Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Beschreibung. Heimat. Gefangenleben. und Fischen recht gut ernähren und werden gewöhnlich sehr bald außerordentlich zutraulich, doch nurgegen Diejenigen, welche sie beständig pflegen. Gegen Fremde sind sie mißtrauisch und reizbar, über- haupt sehr eigensinnig, wie ein ungezogenes Kind. Jhren Unwillen geben sie dann immer durch pfeifende Töne zu erkennen. Sie sind so furchtsam, daß ihnen der Anblick einer vorüberfliegenden Wespe schon große Angst einflößt. Alles Fremdartige überhaupt bringt sie in Aufregung. Alt gefangene Thiere zeigen sich anfangs ziemlich wild und schreien schon bei der geringsten Annäherung. Es währt auch ziemlich lange, bis man sie berühren darf. Wenn sie einmal zahm geworden sind, befreunden sie sich nicht nur mit den Menschen, sondern auch mit den Hausthieren, vor allen anderen mit den Katzen, mit welchen sie spielen und in deren Nähe sie gern schlafen, wahrscheinlich der Wärme wegen. Sie suchen sich nämlich beständig sorgfältig gegen Kälte zu schützen und tragen die ihnen dar- gereichte Baumwolle und andere Stoffe, Lumpen, wollene Flecken u. s. w. gern in einen Winkel ihres Käfigs, bereiten sich ein Lager daraus und hüllen sich dann dicht in dieses ein. Es sieht sehr hübsch aus, wenn das kleine Thier sein zierliches Köpfchen aus seinem Bettchen hervorstreckt, sobald sich ihm Bekannte mit leckeren Bissen nahen. Jn Paris paarten sich zwei dieser Aeffchen Ende Septembers, und das Weibchen warf gegen Das eben Mitgetheilte steht übrigens nicht vereinzelt da; denn der Uistiti hat in Europa schon "Der Saguin ist wie alle langschwänzigen, kleinen Meerkatzensippen der neuen Welt, sozu- Beſchreibung. Heimat. Gefangenleben. und Fiſchen recht gut ernähren und werden gewöhnlich ſehr bald außerordentlich zutraulich, doch nurgegen Diejenigen, welche ſie beſtändig pflegen. Gegen Fremde ſind ſie mißtrauiſch und reizbar, über- haupt ſehr eigenſinnig, wie ein ungezogenes Kind. Jhren Unwillen geben ſie dann immer durch pfeifende Töne zu erkennen. Sie ſind ſo furchtſam, daß ihnen der Anblick einer vorüberfliegenden Wespe ſchon große Angſt einflößt. Alles Fremdartige überhaupt bringt ſie in Aufregung. Alt gefangene Thiere zeigen ſich anfangs ziemlich wild und ſchreien ſchon bei der geringſten Annäherung. Es währt auch ziemlich lange, bis man ſie berühren darf. Wenn ſie einmal zahm geworden ſind, befreunden ſie ſich nicht nur mit den Menſchen, ſondern auch mit den Hausthieren, vor allen anderen mit den Katzen, mit welchen ſie ſpielen und in deren Nähe ſie gern ſchlafen, wahrſcheinlich der Wärme wegen. Sie ſuchen ſich nämlich beſtändig ſorgfältig gegen Kälte zu ſchützen und tragen die ihnen dar- gereichte Baumwolle und andere Stoffe, Lumpen, wollene Flecken u. ſ. w. gern in einen Winkel ihres Käfigs, bereiten ſich ein Lager daraus und hüllen ſich dann dicht in dieſes ein. Es ſieht ſehr hübſch aus, wenn das kleine Thier ſein zierliches Köpfchen aus ſeinem Bettchen hervorſtreckt, ſobald ſich ihm Bekannte mit leckeren Biſſen nahen. Jn Paris paarten ſich zwei dieſer Aeffchen Ende Septembers, und das Weibchen warf gegen Das eben Mitgetheilte ſteht übrigens nicht vereinzelt da; denn der Uiſtiti hat in Europa ſchon „Der Saguin iſt wie alle langſchwänzigen, kleinen Meerkatzenſippen der neuen Welt, ſozu- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0185" n="127"/><fw place="top" type="header">Beſchreibung. Heimat. Gefangenleben.</fw><lb/> und Fiſchen recht gut ernähren und werden gewöhnlich ſehr bald außerordentlich zutraulich, doch nur<lb/> gegen Diejenigen, welche ſie beſtändig pflegen. Gegen Fremde ſind ſie mißtrauiſch und reizbar, über-<lb/> haupt ſehr eigenſinnig, wie ein ungezogenes Kind. Jhren Unwillen geben ſie dann immer durch<lb/> pfeifende Töne zu erkennen. Sie ſind ſo furchtſam, daß ihnen der Anblick einer vorüberfliegenden<lb/> Wespe ſchon große Angſt einflößt. Alles Fremdartige überhaupt bringt ſie in Aufregung. Alt<lb/> gefangene Thiere zeigen ſich anfangs ziemlich wild und ſchreien ſchon bei der geringſten Annäherung.<lb/> Es währt auch ziemlich lange, bis man ſie berühren darf. Wenn ſie einmal zahm geworden ſind,<lb/> befreunden ſie ſich nicht nur mit den Menſchen, ſondern auch mit den Hausthieren, vor allen anderen<lb/> mit den Katzen, mit welchen ſie ſpielen und in deren Nähe ſie gern ſchlafen, wahrſcheinlich der Wärme<lb/> wegen. Sie ſuchen ſich nämlich beſtändig ſorgfältig gegen Kälte zu ſchützen und tragen die ihnen dar-<lb/> gereichte Baumwolle und andere Stoffe, Lumpen, wollene Flecken u. ſ. w. gern in einen Winkel ihres<lb/> Käfigs, bereiten ſich ein Lager daraus und hüllen ſich dann dicht in dieſes ein. Es ſieht ſehr hübſch<lb/> aus, wenn das kleine Thier ſein zierliches Köpfchen aus ſeinem Bettchen hervorſtreckt, ſobald ſich<lb/> ihm Bekannte mit leckeren Biſſen nahen.</p><lb/> <p>Jn Paris paarten ſich zwei dieſer Aeffchen Ende Septembers, und das Weibchen warf gegen<lb/> Ende Aprils, alſo nach ſieben Monaten, drei ſehende Junge, ein männliches und zwei weibliche. Die<lb/> jungen Thierchen waren mit ſehr kurzen, graulichen Haaren bekleidet, als ſie zur Welt kamen. Sie<lb/> hefteten ſich ſogleich an die Mutter und verſteckten ſich in deren Haare. Aber ehe ſie zu ſaugen be-<lb/> gannen, biß die Alte einem von ihnen den Kopf ab und fraß denſelben. Nachdem aber die beiden<lb/> anderen ſich angeſaugt hatten, nahm ſie ſich ihrer an, und der Vater that daſſelbe. Wenn der<lb/> Mutter nämlich die Jungen zu ſchwer wurden, ſtreifte ſie dieſelben an einer Wand ab, und dann ließ<lb/> ſie das Männchen ſogleich auf ſeinen Rücken klettern. Auch kam es vor, daß ſie ſich ihrem Herrn<lb/> Gemahl mit kläglichen Tönen näherte, als wolle ſie ihn bitten, ihr ihre Laſt zu erleichtern, und auch<lb/> dann zeigte ſich das Männchen ſtets willfährig. Es trug, wie ſein Weibchen, die Jungen entweder<lb/> auf dem Rücken oder unter dem Leibe und behielt ſie ſolange bei ſich, bis die Kleinen ſaugen wollten;<lb/> dann gab es dieſelben der Mutter wieder zurück. Die Mutter ſchien weniger Sorge für ihre Spröß-<lb/> linge zu haben, als der Vater, und daher mochte es wohl auch kommen, daß beide nach einander dahin<lb/> ſtarben. Schon nach einigen Wochen nämlich wurde die Alte ſehr häufig müde, ihre Kinder herumzu-<lb/> ſchleppen, und auch der geplagte Vater weigerte ſich zuletzt, die Jungen zu tragen. Nun kletterte das<lb/> kleine Volk an der Decke ſeines Käfigs hinauf. Oft verſtieg es ſich hier und konnte nicht wieder<lb/> herunterkommen, dann ſchrie es um Hilfe. Bisweilen leiſteten ihm die Eltern dieſelbe, oft aber<lb/> ließen ſie ſie auch ſchreien, ohne ſich um dieſelben zu kümmern, und die Wärter mußten nun ihr<lb/> Flehen erhören.</p><lb/> <p>Das eben Mitgetheilte ſteht übrigens nicht vereinzelt da; denn der Uiſtiti hat in Europa ſchon<lb/> mehrmals Junge gezeugt, einmal ſogar in Petersburg und unter Umſtänden, welche den Fall zu<lb/> einem ſehr merkwürdigen machen. Man hielt die Thiere ſelbſt bei ziemlich rauhen Herbſt- und Früh-<lb/> lingstagen im ungeheizten Zimmer und gab ihnen durchaus keine Freiheit; gleichwohl brachten ſie in<lb/> zwei Jahren <hi rendition="#g">dreimal</hi> Junge zur Welt und <hi rendition="#g">erzogen dieſelben auch glücklich bei geringer<lb/> Wartung,</hi> welche ihnen zu Theil wurde. Wir verdanken den Bericht hierüber dem ausgezeichneten<lb/> Naturforſcher <hi rendition="#g">Pallas,</hi> und da dieſer zugleich eine ſehr ausführliche Beſchreibung des Betragens<lb/> der Thiere ſelbſt in der Gefangenſchaft beifügt, will ich ſeine ganze Mittheilung im Auszuge hier<lb/> folgen laſſen.</p><lb/> <p>„Der Saguin iſt wie alle langſchwänzigen, kleinen Meerkatzenſippen der neuen Welt, ſozu-<lb/> ſagen weit weniger Affe, als die größeren Arten. Er ſpringt und klettert zwar ſehr ſchnell, wenn<lb/> er will, allein er iſt nicht wie andere Affen in ſo beſtändiger Unruhe und Bewegung, ſondern zeigt<lb/> zuweilen, zumal wenn er ſatt iſt und der Sonne genießen will, viel Trägheit und ſitzt in Geſell-<lb/> ſchaft ſeiner Geſpielen ganze Stunden lang ſtill, am Draht des Vogelbauers hängend. Er klettert in<lb/> allen Richtungen, oft mit dem Kopfe abwärts, allezeit mit einem ziemlich phlegmatiſchen Anſtande,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0185]
Beſchreibung. Heimat. Gefangenleben.
und Fiſchen recht gut ernähren und werden gewöhnlich ſehr bald außerordentlich zutraulich, doch nur
gegen Diejenigen, welche ſie beſtändig pflegen. Gegen Fremde ſind ſie mißtrauiſch und reizbar, über-
haupt ſehr eigenſinnig, wie ein ungezogenes Kind. Jhren Unwillen geben ſie dann immer durch
pfeifende Töne zu erkennen. Sie ſind ſo furchtſam, daß ihnen der Anblick einer vorüberfliegenden
Wespe ſchon große Angſt einflößt. Alles Fremdartige überhaupt bringt ſie in Aufregung. Alt
gefangene Thiere zeigen ſich anfangs ziemlich wild und ſchreien ſchon bei der geringſten Annäherung.
Es währt auch ziemlich lange, bis man ſie berühren darf. Wenn ſie einmal zahm geworden ſind,
befreunden ſie ſich nicht nur mit den Menſchen, ſondern auch mit den Hausthieren, vor allen anderen
mit den Katzen, mit welchen ſie ſpielen und in deren Nähe ſie gern ſchlafen, wahrſcheinlich der Wärme
wegen. Sie ſuchen ſich nämlich beſtändig ſorgfältig gegen Kälte zu ſchützen und tragen die ihnen dar-
gereichte Baumwolle und andere Stoffe, Lumpen, wollene Flecken u. ſ. w. gern in einen Winkel ihres
Käfigs, bereiten ſich ein Lager daraus und hüllen ſich dann dicht in dieſes ein. Es ſieht ſehr hübſch
aus, wenn das kleine Thier ſein zierliches Köpfchen aus ſeinem Bettchen hervorſtreckt, ſobald ſich
ihm Bekannte mit leckeren Biſſen nahen.
Jn Paris paarten ſich zwei dieſer Aeffchen Ende Septembers, und das Weibchen warf gegen
Ende Aprils, alſo nach ſieben Monaten, drei ſehende Junge, ein männliches und zwei weibliche. Die
jungen Thierchen waren mit ſehr kurzen, graulichen Haaren bekleidet, als ſie zur Welt kamen. Sie
hefteten ſich ſogleich an die Mutter und verſteckten ſich in deren Haare. Aber ehe ſie zu ſaugen be-
gannen, biß die Alte einem von ihnen den Kopf ab und fraß denſelben. Nachdem aber die beiden
anderen ſich angeſaugt hatten, nahm ſie ſich ihrer an, und der Vater that daſſelbe. Wenn der
Mutter nämlich die Jungen zu ſchwer wurden, ſtreifte ſie dieſelben an einer Wand ab, und dann ließ
ſie das Männchen ſogleich auf ſeinen Rücken klettern. Auch kam es vor, daß ſie ſich ihrem Herrn
Gemahl mit kläglichen Tönen näherte, als wolle ſie ihn bitten, ihr ihre Laſt zu erleichtern, und auch
dann zeigte ſich das Männchen ſtets willfährig. Es trug, wie ſein Weibchen, die Jungen entweder
auf dem Rücken oder unter dem Leibe und behielt ſie ſolange bei ſich, bis die Kleinen ſaugen wollten;
dann gab es dieſelben der Mutter wieder zurück. Die Mutter ſchien weniger Sorge für ihre Spröß-
linge zu haben, als der Vater, und daher mochte es wohl auch kommen, daß beide nach einander dahin
ſtarben. Schon nach einigen Wochen nämlich wurde die Alte ſehr häufig müde, ihre Kinder herumzu-
ſchleppen, und auch der geplagte Vater weigerte ſich zuletzt, die Jungen zu tragen. Nun kletterte das
kleine Volk an der Decke ſeines Käfigs hinauf. Oft verſtieg es ſich hier und konnte nicht wieder
herunterkommen, dann ſchrie es um Hilfe. Bisweilen leiſteten ihm die Eltern dieſelbe, oft aber
ließen ſie ſie auch ſchreien, ohne ſich um dieſelben zu kümmern, und die Wärter mußten nun ihr
Flehen erhören.
Das eben Mitgetheilte ſteht übrigens nicht vereinzelt da; denn der Uiſtiti hat in Europa ſchon
mehrmals Junge gezeugt, einmal ſogar in Petersburg und unter Umſtänden, welche den Fall zu
einem ſehr merkwürdigen machen. Man hielt die Thiere ſelbſt bei ziemlich rauhen Herbſt- und Früh-
lingstagen im ungeheizten Zimmer und gab ihnen durchaus keine Freiheit; gleichwohl brachten ſie in
zwei Jahren dreimal Junge zur Welt und erzogen dieſelben auch glücklich bei geringer
Wartung, welche ihnen zu Theil wurde. Wir verdanken den Bericht hierüber dem ausgezeichneten
Naturforſcher Pallas, und da dieſer zugleich eine ſehr ausführliche Beſchreibung des Betragens
der Thiere ſelbſt in der Gefangenſchaft beifügt, will ich ſeine ganze Mittheilung im Auszuge hier
folgen laſſen.
„Der Saguin iſt wie alle langſchwänzigen, kleinen Meerkatzenſippen der neuen Welt, ſozu-
ſagen weit weniger Affe, als die größeren Arten. Er ſpringt und klettert zwar ſehr ſchnell, wenn
er will, allein er iſt nicht wie andere Affen in ſo beſtändiger Unruhe und Bewegung, ſondern zeigt
zuweilen, zumal wenn er ſatt iſt und der Sonne genießen will, viel Trägheit und ſitzt in Geſell-
ſchaft ſeiner Geſpielen ganze Stunden lang ſtill, am Draht des Vogelbauers hängend. Er klettert in
allen Richtungen, oft mit dem Kopfe abwärts, allezeit mit einem ziemlich phlegmatiſchen Anſtande,
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