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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Flatterthiere. Flughunde. Kalong. -- Glattnasen.
trotz aller wissenschaftlichen Werke und Anstalten, die wir besitzen, uns durch so plumpe Lügen
täuschen, bezüglich herbeilocken lassen, und daß es Herausgeber von Zeitungen giebt, welche solchen
Unsinn unterstützen, sich also selbst ein trauriges Zeugniß ihrer eigenen Unwissenheit ausstellen.

Jch habe auf meinen Reisen in Afrika nur einen einzigen Flatterhund kennen lernen, den egyp-
tischen
(Pteropus aegyptiacus). Derselbe steht allerdings weit hinter seinem asiatischen Verwandten
zurück. Er ist kaum halb so groß, ähnelt ihm aber in seinem Wesen und in seiner Lebensweise voll-
ständig. Namentlich im Delta ist er nicht selten. Jn den Naturgeschichten wird angegeben, daß er
bei Tage in den Gewölben der Piramiden Herberge suche. Dies ist entschieden unwahr: er schläft wie
seine Gattungsverwandten auf Bäumen. Jn großen Zügen kommt er niemals vor.

Es war uns ein eigenthümlicher Genuß, an den schönen, lauen Sommerabenden Egyptens die
Flughunde zu belauschen, wenn sie über die sonst von Niemand benutzten Früchte der Sikomoren
herfielen und in den laubigen, schönen Kronen dieser Bäume ihre Abendmahlzeit hielten. Meine
Diener, zwei Deutsche, schienen anfangs auch gewillt zu sein, in den Thieren die entsetzlichen Blut-
sauger zu erblicken, und verfolgten sie zuerst aus Rachegefühlen, später aber wirklich nur aus Freude
an der anziehenden Jagd; sie standen oft bis Mitternacht auf dem Anstand. Wir erlegten sehr viele
und anfangs ohne große Mühe, später aber wurden die Flughunde scheu und kamen stets nur still
und gewöhnlich von entgegengesetzter Seite angeflogen, so daß es sehr schwer hielt, sie in den dunklen
Baumkronen wahrzunehmen. Die Flügellahmgeschossenen kreischten laut, bissen lebhaft und auch
ziemlich empfindlich um sich. Meine Gefangenen starben immer nach sehr kurzer Zeit. Andere Forscher
haben dasselbe Thier aber oft lang lebend erhalten und sehr zahm und zutraulich gemacht. Zelebor
z. B. brachte ein Pärchen von ihnen nach Schrönbrunn und hatte sie so an sich gewöhnt, daß sie augen-
blicklich herbeigeflogen kamen, wenn er ihnen eine Dattel vorhielt. Auch von Fremden ließen sie sich
streicheln und ihr Fell krauen.

Alte ausgewachsene Flughunde dieser Art erreichen selten mehr als sechs Zoll Körperlänge und
eine Flugweite von drei Fuß. Sie zeichnen sich durch einen sehr kurzen Schwanz aus. Der kurze,
weiche Pelz ist oben lichtgraubraun, unten viel heller, an den Seiten und Armen blaßgelblich, die
Flughäute sind graubraun.

Bis jetzt hat man ungefähr dreißig Arten dieser Familie unterschieden, höchst wahrscheinlich aber
giebt es deren noch weit mehr.



Eine zweite Familie unserer Ordnung hat den Namen Glattnasen (Gymnorhina) erhalten.

Bei ihnen ist die Nase und der Nasenrücken glatt ohne häutigen Ansatz; im Jnnern des Ohres
erhebt sich ein Blättchen. Der Zwischenkiefer ist durch eine tiefe Einbuchtung in zwei Aeste getrennt.
die stets mit dem Oberkiefer verwachsen sind. Bei einigen Sippen sind die Ohren auf der Mitte des
Scheitels in einander verwachsen, bei anderen getrennt; bei diesen öffnen sich die Nasenlöcher oben
auf der Schnauzenspitze, bei jenen vorn unter der Schnauzenspitze u. s. w. Wollten wir alle Merk-
male der verschiedenen Sippen aufzählen, wir müßten seitenlange Beschreibungen geben. -- Die
Familie verbreitet sich über die ganze Erde mit alleiniger Ausnahme der kalten Gürtel. Jhre Arten-
zahl ist außerordentlich groß, und bei weitem die meisten unserer einheimischen Fledermäuse gehören
ihr zu. Noch zahlreicher treten die Glattnasen in den südlicheren Gegenden auf. Der Aufenthalt
ist sehr verschieden; doch werden dunkele, möglichst einfame Orte anderen vorgezogen. Manche Arten
finden sich in Wäldern oder auch in hohlen Feldbäumen zwischen dem Holze und der Rinde, leben in
den Blättern dicht belaubter Baumkronen, andere in Felshöhlen und Schluchten, und wieder andere
in unterirdischen Gewölben alter verlassener, einsamer oder nur zeitweilig besuchter Gebäude, nament-
lich Kirchen u. s. w. Sie wohnen ebensowohl in bergigen und felsigen, wie in ebenen Gegenden,
ebenso in der Nähe von Seen, als in der Nähe von Wäldern, selbst an der Küste des Meeres. Die

Die Flatterthiere. Flughunde. Kalong. — Glattnaſen.
trotz aller wiſſenſchaftlichen Werke und Anſtalten, die wir beſitzen, uns durch ſo plumpe Lügen
täuſchen, bezüglich herbeilocken laſſen, und daß es Herausgeber von Zeitungen giebt, welche ſolchen
Unſinn unterſtützen, ſich alſo ſelbſt ein trauriges Zeugniß ihrer eigenen Unwiſſenheit ausſtellen.

Jch habe auf meinen Reiſen in Afrika nur einen einzigen Flatterhund kennen lernen, den egyp-
tiſchen
(Pteropus aegyptiacus). Derſelbe ſteht allerdings weit hinter ſeinem aſiatiſchen Verwandten
zurück. Er iſt kaum halb ſo groß, ähnelt ihm aber in ſeinem Weſen und in ſeiner Lebensweiſe voll-
ſtändig. Namentlich im Delta iſt er nicht ſelten. Jn den Naturgeſchichten wird angegeben, daß er
bei Tage in den Gewölben der Piramiden Herberge ſuche. Dies iſt entſchieden unwahr: er ſchläft wie
ſeine Gattungsverwandten auf Bäumen. Jn großen Zügen kommt er niemals vor.

Es war uns ein eigenthümlicher Genuß, an den ſchönen, lauen Sommerabenden Egyptens die
Flughunde zu belauſchen, wenn ſie über die ſonſt von Niemand benutzten Früchte der Sikomoren
herfielen und in den laubigen, ſchönen Kronen dieſer Bäume ihre Abendmahlzeit hielten. Meine
Diener, zwei Deutſche, ſchienen anfangs auch gewillt zu ſein, in den Thieren die entſetzlichen Blut-
ſauger zu erblicken, und verfolgten ſie zuerſt aus Rachegefühlen, ſpäter aber wirklich nur aus Freude
an der anziehenden Jagd; ſie ſtanden oft bis Mitternacht auf dem Anſtand. Wir erlegten ſehr viele
und anfangs ohne große Mühe, ſpäter aber wurden die Flughunde ſcheu und kamen ſtets nur ſtill
und gewöhnlich von entgegengeſetzter Seite angeflogen, ſo daß es ſehr ſchwer hielt, ſie in den dunklen
Baumkronen wahrzunehmen. Die Flügellahmgeſchoſſenen kreiſchten laut, biſſen lebhaft und auch
ziemlich empfindlich um ſich. Meine Gefangenen ſtarben immer nach ſehr kurzer Zeit. Andere Forſcher
haben daſſelbe Thier aber oft lang lebend erhalten und ſehr zahm und zutraulich gemacht. Zelebor
z. B. brachte ein Pärchen von ihnen nach Schrönbrunn und hatte ſie ſo an ſich gewöhnt, daß ſie augen-
blicklich herbeigeflogen kamen, wenn er ihnen eine Dattel vorhielt. Auch von Fremden ließen ſie ſich
ſtreicheln und ihr Fell krauen.

Alte ausgewachſene Flughunde dieſer Art erreichen ſelten mehr als ſechs Zoll Körperlänge und
eine Flugweite von drei Fuß. Sie zeichnen ſich durch einen ſehr kurzen Schwanz aus. Der kurze,
weiche Pelz iſt oben lichtgraubraun, unten viel heller, an den Seiten und Armen blaßgelblich, die
Flughäute ſind graubraun.

Bis jetzt hat man ungefähr dreißig Arten dieſer Familie unterſchieden, höchſt wahrſcheinlich aber
giebt es deren noch weit mehr.



Eine zweite Familie unſerer Ordnung hat den Namen Glattnaſen (Gymnorhina) erhalten.

Bei ihnen iſt die Naſe und der Naſenrücken glatt ohne häutigen Anſatz; im Jnnern des Ohres
erhebt ſich ein Blättchen. Der Zwiſchenkiefer iſt durch eine tiefe Einbuchtung in zwei Aeſte getrennt.
die ſtets mit dem Oberkiefer verwachſen ſind. Bei einigen Sippen ſind die Ohren auf der Mitte des
Scheitels in einander verwachſen, bei anderen getrennt; bei dieſen öffnen ſich die Naſenlöcher oben
auf der Schnauzenſpitze, bei jenen vorn unter der Schnauzenſpitze u. ſ. w. Wollten wir alle Merk-
male der verſchiedenen Sippen aufzählen, wir müßten ſeitenlange Beſchreibungen geben. — Die
Familie verbreitet ſich über die ganze Erde mit alleiniger Ausnahme der kalten Gürtel. Jhre Arten-
zahl iſt außerordentlich groß, und bei weitem die meiſten unſerer einheimiſchen Fledermäuſe gehören
ihr zu. Noch zahlreicher treten die Glattnaſen in den ſüdlicheren Gegenden auf. Der Aufenthalt
iſt ſehr verſchieden; doch werden dunkele, möglichſt einfame Orte anderen vorgezogen. Manche Arten
finden ſich in Wäldern oder auch in hohlen Feldbäumen zwiſchen dem Holze und der Rinde, leben in
den Blättern dicht belaubter Baumkronen, andere in Felshöhlen und Schluchten, und wieder andere
in unterirdiſchen Gewölben alter verlaſſener, einſamer oder nur zeitweilig beſuchter Gebäude, nament-
lich Kirchen u. ſ. w. Sie wohnen ebenſowohl in bergigen und felſigen, wie in ebenen Gegenden,
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[166/0224] Die Flatterthiere. Flughunde. Kalong. — Glattnaſen. trotz aller wiſſenſchaftlichen Werke und Anſtalten, die wir beſitzen, uns durch ſo plumpe Lügen täuſchen, bezüglich herbeilocken laſſen, und daß es Herausgeber von Zeitungen giebt, welche ſolchen Unſinn unterſtützen, ſich alſo ſelbſt ein trauriges Zeugniß ihrer eigenen Unwiſſenheit ausſtellen. Jch habe auf meinen Reiſen in Afrika nur einen einzigen Flatterhund kennen lernen, den egyp- tiſchen (Pteropus aegyptiacus). Derſelbe ſteht allerdings weit hinter ſeinem aſiatiſchen Verwandten zurück. Er iſt kaum halb ſo groß, ähnelt ihm aber in ſeinem Weſen und in ſeiner Lebensweiſe voll- ſtändig. Namentlich im Delta iſt er nicht ſelten. Jn den Naturgeſchichten wird angegeben, daß er bei Tage in den Gewölben der Piramiden Herberge ſuche. Dies iſt entſchieden unwahr: er ſchläft wie ſeine Gattungsverwandten auf Bäumen. Jn großen Zügen kommt er niemals vor. Es war uns ein eigenthümlicher Genuß, an den ſchönen, lauen Sommerabenden Egyptens die Flughunde zu belauſchen, wenn ſie über die ſonſt von Niemand benutzten Früchte der Sikomoren herfielen und in den laubigen, ſchönen Kronen dieſer Bäume ihre Abendmahlzeit hielten. Meine Diener, zwei Deutſche, ſchienen anfangs auch gewillt zu ſein, in den Thieren die entſetzlichen Blut- ſauger zu erblicken, und verfolgten ſie zuerſt aus Rachegefühlen, ſpäter aber wirklich nur aus Freude an der anziehenden Jagd; ſie ſtanden oft bis Mitternacht auf dem Anſtand. Wir erlegten ſehr viele und anfangs ohne große Mühe, ſpäter aber wurden die Flughunde ſcheu und kamen ſtets nur ſtill und gewöhnlich von entgegengeſetzter Seite angeflogen, ſo daß es ſehr ſchwer hielt, ſie in den dunklen Baumkronen wahrzunehmen. Die Flügellahmgeſchoſſenen kreiſchten laut, biſſen lebhaft und auch ziemlich empfindlich um ſich. Meine Gefangenen ſtarben immer nach ſehr kurzer Zeit. Andere Forſcher haben daſſelbe Thier aber oft lang lebend erhalten und ſehr zahm und zutraulich gemacht. Zelebor z. B. brachte ein Pärchen von ihnen nach Schrönbrunn und hatte ſie ſo an ſich gewöhnt, daß ſie augen- blicklich herbeigeflogen kamen, wenn er ihnen eine Dattel vorhielt. Auch von Fremden ließen ſie ſich ſtreicheln und ihr Fell krauen. Alte ausgewachſene Flughunde dieſer Art erreichen ſelten mehr als ſechs Zoll Körperlänge und eine Flugweite von drei Fuß. Sie zeichnen ſich durch einen ſehr kurzen Schwanz aus. Der kurze, weiche Pelz iſt oben lichtgraubraun, unten viel heller, an den Seiten und Armen blaßgelblich, die Flughäute ſind graubraun. Bis jetzt hat man ungefähr dreißig Arten dieſer Familie unterſchieden, höchſt wahrſcheinlich aber giebt es deren noch weit mehr. Eine zweite Familie unſerer Ordnung hat den Namen Glattnaſen (Gymnorhina) erhalten. Bei ihnen iſt die Naſe und der Naſenrücken glatt ohne häutigen Anſatz; im Jnnern des Ohres erhebt ſich ein Blättchen. Der Zwiſchenkiefer iſt durch eine tiefe Einbuchtung in zwei Aeſte getrennt. die ſtets mit dem Oberkiefer verwachſen ſind. Bei einigen Sippen ſind die Ohren auf der Mitte des Scheitels in einander verwachſen, bei anderen getrennt; bei dieſen öffnen ſich die Naſenlöcher oben auf der Schnauzenſpitze, bei jenen vorn unter der Schnauzenſpitze u. ſ. w. Wollten wir alle Merk- male der verſchiedenen Sippen aufzählen, wir müßten ſeitenlange Beſchreibungen geben. — Die Familie verbreitet ſich über die ganze Erde mit alleiniger Ausnahme der kalten Gürtel. Jhre Arten- zahl iſt außerordentlich groß, und bei weitem die meiſten unſerer einheimiſchen Fledermäuſe gehören ihr zu. Noch zahlreicher treten die Glattnaſen in den ſüdlicheren Gegenden auf. Der Aufenthalt iſt ſehr verſchieden; doch werden dunkele, möglichſt einfame Orte anderen vorgezogen. Manche Arten finden ſich in Wäldern oder auch in hohlen Feldbäumen zwiſchen dem Holze und der Rinde, leben in den Blättern dicht belaubter Baumkronen, andere in Felshöhlen und Schluchten, und wieder andere in unterirdiſchen Gewölben alter verlaſſener, einſamer oder nur zeitweilig beſuchter Gebäude, nament- lich Kirchen u. ſ. w. Sie wohnen ebenſowohl in bergigen und felſigen, wie in ebenen Gegenden, ebenſo in der Nähe von Seen, als in der Nähe von Wäldern, ſelbſt an der Küſte des Meeres. Die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/224>, abgerufen am 25.11.2024.