, ihre ausdehnbare, gleich-
falls zum Saugen dienende Zunge allmälig in die Haut hinein, wodurch die trichterförmige Aus-
höhlung entsteht. Die Unmöglichkeit, daß die Fledermäuse zu gleicher Zeit saugen und ihre Flügel
bewegen, ist uns durch die Beschaffenheit der letzteren vergegenwärtigt. Da die Flügelhaut bis an
das Fußgelenk herab mit den Beinen verbunden ist, wird es dem Thiere unmöglich, sich mit den
Füßen festzuhalten und zugleich die Füße zu gebrauchen; es müßte also in der Luft schwebend saugen.
Jch wenigstens sah die Fledermäuse immer sich auf die Pferde niedersetzen, wobei sie nothwendig
die Flügel einziehen mußten. Auch wählen sie, um sich besser festhalten zu können, die behaarten oder
die flachen Theile der Thiere und bringen daher den Pferden am Halse, auf dem Widerriste und an der
Schwanzwurzel, dem Maulesel am Halse und auf dem Widerriste, den Ochsen auf den Schulterblättern
und am Halslappen die Wunde bei. Diese hat an sich nichts Gefährliches, da aber zuweilen vier,
fünf, sechs und noch mehr Fledermäuse in der nämlichen Nacht ein Saumthier ansaugen und Dies
sich oft mehrere Nächte hinter einander wiederholt, so werden die Thiere durch den Blutverlust
sehr geschwächt und zwar umsovielmehr, als neben dem Blute, welches die Fledermäuse aussaugen,
immer noch zwei bis drei Unzen aus jeder Wunde nachfließen. Auch legen die Schmeißfliegen nicht
selten in die Wunden, und diese werden dann zu großen Geschwüren. Davon, daß Blattnasen auch
Menschen ansaugen, kenne ich kein weiteres Beispiel, als dasjenige, welches Azara von sich selbst auführt."

Nachstehendes erzählt Waterton in seinen Wanderungen in Südamerika: "Vor einigen Jahren
kam ich mit einem Schotten Tarbot an den Fluß Paumaron. Wir hingen unsere Hängematten auf
den mit Stroh gedeckten Boden in dem Hause eines Pflanzers. Am nächsten Morgen hörte ich diesen
Herrn in seiner Matte murmeln und dann und wann eine Verwünschung ausstoßen."

"Was giebt's, Herr! fragte ich leise, ist irgend Etwas nicht recht?"

"Was es giebt?" antwortete er verdrießlich, "nun, die Fledermäuse haben mich zu
Tode gesogen."

"Sobald es hell genug war, ging ich an seine Hängematte und fand sie sehr mit Blut bedeckt."

"Da, sagte er, seine Füße vorstreckend, sehen Sie, wie diese höllischen Kobolde mein Lebens-
blut abgezapft haben."

"Jch untersuchte feine Füße und fand, daß der Vampir seine große Zehe angebohrt hatte. Es
war eine etwas geringere Wunde, als die, welche von Blutegeln herrührt. Das Blut floß noch
immer heraus; ich vermuthete, daß er zehn bis zwölf Unzen davon verloren haben konnte."

Ein nicht näher bezeichneter Reisender ließ sich, wie Cassell mittheilt, von einem Vampir Blut
aussaugen, um ihn dabei beobachten zu können.

Der Mann hatte sich in dem großen Zimmer eines Hauses zur Ruhe niedergelegt, aber, weil
die Nacht heiß war, die Mückennetze um sein Bett herum nicht niedergelassen. Vollkommen wach,
schaute er auf die Mondstrahlen, welche durch die offenen Feuster in den Raum hereinleuchteten. Da
erschien plötzlich ein großer Vampir in dem Zimmer. Unser Beobachter blieb vollkommen ruhig, um
zu sehen, was die Fledermaus thun würde. Zuerst segelte sie geräuschlosen Fluges von einem Ende
des Zimmers zum andern; nachdem sie aber verschiedene Male den gleichen Weg gemacht hatte, flatterte
sie zwischen dem Betthimmel und dem Ruhenden hin und her. Nach und nach verkürzte sie ihre
Windungen, senkte sich mehr und mehr hernieder, kam dicht über ihn und bewegte ihre Schwingen
außerordentlich schnell, aber ohne jedes Geräusch. Sie fächelte ihrem Opfer eine höchst angenehme
Kühlung zu. Dann senkte sie sich vollends hernieder. Der Erzähler versichert, daß er den Augen-
blick, in welchem der Vampir in seine entblößte Brust biß, nicht bestimmen konnte, so schmerzlos war
er und so angenehm das Fächeln mit den Schwingen. Nach und nach fühlte er aber doch ein leises

Beobachtungen über die Unthaten des Vampir.
zugleich vermittelſt eines Biſſes den Saumthieren dieſe Wunden beizubringen, wobei übrigens jedes
ſchlafende Thier erwachen und ſich ſeines Feindes entledigen würde. Vielmehr vermuthe ich, daß ſie
erſt durch Saugen mit den Lippen die Haut unempfindlich machen, wie Dies durch Aufſetzen von
Schröpfköpfen geſchieht, und dann, wenn ſie angeſchwollen iſt, mit den Zähnen eine kleine Oeffnung
zu Stande bringen. Durch dieſe bohren ſie nun, wie mir wahrſcheinlich iſt, ihre ausdehnbare, gleich-
falls zum Saugen dienende Zunge allmälig in die Haut hinein, wodurch die trichterförmige Aus-
höhlung entſteht. Die Unmöglichkeit, daß die Fledermäuſe zu gleicher Zeit ſaugen und ihre Flügel
bewegen, iſt uns durch die Beſchaffenheit der letzteren vergegenwärtigt. Da die Flügelhaut bis an
das Fußgelenk herab mit den Beinen verbunden iſt, wird es dem Thiere unmöglich, ſich mit den
Füßen feſtzuhalten und zugleich die Füße zu gebrauchen; es müßte alſo in der Luft ſchwebend ſaugen.
Jch wenigſtens ſah die Fledermäuſe immer ſich auf die Pferde niederſetzen, wobei ſie nothwendig
die Flügel einziehen mußten. Auch wählen ſie, um ſich beſſer feſthalten zu können, die behaarten oder
die flachen Theile der Thiere und bringen daher den Pferden am Halſe, auf dem Widerriſte und an der
Schwanzwurzel, dem Mauleſel am Halſe und auf dem Widerriſte, den Ochſen auf den Schulterblättern
und am Halslappen die Wunde bei. Dieſe hat an ſich nichts Gefährliches, da aber zuweilen vier,
fünf, ſechs und noch mehr Fledermäuſe in der nämlichen Nacht ein Saumthier anſaugen und Dies
ſich oft mehrere Nächte hinter einander wiederholt, ſo werden die Thiere durch den Blutverluſt
ſehr geſchwächt und zwar umſovielmehr, als neben dem Blute, welches die Fledermäuſe ausſaugen,
immer noch zwei bis drei Unzen aus jeder Wunde nachfließen. Auch legen die Schmeißfliegen nicht
ſelten in die Wunden, und dieſe werden dann zu großen Geſchwüren. Davon, daß Blattnaſen auch
Menſchen anſaugen, kenne ich kein weiteres Beiſpiel, als dasjenige, welches Azara von ſich ſelbſt auführt.‟

Nachſtehendes erzählt Waterton in ſeinen Wanderungen in Südamerika: „Vor einigen Jahren
kam ich mit einem Schotten Tarbot an den Fluß Paumaron. Wir hingen unſere Hängematten auf
den mit Stroh gedeckten Boden in dem Hauſe eines Pflanzers. Am nächſten Morgen hörte ich dieſen
Herrn in ſeiner Matte murmeln und dann und wann eine Verwünſchung ausſtoßen.‟

„Was giebt’s, Herr! fragte ich leiſe, iſt irgend Etwas nicht recht?‟

„Was es giebt?‟ antwortete er verdrießlich, „nun, die Fledermäuſe haben mich zu
Tode geſogen.‟

„Sobald es hell genug war, ging ich an ſeine Hängematte und fand ſie ſehr mit Blut bedeckt.‟

„Da, ſagte er, ſeine Füße vorſtreckend, ſehen Sie, wie dieſe hölliſchen Kobolde mein Lebens-
blut abgezapft haben.‟

„Jch unterſuchte feine Füße und fand, daß der Vampir ſeine große Zehe angebohrt hatte. Es
war eine etwas geringere Wunde, als die, welche von Blutegeln herrührt. Das Blut floß noch
immer heraus; ich vermuthete, daß er zehn bis zwölf Unzen davon verloren haben konnte.‟

Ein nicht näher bezeichneter Reiſender ließ ſich, wie Caſſell mittheilt, von einem Vampir Blut
ausſaugen, um ihn dabei beobachten zu können.

Der Mann hatte ſich in dem großen Zimmer eines Hauſes zur Ruhe niedergelegt, aber, weil
die Nacht heiß war, die Mückennetze um ſein Bett herum nicht niedergelaſſen. Vollkommen wach,
ſchaute er auf die Mondſtrahlen, welche durch die offenen Feuſter in den Raum hereinleuchteten. Da
erſchien plötzlich ein großer Vampir in dem Zimmer. Unſer Beobachter blieb vollkommen ruhig, um
zu ſehen, was die Fledermaus thun würde. Zuerſt ſegelte ſie geräuſchloſen Fluges von einem Ende
des Zimmers zum andern; nachdem ſie aber verſchiedene Male den gleichen Weg gemacht hatte, flatterte
ſie zwiſchen dem Betthimmel und dem Ruhenden hin und her. Nach und nach verkürzte ſie ihre
Windungen, ſenkte ſich mehr und mehr hernieder, kam dicht über ihn und bewegte ihre Schwingen
außerordentlich ſchnell, aber ohne jedes Geräuſch. Sie fächelte ihrem Opfer eine höchſt angenehme
Kühlung zu. Dann ſenkte ſie ſich vollends hernieder. Der Erzähler verſichert, daß er den Augen-
blick, in welchem der Vampir in ſeine entblößte Bruſt biß, nicht beſtimmen konnte, ſo ſchmerzlos war
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[175/0233] Beobachtungen über die Unthaten des Vampir. zugleich vermittelſt eines Biſſes den Saumthieren dieſe Wunden beizubringen, wobei übrigens jedes ſchlafende Thier erwachen und ſich ſeines Feindes entledigen würde. Vielmehr vermuthe ich, daß ſie erſt durch Saugen mit den Lippen die Haut unempfindlich machen, wie Dies durch Aufſetzen von Schröpfköpfen geſchieht, und dann, wenn ſie angeſchwollen iſt, mit den Zähnen eine kleine Oeffnung zu Stande bringen. Durch dieſe bohren ſie nun, wie mir wahrſcheinlich iſt, ihre ausdehnbare, gleich- falls zum Saugen dienende Zunge allmälig in die Haut hinein, wodurch die trichterförmige Aus- höhlung entſteht. Die Unmöglichkeit, daß die Fledermäuſe zu gleicher Zeit ſaugen und ihre Flügel bewegen, iſt uns durch die Beſchaffenheit der letzteren vergegenwärtigt. Da die Flügelhaut bis an das Fußgelenk herab mit den Beinen verbunden iſt, wird es dem Thiere unmöglich, ſich mit den Füßen feſtzuhalten und zugleich die Füße zu gebrauchen; es müßte alſo in der Luft ſchwebend ſaugen. Jch wenigſtens ſah die Fledermäuſe immer ſich auf die Pferde niederſetzen, wobei ſie nothwendig die Flügel einziehen mußten. Auch wählen ſie, um ſich beſſer feſthalten zu können, die behaarten oder die flachen Theile der Thiere und bringen daher den Pferden am Halſe, auf dem Widerriſte und an der Schwanzwurzel, dem Mauleſel am Halſe und auf dem Widerriſte, den Ochſen auf den Schulterblättern und am Halslappen die Wunde bei. Dieſe hat an ſich nichts Gefährliches, da aber zuweilen vier, fünf, ſechs und noch mehr Fledermäuſe in der nämlichen Nacht ein Saumthier anſaugen und Dies ſich oft mehrere Nächte hinter einander wiederholt, ſo werden die Thiere durch den Blutverluſt ſehr geſchwächt und zwar umſovielmehr, als neben dem Blute, welches die Fledermäuſe ausſaugen, immer noch zwei bis drei Unzen aus jeder Wunde nachfließen. Auch legen die Schmeißfliegen nicht ſelten in die Wunden, und dieſe werden dann zu großen Geſchwüren. Davon, daß Blattnaſen auch Menſchen anſaugen, kenne ich kein weiteres Beiſpiel, als dasjenige, welches Azara von ſich ſelbſt auführt.‟ Nachſtehendes erzählt Waterton in ſeinen Wanderungen in Südamerika: „Vor einigen Jahren kam ich mit einem Schotten Tarbot an den Fluß Paumaron. Wir hingen unſere Hängematten auf den mit Stroh gedeckten Boden in dem Hauſe eines Pflanzers. Am nächſten Morgen hörte ich dieſen Herrn in ſeiner Matte murmeln und dann und wann eine Verwünſchung ausſtoßen.‟ „Was giebt’s, Herr! fragte ich leiſe, iſt irgend Etwas nicht recht?‟ „Was es giebt?‟ antwortete er verdrießlich, „nun, die Fledermäuſe haben mich zu Tode geſogen.‟ „Sobald es hell genug war, ging ich an ſeine Hängematte und fand ſie ſehr mit Blut bedeckt.‟ „Da, ſagte er, ſeine Füße vorſtreckend, ſehen Sie, wie dieſe hölliſchen Kobolde mein Lebens- blut abgezapft haben.‟ „Jch unterſuchte feine Füße und fand, daß der Vampir ſeine große Zehe angebohrt hatte. Es war eine etwas geringere Wunde, als die, welche von Blutegeln herrührt. Das Blut floß noch immer heraus; ich vermuthete, daß er zehn bis zwölf Unzen davon verloren haben konnte.‟ Ein nicht näher bezeichneter Reiſender ließ ſich, wie Caſſell mittheilt, von einem Vampir Blut ausſaugen, um ihn dabei beobachten zu können. Der Mann hatte ſich in dem großen Zimmer eines Hauſes zur Ruhe niedergelegt, aber, weil die Nacht heiß war, die Mückennetze um ſein Bett herum nicht niedergelaſſen. Vollkommen wach, ſchaute er auf die Mondſtrahlen, welche durch die offenen Feuſter in den Raum hereinleuchteten. Da erſchien plötzlich ein großer Vampir in dem Zimmer. Unſer Beobachter blieb vollkommen ruhig, um zu ſehen, was die Fledermaus thun würde. Zuerſt ſegelte ſie geräuſchloſen Fluges von einem Ende des Zimmers zum andern; nachdem ſie aber verſchiedene Male den gleichen Weg gemacht hatte, flatterte ſie zwiſchen dem Betthimmel und dem Ruhenden hin und her. Nach und nach verkürzte ſie ihre Windungen, ſenkte ſich mehr und mehr hernieder, kam dicht über ihn und bewegte ihre Schwingen außerordentlich ſchnell, aber ohne jedes Geräuſch. Sie fächelte ihrem Opfer eine höchſt angenehme Kühlung zu. Dann ſenkte ſie ſich vollends hernieder. Der Erzähler verſichert, daß er den Augen- blick, in welchem der Vampir in ſeine entblößte Bruſt biß, nicht beſtimmen konnte, ſo ſchmerzlos war er und ſo angenehm das Fächeln mit den Schwingen. Nach und nach fühlte er aber doch ein leiſes

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/233>, abgerufen am 24.11.2024.