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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Flatterthiere.
etwas aufrichten, ein oder mehrere Male in die Höhe springen und sich dann flatternd erheben. Jst
Dies ihnen geglückt, dann geht der Flug ziemlich rasch vorwärts. Wie ermüdend aber derselbe ist,
sieht man am besten daraus, daß die Fledermäuse sich oft schon nach sehr kurzem Fluge zum Ausruhen
an Baumäste, Mauervorsprünge und dergleichen anhängen und dann erst wieder ihre Bewegung
fortsetzen. Keine Fledermaus würde im Stande sein, in so ununterbrochener Weise zu fliegen, wie
z. B. ein Mauersegler, und aus diesem Grunde ist allen Flatterthieren auch eine Winterwanderung,
wie Vögel sie unternehmen, geradezu unmöglich.

Uebrigens dienen die Hände der Flatterthiere nicht einzig und allein zum Flattern, sondern
auch zum Laufen auf der Erde. Der Gang aller Flatterthiere ist zwar nicht so schlecht, als man
von vornherein annehmen möchte, bleibt aber dennoch ein erbärmliches Dahinhumpeln. Das Thier
zieht dabei die Hinterfüße unter den Leib, hebt bei seiner Bewegung den Hinterkörper und stößt da-
durch den ganzen Leib vorwärts; denn die Handwurzel und namentlich die Daumenkralle dient dem
Vorderende nur zur Stütze. Einige Arten laufen übrigens beinahe so schnell, wie eine Ratte.
Beim Klettern häkeln sich die Flatterthiere mit der scharfen Kralle des Daumens oder der Hand an und
schieben mit den Hinterfüßen wechselseitig nach. Geschickte Bewegungen und Wendungen, wie sie
solche im Fluge auszuführen fähig sind, können sie im Gehen oder Klettern nicht machen, und
auf die Hinterbeine allein können sie sich gar nicht stellen, weil das Uebergewicht des Körpers nach
vorn liegt und die Hinterbeine ganz schwächliche Gliedmaßen sind. Gleichwohl sind dieselben stark
genug, den Leib nicht blos den ganzen Tag, sondern während des Winterschlafs -- oft vier volle
Monate hindurch -- fest zu halten und zu tragen. Sehr eigenthümlich ist die Verschiedenheit der
Stellungen und Richtungen, welche die Gliedmaßen bei den verschiedenen Bewegungen annehmen können.

Nach diesen Bemerkungen müssen wir noch einmal rückwärts blicken und jetzt ausführlicher
die Behäutung der Flatterthiere, namentlich die Flatter- oder Flughaut betrachten. Sie ist die Fort-
setzung der Oberhaut, der Färbestoff- (Pigment-) Schichten und der Lederhaut beider Leibesseiten,
besteht demgemäß aus zwei Platten, von denen die eine vom Rücken, die andere von der Bauchseite
herrührt. Außer diesen beiden Platten sind in der Flatterhaut noch eine neue, elastische Haut und
zwei Muskelfaserschichten enthalten, welche zwischen den äußeren Theilen liegen. Die erst vor Kurzem
aufgefundene elastische Haut ist im hohen Grade dehnbar oder besser zusammenziehbar und zeigt bei
etwa dreihundertmaliger Vergrößerung ein höchst eigenthümliches, filzartiges Gewebe. Sie ist für
die ganze Flughaut von größter Wichtigkeit, weil durch sie die Ernährung derselben besorgt wird.
Außerdem aber wird die äußere Flatterhaut auch noch mit einer schmierigen, öligen, starkriechenden
Flüssigkeit besonders eingerieben. Diese Schmiere wird von gelben, plattgedrückten Drüsen ab-
gesondert, welche sich im Gesicht zwischen den Nasenlöchern und Augen befinden und einen oder
mehrere Ausführungskanäle besitzen. Das Thier bestreicht seine Flughaut jedesmal nach dem Er-
wachen und unmittelbar vor dem Flattern und erhält sie so stets geschmeidig und fettig. Die ganze
Haut selbst theilt man in die Vorarm-, Flanken-, Finger-, Schenkel- oder Schwanz- und Sporen-
flatterhaut; die Fingerflatterhaut zerfällt wieder in vier besondere Fächer. Ein Blick auf irgend eine
Abbildung wird diese Eintheilungen leicht erkenntlich machen.

Sehr eigenthümlich ist auch der Bau aller Haare der Handflügler. Man kann hier nicht von
Grannen- und Wollhaar sprechen. Die einzelnen Haare vereinigen den Zweck beider in sich. An
der Wurzel ist das einzelne Haar schmal und rissig, weiter oben zeigt es deutliche, schraubenartige
Umgänge, nimmt an Dicke zu, wird dann wieder schwächer, die Umgänge werden undeutlicher, das
Haar wird nochmals dicker und verschmälert sich dann endlich gegen die Spitze hin. Die Zahl der
Umgänge schwankt zwischen fünf- und elfhundert. Der Zweck dieser merkwürdigen Bauart ist leicht
zu begreifen. Sie ersetzen das fehlende Wollhaar, indem sie die von dem Körper ausströmende
erwärmte Luft an ihren breiteren Stellen abschließen, gleichsam stauen, und hierdurch dem Thiere seine
Wärme erhalten. Es ist sehr zu beachten, daß der Bau der einzelnen Haare bei den verschiedenen
Arten ebenfalls ein verschiedener ist. --

Die Flatterthiere.
etwas aufrichten, ein oder mehrere Male in die Höhe ſpringen und ſich dann flatternd erheben. Jſt
Dies ihnen geglückt, dann geht der Flug ziemlich raſch vorwärts. Wie ermüdend aber derſelbe iſt,
ſieht man am beſten daraus, daß die Fledermäuſe ſich oft ſchon nach ſehr kurzem Fluge zum Ausruhen
an Baumäſte, Mauervorſprünge und dergleichen anhängen und dann erſt wieder ihre Bewegung
fortſetzen. Keine Fledermaus würde im Stande ſein, in ſo ununterbrochener Weiſe zu fliegen, wie
z. B. ein Mauerſegler, und aus dieſem Grunde iſt allen Flatterthieren auch eine Winterwanderung,
wie Vögel ſie unternehmen, geradezu unmöglich.

Uebrigens dienen die Hände der Flatterthiere nicht einzig und allein zum Flattern, ſondern
auch zum Laufen auf der Erde. Der Gang aller Flatterthiere iſt zwar nicht ſo ſchlecht, als man
von vornherein annehmen möchte, bleibt aber dennoch ein erbärmliches Dahinhumpeln. Das Thier
zieht dabei die Hinterfüße unter den Leib, hebt bei ſeiner Bewegung den Hinterkörper und ſtößt da-
durch den ganzen Leib vorwärts; denn die Handwurzel und namentlich die Daumenkralle dient dem
Vorderende nur zur Stütze. Einige Arten laufen übrigens beinahe ſo ſchnell, wie eine Ratte.
Beim Klettern häkeln ſich die Flatterthiere mit der ſcharfen Kralle des Daumens oder der Hand an und
ſchieben mit den Hinterfüßen wechſelſeitig nach. Geſchickte Bewegungen und Wendungen, wie ſie
ſolche im Fluge auszuführen fähig ſind, können ſie im Gehen oder Klettern nicht machen, und
auf die Hinterbeine allein können ſie ſich gar nicht ſtellen, weil das Uebergewicht des Körpers nach
vorn liegt und die Hinterbeine ganz ſchwächliche Gliedmaßen ſind. Gleichwohl ſind dieſelben ſtark
genug, den Leib nicht blos den ganzen Tag, ſondern während des Winterſchlafs — oft vier volle
Monate hindurch — feſt zu halten und zu tragen. Sehr eigenthümlich iſt die Verſchiedenheit der
Stellungen und Richtungen, welche die Gliedmaßen bei den verſchiedenen Bewegungen annehmen können.

Nach dieſen Bemerkungen müſſen wir noch einmal rückwärts blicken und jetzt ausführlicher
die Behäutung der Flatterthiere, namentlich die Flatter- oder Flughaut betrachten. Sie iſt die Fort-
ſetzung der Oberhaut, der Färbeſtoff- (Pigment-) Schichten und der Lederhaut beider Leibesſeiten,
beſteht demgemäß aus zwei Platten, von denen die eine vom Rücken, die andere von der Bauchſeite
herrührt. Außer dieſen beiden Platten ſind in der Flatterhaut noch eine neue, elaſtiſche Haut und
zwei Muskelfaſerſchichten enthalten, welche zwiſchen den äußeren Theilen liegen. Die erſt vor Kurzem
aufgefundene elaſtiſche Haut iſt im hohen Grade dehnbar oder beſſer zuſammenziehbar und zeigt bei
etwa dreihundertmaliger Vergrößerung ein höchſt eigenthümliches, filzartiges Gewebe. Sie iſt für
die ganze Flughaut von größter Wichtigkeit, weil durch ſie die Ernährung derſelben beſorgt wird.
Außerdem aber wird die äußere Flatterhaut auch noch mit einer ſchmierigen, öligen, ſtarkriechenden
Flüſſigkeit beſonders eingerieben. Dieſe Schmiere wird von gelben, plattgedrückten Drüſen ab-
geſondert, welche ſich im Geſicht zwiſchen den Naſenlöchern und Augen befinden und einen oder
mehrere Ausführungskanäle beſitzen. Das Thier beſtreicht ſeine Flughaut jedesmal nach dem Er-
wachen und unmittelbar vor dem Flattern und erhält ſie ſo ſtets geſchmeidig und fettig. Die ganze
Haut ſelbſt theilt man in die Vorarm-, Flanken-, Finger-, Schenkel- oder Schwanz- und Sporen-
flatterhaut; die Fingerflatterhaut zerfällt wieder in vier beſondere Fächer. Ein Blick auf irgend eine
Abbildung wird dieſe Eintheilungen leicht erkenntlich machen.

Sehr eigenthümlich iſt auch der Bau aller Haare der Handflügler. Man kann hier nicht von
Grannen- und Wollhaar ſprechen. Die einzelnen Haare vereinigen den Zweck beider in ſich. An
der Wurzel iſt das einzelne Haar ſchmal und riſſig, weiter oben zeigt es deutliche, ſchraubenartige
Umgänge, nimmt an Dicke zu, wird dann wieder ſchwächer, die Umgänge werden undeutlicher, das
Haar wird nochmals dicker und verſchmälert ſich dann endlich gegen die Spitze hin. Die Zahl der
Umgänge ſchwankt zwiſchen fünf- und elfhundert. Der Zweck dieſer merkwürdigen Bauart iſt leicht
zu begreifen. Sie erſetzen das fehlende Wollhaar, indem ſie die von dem Körper ausſtrömende
erwärmte Luft an ihren breiteren Stellen abſchließen, gleichſam ſtauen, und hierdurch dem Thiere ſeine
Wärme erhalten. Es iſt ſehr zu beachten, daß der Bau der einzelnen Haare bei den verſchiedenen
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[156/0214] Die Flatterthiere. etwas aufrichten, ein oder mehrere Male in die Höhe ſpringen und ſich dann flatternd erheben. Jſt Dies ihnen geglückt, dann geht der Flug ziemlich raſch vorwärts. Wie ermüdend aber derſelbe iſt, ſieht man am beſten daraus, daß die Fledermäuſe ſich oft ſchon nach ſehr kurzem Fluge zum Ausruhen an Baumäſte, Mauervorſprünge und dergleichen anhängen und dann erſt wieder ihre Bewegung fortſetzen. Keine Fledermaus würde im Stande ſein, in ſo ununterbrochener Weiſe zu fliegen, wie z. B. ein Mauerſegler, und aus dieſem Grunde iſt allen Flatterthieren auch eine Winterwanderung, wie Vögel ſie unternehmen, geradezu unmöglich. Uebrigens dienen die Hände der Flatterthiere nicht einzig und allein zum Flattern, ſondern auch zum Laufen auf der Erde. Der Gang aller Flatterthiere iſt zwar nicht ſo ſchlecht, als man von vornherein annehmen möchte, bleibt aber dennoch ein erbärmliches Dahinhumpeln. Das Thier zieht dabei die Hinterfüße unter den Leib, hebt bei ſeiner Bewegung den Hinterkörper und ſtößt da- durch den ganzen Leib vorwärts; denn die Handwurzel und namentlich die Daumenkralle dient dem Vorderende nur zur Stütze. Einige Arten laufen übrigens beinahe ſo ſchnell, wie eine Ratte. Beim Klettern häkeln ſich die Flatterthiere mit der ſcharfen Kralle des Daumens oder der Hand an und ſchieben mit den Hinterfüßen wechſelſeitig nach. Geſchickte Bewegungen und Wendungen, wie ſie ſolche im Fluge auszuführen fähig ſind, können ſie im Gehen oder Klettern nicht machen, und auf die Hinterbeine allein können ſie ſich gar nicht ſtellen, weil das Uebergewicht des Körpers nach vorn liegt und die Hinterbeine ganz ſchwächliche Gliedmaßen ſind. Gleichwohl ſind dieſelben ſtark genug, den Leib nicht blos den ganzen Tag, ſondern während des Winterſchlafs — oft vier volle Monate hindurch — feſt zu halten und zu tragen. Sehr eigenthümlich iſt die Verſchiedenheit der Stellungen und Richtungen, welche die Gliedmaßen bei den verſchiedenen Bewegungen annehmen können. Nach dieſen Bemerkungen müſſen wir noch einmal rückwärts blicken und jetzt ausführlicher die Behäutung der Flatterthiere, namentlich die Flatter- oder Flughaut betrachten. Sie iſt die Fort- ſetzung der Oberhaut, der Färbeſtoff- (Pigment-) Schichten und der Lederhaut beider Leibesſeiten, beſteht demgemäß aus zwei Platten, von denen die eine vom Rücken, die andere von der Bauchſeite herrührt. Außer dieſen beiden Platten ſind in der Flatterhaut noch eine neue, elaſtiſche Haut und zwei Muskelfaſerſchichten enthalten, welche zwiſchen den äußeren Theilen liegen. Die erſt vor Kurzem aufgefundene elaſtiſche Haut iſt im hohen Grade dehnbar oder beſſer zuſammenziehbar und zeigt bei etwa dreihundertmaliger Vergrößerung ein höchſt eigenthümliches, filzartiges Gewebe. Sie iſt für die ganze Flughaut von größter Wichtigkeit, weil durch ſie die Ernährung derſelben beſorgt wird. Außerdem aber wird die äußere Flatterhaut auch noch mit einer ſchmierigen, öligen, ſtarkriechenden Flüſſigkeit beſonders eingerieben. Dieſe Schmiere wird von gelben, plattgedrückten Drüſen ab- geſondert, welche ſich im Geſicht zwiſchen den Naſenlöchern und Augen befinden und einen oder mehrere Ausführungskanäle beſitzen. Das Thier beſtreicht ſeine Flughaut jedesmal nach dem Er- wachen und unmittelbar vor dem Flattern und erhält ſie ſo ſtets geſchmeidig und fettig. Die ganze Haut ſelbſt theilt man in die Vorarm-, Flanken-, Finger-, Schenkel- oder Schwanz- und Sporen- flatterhaut; die Fingerflatterhaut zerfällt wieder in vier beſondere Fächer. Ein Blick auf irgend eine Abbildung wird dieſe Eintheilungen leicht erkenntlich machen. Sehr eigenthümlich iſt auch der Bau aller Haare der Handflügler. Man kann hier nicht von Grannen- und Wollhaar ſprechen. Die einzelnen Haare vereinigen den Zweck beider in ſich. An der Wurzel iſt das einzelne Haar ſchmal und riſſig, weiter oben zeigt es deutliche, ſchraubenartige Umgänge, nimmt an Dicke zu, wird dann wieder ſchwächer, die Umgänge werden undeutlicher, das Haar wird nochmals dicker und verſchmälert ſich dann endlich gegen die Spitze hin. Die Zahl der Umgänge ſchwankt zwiſchen fünf- und elfhundert. Der Zweck dieſer merkwürdigen Bauart iſt leicht zu begreifen. Sie erſetzen das fehlende Wollhaar, indem ſie die von dem Körper ausſtrömende erwärmte Luft an ihren breiteren Stellen abſchließen, gleichſam ſtauen, und hierdurch dem Thiere ſeine Wärme erhalten. Es iſt ſehr zu beachten, daß der Bau der einzelnen Haare bei den verſchiedenen Arten ebenfalls ein verſchiedener iſt. —

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/214>, abgerufen am 06.05.2024.