Während des Sommers kehren unsere Fledermäuse in der Regel täglich nach demselben Schlupf- winkel zurück, verlassen diesen jedoch nach einer Störung für lange Zeit oder für immer.
Mit Eintritt der Kälte fallen alle Fledermäuse, welche nicht wandern, in einen mehr oder weniger tiefen Winterschlaf. Jede Art sucht sich hierzu einen möglichst vor den Einflüssen der Witte- rung geschützten Schlupfwinkel auf: Höhlen, Kellergewölbe, warme Dächer, Dachsparren in der Nähe von Essen und dergleichen. Hier sindet man sie in Klumpen, oft zu Hunderten, an den Hinterbeinen aufgehängt und dicht zusammengedrängt, manchmal auch mit anderen Arten vereinigt, selbstverständ- lich nur mit solchen, mit welchen sie immer in freundschaftlichen Verhältnissen zusammenleben. Höchst selten gesellen sich auch Arten, welche sonst mit einander in offener Fehde leben. Jhre Blut- wärme sinkt mit der Wärme der äußern Luft herab, nicht selten bis auf vier, ja wie man sagt, bis auf einen Grad Reaumur, während die Blutwärme sonst 243/4 Grad Reaumur ist, und nun erstarren sie. Wenn aber die äußere Kälte so groß wird, daß das ohnehin nur noch gering erwärmte Blut derselben nicht mehr widerstehen kann, erwachen die Fledermäuse und beginnen, sich zu regen. Nicht selten erfrieren sie aber auch, zumal gefangene, welche man einer bedeutenden Kälte aussetzt. Solange die Kälte anhält, hängen sie gang ruhig, an wärmeren Wintertagen aber beginnen sie, sich zu rühren, und manche Arten fliegen zuweilen mitten im Winter bei Thauwetter und Schnee umher. Wenn sie anfangen aufzuwachen, steigt ihre Blutwärme rascher, als die Wärme der Luft. Nach der Witterung und der Verschiedenheit der Arten ist die Tiefe des Winterschlafs sehr verschieden. Nur wenige Arten schlafen ununterbrochen und, wie es scheint, die größeren Arten länger, als die kleineren. Die Zeit, in welcher die erwachenden Fledermäuse im Frühjahr wieder zum Vorschein kommen, ist sehr verschieden. Die kleineren Arten erscheinen zuerst, die größeren später.
Schon wenige Wochen nach dem Ausfliegen im Frühjahr macht sich die Liebe geltend. Die Thiere leben jetzt paarweise und begatten sich. Unter starkem und schwirrendem Geschrei verfolgen die Männchen ihre Weibchen, jagen und necken sie, stürzen sich mit ihnen aus der Luft herab und treiben allerhand Kurzweil. Wahrscheinlich geschieht die Begattung selbst sitzend in Löchern; bisher hat sie noch kein Naturforscher beobachtet. Bald nach ihr trennen sich beide Geschlechter, und die Weibchen bewohnen nun gemeinschaftliche Schlupfwinkel, während die Männchen mehr einzeln, oft in ganz anderen Gegenden umherstreifen. Mein Vater beobachtete, daß letztere nach der Begattung ganz für sich leben und stets einzeln, während die Weibchen sich zusammenrotten und gemeinschaftlich in den Höhlungen der Bäume oder in anderen Schlupfwinkeln wohnen; er hält es für sehr wahrschein- lich, daß keine männliche Fledermaus in die Frauengemächer eindringen darf. Unter Dutzenden von Fledermäusen, welche zusammen gefunden wurden, fand er und später auch Kaup niemals ein Männchen, sondern immer nur trächtige Weibchen.
Wenige Wochen nach der Begattung (man nimmt an, nach fünf bis sechs) werden die Jungen geboren. Man hat Dies in der Gefangenschaft mehrere Male beobachtet. Das kreisende Weibchen hängt sich gegen seine Gewohnheit mit der scharfen Kralle beider Daumen der Hände auf, krümmt den Schwanz mit seiner Flatterhaut gegen den Bauch und bildet somit einen Sack oder ein Becken, in welches das zu Tage kommende Junge fällt. Sogleich nach der Geburt beißt die Alte den Nabel- strang durch, und das Junge häkelt sich, nachdem es von der Mutter abgeleckt worden ist, an der Brust fest und saugt. Die blattnäsigen Fledermausweibchen haben in der Nähe der Schamtheile zwei kurze, zitzenartige Anhängsel von drüsiger Beschaffenheit, an welche sich die Jungen während der Geburt sofort ansaugen, um nicht auf die Erde zu fallen, weil diese Fledermäuse während des Ge- bärens ihren Schwanz zwischen den beiden eng an einander gehaltenen Beinen zurück auf den Rücken schlagen und keine Tasche für das an das Licht tretende Junge bilden. Später kriechen auch diese Jungen zu den Brustzitzen hinauf und saugen sich dort fest.
Alle Flatterthiere tragen ihre Jungen während ihres Fliegens mit sich herum und zwar ziemlich lange Zeit, selbst dann noch, wenn die kleinen Thiere bereits selbst recht hübsch flattern können und zeitweilig die Brust der Alten verlassen. Daß Letzteres geschieht, habe ich an Fledermäusen
Während des Sommers kehren unſere Fledermäuſe in der Regel täglich nach demſelben Schlupf- winkel zurück, verlaſſen dieſen jedoch nach einer Störung für lange Zeit oder für immer.
Mit Eintritt der Kälte fallen alle Fledermäuſe, welche nicht wandern, in einen mehr oder weniger tiefen Winterſchlaf. Jede Art ſucht ſich hierzu einen möglichſt vor den Einflüſſen der Witte- rung geſchützten Schlupfwinkel auf: Höhlen, Kellergewölbe, warme Dächer, Dachſparren in der Nähe von Eſſen und dergleichen. Hier ſindet man ſie in Klumpen, oft zu Hunderten, an den Hinterbeinen aufgehängt und dicht zuſammengedrängt, manchmal auch mit anderen Arten vereinigt, ſelbſtverſtänd- lich nur mit ſolchen, mit welchen ſie immer in freundſchaftlichen Verhältniſſen zuſammenleben. Höchſt ſelten geſellen ſich auch Arten, welche ſonſt mit einander in offener Fehde leben. Jhre Blut- wärme ſinkt mit der Wärme der äußern Luft herab, nicht ſelten bis auf vier, ja wie man ſagt, bis auf einen Grad Reaumur, während die Blutwärme ſonſt 24¾ Grad Reaumur iſt, und nun erſtarren ſie. Wenn aber die äußere Kälte ſo groß wird, daß das ohnehin nur noch gering erwärmte Blut derſelben nicht mehr widerſtehen kann, erwachen die Fledermäuſe und beginnen, ſich zu regen. Nicht ſelten erfrieren ſie aber auch, zumal gefangene, welche man einer bedeutenden Kälte ausſetzt. Solange die Kälte anhält, hängen ſie gang ruhig, an wärmeren Wintertagen aber beginnen ſie, ſich zu rühren, und manche Arten fliegen zuweilen mitten im Winter bei Thauwetter und Schnee umher. Wenn ſie anfangen aufzuwachen, ſteigt ihre Blutwärme raſcher, als die Wärme der Luft. Nach der Witterung und der Verſchiedenheit der Arten iſt die Tiefe des Winterſchlafs ſehr verſchieden. Nur wenige Arten ſchlafen ununterbrochen und, wie es ſcheint, die größeren Arten länger, als die kleineren. Die Zeit, in welcher die erwachenden Fledermäuſe im Frühjahr wieder zum Vorſchein kommen, iſt ſehr verſchieden. Die kleineren Arten erſcheinen zuerſt, die größeren ſpäter.
Schon wenige Wochen nach dem Ausfliegen im Frühjahr macht ſich die Liebe geltend. Die Thiere leben jetzt paarweiſe und begatten ſich. Unter ſtarkem und ſchwirrendem Geſchrei verfolgen die Männchen ihre Weibchen, jagen und necken ſie, ſtürzen ſich mit ihnen aus der Luft herab und treiben allerhand Kurzweil. Wahrſcheinlich geſchieht die Begattung ſelbſt ſitzend in Löchern; bisher hat ſie noch kein Naturforſcher beobachtet. Bald nach ihr trennen ſich beide Geſchlechter, und die Weibchen bewohnen nun gemeinſchaftliche Schlupfwinkel, während die Männchen mehr einzeln, oft in ganz anderen Gegenden umherſtreifen. Mein Vater beobachtete, daß letztere nach der Begattung ganz für ſich leben und ſtets einzeln, während die Weibchen ſich zuſammenrotten und gemeinſchaftlich in den Höhlungen der Bäume oder in anderen Schlupfwinkeln wohnen; er hält es für ſehr wahrſchein- lich, daß keine männliche Fledermaus in die Frauengemächer eindringen darf. Unter Dutzenden von Fledermäuſen, welche zuſammen gefunden wurden, fand er und ſpäter auch Kaup niemals ein Männchen, ſondern immer nur trächtige Weibchen.
Wenige Wochen nach der Begattung (man nimmt an, nach fünf bis ſechs) werden die Jungen geboren. Man hat Dies in der Gefangenſchaft mehrere Male beobachtet. Das kreiſende Weibchen hängt ſich gegen ſeine Gewohnheit mit der ſcharfen Kralle beider Daumen der Hände auf, krümmt den Schwanz mit ſeiner Flatterhaut gegen den Bauch und bildet ſomit einen Sack oder ein Becken, in welches das zu Tage kommende Junge fällt. Sogleich nach der Geburt beißt die Alte den Nabel- ſtrang durch, und das Junge häkelt ſich, nachdem es von der Mutter abgeleckt worden iſt, an der Bruſt feſt und ſaugt. Die blattnäſigen Fledermausweibchen haben in der Nähe der Schamtheile zwei kurze, zitzenartige Anhängſel von drüſiger Beſchaffenheit, an welche ſich die Jungen während der Geburt ſofort anſaugen, um nicht auf die Erde zu fallen, weil dieſe Fledermäuſe während des Ge- bärens ihren Schwanz zwiſchen den beiden eng an einander gehaltenen Beinen zurück auf den Rücken ſchlagen und keine Taſche für das an das Licht tretende Junge bilden. Später kriechen auch dieſe Jungen zu den Bruſtzitzen hinauf und ſaugen ſich dort feſt.
Alle Flatterthiere tragen ihre Jungen während ihres Fliegens mit ſich herum und zwar ziemlich lange Zeit, ſelbſt dann noch, wenn die kleinen Thiere bereits ſelbſt recht hübſch flattern können und zeitweilig die Bruſt der Alten verlaſſen. Daß Letzteres geſchieht, habe ich an Fledermäuſen
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0217"n="159"/><fwplace="top"type="header">Wanderungen. Wärmebedürfniß. Winterſchlaf. Zeugung. Sinne.</fw><lb/>
Während des Sommers kehren unſere Fledermäuſe in der Regel täglich nach demſelben Schlupf-<lb/>
winkel zurück, verlaſſen dieſen jedoch nach einer Störung für lange Zeit oder für immer.</p><lb/><p>Mit Eintritt der Kälte fallen alle Fledermäuſe, welche nicht wandern, in einen mehr oder<lb/>
weniger tiefen Winterſchlaf. Jede Art ſucht ſich hierzu einen möglichſt vor den Einflüſſen der Witte-<lb/>
rung geſchützten Schlupfwinkel auf: Höhlen, Kellergewölbe, warme Dächer, Dachſparren in der Nähe<lb/>
von Eſſen und dergleichen. Hier ſindet man ſie in Klumpen, oft zu Hunderten, an den Hinterbeinen<lb/>
aufgehängt und dicht zuſammengedrängt, manchmal auch mit anderen Arten vereinigt, ſelbſtverſtänd-<lb/>
lich nur mit ſolchen, mit welchen ſie immer in freundſchaftlichen Verhältniſſen zuſammenleben. Höchſt<lb/>ſelten geſellen ſich auch Arten, welche ſonſt mit einander in offener Fehde leben. Jhre Blut-<lb/>
wärme ſinkt mit der Wärme der äußern Luft herab, nicht ſelten bis auf vier, ja wie man ſagt,<lb/>
bis auf einen Grad Reaumur, während die Blutwärme ſonſt 24¾ Grad Reaumur iſt, und nun<lb/>
erſtarren ſie. Wenn aber die äußere Kälte ſo groß wird, daß das ohnehin nur noch gering erwärmte<lb/>
Blut derſelben nicht mehr widerſtehen kann, erwachen die Fledermäuſe und beginnen, ſich zu regen.<lb/>
Nicht ſelten erfrieren ſie aber auch, zumal gefangene, welche man einer bedeutenden Kälte ausſetzt.<lb/>
Solange die Kälte anhält, hängen ſie gang ruhig, an wärmeren Wintertagen aber beginnen ſie, ſich<lb/>
zu rühren, und manche Arten fliegen zuweilen mitten im Winter bei Thauwetter und Schnee umher.<lb/>
Wenn ſie anfangen aufzuwachen, ſteigt ihre Blutwärme raſcher, als die Wärme der Luft. Nach der<lb/>
Witterung und der Verſchiedenheit der Arten iſt die Tiefe des Winterſchlafs ſehr verſchieden. Nur<lb/>
wenige Arten ſchlafen ununterbrochen und, wie es ſcheint, die größeren Arten länger, als die kleineren.<lb/>
Die Zeit, in welcher die erwachenden Fledermäuſe im Frühjahr wieder zum Vorſchein kommen, iſt ſehr<lb/>
verſchieden. Die kleineren Arten erſcheinen zuerſt, die größeren ſpäter.</p><lb/><p>Schon wenige Wochen nach dem Ausfliegen im Frühjahr macht ſich die Liebe geltend. Die<lb/>
Thiere leben jetzt paarweiſe und begatten ſich. Unter ſtarkem und ſchwirrendem Geſchrei verfolgen die<lb/>
Männchen ihre Weibchen, jagen und necken ſie, ſtürzen ſich mit ihnen aus der Luft herab und treiben<lb/>
allerhand Kurzweil. Wahrſcheinlich geſchieht die Begattung ſelbſt ſitzend in Löchern; bisher hat ſie<lb/>
noch kein Naturforſcher beobachtet. Bald nach ihr trennen ſich beide Geſchlechter, und die Weibchen<lb/>
bewohnen nun gemeinſchaftliche Schlupfwinkel, während die Männchen mehr einzeln, oft in ganz<lb/>
anderen Gegenden umherſtreifen. Mein Vater beobachtete, daß letztere nach der Begattung ganz für<lb/>ſich leben und ſtets einzeln, während die Weibchen ſich zuſammenrotten und gemeinſchaftlich in den<lb/>
Höhlungen der Bäume oder in anderen Schlupfwinkeln wohnen; er hält es für ſehr wahrſchein-<lb/>
lich, daß <hirendition="#g">keine</hi> männliche Fledermaus in die Frauengemächer eindringen darf. Unter Dutzenden<lb/>
von Fledermäuſen, welche zuſammen gefunden wurden, fand er und ſpäter auch <hirendition="#g">Kaup</hi> niemals ein<lb/>
Männchen, ſondern immer nur trächtige Weibchen.</p><lb/><p>Wenige Wochen nach der Begattung (man nimmt an, nach fünf bis ſechs) werden die Jungen<lb/>
geboren. Man hat Dies in der Gefangenſchaft mehrere Male beobachtet. Das kreiſende Weibchen<lb/>
hängt ſich gegen ſeine Gewohnheit mit der ſcharfen Kralle beider Daumen der Hände auf, krümmt<lb/>
den Schwanz mit ſeiner Flatterhaut gegen den Bauch und bildet ſomit einen Sack oder ein Becken,<lb/>
in welches das zu Tage kommende Junge fällt. Sogleich nach der Geburt beißt die Alte den Nabel-<lb/>ſtrang durch, und das Junge häkelt ſich, nachdem es von der Mutter abgeleckt worden iſt, an der<lb/>
Bruſt feſt und ſaugt. Die blattnäſigen Fledermausweibchen haben in der Nähe der Schamtheile<lb/>
zwei kurze, zitzenartige Anhängſel von drüſiger Beſchaffenheit, an welche ſich die Jungen während der<lb/>
Geburt ſofort anſaugen, um nicht auf die Erde zu fallen, weil dieſe Fledermäuſe während des Ge-<lb/>
bärens ihren Schwanz zwiſchen den beiden eng an einander gehaltenen Beinen zurück auf den Rücken<lb/>ſchlagen und keine Taſche für das an das Licht tretende Junge bilden. Später kriechen auch dieſe<lb/>
Jungen zu den Bruſtzitzen hinauf und ſaugen ſich dort feſt.</p><lb/><p>Alle Flatterthiere tragen ihre Jungen während ihres Fliegens mit ſich herum und zwar ziemlich<lb/>
lange Zeit, ſelbſt dann noch, wenn die kleinen Thiere bereits ſelbſt recht hübſch flattern können<lb/>
und zeitweilig die Bruſt der Alten verlaſſen. Daß Letzteres geſchieht, habe ich an Fledermäuſen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[159/0217]
Wanderungen. Wärmebedürfniß. Winterſchlaf. Zeugung. Sinne.
Während des Sommers kehren unſere Fledermäuſe in der Regel täglich nach demſelben Schlupf-
winkel zurück, verlaſſen dieſen jedoch nach einer Störung für lange Zeit oder für immer.
Mit Eintritt der Kälte fallen alle Fledermäuſe, welche nicht wandern, in einen mehr oder
weniger tiefen Winterſchlaf. Jede Art ſucht ſich hierzu einen möglichſt vor den Einflüſſen der Witte-
rung geſchützten Schlupfwinkel auf: Höhlen, Kellergewölbe, warme Dächer, Dachſparren in der Nähe
von Eſſen und dergleichen. Hier ſindet man ſie in Klumpen, oft zu Hunderten, an den Hinterbeinen
aufgehängt und dicht zuſammengedrängt, manchmal auch mit anderen Arten vereinigt, ſelbſtverſtänd-
lich nur mit ſolchen, mit welchen ſie immer in freundſchaftlichen Verhältniſſen zuſammenleben. Höchſt
ſelten geſellen ſich auch Arten, welche ſonſt mit einander in offener Fehde leben. Jhre Blut-
wärme ſinkt mit der Wärme der äußern Luft herab, nicht ſelten bis auf vier, ja wie man ſagt,
bis auf einen Grad Reaumur, während die Blutwärme ſonſt 24¾ Grad Reaumur iſt, und nun
erſtarren ſie. Wenn aber die äußere Kälte ſo groß wird, daß das ohnehin nur noch gering erwärmte
Blut derſelben nicht mehr widerſtehen kann, erwachen die Fledermäuſe und beginnen, ſich zu regen.
Nicht ſelten erfrieren ſie aber auch, zumal gefangene, welche man einer bedeutenden Kälte ausſetzt.
Solange die Kälte anhält, hängen ſie gang ruhig, an wärmeren Wintertagen aber beginnen ſie, ſich
zu rühren, und manche Arten fliegen zuweilen mitten im Winter bei Thauwetter und Schnee umher.
Wenn ſie anfangen aufzuwachen, ſteigt ihre Blutwärme raſcher, als die Wärme der Luft. Nach der
Witterung und der Verſchiedenheit der Arten iſt die Tiefe des Winterſchlafs ſehr verſchieden. Nur
wenige Arten ſchlafen ununterbrochen und, wie es ſcheint, die größeren Arten länger, als die kleineren.
Die Zeit, in welcher die erwachenden Fledermäuſe im Frühjahr wieder zum Vorſchein kommen, iſt ſehr
verſchieden. Die kleineren Arten erſcheinen zuerſt, die größeren ſpäter.
Schon wenige Wochen nach dem Ausfliegen im Frühjahr macht ſich die Liebe geltend. Die
Thiere leben jetzt paarweiſe und begatten ſich. Unter ſtarkem und ſchwirrendem Geſchrei verfolgen die
Männchen ihre Weibchen, jagen und necken ſie, ſtürzen ſich mit ihnen aus der Luft herab und treiben
allerhand Kurzweil. Wahrſcheinlich geſchieht die Begattung ſelbſt ſitzend in Löchern; bisher hat ſie
noch kein Naturforſcher beobachtet. Bald nach ihr trennen ſich beide Geſchlechter, und die Weibchen
bewohnen nun gemeinſchaftliche Schlupfwinkel, während die Männchen mehr einzeln, oft in ganz
anderen Gegenden umherſtreifen. Mein Vater beobachtete, daß letztere nach der Begattung ganz für
ſich leben und ſtets einzeln, während die Weibchen ſich zuſammenrotten und gemeinſchaftlich in den
Höhlungen der Bäume oder in anderen Schlupfwinkeln wohnen; er hält es für ſehr wahrſchein-
lich, daß keine männliche Fledermaus in die Frauengemächer eindringen darf. Unter Dutzenden
von Fledermäuſen, welche zuſammen gefunden wurden, fand er und ſpäter auch Kaup niemals ein
Männchen, ſondern immer nur trächtige Weibchen.
Wenige Wochen nach der Begattung (man nimmt an, nach fünf bis ſechs) werden die Jungen
geboren. Man hat Dies in der Gefangenſchaft mehrere Male beobachtet. Das kreiſende Weibchen
hängt ſich gegen ſeine Gewohnheit mit der ſcharfen Kralle beider Daumen der Hände auf, krümmt
den Schwanz mit ſeiner Flatterhaut gegen den Bauch und bildet ſomit einen Sack oder ein Becken,
in welches das zu Tage kommende Junge fällt. Sogleich nach der Geburt beißt die Alte den Nabel-
ſtrang durch, und das Junge häkelt ſich, nachdem es von der Mutter abgeleckt worden iſt, an der
Bruſt feſt und ſaugt. Die blattnäſigen Fledermausweibchen haben in der Nähe der Schamtheile
zwei kurze, zitzenartige Anhängſel von drüſiger Beſchaffenheit, an welche ſich die Jungen während der
Geburt ſofort anſaugen, um nicht auf die Erde zu fallen, weil dieſe Fledermäuſe während des Ge-
bärens ihren Schwanz zwiſchen den beiden eng an einander gehaltenen Beinen zurück auf den Rücken
ſchlagen und keine Taſche für das an das Licht tretende Junge bilden. Später kriechen auch dieſe
Jungen zu den Bruſtzitzen hinauf und ſaugen ſich dort feſt.
Alle Flatterthiere tragen ihre Jungen während ihres Fliegens mit ſich herum und zwar ziemlich
lange Zeit, ſelbſt dann noch, wenn die kleinen Thiere bereits ſelbſt recht hübſch flattern können
und zeitweilig die Bruſt der Alten verlaſſen. Daß Letzteres geſchieht, habe ich an Fledermäuſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/217>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.